Zivil- und Zivilprozessrecht

Versagung einer Erlaubnis für die Weiterführung der Amtsbezeichnung “Notar a. D.”

Aktenzeichen  VA-Not 2/14

Datum:
21.4.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 11446
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BNotO § 48, § 50 Abs. 1 Nr. 6, § 52 Abs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Die Justizverwaltung darf einem früheren Notar die Weiterführung der Amtsbezeichnung mit dem Zusatz „außer Dienst (a.D.)” gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 BNotO nur verweigern, wenn besondere Gründe die Ausübung des Ermessens in diese Richtung rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Ermessensausübung hat sich an dem Zweck zu orientieren, zu verhindern, dass ein unwürdiger früherer Notar durch den weiteren Gebrauch der Amtsbezeichnung das Ansehen und das Vertrauen schädigt, die dem Notarberuf entgegengebracht werden. Einen Gesichtspunkt im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung stellt die Frage des Vermögensverfalls des früheren Notars dar. (redaktioneller Leitsatz)
3 Liegt ein Beschluss vor, mit dem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Notars eröffnet wurde, wird nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO ein Vermögensverfall vermutet. Der Notar muss sich daran festhalten lassen, wenn er durch seinen Antrag auf Entlassung aus dem Notaramt die abschließende Klärung der Frage, ob er in Vermögensverfall geraten ist, verhindert hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

NotZ 1/15 2015-10-05 Bes BGH BGH Karlsruhe

Tenor

I.
Der Beklagte zu 2) ist verpflichtet, den Antrag des Klägers, diesem nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO die Erlaubnis zu erteilen, seine Amtsbezeichnung „Notar“ mit dem Zusatz „außer Dienst (a.D.)“ weiterzuführen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, soweit sie nach dem Beschluss des Senats vom 12. Februar 2015 noch beim Senat anhängig ist.
III.
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger% und der Beklagte zu 2)%. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1). Im Übrigen tragen die Parteien und die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger und der Beklagte zu 2) können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Gründe

I. Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren zuletzt nur noch darüber, ob der Kläger seine Amtsbezeichnung „Notar“ mit dem Zusatz „a. D.“ weiterführen darf. Vorgerichtlich hat der Kläger keinen entsprechenden ausdrücklichen Antrag nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO gestellt. Die Beklagten haben insoweit bislang keinen Bescheid erlassen, insbesondere liegt keine Verwaltungsentscheidung des Beklagten zu 2) vor (vgl. dessen Schriftsatz vom 26.02.2016, Bl. 252 d. A.).
Durch Schreiben vom 06.03.2001,Az. 4 p R 301, teilte die Landesjustizverwaltung dem Kläger mit, dass in Aussicht genommen werde, ihn wegen wirtschaftlicher Unzuverlässigkeit seines Amtes zu entheben. Es liege seit 29.11.2000 beim Amtsgericht München ein Insolvenzantrag der V-bank AG gegen den Kläger vor und es sei zu einzelnen Pfändungen gekommen.
Mit Beschluss vom 18.05.2001, Az. 1503 IN 2168/00, eröffnete das Amtsgericht München das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers auf der Grundlage eines Gutachtens des Rechtsanwalts Dr. Kurt B. vom 15.05.2001 (nach Bl. 39 d. A.). Der Kläger hielt und hält das Gutachten für unzutreffend und meint, das Amtsgericht München sei für den Beschluss international nicht zuständig gewesen. Mit Beschluss vom 17.01.2002, Az. 14 T 18843/01, hat das Landgericht München I die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.05.2001 zurückgewiesen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11.07.2002, Az. IX ZB 28/02, (juris) als unzulässig verworfen. Der Antrag des Klägers, ihm gemäß § 57 ZPO einen Prozesspfleger für die Durchführung einer Nichtigkeits- und Restitutionsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11.07.2002, Az. IX ZB 28/02, zu bestellen, ist vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28.10.2009, Az. IX ZA 38/09, (juris) abgelehnt worden.
