Steuerrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Folgebescheid zur Heranziehung zur Grundsteuer A

Aktenzeichen  M 10 S 19.1894

Datum:
13.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19494
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AO § 351 Abs. 2

 

Leitsatz

Für einen Antrag auf Aussetzung eines steuerrechtlichen Folgebescheids fehlt es auch bei Realsteuern am Rechtsschutzinteresse, wenn dieser Antrag mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen im Feststellungs- oder Messbescheid begründet wird. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 57,38 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen seine Heranziehung zur Grundsteuer A.
Der Antragsteller ist seit 14. Juni 2011 im Grundbuch für … beim Amtsgericht …, Blatt …, als Eigentümer der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke Flur-Nr. … und … Gemarkung … eingetragen.
Bereits mit Bescheid vom 10. November 2010 hatte das Finanzamt … für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auf den genannten Flurgrundstücken im Wege der Zurechnungsfortschreibung gegenüber dem Antragsteller den bisherigen Einheitswert in Höhe von 4.397 EUR festgestellt. Die Zurechnungsfortschreibung erfolgte aufgrund eines Urteils des Landgerichts München II vom 20. Mai 2010 rückwirkend auf den 1. Januar 2009. Gleichzeitig setzte das Finanzamt den Grundsteuermessbetrag zum 1. Januar 2009 durch Bescheid gegenüber dem Antragsteller auf 26,38 EUR fest.
In Vollzug dieses Messbescheids zog die Antragsgegnerin den Antragsteller erstmals mit Grundsteuerbescheid vom 10. Januar 2012 für die Jahre ab 2009 zur Grundsteuer A auf der Grundlage eines Hebesatzes von 270 v.H. heran. Eine hiergegen gerichtete Klage des Antragstellers mit der Begründung, er sei nicht Eigentümer der streitigen Flächen, wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 7. Februar 2013 – 10 K 12.3668 – rechtskräftig ab.
Nachdem der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Anhebung des Hebesatzes von 270 v.H. auf 290 v.H. beschlossen hatte, setzte sie gegenüber dem Antragsteller mit Bescheid vom 2. Januar 2019 die Grundsteuer A für die land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke Flur-Nr. … und … Gemarkung … für 2019 und die Folgejahre auf jeweils 76,50 EUR fest.
Gegen den Grundsteuerbescheid vom 2. Januar 2019 legte der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Januar 2019 bei der Antragsgegnerin Widerspruch mit der Begründung der fehlenden Eigentümerstellung ein. Gleichzeitig beantragte er die Aussetzung der Vollziehung.
Die Antragsgegnerin half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn dem Landratsamt … zur Entscheidung vor. Das Landratsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2019 kostenpflichtig zurück; auf die Ausführungen dort wird verwiesen.
Am 23. April 2019 hat der Antragsteller daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben (Az. M 10 K 19. 1893) und sinngemäß beantragt, den Grundsteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 2. Januar 2019 – Grundsteuer A, Objekt … – sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts … vom 26. März 2019 nebst Kostenrechnung aufzuheben.
Gleichzeitig hat er im vorliegenden Verfahren sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung von Klage und Eilantrag führt der Antragsteller aus, er sei nach wie vor nicht Eigentümer der Grundstücke Flur-Nr. … und … Gemarkung … (Land- und Forstwirtschaft) und daher nicht Schuldner der erhobenen Grundsteuer. Das Grundbuch sei insoweit falsch, was auf eine erbrechtliche Streitigkeit betreffend die Grundstücke zurückzuführen sei. Auf die Einzelheiten der Ausführungen des Antragstellers wird verwiesen.
Unter dem 8. Mai 2019 hat die Antragsgegnerin die Behördenakten vorgelegt und sinngemäß beantragt, die Klage Az. M 10 K 19.1893 abzuweisen und
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden Verfahren sowie auf die Gerichtsakten in den Klageverfahren Az. M 10 K 19.1893 und Az. M 10 K 12.3668 Bezug genommen.
II.
Der gemäß § 88, § 122 Abs. 1 VwGO so verstandene Antrag, nach § 80 Abs. 5 VwGO die gesetzlich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Grundsteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 2. Januar 2019 anzuordnen, hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist bereits unzulässig, da es im Hinblick auf die Regelung in § 351 Abs. 2 AO an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehlt.
