Aktenzeichen 3 AZR 370/16
§ 133 BGB
§ 157 BGB
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Hamburg, 18. November 2015, Az: 3 Ca 247/15, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg, 21. April 2016, Az: 7 Sa 7/16, Urteil
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. April 2016 – 7 Sa 7/16 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18. November 2015 – 3 Ca 247/15 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 142,23 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Mai 2015 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge jeweils die Steigerung der Gehaltstarife gemäß der Allgemeinen Bestimmung Nr. 7 Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung) zugrunde zu legen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 17/100 und die Beklagte 83/100 zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, nach welchen Rechtsgrundlagen sich die Anpassung des Ruhegeldes des Klägers richtet.
2
Der im Oktober 1948 geborene Kläger war seit dem 1. April 1965 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der H AG (im Folgenden H AG alt) als Arbeitnehmer tätig. Bei der H AG alt war die betriebliche Altersversorgung in der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14; im Folgenden BV Soziale Richtlinien) geregelt. Diese – für die Versorgung des Klägers maßgebliche – Betriebsvereinbarung bestimmt in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung auszugsweise:
„2. Abschnitt
Ruhegeld
1.
Voraussetzungen
Mitarbeiter, die ununterbrochen mindestens 10 Dienstjahre bei H erfüllt haben, können unter Bezug von Ruhegeld in den Ruhestand übertreten, wenn eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist.
1.1
Altersgrenzen
a)
Vollendung des 65. Lebensjahres;
b)
Vollendung des 63. Lebensjahres und Bezug von Altersrente aus der Rentenversicherung;
c)
Vollendung des 61. Lebensjahres;
d)
Vollendung des 60. Lebensjahres von
–
Schwerbehinderten,
–
Beziehern einer Berufsunfähigkeitsrente oder
–
Mitarbeiterinnen
und Bezug von Altersrente aus der Rentenversicherung.
Der Ruhestand beginnt jeweils mit dem Monatsersten, frühestens mit Erfüllung der Voraussetzungen.
…
1.2
Gesundheitliche Gründe
a)
Erwerbsunfähigkeit
Bei Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente beginnt der Ruhestand spätestens mit dem Monatsersten nach Zustellung und Vorlage des Rentenbescheides.
…
b)
Berufsunfähigkeit
Bei Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente wird der Beginn des Ruhestandes von der Personalabteilung im Einvernehmen mit Betriebsrat und betroffenem Mitarbeiter festgelegt. Voraussetzung ist, daß
–
die Berufsunfähigkeit während des Arbeitsverhältnisses bei H eintritt und
–
keine Möglichkeit eines angemessenen und zumutbaren anderweitigen Einsatzes bei H besteht.
…
c)
Wegfall von Lohnersatzleistung
Ein vorläufiger Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen ist möglich, wenn
–
Antrag auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente beim Rentenversicherungsträger gestellt wurde und
–
der Mitarbeiter arbeitsunfähig krank ist (Nachweis durch Attest) und die sichere Kenntnis vorliegt, daß auf absehbare Zeit nicht mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist und
–
ein Ruhestand aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.
…
1.3
Betrieblicher Grund
Ein Mitarbeiter kann bei Vorliegen besonderer betrieblicher Gründe vorzeitig in den Ruhestand übertreten. Als solche Gründe sind beispielsweise anzusehen
–
Fortfall des Arbeitsplatzes ohne gleichwertige zumutbare Einsatzmöglichkeit,
–
Lösung betriebsnotwendiger Nachwuchsfragen.
Der Ruhestand soll nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres – bei Frauen des 55. Lebensjahres – erfolgen. In besonders begründeten Ausnahmefällen kann davon abgewichen werden.
Die Personalabteilung entscheidet auf Vorschlag des Fachbereiches im Einvernehmen mit Mitarbeiter und Betriebsrat; der Gesundheitsdienst ist ggf. anzuhören.
