Zivil- und Zivilprozessrecht

VIII ZB 68/20

Aktenzeichen  VIII ZB 68/20

Datum:
5.10.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:051021BVIIIZB68.20.0
Normen:
§ 511 Abs 2 Nr 1 ZPO
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Leitsatz

Zum Wert des Beschwerdegegenstands im Falle der Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Zweibrücken, 11. August 2020, Az: 6 U 16/20vorgehend LG Kaiserslautern, 28. Februar 2020, Az: HKO 24/19

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 11. August 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: bis 3.000 €

Gründe

I.
1
Der Beklagte veräußerte mit “Geschäfts-Kaufvertrag” vom 4. August 2017 das zuvor von ihm betriebene Optikergeschäft “im Ganzen” an den Kläger.
2
Dieser nimmt den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung über Zahlungseingänge aus Kontaktlinsenabonnements seit dem 1. September 2017, auf Versicherung der Angaben an Eides statt sowie auf Zahlung eines nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Betrags in Anspruch.
3
Das Landgericht hat den Beklagten mit Teilurteil vom 28. Februar 2020 antragsgemäß verurteilt, dem Kläger Auskunft in Form eines Verzeichnisses zu erteilen, welche Zahlungseingänge/Erlöse im Zusammenhang mit Abo-Lieferungen von Kontaktlinsen/Pflegemitteln an Kunden, von welchen Kunden, bis wann und aus welchen Kontaktlinsenabonnements (Vertragsnummer) seit dem 1. September 2017 erzielt worden seien.
4
Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht – nach einem entsprechenden Hinweis – durch den angefochtenen Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 ZPO mangels Erreichens der Berufungssumme als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
5
Durch das erstinstanzliche (Teil-)Urteil sei der Beklagte nicht in einer Höhe beschwert, welche den Betrag von 600 € übersteige. Bei der – hier vorliegenden – Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft sei in erster Linie der hierfür erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten maßgebend. Der Berufungssenat schätze den Zeit- und Kostenaufwand des Beklagten zur Erteilung der titulierten Auskunft auf maximal 400 €.
6
Die Auskunftserteilung möge zwar durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen; letztendlich handele es sich aber nur um eine Zusammenstellung von Daten, die bei unterstellter ordnungsgemäßer Buchführung durch den geschäftserfahrenen Beklagten selbst bewerkstelligt werden könne.
7
Da regelmäßig davon auszugehen sei, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden könnten, sei der Zeitaufwand – in Anlehnung an die Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) – in der Regel mit (hier) 3,50 € pro Stunde (§ 20 JVEG aF – Entschädigung für Zeitversäumnis) zu bewerten. Lege man großzügig einen Zeitaufwand von 60 Stunden zu Grunde, ergebe sich ein finanzieller Aufwand von lediglich 210 €, so dass auch bei Berücksichtigung etwaiger sonstiger Nebenkosten jedenfalls ein Aufwand, der 400 € überschreite, nicht entstehe.
8
Zur Begründung eines höheren Stundensatzes könne sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 3. April 2019 – VII ZB 59/18, juris) berufen. Diese Entscheidung könne nur so verstanden werden, dass das JVEG bei der Bestimmung der Stundensätze nicht nur in familienrechtlichen Angelegenheiten, sondern auch in Fallgestaltungen wie der vorliegenden herangezogen werden könne. Aus der Entscheidung ergebe sich aber nicht, dass stets ein Stundensatz von 21 € (§ 22 JVEG aF) in Ansatz zu bringen sei. Dieser (Höchst-)Betrag sei nur maßgebend, wenn ein Verdienstausfall vorliege und der sich aus dem regelmäßigen Bruttoeinkommen ergebende Stundensatz nicht darunterliege. Da beim Beklagten weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haushaltsführung ersichtlich seien – wofür eine Entschädigung nach § 21 JVEG aF gewährt werde -, sei eine Entschädigung für bloße Zeitversäumnis (§ 20 JVEG aF) sachgerecht.
9
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, der – nach Einleitung der Zwangsvollstreckung durch den Kläger – die Auskünfte mittlerweile erteilt hat.
II.
10
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
11
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.
12
a) Der Beklagte ist durch die erstinstanzliche Entscheidung (nach wie vor) beschwert. Dem steht nicht entgegen, dass er die titulierte Auskunftspflicht mittlerweile erfüllt und der Kläger beim Landgericht die Fortsetzung des Verfahrens sowie die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft an Eides statt beantragt hat.
13