Am 23.05.2001 verfügte der Beklagte zu 2) die vorläufige Amtsenthebung des Klägers gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO (vgl. Verfügung vom 23.05.2001, Az. IV p – Ro 39, nach Bl. 39 d. A.) und begründete diese insbesondere mit dem Vermögensverfall des Klägers, der mit Blick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vermutet werde. Der Kläger erhob Rechtsmittel gegen seine vorläufige Amtsenthebung. U. a. dieses Rechtsmittel war Gegenstand des Verfahrens vor dem Notarsenat mit dem Az. VA-Not 2/01. Sein Rechtsmittel gegen die vorläufige Amtsenthebung vom 23.05.2001 nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 26.4.2002 gegenüber dem Notarsenat zurück (Anlage B 1).
Mit Schreiben vom 21.09.2002 beantragte der Kläger, ihn gemäß § 47 Nr. 2, § 48 BNotO mit Ablauf des 31.10.2002 aus dem Amt als Notar zu entlassen. Auf seinen Antrag hin entließ ihn der Beklagte zu 2) mit Bescheid vom 23.09.2002 mit Wirkung zum 01.11.2002 aus dem Notaramt. Mit Schriftsatz vom 19.11.2002 (Bl. 602 ff der beigezogenen Akten des Notarsenats VA-Not 2/01) hat der Kläger die Entlassungsverfügung vom 23.09.2002 angefochten und insoweit zuletzt die auf Seite 4 und 5 des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 14.07.2004, Az. NotZ 6/03, (Bl. 849 ff der beigezogenen Akten des Notarsenats VA-Not 2/01) näher dargestellten Anträge gestellt. Der Notarsenat hat mit Beschluss vom 12.02.2003, Gz. VA-Not 2/01 (Bl. 641 ff der beigezogenen Akten) die Anträge abgewiesen, der Bundesgerichtshof hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen (vgl. den vorgenannten Beschluss vom 14.07.2004, Az. NotZ 6/03).
Unter dem 10.04.2014 erhob der Kläger nunmehr gegen die Beklagten zu 1) und 2) Klage, mit der er die Rückabwicklung eines – nach seiner Behauptung geschlossenen – öffentlichrechtlichen Vergleichs, den Wertersatz für entgangene Nutzungen seiner Notarstelle und die Weiterführung der Amtsbezeichnung Notar mit dem Zusatz „a.D.“ erstrebte (Bl. 1 ff d. A.).
Am 12.02.2015 erließ der Notarsenat einen Beschluss (Bl. 160 ff d. A.), wonach
– die Klageanträge 1, 2 (einschließlich Hilfsantrag) und 4 abgetrennt wurden,
– im Umfang der Abtrennung der Rechtsweg zum Oberlandesgericht München – Senat für Notarsachen – für unzulässig erklärt wurde,
– das Verfahren im Umfang der Abtrennung an das zuständige Landgericht München I verwiesen wurde, sowie
– die Beschwerde zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen wurde.
Mit Schriftsatz vom 24.02.2015 (Bl. 166 ff d. A.) erhob der Kläger gegen diesen Beschluss des Notarsenats vom 12.02.2015
– außerordentliche Beschwerde zum Bundesgerichtshof wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit
sowie
– Gehörsrüge zum Ausgangsgericht.
Der Notarsenat hat – nachdem zunächst über verschiedene Befangenheitsanträge des Klägers zu entscheiden war – mit Beschluss vom 08.09.2015 (Bl. 218 ff d. A.) die Gehörsrüge zurückgewiesen und die Akten dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 05.10.2015, Az. NotZ 1/15, (nach Bl. 223 d. A.) die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Zur Begründung seines noch anhängigen Antrags führt der Kläger u. a. aus, die Weiterführung der Amtsbezeichnung sei ihm schon deshalb zu gestatten, weil insoweit eine ständige Verwaltungspraxis im Sinne einer Erlaubniserteilung herrsche. Die Erwägungen des Beklagten zu 2) zu einer Versagung wegen Vermögensverfalles seien unzutreffend, da er sich zu keinem Zeitpunkt im Vermögensverfall befunden hätte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Notarsenat vom 21.04.2016 hat der Kläger seine ursprünglichen Anträge 1, 2 und 4 nicht mehr weiterverfolgt und nur noch – wie in der Klageschrift vom 10.04.2014 als Antrag 3 angekündigt – folgendes beantragt:
Die beklagten Behörden des Freistaates Bayern werden verpflichtet, dem Kläger nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO die Erlaubnis zu erteilen, seine Amtsbezeichnung „Notar“ mit dem Zusatz „außer Dienst (a. D.)“ weiterzuführen.
