Aktenzeichen 26 W (pat) 509/18
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 026 620.8
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. Mai 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Oktober 2017 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung bezüglich der Waren der
Klasse 19: Baumaterialien aus Holz und deren Ersatzstoffen, insbesondere Bauholz, Bretter, Bodenbretter, Daubenholz, Furnierholz, Schnittholz;
Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Baumaterialien aus Holz
zurückgewiesen worden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das Wort-/Bildzeichen (schwarz/weiß)
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ist am 13. September 2016 unter der Nummer 30 2016 026 620.8 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
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Klasse 19: Baumaterialien aus Holz und deren Ersatzstoffen, insbesondere Bauholz, Bretter, Bodenbretter, Daubenholz, Furnierholz, Fußböden, Fenster, Fensterläden, Holzfurniere, Holzvertäfelungen, Schnittholz, Türen, Wand- und Deckenverkleidungen;
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Klasse 20: Möbel und Einrichtungsgegenstände; Waren aus Holz; Kunsttischlerartikel; Regale; Tische; Kommoden; Schränke; Schreibtische; Büromöbel; Rahmen; Gartenmöbel; Kästen aus Holz; Kisten aus Holz; Schilder aus Holz;
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Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Waren aus Holz, insbesondere Möbel, Einrichtungsgegenstände und Baumaterialien aus Holz; Werbung; Waren- und Dienstleistungspräsentationen; Beratung Endprodukte; Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Marketing [Forschung]; sämtliche Dienstleistungen auch über das Internet;
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Klasse 42: Designerdienstleistungen.
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Mit Beschluss vom 12. Oktober 2017 hat die Markenstelle für Klasse 20 des DPMA durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen setze sich aus zwei einfachen Wörtern der deutschen und englischen Sprache zusammen. Das Element „Interieur“ sei die deutsche Entsprechung zum englischen Wort „interior“, sei im Duden eingetragen und bezeichne die „Innenausstattung eines Raumes“. In diesem Sinne werde es von den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen der Durchschnittsverbraucher sowie der gewerbliche Fachverkehr in den Bereichen Werbung, Handel und Designerdienstleistungen gehöre, ohne weiteres verstanden. Das aus dem Englischen stammende Hauptwort „Branding“ sei im Inland in der Bedeutung „Entwicklung von Markennamen“ oder „Kennzeichnung durch Marken, Markenstrategie, Markenführung“ bekannt. Dies belegten Ausdrücke wie „Employer Branding“, „Personal Brandung“ oder „Internal Branding“. In diese Begriffsbildungen reihe sich das Anmeldezeichen nahtlos ein. Beide Wörter seien als Haupt- und Bestimmungswort aufeinander bezogen. Der inländische Verkehr sei an die getrennte Schreibweise gewöhnt, da sie an das Englische angelehnt sei. Somit erschöpfe sich das Anmeldezeichen in dem rein sachlichen Hinweis auf eine Markenstrategie, die sich mit Inneneinrichtung beschäftige. Die Inneneinrichtung von Geschäftsräumen sei zur Kommunikation der gewünschten Markenaussage nicht unwesentlich. Hierzu gehöre die Planung von Postern und Plakaten im Innenbereich, aber auch die Anfertigung und Gestaltung spezieller Aufsteller, Möbel, Tresen etc. Das Anmeldezeichen weise somit lediglich auf die Art und Bestimmung der beanspruchten Design-, Marketing- und Beratungsdienstleistungen hin. Die angemeldeten Waren der Klassen 19 und 20 eigneten sich für solche Brandingmaßnahmen und die in Rede stehenden Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen könnten sich auf diese Produkte beziehen. Auch die graphische Gestaltung könne dem Zeichen keine Schutzfähigkeit verleihen, da die verwendete Schriftart, -größe und -farbe gängig sowie die zweizeilige Anordnung und die Großschreibung werbeüblich seien. Die Anmelderin könne sich auch nicht auf vergleichbare Voreintragungen berufen, da diese keine Bindungswirkung entfalteten. Die erforderliche formelle Klärung des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses werde zurückgestellt.