1.4
Schichtgänger
Schichtgänger können auf eigenen Wunsch vorzeitig mit Ablauf des Monats in den Ruhestand treten, in dem sie
–
bei mindestens 6-Wochen-Schichtrhythmus:
das 61. Lebensjahr
–
bei längerem Schichtrhythmus:
das 62. Lebensjahr
vollendet haben. …
2.
Höhe des Ruhegeldes
Das Ruhegeld richtet sich nach
–
dem ruhegeldfähigen Gehalt
–
der Anzahl der Dienstjahre und
–
möglichen Anrechnungen.
2.1
Ruhegeldfähiges Gehalt
Ruhegeldfähiges Gehalt ist das letzte Monatsgehalt, multipliziert mit dem Faktor 1,2. Es setzt sich aus folgenden im Monat des Ausscheidens geltenden Gehaltsteilen zusammen:
–
Tarifgruppen-Anfangsgehalt bzw. AT-Gehalt,
–
Dienstalterszulage,
–
Leistungszulage,
…
2.2
Anzahl der Dienstjahre
Das Ruhegeld beträgt nach 10 Dienstjahren 21 % des ruhegeldfähigen Gehaltes. Es wird je weiteres Dienstjahr um 1,25 %-Punkte (Steigerungssatz) erhöht. Jeder angefangene Monat nimmt mit 1/12 an der Steigerung teil.
Soweit Anwartschaft auf späteres betriebliches Ruhegeld beim Ausscheiden eines Mitarbeiters aufrechtzuerhalten ist, mindert sich dessen Höhe entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Dauer der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (gesetzliche Regelung).
…
4.2
Grenze der Gesamtversorgung
Die Grenze der Gesamtversorgung beträgt 70 %, wenn ein Mitarbeiter mit Vollendung des 63. Lebensjahres in den Ruhestand geht. Sie erhöht sich um 0,21 %-Punkte je vollen Kalendermonat bzw. 2,5 %-Punkte je Jahr, wenn der Ruhestand später beginnt. Sie wird im selben Umfang reduziert, sofern der Mitarbeiter nach Ziffer 1.1 c) früher in den Ruhestand tritt; diese Kürzung erfolgt nicht bei Übertritt in den Ruhestand vor Vollendung des 63. Lebensjahres aus anderen Gründen. Die Erhöhung/Minderung kann höchstens 5 %-Punkte betragen.
…
7.
Beginn/Ende der Ruhegeldzahlung
Die Zahlung des Ruhegeldes beginnt mit dem Eintritt in den Ruhestand. Die Versorgungsleistungen werden monatlich nachträglich gezahlt. Sie entfallen mit Ablauf des Monats, in dem der Berechtigte verstirbt oder seine Berufs-/Erwerbsunfähigkeitsrente entzogen wird.
Im Rahmen der Unverfallbarkeit bei den H ausgeschiedene Mitarbeiter erhalten Ruhegeld nur auf Antrag. Die Leistungen werden erstmals für den auf Antragseingang folgenden Monat gewährt. Rückwirkende Zahlungen erfolgen nicht.
…
4. Abschnitt
Witwen- und Waisengeld
…
5. Abschnitt
Sonderzahlungen
Tritt ein Mitarbeiter unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis mit H unter Bezug von Ruhegeld in den Ruhestand, erhalten er bzw. später seine Witwe/Vollwaisen nachstehende Leistungen. Dasselbe gilt, wenn ein Mitarbeiter während des Arbeitsverhältnisses bei H verstirbt.
1.
Übergangszahlung
…
2.
Weihnachtsgeld
Weihnachtsgeld wird in Höhe des ungekürzten Ruhe-, Witwen- bzw. Waisengeldes ohne Anrechnung gewährt.
…
3.
