Zivil- und Zivilprozessrecht

Umfang eines Gewährleistungsausschluss bei Privatkauf

Aktenzeichen  34 O 1272/16

Datum:
26.9.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44398
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 123 Abs 1, § 142 Abs. 1, § 323 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 346 Abs. 1, § 433, § 434 Abs. 1 S. 1, § 437 Nr. 2, § 440 S. 1, § 812 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ein privater Kaufvertrag über ein Motorrad, welcher unter der Überschrift “Zusicherung” die Erklärungen, es habe in der Eigentumszeit des Veräußerers keinen Unfall gegeben und das Fahrzeug habe “keine sonstigen Beschädigungen”, ist nach dem Empfängerhorizont dahingehend auszulegen, dass hiermit nur eine Wissenserklärung über die dem Verkäufer bekannten Beschädigungen gemeint gewesen ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Memmingen örtlich gemäß § 29 ZPO und sachlich gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG zuständig.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da dem Kläger weder Ansprüche aus dem erklärten Rücktritt noch aus der erklärten Anfechtung des Kaufvertrages zustehen.
1. Der Kläger hat jedoch keinen Rückabwicklungsanspruch gegen den Beklagten aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB.
a) Am 05.04.2016 erwarb der Kläger unstreitig von dem Beklagten das Motorrad Kawasaki Z 800, Fahrzeugidentifikationsnummer …, zu einem Kaufpreis in Höhe von 7.500,- € (vgl. Kaufvertrag vom 05.04.2016, Anlage K 1), wobei beide Parteien als Verbraucher handelten.
b) Zwar ist eine Anfechtungserklärung gemäß § 143 BGB im Rahmen der Klageschrift vom 30.12.2016 durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber dem Beklagten form- und innerhalb eines Jahres (§ 124 Abs. 1, Abs. 2 BGB) fristgerecht erfolgt.
c) Der Anfechtungsgrund einer arglistigen Täuschung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB konnte jedoch durch den Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden.
aa) Erforderlich für das Vorliegen einer Täuschung ist die Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen. Grundsätzlich hat sich derjenige, der einen Vertrag schließt, selbst darüber zu vergewissern, ob das Geschäft für ihn von Vorteil ist oder nicht; darauf darf sich der andere Teil einstellen und braucht deshalb nicht auf Umstände hinzuweisen, von denen er annehmen darf, dass nach ihnen gefragt werde, wenn sein Vertragspartner Wert auf sie legt. Das Verschweigen von Tatsachen stellt deshalb nur dann eine Täuschungshandlung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB dar, wenn eine entsprechende Offenbarungspflicht besteht; entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall redlicher Weise eine Aufklärung über den verschwiegenen Umstand erwarten durfte; insbesondere ist über solche Umstände aufzuklären, die nur der eine Vertragsteil kennt und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind, etwa, weil sie den Vertragszweck vereiteln können (vgl. Wendtland in BeckOK, 51. Edition, Stand: 01.08.2019, § 123 BGB, Rn. 11 m.w.N.). Arglist i.S.d. Vorschrift ist gleichbedeutend mit Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt, grobe Fahrlässigkeit jedoch nicht ausreicht. Im Fall einer Offenbarungspflicht muss der Aufklärungspflichtige wissen oder zumindest damit rechnen und billigend in Kauf nehmen, dass der andere Teil von den verschwiegenen Umständen keine Kenntnis hat. Allerdings handelt nicht arglistig, wer gutgläubig unrichtige Angaben macht, mag auch der gute Glaube selbst auf Leichtfertigkeit oder grober Fahrlässigkeit beruhen (vgl. Wendtland in BeckOK, 51. Edition, Stand: 01.08.2019, § 123 BGB, Rn. 17 m.w.N.).
bb) Zwar konnten die von Klägerseite vorgetragenen Mängel hinsichtlich der Positionen „Lenker verformt, Felge vorne verformt/defekt, Gabel verdreht, Rahmenschaden, Spaltmaße unterschiedlich und Lenkanschlag verformt/defekt“ im Rahmen der Beweisaufnahme durch die ausführlichen und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) … in dessen schriftlichen Gutachten vom 14.02.2018 (Bl. 85/114 d.A.), dem sich das Gericht nach eigener kritischer Würdigung anschließt und gegen das seitens der Parteien keine Einwendungen erhoben wurden, bestätigt werden und sind nach Ansicht des Sachverständigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf einen Unfall zurückzuführen. Allerdings hat der