Zivil- und Zivilprozessrecht

Finanzierten Eigentumswohnungskauf im Steuersparmodell: Arglistige Täuschung des Kaufinteressenten durch Angaben im Verkaufsprospekt mit Verschleierung der Höhe einer Innenprovision; Auslegung eines formularmäßigen Vermittlungsauftrags und vorformulierter Angaben in einem Berechnungsbeispiel

Aktenzeichen  XI ZR 174/11

Datum:
5.6.2012
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 123 BGB
§ 5 AGBG vom 09.12.1976
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 10. März 2011, Az: 8 U 54/10vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 8. März 2010, Az: 9 O 1121/05

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 10. März 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Ausgenommen hiervon sind die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 in den Rechtsmittelverfahren. Diese hat die Beklagte zu 2 selbst zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, die im Zusammenhang mit dem von der Beklagten zu 2 finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung errichtet wurden. Die Beklagte zu 1 ist Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu 2.
2
Der Kläger wurde 1992 von einem Anlagenvermittler geworben, zwecks Steuerersparnis eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in der Wohnanlage M.          in O.     zu erwerben. Das Auftragsformular des Vermittlers und das von ihm verwandte Berechnungsbeispiel weisen eine an den Vermittler zu zahlende Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3% zzgl. Umsatzsteuer aus. Im Vermittlungsauftrag heißt es außerdem:
“Die Vertriebsbeauftragte hat ihrerseits verschiedene Vermittler beauftragt, die als Nachweismakler für diese und als Vermittlungsmakler für den/die Erwerber tätig werden. Der jeweilige Vermittler ist berechtigt, vom Auftraggeber eine Bearbeitungsgebühr von 3% des kalkulierten Aufwandes zzgl. Umsatzsteuer in jeweiliger Höhe auf eigene Rechnung zu vereinnahmen.”
3
In den auf der Rückseite des Vermittlungsauftrags abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird unter “IV. Vergütung, Provision” unter anderem ausgeführt:
“Der Vermittler hat in der Regel einen Vergütungsanspruch gegenüber den vorgenannten Prospektanbietern, Beteiligungs- oder Betriebsgesellschaften auf der Grundlage der mit diesen geschlossenen Verträgen.”
4
Des Weiteren verwandte der Vermittler einen Verkaufsprospekt, der hinsichtlich des kalkulierten Gesamtaufwandes folgende Angaben enthält:
VIII. Aufteilung (in %) des kalkulierten Gesamtaufwandes, der sich aufgrund der vorgesehenen Konzeption ergibt:
        
        
100,00
a) 
Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing
        
76,70
b)
Technische Baubetreuung
        
 0,25
c)
Konzeption, Aufbereitung, Prospektgestaltung               
        
1,50
d)
Finanzierungsvermittlung
        
4,00
davon für:- Zwischenfinanzierung- Endfinanzierung- EK-Vorfinanzierung
 1,802,000,20
        
e)
Nebenkostengarantie
        
0,50
f)
Zinsgarantie
        
     2,00
davon für Leistungen:- gem. Ziff. II. des  Zinsgarantievertrages- gemäß Ziff. III. des  Zinsgarantievertrages
  1,50 0,50
        
g)
Mietvermittlung
        
0,20
h)
Mietgarantie
        
0,50
i)
Steuerberatungdavon für Leistungen:- gem. Ziff. II.2., 5.,  des Stb.-Vertrages- gem. Ziff. II. 1., 3., 4., 6.  des Stb.-Vertrages
   0,58 1,72
2,30
j)
Abwicklungsauftrag
        
2,30
k)
Bauzeitzinsen
        
5,50
l)
Notar, Gewerbesteuer und sonstiges            
        
              4,25
5
In der Position a) “Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing” waren Provisionen an Dritte in Höhe von 18,24% brutto des Gesamtaufwands enthalten.
6
Die vom Kläger bevollmächtigte C.    Steuerberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Treuhänderin) schloss namens des Klägers mit der Bauträgerin am 28. Dezember 1992 einen notariellen “Kauf- und Werklieferungsvertrag mit Auflassung” über die Eigentumswohnung Nr. ..   zum Preis von 98.908 DM. Darin übernahm der Kläger einen Anteil der auf dem Gesamtgrundstück lastenden Grundschuld, die der Beklagten zu 2 zuvor von der Bauträgerin durch notarielle Urkunde vom 9. Dezember 1992 bewilligt worden und gegen den jeweiligen Eigentümer sofort vollstreckbar war. Zugleich übernahm der Kläger in Höhe des anteiligen Grundschuldbetrages von 128.954 DM die persönliche Haftung und unterwarf sich der persönlichen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
7
Darüber hinaus schloss die Treuhänderin namens des Klägers in den Jahren 1992 und 1993 mit der Beklagten zu 2 mehrere Darlehensverträge, deren Valuta in Höhe von insgesamt 139.944 DM zur Finanzierung des Gesamtaufwands zuzüglich Disagio und Bearbeitungsgebühr (Agio) verwandt wurde. Nachdem der Kläger die Bedienung der Finanzierungsdarlehen im August 2002 eingestellt hatte, kündigte die Beklagte zu 1 die Darlehen mit Schreiben vom 3. Januar 2003 und betrieb die Zwangsvollstreckung.
8
Mit der Klage wendet sich der Kläger – gestützt unter anderem auf Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung – gegen die Zwangsvollstreckung in sein persönliches Vermögen aus dem notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag sowie der Grundschuldbestellungsurkunde.
9
Der Kläger hat die Klage zunächst gegen die Beklagte zu 2 erhoben, mit Schriftsatz vom 23. Juni 2005 hat er beantragt, das Rubrum zu berichtigen, da die Beklagte zu 1 die richtige Beklagte sei. Das Landgericht hat durch sein nur die Beklagte zu 1 im Rubrum aufführendes Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zu 1 hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, die Berufung der Beklagten zu 2 hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Beklagten. Die Beklagte zu 2 hat ihre Revision in der Revisionsverhandlung zurückgenommen.


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