Zivil- und Zivilprozessrecht

Begriff des Fluges im Sinne der Fluggastrechteverordnung bei Hin- und Rückflug

Aktenzeichen  261 C 13238/16

Datum:
10.11.2016
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) 261/2004 Art. 2

 

Leitsatz

Der Begriff des Fluges iSd Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 261/2004 ist dahingehend auszulegen, dass Hin- und Rückflug getrennt voneinander auf die Anwendbarkeit hin zu überprüfen sind und auf jeden Flug einzeln abzustellen ist. Dies gilt auch dann, wenn alle Flüge von dem gleichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden und als Anschlussverbindungen gemeinsam gebucht werden.  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.05.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 1.347,33 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage erwies sich – soweit nicht von der Beklagten die Klageforderung anerkannt wurde – als unbegründet.
I. Minderungsanspruch aus § 651 d BGB
In Höhe von 61,20 € wurde die Klageforderung anerkannt. Ein darüber hinaus gehender Anspruch wegen behaupteter Rückreiseverspätung besteht nicht. Bei Unterstellung des klägerischen Vortrags lag eine Verspätung von 12 Stunden und 25 Minuten vor. Hiervon sind die ersten 4 Stunden nach ständiger Rechtsprechung als Unannehmlichkeit entschädigungslos hinzunehmen. Für jede weitere Stunde Verzögerung ist der Reisepreis um 5 % des Tagesreisepreises zu mindern (LG Frankfurt, Urteil v. 27.01.2009, Az. 2-24 S 177/08).
Ausgehend von einem Tagesreisepreis von 136,00 € (1.768,00 €/13Tage) und einer Verzögerung von 12 Stunden und 25 Minuten, sind damit auch bei Unterstellung des klägerischen Vortrags 9 Stunden Verzögerung (aufgerundet) zu entschädigen i.H.v. 5 % des Tagesreisepreises, mithin 9 × 6,80 € und damit insgesamt 61,20 €.
Damit besteht ein über den anerkannten Betrag hinausgehender Minderungsanspruch insoweit auch bei Annahme des klägerischen Vortrags nicht, so dass eine Beweisaufnahme hinsichtlich der behaupteten Verspätung nicht erforderlich war.
Soweit vorgetragen wurde, das klägerische Gepäck sei dem Kläger erst am 01.07.2015 zugesandt wurden, wurde hierdurch die Reise nicht beeinträchtigt, so dass ein Minderungsanspruch auch insoweit ausscheidet.
II. Schadenersatzanspruch aus §§ 651 f, 280 Abs. 1 BGB
Zutreffend ist, dass aufgrund des Wechsels der Fluggesellschaft dem Kläger gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen … ein Anspruch aus der Fluggastrechte-VO in Höhe von 1.200,00 € nicht zusteht.
Der Begriff des Fluges i.S.d. Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 261/2004 ist dahingehend auszulegen, dass Hin- und Rückflug getrennt voneinander auf die Anwendbarkeit hin zu überprüfen sind und auf jeden Flug einzeln abzustellen ist (EuGH, Urteil vom 10.07.2008, Az C-173/07, NJW 2008, 2697). Dies gilt auch dann, wenn alle Flüge von dem gleichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden und als Anschlussverbindungen gemeinsam gebucht werden (BGH, Urteil vom 13.11.2012, Az X ZR 12/12, NJW 2013, 682 und Urteil v. 28.05.2009, Az Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743, BGH, Urteil vom 30.04.09, Az Xa ZR 78/08, NJW 2009, 2740; vgl. auch Führich, Reiserecht, 7. Auflage, § 38, Rnr. 21 ff.). Damit ist die Fluggastrechte-VO (EG) auf den Rückflug nicht anwendbar, da es sich bei … nicht um ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft i.S.d. Art. 2 der Fluggastrechte-VO (EG) handelt.
Der damit entstandene Schaden i.H.v. 1.200,00 € wurde jedoch nicht adäquat kausal verursacht durch den von der Beklagten vorgenommenen Austausch der Fluggesellschaft. Ein innerer Zusammenhang und damit ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Handlung der Beklagten durch den Austausch der Fluggesellschaft und dem geltend gemachten Schaden besteht nicht. Der Austausch der Fluggesellschaften war nicht ursächlich für die behauptete Verspätung. Auch war der Austausch nicht ursächlich für die Entstehung einer etwaigen Schadensersatzpflicht, zurechenbare Ursache hierfür ist alleine die behauptete Verspätung. Diese stellt jedoch keine Pflichtverletzung der Beklagten dar. Damit ist der Schaden nicht durch eine Pflichtverletzung der Beklagten entstanden, eine Zurechnung kann nicht erfolgen. Das Verhalten der Beklagten mag zwar kausal i.S.d. condicio-sine-qua-non-Formel sein, dies ist jedoch bei Anwendung der Adäquanztheorie bzw. Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm nicht ausreichend (Palandt, vor § 249, Rnr. 24 ff).
Zwar ist dem Kläger insoweit zuzugeben, dass die Verbraucherrechte aus der Fluggastrechte-VO so ausgeschlossen werden. Andererseits ist der Anwendungsbereich der Fluggastrechte-VO nun einmal begrenzt und soll über den Weg der §§ 651 f, 280 Abs. 1 BGB auch nicht um weitere Schuldner, hier die Beklagte erweitert werden.
Damit kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zum Austausch der Fluggesellschaft berechtigt war und es sich bei den ausgetauschten Gesellschaften um zwei gleichwertige Gesellschaften handelt. Es ist jedoch festzustellen, dass selbst die Buchungsbestätigung den Hinweis enthält, dass „Details & Zeiten unverbindlich“ sind.
III. Nebenforderungen
Geschuldet sind nur Verzugszinsen aus dem anerkannten Betrag aus §§ 280, 286 BGB.
Weitere Nebenforderungen sind nicht geschuldet. Zum einen war die Hauptforderung im Wesentlichen nicht geschuldet. Zum anderen befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers und damit zum Zeitpunkt des Anfalls der Rechtsanwaltsgebühren und folglich zum Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht in Zahlungsverzug. Die Mängelanzeige vom 16.07.2015 stellt keine Mahnung dar. Näherer Vortrag zu einer Zahlungsverweigerung durch die Beklagte liegt nicht vor. Damit stellt das Anwaltsschreiben vom 11.05.2016 erst die verzugsbegründende Mahnung dar, deren Kosten jedoch grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind. Dies wird vom Kläger selbst bestätigt, indem Verzugszinsen erst ab dem 26.05.2016 und damit nach dem Schreiben vom 11.05.2016 beantragt wurden.
IV. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
V. Vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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