a. Nach § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch die Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden; Grundlagenbescheide sind nach der Definition in § 171 Abs. 10 Satz 1 AO solche, die als Feststellungsbescheid, Steuermessbescheid oder sonstiger Verwaltungsakt für die Festsetzung einer Steuer bindend sind.
Vorläufiger Rechtsschutz ist in diesen Fällen durch Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids beim Finanzamt oder -gericht zu suchen; dabei hemmt die Einlegung eines Rechtsmittels gegen den Grundlagenbescheid die Vollziehung des Folgebescheids nicht (§ 361 Abs. 1 Satz 2 AO).
Als Korrelat für diese Einschränkungen bestimmt § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, dass Folgebescheide von Amts wegen zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern sind, wenn die zugrunde liegenden Grundlagenbescheide erlassen, aufgehoben oder geändert werden; ferner ist grundsätzlich auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen, soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids finanzbehördlicher- oder -gerichtlicherseits ausgesetzt worden ist (§ 361 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 6 AO, § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO).
Aus dieser Rechtslage zieht die finanzgerichtliche Rechtsprechung einschließlich des Bundesfinanzhofs (vgl. insoweit grundlegend BFH, U.v. 29.10.1987 – VIII R 413/83 – BFHE 181, 319 m.w.N.; BFH, B.v. 24.8.2004 – IX S 7/04 – juris) sowie die finanzrechtliche Literatur (vgl. Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 155. Lieferung 2/2019, § 361 AO Rn. 11 m.w.N.) den Schluss, dass für einen Antrag auf Aussetzung des Folgebescheids kein schutzwürdiges Interesse besteht, wenn dieser Antrag mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen im Feststellungs- oder Messbescheid begründet wird. Dieser Rechtsprechung hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für Realsteuern (§§ 3 Abs. 2, 1 Abs. 2 Nr. 6 AO) angeschlossen (vgl. zu Gewerbesteuern BayVGH, B.v. 30.6.2008 – 4 CS 08.1409 – juris).
b. Im vorliegenden Fall stellen sowohl der Bescheid über den Einheitswert/Zurechnungsfortschreibung als auch der Grundsteuermessbescheid des Finanzamts … jeweils vom 10. November 2010 Grundlagenbescheide in diesem Sinne dar. Die darin getroffenen Entscheidungen des Finanzamtes über die persönliche und sachliche Steuerpflicht des Antragstellers entfalten für die Grundsteuerfestsetzung durch Antragsgegnerin jeweils Bindungswirkung (vgl. § 184 Abs. 1 Satz 4, § 182 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 3 Abs. 2 AO, §§ 10, 13 GrStG).
Daher können die vom Antragsteller vorgebrachten Einwendungen über die persönliche Steuerpflicht im vorliegenden Verfahren der Anfechtung des Grundsteuerbescheids als Folgebescheid nicht berücksichtigt werden. Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
2. Ungeachtet seiner Unzulässigkeit hätte der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht im hier vorliegenden Fall der Anfechtung eines Abgabenbescheid i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
a. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grundsteuerbescheids der Antragsgegnerin vom 2. Januar 2019 bestehen angesichts der Bindungswirkung der finanzamtlichen Grundlagenbescheide vom 10. November 2010 nicht. Die Antragsgegnerin hat ihren (neuen) Hebesatz auf den mitgeteilten Steuermessbetrag zutreffend angewendet (§§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1, 9, 13 GrdStG) und mit dem Antragsteller den richtigen Adressaten für die Grundsteuerfestsetzung gewählt (§ 10 Abs. 1 GrdStG).
b. Auch ist hier nicht ersichtlich, dass die Vollziehung der Grundsteuerforderung eine unbillige Härte i.S.v. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO für den Antragsteller bedeuten würde.
Eine solche liegt nämlich nur dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabenpflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer – etwa durch eine spätere Rückzahlung – wieder gutzumachen sind, insbesondere wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Abgabenpflichtigen gefährdet wäre (BayVGH, B.v. 30.6.2008 – 4 CS 08.1409 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Dass dies hier der Fall sein könnte, ist vom Antragsteller weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 3.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs (1/4 der in der Hauptsache streitigen Abgabe, dreifacher Jahresbetrag).


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