Überbrückungszulagen
Mitarbeiter, die
–
nach Vollendung des 62. (ab 1.7.1986: 61.) Lebensjahres (Abschnitt 2, Ziffer 1.1 c),
–
aus gesundheitlichen Gründen (Abschnitt 2, Ziffer 1.2 c),
–
aus betrieblichen Gründen (Abschnitt 2, Ziffer 1.3) oder
–
als Schichtgänger (Abschnitt 2, Ziffer 1.4)
in den Ruhestand treten, erhalten zusätzlich zum Ruhegeld eine Überbrückungszulage in Höhe der Differenz zwischen Ruhegeld und der jeweiligen Grenze der Gesamtversorgung (Abschnitt 2, Ziffer 4.2).
Diese Zahlung beginnt nach Ablauf von 2 Monaten und wird monatlich zusammen mit dem Ruhegeld überwiesen.
Die Überbrückungszulage ruht im vollen Umfang bei
–
Einkünften aus Erwerbstätigkeit einschließlich fremder Betriebsrenten/Pensionen,
–
Bezug sonstiger anrechenbarer Zahlungen (allg. Bestimmungen, Ziffer 4).
Die Überbrückungszulage endet mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter
–
das 63. Lebensjahr vollendet,
–
Rente aus der Rentenversicherung bezieht,
–
nach Wegfall des vorläufigen Ruhestandes aus gesundheitlichen Gründen (Abschnitt 2, Ziffer 1.2 c) das Arbeitsverhältnis hätte fortsetzen können oder
–
verstirbt.
…
Allgemeine Bestimmungen
…
7.
Anpassung
Die Ruhegeldberechnung wird zu bestimmten Zeitpunkten jeweils der Entwicklung der Gehaltstarife angepaßt.
Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftlich Lage der H zu berücksichtigen (gesetzliche Regelung).
…
9.
Ausschlußfrist
…
Ansprüche nach den Sozialen Richtlinien müssen innerhalb von 4 Monaten nach Fälligkeit bzw. Erfüllung der in Ziffer 6 vorgeschriebenen Pflichten geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Frist erlischt der Anspruch.“
3
Im Jahr 2000 vereinbarten die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V., deren Mitglied die H AG alt war, einerseits und die IG Metall sowie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (im Folgenden DAG) andererseits einen neuen Manteltarifvertrag (im Folgenden MTV H) für die H AG alt. In diesem ist unter II/D Nr. 5.3 geregelt:
„Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die direkt aus dem Arbeitsverhältnis mit der H AG unter Bezug von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ruhestand gehen, haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung.
Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die nach dem 30.09.1998 ein Arbeitsverhältnis mit der H AG aufgenommen haben, leistet das Unternehmen einen Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung, wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich an ihrer Altersversorgung in festzulegendem Umfang in Form von Eigenbeiträgen beteiligen.
Einzelheiten, insbesondere Anspruchsvoraussetzungen, Zeitpunkt des Übertrittes in den (vorzeitigen) Ruhestand, Höhe der Beiträge und Leistungen u. ä. werden – ebenso wie die Behandlung besonderer Personengruppen und Härtefälle – durch die Betriebspartner geregelt.“
4
Die ursprüngliche Arbeitgeberin des Klägers – die H AG alt – gliederte nach Maßgabe eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 22. August 2002 einen Teil ihres Vermögens und zwar das von ihr betriebene operative Geschäft mit allen zugehörigen Vermögensgegenständen und Schuldposten als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung auf die Erste H AG aus. Die Erste H AG wurde mit Beschluss der Hauptversammlung vom 22. August 2002 in H Aktiengesellschaft (im Folgenden H AG neu) und mit Beschluss der Hauptversammlung vom 7. April 2005, ins Handelsregister am 2. Januar 2006 eingetragen, in V H Aktiengesellschaft umfirmiert. Die V H Aktiengesellschaft hat nach Maßgabe des Abspaltungs- und Übernahmevertrages vom 31. März 2006 einen Teil ihres Vermögens (die Unternehmenseinheit „Verteilungsnetzbetreiber“) als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Abspaltung auf die V GmbH als übernehmenden Rechtsträger übertragen. Die V GmbH wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 19. März 2013 in S GmbH umfirmiert. Sie ist die Versorgungsschuldnerin des Klägers und Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits.