Sachverständige ebenso nachvollziehbar dargelegt, dass diese Beschädigungen auf Grund des Zustandes der Korrosion an den beschädigten Teilen ungefähr drei Jahre zurücklägen. Zu dieser Zeit – Anfang 2015 – war das Motorrad jedoch unstreitig noch nicht im Besitz des Beklagten. Diese Feststellungen des Sachverständigen werden zudem untermauert durch die im Rahmen der schriftlichen Zeugenvernehmung (§ 377 Abs. 3 ZPO) gewonnenen Erkenntnisse. So hat der Zeuge …, Geschäftsführer der …, angegeben, das streitgegenständliche Motorrad unrepariert mit einem wirtschaftlichen Totalschaden (Reparaturkosten laut Kostenvoranschlag der Fa. … vom 11.06.2014 auf 9.606,45 € kalkuliert, vgl. Anlage zu Bl. 145/146 d.A.)) zu einem Kaufpreis von 5.000,- € an die Fa. …, Inh. … (vgl. Rechnung der Fa. … vom 17.07.2014, vgl. Anlage zu Bl. 145/146 d.A.)) veräußert zu haben. Dies konnte der Zeuge … ebenfalls bestätigen, der unter Beifügung des schriftlichen Kaufvertrags vom 11.08.2014 (vgl. Anlage zu Bl. 147/148 d.A.) angegeben hat, das Motorrad an diesem Tag unrepariert an den Zeugen … zu einem Preis von 5.450,- € veräußert zu haben. Nunmehr divergieren die Aussagen der weiteren Zeugen … und …, wobei mangels objektiver Beweismittel nicht mehr geklärt werden kann, wie sich der Sachverhalt tatsächlich zugetragen hat. So gab der Zeuge … sowohl in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 04.12.2018 (vgl. Anlage K 7) als auch im Rahmen seiner uneidlichen Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2019 (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 04.04.2019, S. 2/3 (Bl. 173/174 d.A.)) nachvollziehbar und glaubhaft an, das streitgegenständliche Motorrad als Unfallfahrzeug erworben und als solches auch wieder an den Zeugen … veräußert zu haben. Der Zeuge … gab in seinen beiden schriftlichen Vernehmungen vom 02.11.2018 (Bl. 149/150 d.A.) sowie vom 08.02.2019 (Bl. 158 d.A.), auch auf nochmalige ausdrückliche Nachfrage, dagegen an, dass ihm das Fahrzeug nicht als „Unfallfahrzeug“, sondern lediglich als „Umfaller“ veräußert worden sei. Von einem massiven Schaden sei nie die Rede gewesen. Der Zeuge … habe nur von kleinen Kratzern durch Umfallen gesprochen, die jedoch durch eine Fachwerkstatt behoben worden seien.
Hinsichtlich der Position der unterschiedlichen Lackfarbe ist nach den Feststellungen des Sachverständigen bereits kein Sachmangel gegeben, nachdem die lackierten Anbauteile bereits von Kawasaki ab Werk in sehr unterschiedlichen Glanzgraden geliefert worden seien.
Die Position hinsichtlich der ABS-Fehlermeldung konnte zwar durch den Sachverständigen nicht verifiziert werden. Allerdings hat selbst die von Klägerseite benannte Zeugin … im Rahmen ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2017 (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 01.06.2017, S. 2 (Bl. 51 d.A.)) angegeben, dass die Kontrollleuchte noch nicht bei der Abholungsfahrt, sondern erst ca. 3 Wochen später aufgeleuchtet habe, so dass dem Kläger der Nachweis nicht gelungen ist, dass diese bereits vor Übergabe aufgeleuchtet hat.
cc) Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger konnte letztlich nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass der Beklagte Kenntnis von dem nun festgestellten Unfallschaden oder sonstiger Beschädigungen an dem streitgegenständlichen Motorrad hatte. Das Gericht ist sich hierbei bewusst, dass für seine Überzeugungsbildung gemessen an § 286 ZPO keine absolute Gewissheit erforderlich ist, sondern dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genügt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14.01.1993 – IX ZR 238/91 m.w.N.). Diesen erforderlichen Grad an Gewissheit hat das Gericht jedoch auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der von beiden Parteien vorgetragenen Umstände nicht erlangen können.