Die Beklagten zu 1) und 2) haben Klageabweisung beantragt.
Die vom Berichterstatter mit Beschluss vom 17.07.2014 (Bl. 68 d. A.) beigeladene Landesnotarkammer Bayern hat keinen Antrag gestellt.
Die Beklagtenpartei zu 1) ist der Ansicht, eine Passivlegitimation ihrerseits sei nicht gegeben, da die begehrte Erlaubnis durch den Beklagten zu 2) zu erteilen sei.
Der Beklagte zu 2) hält den Antrag des Klägers schon wegen dessen Vermögensverfall für unbegründet. Darüber hinaus könne die Erlaubnis auch wegen dessen Äußerungen über den Beklagten zu 2) in anderen Verfahren – schon jetzt spruchreif – nicht gewährt werden.
Der Kläger hat die von ihm im Schriftsatz vom 15.02.2016 (Bl. 244 ff) unter Hinweis auf § 86 Abs. 2 VwGO angekündigten „Eventualbeweisanträge“ (entgegen der schriftsätzlichen Ankündigung) in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 nicht gestellt.
Mit Verfügung vom 22.05.2014 wurden die Verfahrensakten OLG München VA-Not 02/01 und OLG München VA-Not 02/08 beigezogen.
Der Senat hat am 21.04.2016 über den Antrag des Klägers verhandelt. Insoweit wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom gleichen Tage Bezug genommen.
II. A. Die Klage ist als Verpflichtungsklage (§ 111 b Abs. 1 BNotO, § 42 Abs. 1 Alt 2 VwGO) zulässig.
Auch wenn der Kläger vorgerichtlich einen Antrag nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO nicht gestellt hat, ergibt sich sein Rechtsschutzinteresse bereits daraus, dass die
Beklagten im Prozess deutlich gemacht haben, dass sie seinem Petitum nicht nachkommen wollen.
B. Die Klage ist jedoch nur teilweise im tenorierten Umfang begründet.
1. Die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Klage ist insgesamt unbegründet.
Die Beklagtenpartei zu 1) ist nicht passiv legitimiert. Nicht sie, sondern vielmehr der Beklagte zu 2) ist für die Verbescheidung eines Antrages nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO zuständig. Dies ergibt sich aus § 112 BNotO i. V. m. § 3 Nr. 8 der Verordnung der Bayer. Staatsregierung zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 27.07.1999 (GVBl 1999, 339, Gliederungs-Nr. 3032-J) i. V. m. § 3 Nr. 1 Buchst. c der Verordnung des Bayer. Staatsministeriums der Justiz zur Regelung von Angelegenheiten auf dem Gebiet des Notarwesens vom 10.02.2000 (Notarverordnung, GVBl 2000, 60, Gliederungs-Nr. 3033-J).
2. Die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage ist nur teilweise begründet.
a) Der Beklagte zu 2) ist – jedenfalls nach dem Stand des Schlusses der mündlichen Verhandlung – nicht verpflichtet, dem Kläger – wie dies von ihm beantragt wird – die Erlaubnis zu erteilen, seine Amtsbezeichnung „Notar“ mit dem Zusatz „außer Dienst (a. D.)“ weiterzuführen.
Eine Ermessensreduzierung „auf Null“ in dem Sinne, dass (wie dies der Kläger meint) dem Kläger ohne weiteres die Erlaubnis zu erteilen wäre, oder aber in dem Sinne – wie dies der Vertreter des Beklagten zu 2) insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 geltend gemacht hat -, dem Kläger die Erlaubnis ohne weiteres zu versagen wäre, liegt hier nicht vor. Deshalb kommt im Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) weder die beantragte Verurteilung des Beklagten zu 2) noch eine vollständige Klageabweisung in Betracht. Der Beklagte zu 2) ist aber verpflichtet, den jedenfalls im Klagebegehren enthaltenen Antrag des Klägers zu verbescheiden und dabei das ihm vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessen nunmehr auszuüben.