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, das Anmeldezeichen sei ein Kunstbegriff, der aus einer ungebräuchlichen und ungewöhnlichen Kombination eines deutschen und eines englischen Wortes bestehe. Der Begriff „Interieur“ sei eine Verfremdung des englischen Substantivs „interior“ und werde insbesondere vom Durchschnittsverbraucher nicht ohne weiteres verstanden. Der Begriff „Branding“ bezeichne im Deutschen das Einbrennen von Mustern in die Haut, im Englischen dagegen die Markenkennzeichnung und sei von daher schon interpretationsbedürftig. Bei der Eingabe des Anmeldezeichens in eine Suchmaschine im Internet erschienen nur Treffer zur Anmelderin. Soweit der Ausdruck „interior branding“ für die markenmäßige Gestaltung von Innenräumen stehe, weiche das Anmeldezeichen in seinem ersten Bestandteil „Interieur“ schriftbildlich und phonetisch erheblich davon ab. Selbst wenn man das Zeichen in diesem Sinn verstehe, stelle es im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen „Werbung; Waren- und Dienstleistungspräsentationen; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen; Beratung Endprodukte; Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Marketing“ keinen beschreibenden Hinweis dar. Dafür bedürfe es mehrerer Gedankenschritte. Dies gelte erst recht für die angemeldeten Waren der Klassen 19 und 20. Zudem begründe die graphische Ausgestaltung Unterscheidungskraft. Auch wenn jedes Gestaltungsmittel für sich genommen werbeüblich sei, sei die Gesamtgestaltung in ihrer Komplexität schutzfähig. Ein Anspruch auf Eintragung ergebe sich zudem aus vergleichbaren Voreintragungen. Schließlich erklärt die Anmelderin, dass zwischen den Waren „Baumaterialien aus Holz und deren Ersatzstoffen, insbesondere Bauholz, Bretter, Bodenbretter, Daubenholz, Furnierholz“ und den nachfolgenden Produkten „Fußböden, Fenster, Fensterläden, Holzfurniere, Holzvertäfelungen, Schnittholz, Türen, Wand- und Deckenverkleidungen“ eine Trennung durch Semikolon erfolgen solle.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des DPMA vom 12. Oktober 2017 aufzuheben.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 5. Juli 2018 ist die Beschwerdeführerin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 9, Bl. 34 – 84 GA) darauf hingewiesen worden, dass das angemeldete Wortzeichen ganz überwiegend nicht für schutzfähig erachtet werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber nur im tenorierten Umfang Erfolg.
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1. Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke steht das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, soweit die Beschwerde zurückgewiesen wird.
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a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rdnr. 7 – #darferdas?; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 8 – #darferdas?; GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).
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b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Wort-/Bildzeichen überwiegend nicht. Zumindest die angesprochenen inländischen Fachkreise haben es in Bezug auf die Waren der Klassen 19 und 20 sowie im Hinblick auf die Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 mit Ausnahme der tenorierten Produkte und Dienste schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 13. September 2016, ausschließlich als Sachangabe verstanden, so dass es sich insoweit nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen eignet.
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aa) Von den beanspruchten Werbe-, Beratungs- und Handelsdienstleistungen der Klasse 35 und den Designerdienstleistungen der Klasse 42 werden Unternehmer und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene angesprochen, während sich die Baumaterialien der Klasse 19, die Möbelwaren der Klasse 20 und die sich darauf beziehenden Einzel- und Großhandelsdienstleistungen der Klasse 35 auch an die Endverbraucher sowie an den Baustoff- und Einrichtungsfachhandel richten.
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bb) Die Wortelemente des Anmeldezeichens setzen sich aus den Begriffen „Interieur“ und „Branding“ zusammen.
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aaa) Das Fremdwort „Interieur“, das auf das französische Nomen „intérieur“ für „das Innere“ und das lateinische Adjektiv „interior“ für „innerer, innen“ zurückgeht, hat seit langem Eingang in die deutsche Sprache gefunden und die bildungssprachlichen Bedeutungen „das Innere [eines Raumes]“, „Innenausstattung eines Raumes“ sowie in der bildenden Kunst „einen Innenraum darstellendes Bild, besonders in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts“. Als aktuelle inländische Synonyme dienen die Begriffe „Dekor“, „Dekoration“, „[Innen]ausstattung“, „[Innen]einrichtung“, „Inventar“, „Mobiliar“, „Möblierung“ und „Wohnungseinrichtung“ (Duden, s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis; Duden – Das Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 1982, S. 352). Der Begriff „Interieur“ wird auch als „Innenraum eines Gebäudes und dessen Ausstattung (Innenarchitektur, Raumausstattung, Möbel)“ definiert (Wikipedia, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis).