aa) Die Auskunftserteilung durch den Beklagten führt weder zu einer Erledigung des Rechtsstreits noch beseitigt sie seine Beschwer. Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien hat der Beklagte die Erklärung lediglich zum Zwecke der Abwendung der – durch den Kläger bereits eingeleiteten – Zwangsvollstreckung abgegeben.
14
In solchen Fällen, in denen die verurteilte Partei den titulierten Pflichten nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nachkommt, entfällt die durch eine Verurteilung geschaffene Beschwer generell nicht. Das gilt auch dann, wenn die Leistung aus Gründen, die in der Natur des titulierten Anspruchs liegen, auf eine endgültige, nicht mehr rückgängig zu machende Erfüllung hinausläuft, wie es bei einer erteilten Auskunft wesensgemäß der Fall ist, die, anders als etwa ein vereinnahmter Geldbetrag, nicht mehr “zurückgegeben” werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 1987 – IVb ZB 73/87, FamRZ 1988, 156 unter II; vom 29. Juni 2010 – X ZR 51/09, NJW 2010, 2812 Rn. 5; vom 21. August 2014 – VII ZR 144/13, NJW-RR 2014, 1319 Rn. 6). Denn auch hier leistet der Schuldner regelmäßig nur unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts, so dass es deshalb an einem Erfüllungseintritt fehlt.
15
bb) Der beim Landgericht gestellte Antrag des Klägers auf Fortführung des Verfahrens – Übergang von der Auskunfts- zur nächsten Stufe – führt nicht dazu, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Befugnis zur Entscheidung über das (noch) die Auskunftsstufe betreffende Rechtsmittel entzogen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1985 – IVa ZR 138/83, BGHZ 94, 268, 275).
16
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei im Hinblick auf die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, verletzt die – sich einander ergänzenden – verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Hiernach ist den Parteien (bereits) durch die Ausgestaltung des Verfahrensrechts ein Ausmaß an rechtlichem Gehör zu eröffnen, welches dem Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht wird und das den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Zudem dürfen die zivilprozessualen Vorschriften, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind, nicht derart ausgelegt und angewandt werden, dass den Parteien der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2012, 2869 Rn. 8; NZA 2016, 122 Rn. 9 ff.; Senatsbeschlüsse vom 11. Januar 2011 – VIII ZB 62/10, WuM 2011, 177 Rn. 3; vom 12. Juli 2016 – VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632 Rn. 1; vom 30. Januar 2018 – VIII ZB 57/16, NJW-RR 2018, 588 Rn. 7; vom 29. Juni 2021 – VIII ZB 52/20, juris Rn. 8).
17
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
18
a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der Verwerfungsbeschluss des Berufungsgerichts allerdings nicht bereits deshalb aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen sei.
19
aa) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 2013 – VI ZB 50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4; vom 16. September 2014 – XI ZB 5/13, juris Rn. 5; vom 27. Oktober 2015 – VIII ZB 94/14, juris Rn. 5; siehe auch Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 278/13, FamRZ 2015, 1712 Rn. 13). Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht – wie hier – die Berufung als unzulässig verwirft, weil die Berufungssumme nicht erreicht ist (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2015 – VIII ZB 16/15, juris Rn. 5 mwN).
20
Eine Sachdarstellung ist lediglich dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel noch mit hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2015 – IV ZB 21/15, juris Rn. 6; vom 15. Dezember 2015 – VIII ZB 16/15, aaO; jeweils mwN).
21
bb) Letzteres ist vorliegend der Fall. Obgleich der Verwerfungsbeschluss des Berufungsgerichts eine Sachdarstellung nicht enthält, ergibt sich aus dessen Gründen in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss, dass der Beklagte im Wege eines Teilurteils zur Auskunftserteilung verpflichtet wurde und sich hiergegen in vollem Umfang mit seiner Berufung wendet.
22
b) Es bedarf jedoch einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), weil der angefochtene Verwerfungsbeschluss auf einem Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Bemessung des Werts des vom Beklagten geltend gemachten Beschwerdegegenstands (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) beruht. Dieser übersteigt nach dem im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellenden – vom Berufungsgericht nicht hinreichend beachteten – Vorbringen des Beklagten die Wertgrenze von 600 €.