b) Die vom Senat tenorierte Bescheidungspflicht (§ 111 b Abs. 1 BNotO, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) stellt ein Minus zu der vom Kläger beantragten Verpflichtung dar. Nachdem der Beklagte zu 2) noch keinen Bescheid erlassen hat, stellen seine Ausführungen im Prozess zu Ermessenserwägungen auch keine Ergänzung einer bereits getroffenen Ermessensentscheidung (§ 111 b Abs. 1 BNotO, § 114 Satz 2 VwGO) dar. Vielmehr ist es geboten, dass der Beklagte zu 2) nunmehr im Verwaltungsverfahren sein Ermessen ausübt, denn der Notarsenat kann die Ermessensausübung schon von Gesetzes wegen nicht an Stelle des Beklagten zu 2) vornehmen oder gar einen entsprechen Bescheid erlassen.
c) Im Einzelnen:
aa) Der Kläger hat zwar (vorgerichtlich) keinen ausdrücklichen Antrag auf Erteilung der Erlaubnis nach § 52 Abs. 2 BNotO gestellt.
Jedenfalls seine auf Erteilung der Erlaubnis gerichtete Klage ist jedoch als derartiger Antrag auszulegen. Unabhängig davon ist eine Entscheidung nach § 52 Abs. 2 BNotO auch ohne Antrag möglich und hier auch veranlasst, da der Kläger mit seiner Klage deutlich gemacht hat, dass er eine derartige Entscheidung begehrt.
bb) Der Beklagte zu 2) ist zuständig für die Verbescheidung des Antrages und deshalb passiv legitimiert (s.o. 1.).
cc) Bei der vom Beklagten zu 2) zu treffenden Verwaltungsentscheidung über den Antrag des Klägers handelt es sich um eine Ermessensentscheidung („kann“ in § 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO).
Mit der Bestimmung des § 52 Abs. 2 BNotO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass der Eindruck eines unehrenhaften Ausscheidens aus dem Amt vermieden wird, wenn ein Notar seine Notartätigkeit etwa aus wirtschaftlichen Überlegungen aufgibt. Daher darf die Justizverwaltung die Weiterführung der Amtsbezeichnung nur verweigern, wenn besondere Gründe die Ausübung des Ermessens in diese Richtung rechtfertigen. Worin derartige Gründe gesehen werden können, regelt das Gesetz nicht ausdrücklich. Die Ermessensausübung hat sich daher an dessen Zweck zu orientieren. Wie sich der Regelung der Voraussetzungen, unter denen nach § 52 Abs. 2 BNotO die Erlaubnis erteilt und gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 BNotO wieder zurückgenommen werden kann, entnehmen lässt, will das Gesetz unter anderem verhindern, dass ein unwürdiger früherer Notar durch den weiteren Gebrauch der Amtsbezeichnung das Ansehen und das Vertrauen schädigt, die dem Notarberuf entgegengebracht werden. (BGH, Beschluss vom 24.11.2014, Az. NotZ (Brfg) 8/14, Tz. 7 bei juris m. w. N.).
dd) Bei seiner Ermessensausübung im Rahmen des Erlasses des Bescheides hat der Beklagte zu 2) folgende Rechtsauffassung des Senats zu beachten:
(1) Soweit der Kläger geltend macht, es läge eine Selbstbindung der Verwaltung vor, da – mit Ausnahme von Notar Dr. T. S. (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes vom 19.12 2014, Bl. 111 d. A.) – allen Notaren die Erlaubnis nach § 52 Abs. 2 BNotO erteilt werde, hat der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 22.12.2014 (Bl. 115 f d. A.) lediglich ausgeführt, dass dem zuständigen Sachbearbeiter weitere einschlägige Fälle erinnerlich seien, die noch nicht verifiziert werden konnten. Statistiken würden nicht geführt (Seite 2 des Schriftsatzes vom 28.11.2014, Bl. 107 d. A.).
