Aktenzeichen Au 6 M 19.30994
ZPO § 114
RVG § 30, § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 55 Abs. 1, § 56
AsylG § 80
AufenthG § 11
Leitsatz
Erstattung von Kopien des Rechtsanwalts trotz Übersendung der vollständigen Behördenakte auf Datenträger (CD).
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahrens zu tragen. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die am … 1990 in … in der Türkei geborene, als ledig eingereiste und mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 15. August 2018 durch Eheschließung vor dem türkischen Generalkonsulat verheiratete Antragstellerin begehrte im Klageverfahren (Au 6 K 18.30715) die Flüchtlingsanerkennung und subsidiären Schutz sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten und hierfür Prozesskostenhilfe.
Auf ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren wurde der Antragstellerin Prozesskostenhilfe nur hinsichtlich des auf Aufhebung des gegen sie in Nr. 6 des angefochtenen Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29. März 2018 festgesetzten Aufenthalts- und Einreiseverbots nach § 11 AufenthG unter Beiordnung des Klägerbevollmächtigten gewährt und im Übrigen abgelehnt (VG Augsburg, B.v. 25.6.2019 – Au 6 K 18.30715).
Auf die Klage hin hob das Verwaltungsgericht Ziffer 6 des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom 29. März 2018 auf und verpflichtete die Beklagte, eine erneute Ermessensentscheidung über die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für die Antragstellerin nach § 11 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu treffen; im Übrigen wies es die Klage ab (VG Augsburg, U.v. 4.7.2019 – Au 6 K 18.30715). Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens habe die Antragstellerin vier Fünftel zu tragen, die Beklagte ein Fünftel.
Der Klägerbevollmächtigte beantragte mit Antrag vom 17. Juli 2019 die Vergütungsfestsetzung und darin u.a. Auslagen für 53 Ablichtungen (VV 7000 Nr. 1) in Höhe von 25,45 Euro und hieraus einen Gesamtbetrag von 687,95 Euro netto, mithin 818,66 Euro brutto.
Mit streitgegenständlichem Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 22. Juli 2019, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 25. Juli 2019, setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts die Vergütung auf insgesamt 158,15 Euro fest. Der Gegenstandswert liege nach § 30 RVG bei 5.000 Euro. Gemäß der Kostenaufteilung im Urteil habe die Antragstellerin nur zu dem Fünftel obsiegt, für das ihr Prozesskostenhilfe gewährt worden sei. Die beantragten Gebühren seien deshalb nur zu einem Fünftel festzusetzen gewesen. Von den beantragten 53 Kopien würden 4 als Anlagen zu den Schriftsätzen vom 12. September 2018 und vom 10. Mai 2019 als notwendig anerkannt und festgesetzt. Der Klägerbevollmächtigte habe Akteneinsicht beantragt und die Behördenakten auf 2 Datenträgern (CD) ohne Rückgabepflicht übersandt erhalten und sich aus diesen Akten einige Seiten ausdrucken lassen. Die Anfertigung dieser Ausdrucke werde jedoch nicht erstattet. Es ergebe sich folgende Berechnung:
1,3 Verfahrensgebühr 334,10 Euro
1,2 Terminsgebühr 308,40 Euro
Post- und Telekomm. 20,00 Euro
Kopierkosten (4 Seiten à 0,50 Euro) 2,00 Euro
Zwischensumme 664,50 Euro
19% USt 126,25 Euro
Summe 790,75 Euro
Hieraus ein Fünftel 158,15 Euro
Der Klägerbevollmächtigte beantragte mit Schreiben vom 31. Juli 2019 die Kostenfestsetzung, über welche wegen des von § 58 RVG gebotenen Abzugs der hier strittigen Vergütungsfestsetzung noch nicht entschieden worden ist. Er fügte einen Aktenvermerk vom 22. November 2018 bei, über den Auftrag (wohl an Kanzleimitarbeiter), aus den Datenträgern einzeln genannte Seiten sowie zusätzlich ein nicht paginiertes Urteil und eine Aktenseite auszudrucken.
Am 31. Juli 2019 beantragte der Klägerbevollmächtigte
die Entscheidung des Gerichts.