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aa) Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung gegen ein Urteil, in dem das Gericht erster Instanz – wie im Streitfall – die Berufung nicht zugelassen hat, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt. Dieser Wert wird nach §§ 2, 3 ZPO vom Berufungsgericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Die Bewertung des Rechtsmittelinteresses kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht bei der seinem freien Ermessen unterliegenden Wertfestsetzung die Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise, mithin fehlerhaft, Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Urteile vom 24. Januar 2013 – I ZR 174/11, WRP 2013, 1364 Rn. 10; vom 19. November 2014 – VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rn. 14; BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2003 – XII ZB 22/02, BGHZ 155, 127, 129; vom 18. September 2014 – III ZB 20/14, juris Rn. 8; vom 30. Januar 2018 – VIII ZB 57/16, NJW-RR 2018, 588 Rn. 16). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn das Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft (§ 286 ZPO) nicht berücksichtigt oder etwa gegen § 139 ZPO verstoßen oder (in sonstiger Weise) das rechtliche Gehör missachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2003 – XII ZB 22/02, aaO).
24
bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht noch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der für den Beschwerdewert maßgebende eigene Aufwand des Beklagten zur Erteilung der Auskunft lediglich mit einem Stundensatz anzusetzen ist, der sich an die Entschädigung für Zeugen bei einer (bloßen) Zeitversäumnis anlehnt und vorliegend mit 3,50 € zu bemessen ist (§ 20 JVEG in der zum Zeitpunkt der Einlegung der Rechtsbeschwerde geltenden Fassung [im Folgenden aF]; vgl. zum für die Bemessung des Beschwerdegegenstands maßgeblichen Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels BGH, Urteile vom 2. Juni 1993 – IV ZR 211/92, NJW-RR 1993, 1154 unter 2 a; vom 7. März 2001 – IV ZR 155/00, juris Rn. 17; Senatsbeschlüsse vom 16. Juni 2008 – VIII ZB 87/06, WuM 2008, 615 Rn. 10; vom 10. Januar 2017 – VIII ZR 98/16, NZM 2017, 358 Rn. 8 mwN; nach § 20 JVEG in der ab dem 1. Januar 2021 geltenden Fassung ist eine Entschädigung in Höhe von 4 € pro Stunde zu gewähren).
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Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegen die Voraussetzungen, unter denen eine Entschädigung für Verdienstausfall und damit ein Stundensatz von höchstens 21 € (§ 22 JVEG aF) anzusetzen wäre – woraus sich bei einem Aufwand des Beklagten von 60 Stunden statt einer Beschwer von 210 € eine solche von (höchstens) 1.260 € ergäbe -, nicht vor.
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(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der Wert der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nach dem Interesse der verurteilten Partei, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Hierbei ist im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert, sowie auf ein etwaiges – hier nicht gegebenes – schützenswertes Geheimhaltungsinteresse der verurteilten Partei (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. November 1994 – GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87 ff.; vom 17. November 2014 – I ZB 31/14, NJW-RR 2015, 1017 Rn. 10; vom 11. März 2020 – VII ZR 187/19, BauR 2020, 1203 Rn. 8; vom 8. Juli 2020 – XII ZB 334/19, NJW-RR 2020, 1137 Rn. 7; vom 30. Juli 2020 – III ZR 15/20, juris Rn. 7).
27
(2) Da der Beklagte sich vorliegend nicht darauf berufen hat, mit der Erteilung der Auskunft entgingen ihm – konkret anzugebende – berufliche Einkünfte, und die Auskunftserteilung auch keine berufstypische Leistung darstellt, so dass der Zeitaufwand nicht nach der Vergütung zu bestimmen ist, die der Beklagte sonst verlangen könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2003 – IV ZR 28/03, NJW-RR 2004, 724 unter II 2 b aa; vom 28. September 2011 – IV ZR 250/10, FamRZ 2012, 299 Rn. 9; vom 17. September 2019 – II ZR 140/18, juris Rn. 5), ist zur Bewertung seines Zeitaufwands grundsätzlich auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zurückzugreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2003 – IV ZR 28/03, aaO; vom 1. Oktober 2008 – IV ZB 27/07, NJW-RR 2009, 80 Rn. 14; vom 11. März 2020 – VII ZR 187/19, aaO Rn. 11; vom 30. Juli 2020 – III ZR 15/20, aaO).