Eine Sachaufklärung zur Frage der Selbstbindung der Verwaltung ist aber für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung geboten, weil eine Entscheidung zulasten des Klägers auf einer vom Beklagten zu 2) lediglich vermuteten, nicht aber verifizierten Tatsachengrundlage in jedem Fall ermessensfehlerhaft wäre. Die vom Beklagten zu 2) zu treffende Tatsachenaufklärung kann dabei ggf. auch durch Nachfrage bei der Beigeladenen erfolgen, die mit Schriftsatz vom 18.12.2014 (Bl. 113 d. A.) mitgeteilt hat, dass bei ihr entsprechende Erkenntnisse vorliegen. Maßgeblich ist dabei aus Sicht des Senats in diesem Zusammenhang eine Analyse der Fälle, in denen ein Notar – wie hier der Kläger – einerseits einen Antrag auf Entlassung nach § 48 BNotO gestellt hat, andererseits aber – allerdings erst viele Jahre später – auch einen Antrag nach § 52 Abs. 2 BNotO. Es erscheint zwar durchaus denkbar, dass es insoweit kaum Vergleichsfälle gibt und es die vom Kläger behauptete Verwaltungspraxis bei derartigen Fallkonstellationen nicht gibt, ohne entsprechende Sachaufklärung kann hiervon aber nicht zulasten des Klägers ausgegangen werden. Sollte sich die Sachaufklärung insoweit als unmöglich erweisen, weil sich der Beklagte zu 2), der für den Vollzug des § 52 Abs. 2 BNotO zuständig ist, organisatorisch hierzu nicht in der Lage sieht, darf sich auch dies nicht zulasten des Klägers auswirken.
(2) Soweit der Vertreter des Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 ausgeführt hat, dass im Rahmen der Ermessensausübung zulasten des Klägers dessen (vom Beklagten zu 2) zuvor schriftsätzlich bereits z.T. als „respektlos“, vgl. Schriftsatz des Beklagten zu 2) vom 22.12.2014, Bl. 115 d. A.) bezeichneten Äußerungen des Klägers über den Beklagten zu 2) im vorliegenden Rechtsstreit sowie auch die Äußerungen des Klägers in einem früheren Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, vgl. Schriftsatz des Beklagten zu 2) vom 28.5.2014 nebst Anlage, Bl. 62 ff d. A.) zu berücksichtigen seien, bestehen insoweit erhebliche Bedenken gegen die Einbeziehung dieser Gesichtspunkte in die Ermessensausübung. In den Verfahren vor dem EGMR und dem Notarsenat darf der Kläger grundsätzlich diejenigen Argumente vorbringen, die ihm zur Erreichung seiner Prozessziele sachgerecht erscheinen. Ob das, was der Kläger im jeweiligen Verfahren vor dem EGMR bzw. dem Notarsenat vorbringt, entscheidungserheblich und/oder zutreffend ist, ist dann allein vom EGMR bzw. dem Notarsenat zu entscheiden, nicht aber vom Beklagten zu 2) im Verfahren nach § 52 Abs. 2 BNotO. Die Parteien dürfen in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch u. U. die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. (vgl. zur parallelen Situation bei der Ehrschutzklage BGH, Urteil vom 28.02.2012, Az. VI ZR 79/11, m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung Tz. 7 bei juris).
(3) Zutreffend benennt der Beklagte zu 2) allerdings als besonders wichtigen Gesichtspunkt im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung die Frage des Vermögensverfalls des Klägers (vgl. § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO).
Insoweit ist für das weitere Verfahren darauf hinzuweisen, dass der Beklagte zu 2) vor Erlass der Ermessensentscheidung nicht umfassend prüfen muss, ob der Kläger tatsächlich in Vermögensverfall geraten ist. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.05.2001, Az. 1503 IN 2168/00, mit dem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet wurde, ist rechtskräftig. Dabei kann dahinstehen, ob das Amtsgericht München und die diesem übergeordneten Gerichte, die den Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.05.2001, Az. 1503 IN 2168/00, bestätigt haben, insoweit international zuständig waren, weil selbst dann, wenn die mit der Sache beschäftigten Gerichte ihre internationale Zuständigkeit zu Unrecht bejaht haben sollten, dies nichts daran ändert, dass mit dem Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.05.2001 ein rechtskräftiger Eröffnungsbeschluss vorliegt. Hierdurch wird die Vermutung des § 50 Abs. 1 Nr. 6 Halbsatz 2 BNotO ausgelöst. Wäre der Kläger nicht auf seinen eigenen Antrag hin nach § 48 BNotO aus dem Amt entlassen worden, hätte im förmlichen Amtsenthebungsverfahren geprüft werden müssen, ob ausnahmsweise die Vermutung des § 50 Abs. 1 Nr. 6 Halbsatz 2 BNotO widerlegt ist. Diese Prüfung ist nur deshalb unterblieben, weil der Kläger mit Schreiben vom 21.09.2002 einen Antrag auf Entlassung gestellt hat.