5
Wegen der bevorstehenden Ausgliederung von Teilen des Vermögens von der H AG alt auf die Erste H AG vereinbarten die Erste H AG und die IG Metall in einem Tarifvertrag vom 26. Juni 2002 die kollektivrechtliche Fortgeltung der zum Stichtag des Wirksamwerdens der Ausgliederung gültigen Tarifverträge der H AG alt bei der Erste H AG.
6
Die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. einerseits und die IG Metall andererseits änderten mit einem Tarifvertrag vom 24. Juli 2003 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2003 den MTV H ua. wie folgt:
„
Abschnitt II/D (Beendigung des Arbeitsverhältnisses):
Abs. 5.3 Abs. 3 erhält folgende Neufassung; Datum des Inkrafttretens: 01.01.2003:
Einzelheiten, insbesondere Anspruchsvoraussetzungen, Zeitpunkt des Übertrittes in den (vorzeitigen) Ruhestand, Höhe der Beiträge und Leistungen u. ä. werden – ebenso wie die Behandlung besonderer Personengruppen und Härtefälle – durch Betriebsvereinbarung geregelt. Änderungen werden nur nach Zustimmung der Tarifpartner wirksam.“
7
Ebenfalls zum 1. Januar 2003 trat die Betriebsvereinbarung Nr. 2003.13 über die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses (55er-Regelung) (im Folgenden BV 2003.13) in Kraft, die die vorherige Betriebsvereinbarung Nr. 99.11 über die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses (55er-Regelung) ersetzt hat. Die BV 2003.13 bestimmt auszugsweise:
„1.
Präambel
Die sich aufgrund der Liberalisierung des Energiemarktes ergebende Wettbewerbssituation stellt die H AG vor neue, große Herausforderungen. Die hieraus resultierende Neuorientierung des Unternehmens erfordert unter anderem auch eine weitere Anpassung der Personalkapazitäten. Diese soll sozialverträglich für die Mitarbeiter, gleichermaßen aber auch für das Unternehmen finanzierbar, erfolgen.
Aus diesem Grund erhalten betroffene Mitarbeiter im Rahmen der nachfolgenden Vereinbarung gezielt ein Angebot der H AG zur vorzeitigen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Diese Regelung dient dem Ziel, betriebsbedingte Kündigungen möglichst vermeiden zu können.
2.
Voraussetzungen
2.1
persönliche
2.1.1
Alter, Dienstjahre
Der Mitarbeiter muss bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
…
•
mindestens 55, aber noch nicht 58 Jahre alt sein.
…
2.1.2
Vorgezogene Altersrente (SGB VI)
Der Mitarbeiter muss die Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres (SGB VI) nach Arbeitslosigkeit oder aus anderen Gründen erfüllen.
2.2
betriebliche
Voraussetzungen für ein Angebot zu vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind,
•
dass der Arbeitsplatz des Mitarbeiters mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ersatzlos entfällt, oder
•
der Arbeitsplatz mindestens innerhalb der nächsten 5 Jahre nach Ausscheiden des Mitarbeiters nicht wieder besetzt wird …
…
3.
Folgen
Der Zeitraum ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ruhestand (Bezug von Sozialversicherungsrente) gliedert sich in 2 Phasen
a)
Übergangsphase mit Arbeitslosengeld (Ziff. 3.1)
b)
Übergangsphase ohne Arbeitslosengeld/Vor-Ruhestand (Ziff. 3.2)
3.1
Übergangsphase mit Arbeitslosengeld
3.1.1
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
a)
Art
Die betroffenen Mitarbeiter erhalten von der H AG das Angebot, das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch Aufhebungsvertrag zu beenden, damit betriebsbedingte Kündigungen mit ihren sozialen Härten bei der H AG möglichst vermieden werden können.