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Maßgebend ist somit der Stundensatz, den der jeweilige Auskunftspflichtige als Zeuge im Zivilprozess erhalten würde. Dabei ist – was das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – im Grundsatz davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können und daher ein Verdienstausfall nicht eintritt, so dass in Anlehnung an § 20 JVEG aF lediglich eine Entschädigung für die Zeitversäumnis in Höhe von 3,50 € pro Stunde beziehungsweise im Falle eigener Haushaltsführung für mehrere Personen in Höhe von 14 € pro Stunde (§ 21 JVEG aF; nunmehr 17 € pro Stunde) angesetzt werden kann. Der Auskunftspflichtige, der in Abweichung hiervon behauptet, dass ihm eine Auskunftserteilung während seiner Freizeit nicht möglich sei, hat die Gründe hierfür im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2018 – XII ZB 451/17, FamRZ 2018, 445 Rn. 7; vom 19. Februar 2019 – II ZR 376/17, juris Rn. 7; vom 8. Juli 2020 – XII ZB 334/19, NJW-RR 2020, 1137 Rn. 9).
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(3) Solche Gründe hat der Beklagte nicht dargelegt. Er hat sich lediglich darauf berufen, es handele sich um eine Auskunftspflicht, “die aufgrund geschäftlicher Rechtsbeziehungen” bestehe, jedoch keine Angaben dazu gemacht, warum es ihm nicht möglich sein soll, die verlangten Auskünfte in seiner Freizeit zu erteilen. Gegenteilige Anhaltspunkte bietet der Prozessstoff nicht. Vielmehr liegt es nahe, dass der Beklagte, der das zuvor von ihm betriebene Optikergeschäft an den Kläger veräußert und keine Angaben zu einer beruflichen Beschäftigung gemacht hat, in der Lage ist, Auskünfte in seiner Freizeit zu erteilen.
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Damit ist keine Entschädigung wegen Verdienstausfalls in Anlehnung an § 22 JVEG aF (21 € pro Stunde) zu gewähren, so dass der vom Berufungsgericht an § 20 JVEG aF angelehnte Stundensatz einer Entschädigung für Zeitversäumnis von 3,50 € pro Stunde nicht zu beanstanden ist.
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(4) Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber zur Bemessung des Stundensatzes nach dem JVEG auf die Art des Auskunftsanspruchs abstellt und meint, bei solchen außerhalb besonderer familienrechtlicher Beziehungen sei in Anlehnung an § 22 JVEG aF stets ein Stundensatz von 21 € zu Grunde zu legen, beruft sie sich zu Unrecht auf eine Entscheidung des VII. Zivilsenats (Beschluss vom 3. April 2019 – VII ZB 59/18, juris Rn. 25). Die Rechtsbeschwerde verkennt, dass in der vorgenannten Entscheidung der von ihr geltend gemachte Obersatz dahingehend, dass bei Auskunftsansprüchen außerhalb familienrechtlicher Beziehungen der eigene Zeitaufwand des Verpflichteten nach § 22 JVEG aF, also mit einem Stundensatz von höchstens 21 €, zu bewerten sei, nicht aufgestellt wurde. Zur Ermittlung des maßgebenden Stundensatzes wurde eine Abgrenzung anhand der Art der rechtlichen Grundlage der zu erteilenden Auskunft nicht vorgenommen; vielmehr beruht auch diese Entscheidung auf den oben genannten Grundsätzen.
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Denn auch in dem der vorgenannten Entscheidung des VII. Zivilsenats zugrundeliegenden Fall stand nicht die Erfüllung einer berufstypischen Verpflichtung in Rede und hat die zur Auskunft verurteilte gewerbliche Spielevermittlerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, konkrete entgangene Einkünfte für den Fall der Auskunftserteilung nicht behauptet. Damit war ihr Aufwand anhand der Stundensätze des JVEG zu bestimmen. Da sich die Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Auskunftspflicht allerdings eigener Mitarbeiter bedienen musste und die hierzu erforderlichen Tätigkeiten von den Arbeitnehmern – anders als vorliegend – nicht in deren Freizeit zu erbringen waren, wurde der vom Berufungsgericht zu Grunde gelegte Stundensatz wegen einer Entschädigung für Verdienstausfall nach § 22 JVEG aF (21 €; siehe BGH, Beschluss vom 3. April 2019 – VII ZB 59/18, aaO Rn. 7) in Übereinstimmung mit der vorgenannten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als ermessensfehlerhaft angesehen.
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cc) Jedoch hat das Berufungsgericht – worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend verweist – das rechtliche Gehör des Beklagten (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und infolgedessen den Beschwerdewert ermessensfehlerhaft bestimmt, indem es dessen Vortrag zur notwendigen Hinzuziehung eines Steuerberaters im Kern nicht beachtet und hierzu in den Entscheidungsgründen keine Ausführungen gemacht hat (st. Rspr.; vgl. nur BVerfG, NJW-RR 2018, 694 Rn. 18 mwN; BGH, Beschlüsse vom 16. April 2019 – VI ZR 157/18, VersR 2019, 1105 Rn. 12; vom 10. Dezember 2019 – VIII ZR 377/18, NJW-RR 2020, 284 Rn. 12; vom 25. August 2020 – VIII ZR 59/20, NJW-RR 2020, 1275 Rn. 16).