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bbb) Inzwischen ist auch das dem Englischen entstammende Substantiv „Branding“, das mit „Brandmarken, Markenkennzeichnung, Markenbildung, Markenpolitik“ übersetzt wird (www.leo.org) im Deutschen geläufig und bedeutet „Entwicklung von Markennamen, Kennzeichnung durch Marken, Markenstrategie“ sowie „das Einbrennen von bestimmten Mustern in die Haut mithilfe einer heißen Nadel“ (Duden, s. Anlage 7 zum gerichtlichen Hinweis; BPatG 29 W (pat) 61/99 – BRANDING Today). Als Fachwort in der Wirtschaft steht es für den Aufbau und die Weiterentwicklung einer Marke zu einem starken Aushängeschild eines Unternehmens, wobei das Hauptziel darin besteht, die eigenen Waren und Dienstleistungen vom Angebot der Wettbewerber abzugrenzen und mit konkreten Botschaften und Emotionen zu versehen (www.gruenderszene.de/lexikon/begriffe/Branding, s. Anlage 6 zum gerichtlichen Hinweis).
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cc) In der Gesamtheit kommen dem Anmeldezeichen daher die Bedeutungen zu „Innenausstattung zu einer Marke entwickeln“ bzw. „Markenstrategie, die sich mit der Inneneinrichtung beschäftigt“ oder „Innenausstattung mit einer Marke versehen/kennzeichnen“ bzw. „Markeneinsatz im Bereich Innenausstattung“.
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dd) In den hier angesprochenen Wirtschafts- und Marketingkreisen ist schon vor dem Anmeldezeitpunkt, dem 13. September 2016, der Begriff „interior branding“ bzw. „Interior Branding“ bekannt gewesen. Dabei handelt es sich um die Entwicklung von Gestaltungskonzepten für die Innenräume eines Unternehmens, um dessen Corporate Design, also dessen visuelles Erscheinungsbild im Rahmen und zur Unterstützung der von der Corporate Identity vorgegebenen Ziele, auch auf die Geschäftsräume, sei es ein Büro, Showroom, Verkaufs-, Meeting- oder Aufenthaltsraum, zu übertragen, und für die Kunden ein unverwechselbares Ambiente zu schaffen, das aus dem Rahmen fällt und einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Denn auch die Gestaltung der Geschäftsräume ist ein wichtiger Bestandteil der Markenstrategie und Markenführung. „Interior branding“ ist schon vor dem Anmeldezeitpunkt von einer Vielzahl von Designbüros und Werbeagenturen angeboten worden (s. Anlagenkonvolut 8 zum gerichtlichen Hinweis; https://www.design energy.de/category/raum-design/; http://www.prh-werbung.de/disziplinen.html; http://www.ml-mc.de/interior-branding/interior-branding.php; https://witthohn-design.de). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist sogar markenmäßiger Schutz für die Innenausstattung von Verkaufsräumen bzw. Ladenflächen unter bestimmten Voraussetzungen möglich (vgl. GRUR Int. 2014, 945 – Apple Flagship Store).
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Vor diesem Hintergrund haben daher zumindest die Fachkreise, deren Verständnis allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (EuGH GRUR 2004, 682 Rdnr. 26 – Bostongurka; BPatG 26 W (pat) 507/17 – SMART SUSTAINABILITY; 24 W (pat) 18/13 – CID; 26 W (pat) 550/10 – Responsible Furniture; MarkenR 2007, 527, 529 f. – Rapido), die Wortkombination „Interieur Branding“ zum Anmeldezeitpunkt als eine nur geringfügige Abwandlung des bereits eingeführten und bekannten Fachbegriffs „Interior Branding“ aufgefasst, bei dem nur das englische Substantiv für Innenräume durch das gleichbedeutende, aus dem Französischen stammende Wort „Interieur“ ausgetauscht worden ist, und haben das Anmeldezeichen sofort und ohne weitere Gedankenschritte im Sinne von „Markenstrategie, die sich mit (der Gestaltung und Einrichtung von) Innenräumen befasst“ verstanden.