Ein Anspruch der Mitarbeiter ist ausgeschlossen.
…
3.1.2
Arbeitslosigkeit
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden die Mitarbeiter u. a.
•
sich rechtzeitig arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen,
•
der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen,
…
•
zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung stellen,
…
3.2
Übergangsphase ohne Arbeitslosengeld/Vor-Ruhestand
Der Vor-Ruhestand beginnt mit Ablauf des Monats, in dem der Anspruch des ehemaligen Mitarbeiters auf Arbeitslosengeld wegen Ablauf der Anspruchsdauer endet, spätestens mit Ablauf des Monats vor Vollendung des 58. Lebensjahres. Der Mitarbeiter bleibt jedoch unverändert – mit allen Konsequenzen – arbeitslos gemeldet und steht der Arbeitsvermittlung – soweit dies gesetzlich erforderlich ist – weiterhin zur Verfügung.
Der Vor-Ruhestand endet mit Vollendung des 60. Lebensjahres (frühestmöglicher Bezug von Sozialversicherungsrente).
3.3
Vorzeitige Beendigung der Übergangsphasen bzw. des Vor-Ruhestandes
Die Übergangsphasen bzw. der Vor-Ruhestand enden vorzeitig mit
•
Aufnahme einer selbständigen/nicht selbständigen Tätigkeit, unabhängig davon, ob diese befristet oder unbefristet ausgeübt wird. In diesen Fällen erfolgt die Berechnung des Ruhegeldanspruches entsprechend den Bestimmungen der Sozialen Richtlinien/Ruhegeldordnung 1991 als unverfallbare Anwartschaft;
•
Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Invalidität (Erwerbs-/Berufsunfähigkeit, Erwerbsminderung)
…
4.
Leistungen
4.1
Abfindung
Da das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen vorzeitig beendet wird, erhält der Mitarbeiter als Ausgleich für die mit der Beendigung verbundenen Nachteile eine Abfindung, die im Rahmen von § 3 Nr. 9 EStG steuer- und abgabenfrei (§ 1 ArEV) gezahlt wird.
4.1.1
Übergangsphase mit Arbeitslosengeld
Die Abfindung wird in monatlichen Teilbeträgen für jeden Monat, in dem der Mitarbeiter nach dieser Regelung Arbeitslosengeld bezieht, in Höhe von 31% des ruhegeldfähigen Gehaltes (letztes Monatsgehalt einschließlich Leistungszulage x 1,118 – Jahrgang 1947 und älter – bzw. letztes Monatsgehalt ohne Leistungszulage x 1,24 – Jahrgang 1948 und jünger -) gezahlt.
4.1.2
Übergangsphase ohne Arbeitslosengeld/Vor-Ruhestand
Die Abfindung wird für Monate gezahlt, für die der Mitarbeiter aus gesetzlichen Gründen bzw. auf Basis dieser Regelung kein Arbeitslosengeld bezieht. Sie setzt sich zusammen aus
•
einem Vor-Ruhestandsgeld, das der Höhe des nominellen Ruhegeldes entspricht, zzgl.
•
einer Überbrückungszulage in Höhe der Differenz zwischen Vor-Ruhestandsgeld und Grenze der Gesamtversorgung (65% des ruhegeldfähigen Gehaltes).
Maßgeblich für die Berechnung des ruhegeldfähigen Gehaltes ist das zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Monatsgehalt gemäß den Sozialen Richtlinien/Ruhegeldordnung 1991. Eine Anpassung des ruhegeldfähigen Gehaltes erfolgt erstmals in dem Jahr, in dem der Mitarbeiter nicht mehr an den Tarif-/AT-Erhöhungen der Aktiven teilgenommen hat. Zeitpunkt und Umfang richten sich nach den Bestimmungen für Ruhegeldempfänger.