34
(1) Muss sich die Partei bei der Auskunftserteilung fremder Hilfe bedienen, so gehören auch die Kosten, welche die Einschaltung der Hilfsperson verursacht, zu den Kosten der Auskunftserteilung. Die Kosten sachkundiger Hilfspersonen können jedoch nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige selbst zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2020 – III ZR 15/20, juris Rn. 10; vom 7. Oktober 2020 – I ZR 28/20, juris Rn. 10).
35
(2) Hierauf hat sich der Beklagte berufen und einen (zusätzlichen) Aufwand von 2.400 € behauptet. Auf den entsprechenden Vortrag ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.
36
Die vom Beklagten geschuldete Erklärung bedarf, um den Vorgaben des titulierten Auskunftsanspruchs zu entsprechen, nicht lediglich der Auswertung von Kontoauszügen und der Angabe erhaltener Zahlungen, sondern darüber hinaus näherer Angaben zu den den Zahlungen zugrundeliegenden Verträgen. Denn der Beklagte hat anzugeben, aus welchen Kontaktlinsenabonnements die Zahlungen stammen, und die zugehörige Vertragsnummer zu nennen.
37
Entsprechend hat der Beklagte dezidiert vorgebracht, zur Erfüllung dieser ihm auferlegten Auskunftspflicht auf die Mitwirkung eines Steuerberaters angewiesen zu sein. Denn nach der Veräußerung des Geschäfts lägen ihm keine Vertragsunterlagen mehr vor und verfügten nur der Kläger und der Steuerberater über die entsprechenden Verträge zu den Kontaktlinsenabonnements. In der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts hat der Beklagte weiter darauf abgestellt, er könne die – von ihm geforderte – Zuordnung der erhaltenen Zahlungen zu den einzelnen Vertragsnummern nicht allein anhand der Kontoauszüge vornehmen, sondern benötige weitergehende Daten, welche er sich von dem Steuerberater beschaffen müsse. Er hat ein Schreiben des Steuerberaters vorgelegt, wonach dieser bereit sei, die Vorarbeiten zur Erstellung eines der tenorierten Auskunftsverpflichtung genügenden Verzeichnisses zu erbringen. Hierfür fielen insgesamt Kosten in Höhe von ca. 2.400 € (20 Stunden à 120 €) an.
38
Das Berufungsgericht ist auf dieses zentrale Vorbringen des Beklagten zur notwendigen und kostenauslösenden Hinzuziehung des Steuerberaters nicht eingegangen, sondern hat pauschal darauf abgestellt, der Beklagte “sei in der Lage die Auskunft selbst zu erteilen”. Hierdurch hat es sich mit einer den Inhalt des gehaltenen Vortrags nicht erfassenden Leerformel über den Beklagtenvortrag hinweggesetzt, was im Hinblick auf die Anforderungen aus dem grundrechtsgleichen Recht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln ist als ein – gehörswidriges – kommentarloses Übergehen des Vorgebrachten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2019 – I ZB 90/18, WM 2019, 1973 Rn. 10 mwN).
39
(3) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf diesem Gehörsverstoß (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 23. September 2003 – VI ZB 32/03, juris Rn. 7; vom 15. April 2008 – VIII ZB 127/06, juris Rn. 6), da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Beachtung des Vortrags die Hinzuziehung eines Steuerberaters als notwendig, im Ergebnis den Aufwand des Beklagten an Zeit und Kosten zur Erbringung der Auskunft mit einem Betrag über 600 € angenommen und demzufolge von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen wäre.
40
(4) Der geltend gemachten Gehörsverletzung steht auch der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2010 – IX ZB 225/09, WM 2010, 1722 Rn. 7 f.; vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 15; jeweils mwN). Der Beklagte hat nicht nur im Rahmen der Berufungseinlegung, sondern erneut in seiner Stellungnahme zum Hinweis des Berufungsgerichts auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung auf die gebotene Hinzuziehung eines Steuerberaters und somit die Notwendigkeit “externe(r) Hilfe” abgestellt. Damit hat der Beklagte die (gebotene) Möglichkeit zur Äußerung genutzt und darauf hingewirkt, das Berufungsgericht von der Fehlerhaftigkeit seiner Ansicht zu überzeugen.
III.
41
Die Sache ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Dr. Fetzer     
      
Dr. Schmidt     
      
Wiegand
      
Dr. Matussek     
      
Dr. Reichelt     
      


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