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ee) Die Wortelemente des angemeldeten Wort-/Bildzeichens erschöpfen sich daher nur in einem sachbezogenen Hinweis auf Art, Bestimmung, Inhalt und Gegenstand der im Tenor aufgeführten Waren und Dienstleistungen oder stellen einen engen beschreibenden Bezug zu ihnen her.
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aaa) „Interieur Branding“ beschreibt unmittelbar den Inhalt, Gegenstand und Bestimmungszweck der beanspruchten „Designerdienstleistungen“ der Klasse 42. Denn Designer können sich mit der Gestaltung von Innenräumen mit konkreten Botschaften und Emotionen befassen, um die Waren und Dienstleistungen der Kunden vom Angebot anderer Wettbewerber abzugrenzen.
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bbb) Dies gilt auch für die angemeldeten Werbedienstleistungen der Klasse 35 „Werbung; Waren- und Dienstleistungspräsentationen; Marketing [Forschung]; sämtliche Dienstleistungen auch über das Internet“. Denn viele Werbeagenturen haben sich entweder auf den Bereich „Interior Branding“ spezialisiert oder bieten diesen neben anderen Kategorien an, so dass nur ihr Tätigkeitsbereich angegeben wird (s. Anlagenkonvolut 8 zum gerichtlichen Hinweis).
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ccc) Auch die in Rede stehenden Dienstleistungen „Beratung Endprodukte; Handels- und Geschäftsangelegenheiten; sämtliche Dienstleistungen auch über das Internet“ können die „Markenentwicklung/-führung mittels Gestaltung der Geschäftsräume“ zum Gegenstand haben.
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ddd) Die beanspruchten Waren der Klasse 20 „Möbel und Einrichtungsgegenstände; Waren aus Holz; Kunsttischlerartikel; Regale; Tische; Kommoden; Schränke; Schreibtische; Büromöbel; Rahmen; Gartenmöbel; Kästen aus Holz; Kisten aus Holz; Schilder aus Holz“ können dafür bestimmt oder geeignet sein, eine individuelle Innenausstattung („Interieur“) von Verkaufsräumen bzw. Ladenflächen als Markenzeichen zu kreieren. „Gartenmöbel“ finden auch Einsatz in Innenräumen, z. B. in Wintergärten.
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eee) Dies gilt auch für die angemeldeten Waren der Klasse 19 „Fußböden, Fenster, Fensterläden, Holzfurniere, Holzvertäfelungen, Türen, Wand- und Deckenverkleidungen“, da auch sie der individuellen Gestaltung von Innenräumen als Aushängeschild eines Unternehmens dienen können.
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fff) Bei den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 „Einzel- und Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Waren aus Holz, insbesondere Möbel, Einrichtungsgegenstände
“ wird der angesprochene Fachverkehr die Wortkombination „Interieur Branding“ wegen der funktionellen Nähe dieser Dienstleistungen zu den Waren, mit denen Handel getrieben werden soll, nicht als betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur als Sachhinweis auf den Gegenstand des (Online-)Einzel- und Großhandels ansehen (vgl. BPatG 29 W (pat) 41/12 – CAMOMILLA; 29 W (pat) 525/10 – fashion.de; 26 W (pat) 49/14 – matratzendirect), nämlich auf Waren, die aufgrund besonderer Merkmale dazu beitragen, die Inneneinrichtung zu einem einprägsamen Markenerlebnis zu machen. Insoweit besteht ein enger beschreibender Bezug.
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ff) Den Wortelementen des Anmeldezeichens fehlt es auch an Besonderheiten in syntaktischer oder semantischer Hinsicht, die die gewählte Kombination als ungewöhnlich erscheinen lassen und eine Schutzfähigkeit begründen könnten (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 – 100 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rdnr. 39 – 41 – BIOMILD; BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 13 – My World). Auch wenn es sich um eine Wortneuschöpfung handelt, fehlt es an einer ungewöhnlichen Änderung, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt. Denn die angemeldete Kombination aus zwei Substantiven, die zwar unterschiedlichen sprachlichen Ursprung haben, aber beide in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind, ist sprachregelgerecht gebildet und beschränkt sich auf die bloße Summenwirkung beschreibender Bestandteile.
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c) Die grafische Gestaltung des um Schutz nachsuchenden Zeichens ist ebenfalls nicht geeignet, ihm die notwendige Unterscheidungskraft zu verleihen.