Maßgeblich für die Berechnung des nominellen Ruhegeldes sind die zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleisteten Dienstjahre.
…
4.2
Sonstiges
4.2.1
Grundsätzliches
Mitarbeiter, die im Rahmen dieser Vereinbarung ihr Arbeitsverhältnis mit der H AG beenden, werden bezüglich des Anspruches auf sonstige Vergünstigungen, die Ruhegeldempfängern gewährt werden (z. B. Werktarif, verbilligtes Tanken u. ä.), diesen gleichgestellt, soweit und solange sie Leistungen nach Ziff. 4.11/4.12 erhalten. Verfahrenstechnische Abweichungen sind möglich. Soweit bestimmte Vergünstigungen nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steuer- und sozialversicherungspflichtig werden, geht dies ausschließlich zu Lasten des Mitarbeiters.
…
4.2.3
Weihnachtsgeld im Vor-Ruhestand
Das Weihnachtsgeld wird erstmalig im Jahr des Bezuges von Vor-Ruhestandsleistungen zeitanteilig für Monate mit Vor-Ruhestandsgeld gezahlt.
…
5.
Ruhestand
5.1
Beginn
Mit Ablauf des Monats nach Vollendung des 60. Lebensjahres (frühestmöglichen Bezug der gesetzlichen Rente) bzw. mit Bezug einer Erwerbsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrente tritt der Mitarbeiter in den Ruhestand.
5.2
Grenze der Gesamtversorgung für Mitarbeiter im Geltungsbereich der Sozialen Richtlinien
Die Grenze der Gesamtversorgung beträgt 65% des ruhegeldfähigen Gehaltes.
…
6.
Sonstiges
6.1
Soziale Richtlinien/Ruhegeldordnung 1991
Die SOZIALEN RICHTLINIEN (Abschnitte 2, 4, 5 Ziff. 2 und 3, Allgemeine Bestimmungen) sowie die Ruhegeldordnung 1991 finden in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung, sofern vorstehend keine abweichenden Festlegungen getroffen worden sind.“
8
Unter dem 14. Januar/11. März 2003 vereinbarten die Arbeitgeberin und der Kläger einen „Aufhebungsvertrag 55er-Regelung“. Dieser bestimmt ua.:
„Sehr geehrter Herr Q,
auch Ihr Arbeitsplatz ist von notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen der H AG betroffen. Um betriebsbedingte Kündigungen in der H AG möglichst zu vermeiden, bieten wir Ihnen an, das zwischen Ihnen und der H AG bestehende Arbeitsverhältnis zu nachfolgenden Bedingungen vorzeitig aufzulösen.
1. Aufhebung des Arbeitsverhältnisses
Unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende vereinbaren wir mit Ihnen die Aufhebung Ihres Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 01.11.2003.
Dieser Vertrag regelt Rechte und Pflichten während der Übergangsphasen mit bzw. ohne Arbeitslosengeldbezug, d. h. bis zum Bezug von Sozialversicherungsrente.
2. Betriebliche Leistungen
Auf Basis der Betriebsvereinbarung ‚Vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses (55er-Regelung)‘, gültig ab 01.01.2000 (BV 99.11), sowie der Bestimmungen der Sozialen Richtlinien (BV 75.14, zuletzt geändert durch BV 2002.04, gültig ab 01.03.2002), erhalten Sie Leistungen seitens der H AG während der Übergangsphasen bis zum frühestmöglichen Bezug von Rente aus der Sozialversicherung.
Da das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen auf Veranlassung der H AG beendet wird, erhalten Sie die Leistungen zum Ausgleich für die mit der Beendigung verbundenen Nachteile als Abfindung. Vorbehaltlich zukünftiger Änderungen ist die Abfindung derzeit im Rahmen von § 3 Nr. 9 EStG (teilweise) steuer- und abgabenfrei (§ 1 ArEV).