Der Vergütungsfestsetzungsanspruch richte sich nach dem vollen Gegenstandswert, da dieser auch für den Teilstreitgegenstand der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots anfalle, nicht nach der Kostenquotelung im Urteil. Die Kopien seien zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten, da die Kanzlei keine elektronischen Akten führe.
Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts half der Erinnerung nicht ab, da Prozesskostenhilfe nur beschränkt auf einen Teilstreitgegenstand gewährt worden sei und die Kopien nicht erforderlich seien bei Übersendung der vollständigen Akte, eine Arbeitserleichterung des Klägerbevollmächtigten sei hierfür ohne Belang, und legte die Erinnerung dem Gericht zur Entscheidung vor.
Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten.
II.
Die zulässige Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 22. Juli 2019 ist unbegründet, weil der von der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts vorgenommene Abzug von der beantragten Vergütung nicht rechtswidrig ist, da kein Anspruch auf die Vergütung in der beantragten Höhe besteht (§ 113 Abs. 5 VwGO analog).
Über die Erinnerung entscheidet der Einzelrichter, dem die Kammer mit Beschluss vom 25. Juni 2019 den Rechtsstreit in der Hauptsache (Au 6 K 18.30715) zur Entscheidung übertragen hatte.
1. Die Erinnerung ist zulässig (§ 164, § 165 Satz 2, § 151 VwGO), insbesondere fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses eingelegt (Zustellung am 25.7.2019; Einlegung am 31.7.2019).
2. Die Erinnerung ist unbegründet, denn der Klägerbevollmächtigte hat nur einen um den Abzugsbetrag gekürzten Anspruch auf Vergütungsfestsetzung gegen den Antragsgegner.
a) Die Auslagen für die über die von der Urkundsbeamtin anerkannten Kopien hinaus angefertigten Kopien können nicht gemäß § 46 RVG i.V.m. RVG VV Nr. 7000 Nr. 1a in der Vergütungsfestsetzung erstattet werden.
Nach § 46 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 RVG werden Auslagen und Aufwendungen nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Hier handelt es sich um Ausdrucke aus der zuvor zur Gewährung der digitalen Akteneinsicht vollständig und ohne Rückgabepflicht auf Datenträgern übersandten elektronischen Akte. Ihre Erstattungsfähigkeit richtet sich nach § 46 RVG i.V.m. RVG VV Nr. 7000 Nr. 1a, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Umgekehrt ergibt sich aus der Vorbemerkung zu Ziffer 7 Abs. 1 Satz 1 RVG VV, dass mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten abgegolten werden. Diese hat der Rechtsanwalt selbst zu tragen. Auch die Kosten für Abschriften, Ausdrucke und Ablichtungen gehören zu diesen allgemeinen Geschäftskosten, es sei denn, dass sich eine Erstattungsfähigkeit aus der Ziffer RVG VV 7000 ergibt (vgl. OLG München, B.v. 3.11.2014 – 4c Ws 18/14 – juris Rn. 40).
Welche Aufwendungen zur Bearbeitung einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Ansicht des Anwalts oder seines Mandanten, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten (vgl. OLG München, B.v. 3.11.2014 – 4c Ws 18/14 – juris Rn. 41 m.w.N.). Dabei hat der Rechtsanwalt allerdings einen gewissen und auch nicht zu engen, sondern eher großzügigeren Ermessensspielraum. Er muss allerdings den allgemeinen Kostengrundsatz berücksichtigen, dass jeder die Auslagen möglichst gering halten muss (vgl. OLG München, B.v. 3.11.2014 – 4c Ws 18/14 – juris Rn. 41 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab war ein (teilweiser) Ausdruck der elektronischen Akte im Zeitpunkt der Anfertigung nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten nicht erforderlich. Anders als die weiteren, von der Urkundsbeamtin auch als erstattungsfähig anerkannten, weil dem Gericht als zusätzliche Informationen übermittelten Kopien anderer Dokumente, waren die Ausdrucke der elektronischen Akte nicht erforderlich. Diese stand dem Klägerbevollmächtigten vielmehr dauerhaft zur Verfügung; er konnte jedenfalls in seiner Kanzlei darauf unter Nutzung entsprechender Hardware und Software jederzeit zugreifen. Dass der Klägerbevollmächtigte diese Auszüge möglicherweise hat anfertigen lassen, um sie direkt greifbar zu haben oder in der Handakte leichter finden zu können, handelt es sich nicht um zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache gebotene Ausdrucke. Vielmehr dienen diese Ausdrucke lediglich der Vereinfachung der Arbeit des Klägerbevollmächtigten. Die hierfür angefallenen Auslagen sind allgemeine Geschäftskosten, die mit den allgemeinen Gebühren abgegolten werden (so auch OLG München, B.v. 3.11.2014 – 4c Ws 18/14 – juris Rn. 43). Die Ausdrucke waren vorliegend auch nicht für die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung erforderlich, da eine solche nicht stattfand.