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aa) Denn an die grafische Ausgestaltung sind umso größere Anforderungen zu stellen, je deutlicher der nicht unterscheidungskräftige Charakter der fraglichen Angabe selbst hervortritt (BGH GRUR 2001, 1153 – antiKALK; GRUR 2009, 954 Rdnr. 17 – Kinder III; GRUR 2010, 640 Rdnr. 17 – hey!; GRUR 2014, 569 Rdnr. 20 – HOT). Dafür müssten die Bildbestandteile charakteristische Gestaltungsmerkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht. Daran fehlt es, wenn sich das Bildelement in rein dekorativen Hervorhebungsmitteln erschöpft oder ausschließlich die – sachbezogenen – Aussagen der anderen Zeichenteile illustriert (BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 20 – VISAGE; a. a. O. – antiKALK; a. a. O. Rdnr. 18 – grill meister).
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bb) Die zweizeilige Anordnung ist werbeüblich (vgl. BPatG 29 W (pat) 21/16 – ; 29 W (pat) 541/16 – ; 25 W (pat) 525/10 – ). Dasselbe gilt für die durchgehende Großschreibung (vgl. BPatG 24 W (pat) 8/14 – KIDZ ONLY; 24 W (pat) 338/03 – VISAGE; BPatG 26 W (pat) 2/09 – LINKRANK). Auch die einfache, schwarze Blockschrift ist weder ungewöhnlich noch besonders einprägsam. Insgesamt wird der Fachverkehr das angemeldete Wort-/Bildzeichen daher als eine Gesamtheit wahrnehmen, in der der sachbezogene Charakter der Wortbestandteile im Vordergrund steht.
37
cc) Entgegen der Ansicht der Anmelderin verfügt das Anmeldezeichen nicht über eine eigentümliche oder komplexe Gestaltung wie die von ihr angeführten Marken. Die Marke (BPatG 29 W (pat) 3/06) vermittelt wegen einer versetzten Anordnung der Wortelemente und ihrer Vierfarbigkeit einen unverwechselbaren charakteristischen Gesamteindruck. Die Marke (BPatG 27 W (pat) 569/13) erinnert an eine Kinoleinwand und Schwarz-Weiß-Filme. Die Marke
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
(BPatG 27 W (pat) 56/12) besteht aus vielen unterschiedlichen, zweifarbigen Elementen. Die Wortelemente der Marke (BPatG 27 W (pat) 508/14) befinden sich vor einem farblich ungewöhnlich gestalteten schwarz-roten Hintergrund. Die konkrete Zusammenstellung der Wort- und Bildelemente der Marke (BPatG 28 W (pat) 535/11), insbesondere die charakteristische Form der schwarzen Umrahmung mit zwei rechtwinkligen und zwei runden Ecken, die sich in dem darin befindlichen kleineren grauen Feld widerspiegelt, weist einen gewissen Fantasiegehalt auf. Die Marke (BPatG 27 W (pat) 77/13) verfügt über ein zusätzliches Bildelement in Form der stilisierten Silhouette der Prager Burg.
38
d) Schließlich rechtfertigen auch die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen keine andere Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf den ausführlichen gerichtlichen Hinweis vom 5. Juli 2018 Bezug genommen.
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2. Da es dem angemeldeten Wort-/Bildzeichen hinsichtlich der vorgenannten Waren und Dienstleistungen an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt bleiben, ob seiner Eintragung auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an seiner freien Verwendbarkeit entgegen steht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
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3. Kein Schutzhindernis vermag der Senat dagegen im Hinblick auf die beanspruchten Waren der Klasse 19 „Baumaterialien aus Holz und deren Ersatzstoffen, insbesondere Bauholz, Bretter, Bodenbretter, Daubenholz, Furnierholz, Schnittholz“ zu erkennen. Denn dabei handelt es sich um Rohmaterialien, die erst nach dem Zwischenschritt der Verarbeitung für die Inneneinrichtung eines Raums im Rahmen einer Markenstrategie in Betracht kommen können. Wegen der funktionellen Nähe zu diesen Waren gilt das Gleiche für die „Einzel- und Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Baumaterialien aus Holz
.“
41
4. Vor einer teilweisen Eintragung des Anmeldezeichens wird die Markenstelle möglicherweise noch Unklarheiten des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses zu klären haben, die sie im angefochtenen Beschluss zurückgestellt hat.