Wie bereits ausgeführt, wurde das Motorrad nach Auffassung des Gerichts und der im Rahmen der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse spätestens durch den Zeugen … im reparierten Zustand an den Beklagten weiterveräußert. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beklagte Kenntnisse über den Unfallschaden oder sonstiger Beschädigungen an dem streitgegenständlichen Motorrad hatte. Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2017 (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 01.06.2017, S. 3/4 (Bl. 52/53 d.A.)) uneidliche vernommene Zeugin …, Lebensgefährtin des Beklagten, hat nachvollziehbar und glaubhaft angegeben, dass ihr weder bei den gemeinsamen Fahrten auf dem Motorrad irgendwelche Beschädigungen aufgefallen seien noch das ihr der Beklagte hiervon berichtet habe. Zudem sei das Motorrad vom Zeitpunkt des Kaufes im Dezember 2015 bis zum März 2016 nicht zugelassen gewesen und deshalb bis zum Verkauf im April 2016 erst relativ wenig gefahren worden. Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 05.09.2019 (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 05.09.2019, S. 2/3 (Bl. 197/198 d.A.)) schließlich uneidlich vernommene Zeugin …, Inhaber der Fa. … in …, konnte nachvollziehbar und glaubhaft bestätigen, dass das streitgegenständliche Motorrad am 22.03.2016 bei seiner Firma zum Service gewesen sei und ihm dabei keinerlei Schäden aufgefallen seien und er dementsprechend den Beklagten auch auf keine Schäden hingewiesen habe.
Für eine arglistige Täuschung des Beklagten i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB bleibt damit kein Raum.
2. Der Kläger hat gegen den Beklagten darüber hinaus auf Grund des wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschlusses auch keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus §§ 346 Abs. 1, 433, 434 Abs. 1 S. 1, 437 Nr. 2, 440 S. 1, 323 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 BGB.
a) Ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB ist zwischen den Parteien unstreitig am 05.04.2016 wirksam geschlossen worden (vgl. Anlage K 1). Dieser ist auch nicht durch Anfechtung gemäß §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB ex tunc unwirksam geworden (vgl. Ausführungen unter Ziff. 1).
b) Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.06.2016 (Anlage K 4) wurde seitens des Klägers der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, § 349 BGB.
c) Der Kläger kann sich jedoch nicht auf die seitens des Sachverständigen festgestellten Mängel berufen, da die Sachmängelgewährleistung durch den Kaufvertrag zwischen den beiden Parteien, die unstreitig beide als Verbraucher gehandelt haben, wirksam ausgeschlossen wurde (vgl. Ziff. II des Kaufvertrages vom 05.04.2016, Anlage K 1).
aa) Da keine Anhaltspunkte für ein arglistiges Verschweigen der aufgeführten Mängel durch den Beklagten vorliegen (vgl. oben) ist der Haftungsausschluss auch nicht gemäß § 444 Alt. 1 BGB unwirksam.
bb) Die unter Ziff. III des Kaufvertrages von Beklagtenseite getroffenen „Zusicherungen“ sind auch nicht als Garantie i.S.d. § 444 Alt. 2 BGB zu verstehen, so dass auch deshalb der Haftungsausschluss nicht unwirksam ist. Die von den Parteien hier getroffenen Regelungen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) auszulegen, so dass das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass es sich hierbei lediglich um Wissenserklärungen handelt. Hinsichtlich der Frage der Unfallfreiheit kommt noch hinzu, dass diese „Zusicherung“ sich bereits nach dem Wortlaut lediglich auf die Zeit bezieht, in der sich das Motorrad im Eigentum des Beklagten befand. In dieser Zeit hatte das Motorrad nach den im Rahmen der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnissen jedoch gerade keinen Unfall. Die weitere „Zusicherung“ des Beklagten, dass das Fahrzeug „keine sonstigen Beschädigungen“ aufweise, ist im Zusammenhang mit der Regelung hinsichtlich der Unfallfreiheit und des Gewährleistungsausschlusses zu sehen. Damit ist diese Klausel nach Auffassung des Gerichts derart zu verstehen, dass der Beklagte lediglich eine Wissenserklärung dahingehend abgeben wollte, dass ihm weitere Beschädigungen nicht bekannt seien und er nicht eine Beschaffenheitsgarantie dahingehend übernehmen wollte, dass das Motorrad völlig mangelfrei ist. Ansonsten wäre der vereinbarte Haftungsausschluss genauso widersinnig wie die Regelung hinsichtlich der Unfallfreiheit, die ausdrücklich auf die Besitzzeit des Beklagten beschränkt wurde. Eine weitergehende Garantiezusage wollte der Beklagte nicht geben und durfte der Kläger nach dem nur ein paar Absätze darüber geregelten ausdrücklichen Gewährleistungsausschluss auch nicht erwarten.
3. Die geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten) teilen das Schicksal der nicht bestehenden Hauptforderung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
V.
Der Streitwert wurde nach §§ 63, 39 ff. GKG, 3 ff. ZPO festgesetzt.


Ähnliche Artikel


Nach oben