b) Der Vergütungsfestsetzungsanspruch ist nur im Umfang des angefochtenen Vergütungsfeststellungsbeschlusses gegeben.
An der Berechnung des Vergütungsanspruchs in seinen einzelnen Positionen gibt es – bis auf die vorstehend behandelten strittigen Kopierauslagen – keine Zweifel. Die Urkundsbeamtin hat zutreffend einen Gegenstandswert von 5.000 Euro nach § 30 RVG für das Klageverfahren zu Grunde gelegt. Der Klägerbevollmächtigte meint aber, die Prozesskostenhilfe-Vergütung sei aus diesem vollen Gegenstandswert angefallen, letztlich nicht auf ein Fünftel zu kürzen.
Hierbei übersieht er jedoch, dass Prozesskostenhilfe nicht für die gesamte Klage, sondern nur für einen von fünf Streitgegenständen – Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG, Abschiebungsandrohung, Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für die Klägerin nach § 11 Abs. 1 AufenthG – gewährt worden ist, nämlich für die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots. Für die übrigen vier Streitgegenstände war von vornherein keine Prozesskostenhilfe gewährt worden. Dies deckt sich im Ergebnis auch mit der klägerseitig herangezogenen Entscheidungspraxis des Verwaltungsgerichts Freiburg, das in der in Kopie übersandten Entscheidung ebenfalls Prozesskostenhilfe nur für den jeweiligen Teilstreitgegenstand gewährt hatte. Eine vergleichbare – lediglich ohne eine noch durch Bruchteilsangaben deklaratorisch verdeutlichte – Aufteilung ist auch hier erfolgt.
Der Gegenstandswert für die Klage betrug insgesamt aber nur den Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz aus § 30 RVG, nicht jeweils einzeln je Streitgegenstand. Der Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz ergibt sich aus § 30 RVG; ein Streitwert ist wegen der Gerichtskostenfreiheit nach § 83b AsylG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 4 Satz 2 GKG nicht festzusetzen. In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5.000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2.500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1.000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten bietet § 30 Abs. 1 RVG keine Grundlage für eine Abrechnung nach Teilgegenstandswerten. Für jede Klage in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz fällt nur dieser Gegenstandwert an, ungeachtet der Zahl und Bedeutung der einzelnen Streitgegenstände. Dem Klägerbevollmächtigten ist zuzugeben, dass auch eine von vornherein allein auf Aufhebung der Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots beschränkte Klage den vollen Gegenstandswert ausgelöst hätte. Eine solche lag hier jedoch nicht vor, da die Antragstellerin eine objektive Klagehäufung vornahm.
3. Die Erinnerung ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen; Gerichtsgebühren werden nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG nicht erhoben und eine Kostenerstattung ist ausgeschlossen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG), denn der umfassende Beschwerdeausschluss gilt für alle Nebenverfahren zu asylrechtlichen Streitigkeiten einschließlich der Prozesskostenhilfe (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2018 – 20 C 18.30620 – juris Rn. 1; ThürOVG, B.v. 24.1.2019 – 3 VO 783/18 – juris Rn. 4 f. m.w.N.; OVG NRW, B.v. 27.2.2019 – 13 E 939/18.A – juris Rn. 2 ff.).