Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte für ein Mitglied der Reichsbürgerbewegung

Aktenzeichen  24 ZB 20.2272

Datum:
18.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1704
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 20 S. 1, § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 2 S. 1, Art. 4, Art. 5 Abs. 1 S. 1
DRiG § 9

 

Leitsatz

1. Mit der Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags wird eine Verletzung der Denkgesetze, der Naturgesetze sowie zwingender Erfahrungssätze, die einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO begründen könnte, nicht dargelegt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG findet ihre Grenze unter anderem in den Schranken der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), wozu auch das Waffengesetz gehört (Anschluss an VGH München BeckRS 2018, 199). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht kein Anlass, einem Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit der Richter gesondert nachzuweisen (Anschluss an FG Berlin-Brandenburg BeckRS 2013, 94719). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 18.471 2020-05-26 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 11.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und seiner sprengstoffrechtlichen Erlaubnis durch das zuständige Landratsamt.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 26. Mai 2020 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 20. April 2018 erweise sich als rechtmäßig, weil der Kläger im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden sei. Die Angaben, die der Kläger im Zusammenhang mit einem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gemacht habe, sowie der Antrag des Klägers auf Abänderung/Berichtigung seiner Personenstandsdaten nach § 26 Personenstandsgesetz und weitere, sich aus den Behördenakten ergebende Indizien seien nur dadurch zu erklären, dass er der Reichsbürgerbewegung angehöre bzw. sich deren Ziele und Ideologie zu eigen gemacht habe. Dieser Umstand rechtfertige eine negative Prognose im Hinblick auf seine künftige waffenrechtliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Unter weitgehender Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er sinngemäß insbesondere geltend, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der Bevollmächtigte des Klägers hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) und solche liegen auch nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden können (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl. 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel genügt keine unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung.
Soweit der Kläger ausführen lässt, dass er kein Reichsbürger sei, seine Steuern und Gebühren zahle und niemanden kenne, der seine Steuern nicht bezahlen würde, dass er einen Personalausweis und einen Reisepass besitze und im Allgemeinwesen durch verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten integriert sei, führt dies nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil dargelegt, aus welchen Gründen es den Kläger als eine Person ansieht, die der sogenannten Reichsbürgerbewegung zuzuordnen ist. Auf dieser Grundlage ist es zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nicht die nötige Gewähr für eine jederzeit vollumfängliche Einhaltung der waffenrechtlichen Bestimmungen bietet (UA Seite 9 ff.). Hieran vermag die (weitgehende) Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags im Zulassungsverfahren nichts zu ändern.
Mit seinem Vorbringen wendet sich der Kläger im Übrigen gegen die von ihm für unzutreffend gehaltene Beweiswürdigung, Rechts- und Tatsachenfeststellung des Gerichts, ohne indes einen die Zulassung der Berufung rechtfertigenden Fehler aufzuzeigen. Das Gericht entscheidet gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Tatsachen- und Beweiswürdigung, der einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d. h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (stRspr z.B. BayVGH B.v. 14.12.2018 – 21 ZB 16.1678 – juris Rn. 20 n.w.N.). Derartige Fehler zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf; sie sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger beschränkt sich insoweit darauf, unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags darauf hinzuweisen, dass die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises ihm nicht als Indiz für die Zugehörigkeit zu einer imaginären Reichsbürgerbewegung anzulasten sei. Allein der Umstand aber, dass der Kläger die vom Gericht festgestellten und gewürdigten Tatsachen anders gewichtet als dieses und im Ergebnis abweichend bewertet, rechtfertigt keine Zulassung der Berufung auf Grund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
Soweit der Kläger vorträgt, nach Art. 4 und 5 GG stehe es jedem Deutschen frei, ein freies Weltbild zu haben und dieses zu vertreten, kann dies seinem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG findet ihre Grenze unter anderem in den Schranken der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), wozu auch das Waffengesetz gehört (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519 – juris Rn. 20 ff.). Hinsichtlich der Gewissensfreiheit i.S.d. Art. 4 Abs. 1 GG liegt schon kein Eingriff vor.
2. Soweit sinngemäß das Vorliegen von Verfahrensmängeln geltend gemacht wird, ist dieser Berufungszulassungsgrund weder ausreichend dargelegt noch liegt ein Verfahrensmangel vor. Ein Verfahrensmangel ist in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht konkret zu bezeichnen. Darzulegen ist auch, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 74).
Der Kläger trägt vor, das Urteil sei nur deshalb gegen ihn ausgefallen, „da es in der Hauptsache von Frauen getroffen“ worden sei. Dies sei gegenüber dem Kläger rassistisch und diskriminierend. Dieser Vortrag ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG schlechthin abwegig.
Genauso wenig greift der Einwand des Klägers, es seien Zweifel an der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts geweckt worden, da auf Anfrage die Richter ihre deutsche Staatsangehörigkeit nicht hätten bestätigen können. Nach § 9 DRiG und § 20 Satz 1 VwGO müssen sowohl die Berufsrichter als auch die ehrenamtlichen Richter Deutsche sein. Es besteht kein Anlass, dem Kläger dies gesondert nachzuweisen (FG Berlin-Bbg., U.v. 17.1.2013 – 7 K 7303/11 – juris Rn. 20). Der Kläger hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die erkennenden Richter und Richterinnen keine Deutschen seien.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und Nrn. 1.7.2 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 und entspricht der nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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