…
4. (Vorzeitiges) Ende der Übergangsphasen
…
Die Übergangsphasen enden spätestens mit Ablauf des 31.10.2008, da Sie ab dem 01.11.2008 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI), eine Altersrente für Frauen (§ 39 SGB VI) bzw. wegen Schwerbehinderung (§ 37 SGB VI) beziehen können. Der Anspruch auf Leistungen der H AG gem. Ziff. 2 entfällt damit zum gleichen Termin.
Entsprechend den Sozialen Richtlinien erhalten Sie nach Ablauf der Übergangsphasen mit Beginn des Bezuges der Sozialversicherungsrente ein neu berechnetes H-Ruhegeld (Gesamtversorgungsbetrachtung).
…
6. Schlußbestimmungen
Soweit vorstehend nichts anderes vereinbart ist, finden die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung ‚Vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses (55er-Regelung)‘, gültig ab 01.01.2000 (BV 99.11, als Anlage beigefügt) sowie die Sozialen Richtlinien (BV 75.14, zuletzt geändert durch BV 2002.04, gültig ab 01.03.2002), in ihrer jeweils gültigen Fassung ausdrücklich und ergänzend Anwendung.“
9
Am 26. September 2003 schlossen die im „V-Konzern“ vertretenen Gewerkschaften IG BCE, ver.di und IG Metall eine Vereinbarung, wonach sie „für die Erarbeitung und Verhandlung eines Konzerntarifwerkes sowie dessen Fortentwicklung“ eine Tarifgemeinschaft bildeten. Die bisherigen Zuständigkeiten der Einzelgewerkschaften sollten unverändert weiter fortbestehen.
10
Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 schlossen die H AG neu, die später als V H AG firmierte, und der bei ihr gebildete Betriebsrat die Betriebsvereinbarung Nr. 2005.03 (im Folgenden BV 2005.03). Diese bestimmt:
„In den Sozialen Richtlinien (BV 75.14, zuletzt geändert durch BV 2004.11) wird die Ziff. 7 im Abschnitt ‚Allgemeine Bestimmungen‘ wie folgt neu gefasst:
‚Die Anpassung der Ruhegeldzahlbeträge, des Weihnachtsgeldes (nominelles Ruhegeld) und der Hinterbliebenenbezüge erfolgt jährlich zum Zeitpunkt der allgemeinen Anpassung der Sozialversicherungsrenten (SV-Renten). In Jahren ohne SV-Rentenerhöhung erfolgt die Anpassung der betrieblichen Leistungen grundsätzlich zum gleichen Stichtag wie im Vorjahr.
Dieses Verfahren gilt auch für bereits im Ruhestand befindliche ehemalige Mitarbeiter und deren Hinterbliebene.
Die Festlegung der Höhe des Anpassungssatzes erfolgt unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehaltstarife, der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen sowie der wirtschaftlichen Lage der H.
Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung von § 16 BetrAVG zu entscheiden.‘
…“
11
Dieser Betriebsvereinbarung stimmten die IG Metall und die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. am 26. Oktober 2006 rückwirkend für den Zeitpunkt ihres vorgesehenen Inkrafttretens zu.
12
Zum 1. November 2003 trat der Kläger entsprechend den Regelungen in seinem Aufhebungsvertrag in die Übergangsphase mit Arbeitslosengeld.
13
Unter dem Datum des 20. November 2006 schlossen die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V., der Arbeitgeberverband energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmen e. V. und der Wirtschaftsverband Kohle e. V. einerseits sowie die IG BCE, ver.di und die IG Metall andererseits ua. für die V H Aktiengesellschaft den Manteltarifvertrag für die Mitgliedsunternehmen der Tarifgemeinschaft V (im Folgenden MTV 2006). Der MTV 2006 enthält ua. folgende Regelung:
„VII. Altersversorgung
§ 36 Altersversorgung
1.