Das Verfahren nach § 52 Abs. 2 BNotO dient aber nicht dazu, die gegen den Kläger ursprünglich erhobenen Vorwürfe in einer dem formellen Verfahren genügenden Weise nachzuholen und zu klären. Der Beklagte zu 2) muss also im Verfahren nach § 52 Abs. 2 BNotO nicht das nachholen, was im Verfahren nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO notwendig gewesen wäre. Erforderlich ist eine Aufklärung im Verfahren nach § 52 Abs. 2 BNotO nur insoweit, dass die Prüfung erfolgen kann, ob der Antragsteller durch sein Verhalten das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung so schwer erschüttert hat, dass es angemessen ist, ihm die Erlaubnis nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BNotO zu versagen, so dass es ihm entsprechend dem Regelfall des § 52 Abs. 1 BNotO nicht gestattet ist, seine frühere Amtsbezeichnung weiterzuführen. Der Antragsteller muss sich daher daran festhalten lassen, dass er durch seinen Antrag auf Entlassung aus dem Notaramt die abschließende Klärung der Frage, ob er in Vermögensverfall geraten ist, verhindert hat (vgl. zur parallelen Situation bei einem Disziplinarverfahren BGH, Beschluss vom 24.11.2014, Az. NotZ (Brfg) 8/14, Tz. 10 bei juris, sowie BGH, Beschluss vom 23.07.2007, Az. NotZ 56/06, Tz. 9 bei juris m. w. N.).
(4) Fehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, dass der Beklagte zu 2) alle relevanten Erwägungen – auch die zugunsten des Klägers sprechenden – benennt, gewichtet und gegeneinander abwägt.
Dabei ist zu beachten, dass der Beklagte zu 2) die Weiterführung der Amtsbezeichnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur verweigern darf, wenn besondere Gründe die Ausübung des Ermessens in diese Richtung rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 24.11.2014, Az. NotZ (Brfg) 8/14, Tz. 7 bei juris m. w. N.).
Eine Gesamtabwägung aller Gesichtspunkte ist in den Schriftsätzen des Beklagten zu 2) nicht vorgenommen worden. Der Beklagte zu 2) hat zwar einige Ermessenserwägungen benannt. Es ist aber aus dem schriftsätzlichen Vortrag des Beklagten zu 2) nicht erkennbar, dass er eine Gesamtabwägung der für und gegen den Kläger sprechenden Gesichtspunkte durchgeführt hat. Insbesondere wird in den schriftsätzlichen Ausführungen des Beklagten zu 2) nicht hinreichend deutlich, dass er gewürdigt hat, dass Amtspflichtverletzungen oder gar disziplinarisch oder strafrechtlich zu ahndende Sachverhalte hier nicht inmitten stehen, jedenfalls vom Beklagten zu 2) nicht behauptet werden.
Der Beklagte zu 2) ist daher zur Bescheidung des Antrags des Klägers zu verurteilen. Die weitergehende Klage ist hingegen unbegründet und daher abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 BNotO, § 155 Abs. 1 VwGO. Anlass für eine Kostenentscheidung zugunsten der Beigeladenen nach § 111b Abs. 1 BNotO, § 162 Abs. 3 VwGO besteht nicht.
Nach § 111b Abs. 1 BNotO, § 167 Abs. 1 VwGO konnte das Urteil nur hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Im Übrigen beruht die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 111b Abs. 1 BNotO, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr.11, § 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gem. § 111d BNotO i. V. m. § 124 VwGO durch den Notarsenat liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Notarsenat nicht von einer Entscheidung der in § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte ab. Die Sache hat im Übrigen auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Notarsenat sieht nicht zuletzt auch deshalb keine grundsätzliche Bedeutung der Sache, weil der Kläger im Schriftsatz vom 12.01.2015 auf Seite 5 (Bl. 130 d. A.) vorgetragen hat, es handele sich bei der im vorliegenden Verfahren zuletzt allein noch zur Entscheidung stehenden Frage um einen obsoleten bzw. nebensächlichen Streitpunkt.


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