Arbeitnehmer, die ab dem 01.01.2007 bei einem Mitgliedsunternehmen der Tarifgemeinschaft V eingestellt werden, erhalten eine betriebliche Altersversorgung nach einem neuen einheitlichen System. Die Einzelheiten dieser betrieblichen Altersversorgung werden auf betrieblicher Ebene geregelt. Für die bis zum 31.12.2006 eingestellten Arbeitnehmer gelten die bisherigen Versorgungssysteme weiter.“
14
Nach der Beendigung des Vorruhestandes zum 31. Oktober 2008 trat der Kläger – nach der Vollendung des 60. Lebensjahres – in den Altersruhestand. Seit dem 1. November 2008 bezieht er eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und ein betriebliches Ruhegeld. Die Beklagte erhöhte das Ruhegeld des Klägers in den Jahren 2009 und 2010 jeweils zum 1. Juli entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife um 4,0 vH bzw. 2,6 vH. Zum 1. Juli 2011 steigerte sie das Ruhegeld um 3,16 vH, zum 1. Juli 2012 um 2,49 vH und zum 1. Juli 2013 um 2,4 vH. Dabei legte die Beklagte die jeweilige prozentuale Tariferhöhung zugrunde und rechnete diese aufgrund der jeweils 13-monatigen Laufzeit des Gehaltstarifvertrages auf einen Zwölf-Monats-Zeitraum um.
15
Nach dem „Tarifvertrag über die Tabellenvergütung (TVT)“ vom 10. April 2013 wurden die Tabellenvergütungen ua. ab dem 1. April 2014 um 1,8 vH angehoben.
16
Das Ruhegeld des Klägers belief sich bis zum 30. Juni 2014 auf monatlich 1.739,04 Euro brutto. Zum 1. Juli 2014 erhöhte die Beklagte das Ruhegeld um 1,03 vH und zahlte an den Kläger monatlich 1.756,95 Euro brutto. Das Weihnachtsgeld erhöhte die Beklagte von 2.820,71 Euro ebenfalls um 1,03 vH auf 2.849,76 Euro. Die Anpassung um 1,03 vH erfolgte auf der Grundlage der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes seit der letzten Anpassung zum 1. Juli 2013.
17
Mit seiner – der Beklagten am 13. Mai 2015 zugestellten – Klage hat der Kläger die vollständige Weitergabe der tariflichen Gehaltserhöhung ab dem 1. Juli 2014, die er der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 21. Dezember 2014 geltend gemacht hat, begehrt. Sein Ruhegeld sei nach Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 1 BV Soziale Richtlinien an die Entwicklung der Gehaltstarife anzupassen. Die BV 2005.03 sei unwirksam und finde auf sein Versorgungsverhältnis keine Anwendung. Er habe deshalb Anspruch auf eine Erhöhung des Ruhegeldes um 1,96 vH zum 1. Juli 2014. Die Tariflohnerhöhung von 1,8 vH sei auf zwölf Monate hochzurechnen. Ab Juli 2014 ergebe sich daher eine monatliche Differenz iHv. 16,17 Euro. Weiter habe er Anspruch auf Zahlung eines um 26,23 Euro erhöhten Weihnachtsgeldes für das Jahr 2014.
18
Der Kläger hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 187,93 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge jeweils die Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der Fassung ab 1. Juli 1986) zugrunde zu legen.
19
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger sei vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter iSv. Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 2 BV Soziale Richtlinien. Er habe deshalb keinen Anspruch auf Anpassung seines Ruhegeldes an die Entwicklung der Gehaltstarife. Zudem sei Absatz 1 dieser Vorschrift durch die BV 2005.03 wirksam abgelöst worden; dafür hätten tragfähige Gründe vorgelegen. Im Übrigen könne der Kläger höchstens eine Anpassung um 1,8 vH verlangen, soweit Ansprüche nicht sowieso verfallen seien.
20
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.