Aktenzeichen 5 K 1117/16
InsO § 134
FGO § 135 Abs. 1, § 143 Abs. 1
BGB § 488 Abs. 1 S. 2, § 773, § 774, § 1360, 1360a, § 1363
Leitsatz
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
Die Inanspruchnahme der Klägerin für Steuerschulden ihres Ehemanns ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der angefochtene Duldungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht ergangen.
Die Ermessensentscheidung des beklagten Finanzamts, gegenüber der Klägerin einen Duldungsbescheid nach dem Anfechtungsgesetz zu erlassen, erging aufgrund sachgerechter Erwägungen (§ 102 FGO).
1. Aufgrund § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Eine Verpflichtung zur Vollstreckungsduldung kann sich aus den Regelungen des Anfechtungsgesetzes (AnfG) ergeben. Der Erlass eines Duldungsbescheides liegt im Ermessen des Finanzamts (§ 5 AO); sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid vorliegen, kann das Finanzamt entscheiden (Ermessen), ob und ggf. wen es als Duldungspflichtigen in Anspruch nimmt.
Die Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO ist zweigliedrig (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteile vom 29.09.1987 VII R 54/84, BStBl. II 1988, 176 und vom 13.06.1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4). Zunächst ist in einer vom Gericht in vollem Umfang überprüfbaren Rechtsentscheidung zu prüfen, ob bei der Person, die das Finanzamt durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung gegeben sind. Ist dies zu bejahen, ist die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts, ob und wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will, gerichtlich im Rahmen des § 102 FGO nur beschränkt auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar.
2. Nach § 1 AnfG können alle Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den Bestimmungen des AnfG angefochten werden. Wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis wird der Anfechtungsanspruch nicht im Wege der Klage nach § 13 AnfG geltend gemacht, sondern erfolgt gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO durch das Finanzamt außerhalb des Insolvenzverfahrens durch einen Duldungsbescheid (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO-/FGO-Kommentar, 151. Lieferung 02.2018, § 191 AO, Rn. 150 ff).
Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, dass sie nicht dazu führen würde (§ 2 AnfG). Vollstreckbare Schuldtitel sind wirksam bekanntgegebene steuerliche Verwaltungsakte über Steuern und steuerliche Nebenleistungen, insbesondere Steuerbescheide (vgl. Intemann in Koenig, AO-Kommentar, 3. Aufl. 2014, § 191 Rz.135; Kirchhof in MünchKomm AnfG, 1. Aufl. 2012, § 2 Rz. 38).
Im Streitfall erging gegenüber dem Ehemann der Klägerin am 31.03.2015 der Umsatzsteuerbescheid für 2010, der dem Ehemann wirksam bekannt gegeben und fällig gestellt worden ist. Dieser Steuerbescheid genügte den Anforderungen für einen vollstreckbaren Schuldtitel; nicht erforderlich ist, dass der Steuerbescheid auch bestandskräftig geworden sein müsste. Beitreibungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner, dem Ehemann der Klägerin, aus diesem Steuerbescheid blieben ohne Erfolg. Somit war das beklagte Finanzamt gemäß § 2 AnfG als Steuergläubiger zur Anfechtung von Rechtshandlungen berechtigt.
3. Das AnfG gilt gemäß § 1 AnfG für alle Rechthandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen. Rechtshandlung im Sinne des AnfG ist jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln oder Unterlassen des Schuldners, das rechtliche Folgen hat. Dabei kommt es auf die Wirksamkeit der Rechtshandlung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Schuldner durch sein Handeln jedenfalls dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist.
Daher liegt eine benachteiligende Rechtshandlung vor, wenn wie im Streitfall der Ehemann aus seinem Betrieb entnommene Geldmittel über sein Konto im Gesamtbetrag von 149.938 € für Herstellungs-, Anschaffungs- und Umbaukosten des Hausgrundstücks sowie monatliche Zins- und Tilgungsleistungen von je 2.900 € für die Monate Mai 2013 bis Dezember 2015 (insg. i.H.v. 92.800 €) somit insg. 242.738 € zugunsten von Verbindlichkeiten der Klägerin aufgewendet hat. Unerheblich ist dabei, ob der Ehemann (Schuldner) zu diesen Zeitpunkten bereits Gläubiger hatte, die benachteiligt wurden (vgl. Kirchhof, a.a.O. § 4 AnfG Rz. 66).
4. Neben den allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 1, 2 AnfG, die im Streitfall gegeben sind, müssen auch die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen der § 3 bzw. § 4 AnfG vorliegen.
Der angefochtene Duldungsbescheid findet zwar in § 3 AnfG keine Grundlage.
Nach § 3 Abs. 1 AnfG (in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung) ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Nach dieser gesetzlichen Regelung wird die Darlegung der Kenntnis des Anfechtungsgegners (des „anderen Teils“) durch anerkannte Beweisanzeichen bzw. Indiztatsachen und Erfahrungssätze erleichtert, die § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG lediglich um einen zusätzlichen Tatbestand, vergleichbar zu § 133 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO), erweitert wird (BFH-Urteil vom 25.04.2017 VII R 31/15, Rn. 17, BFH/NV, 2017, 1297 mit Nachweisen).
Diese Grundsätze auf den Streitfall bezogen ist festzustellen, dass der Beklagte den Duldungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zwar auch auf § 3 AnfG gestützt, jedoch keine Beweise oder Indiztatsachen vorgetragen hat, die einen Benachteiligungsvorsatz des Ehemanns der Klägerin bzw. die Kenntnis der Klägerin von einem solchen Vorsatz ihres Ehemanns begründen könnten.
5. Der Duldungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist jedoch zu Recht unter den Voraussetzungen von § 4 AnfG ergangen.
Nach § 4 Abs. 1 AnfG ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.
Der Beklagte hat die Rechtshandlungen, also die vom Ehemann veranlassten Leistungen zugunsten der Klägerin, innerhalb der nach § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 1 AnfG bestimmten vierjährigen Frist angefochten. Die maßgeblichen angefochtenen Rechtshandlungen erfolgten zunächst am 02.05.2013 und zeitlich danach die Zins- und Tilgungsleistungen; der Duldungsbescheid erging am 17.12.2015 somit innerhalb der Anfechtungsfrist.
6. § 4 AnfG verlangt eine unentgeltliche Leistung des Schuldners wie sie im Streitfall vorliegt.
Eine unentgeltliche Leistung setzt voraus, dass es auf Seiten des Schuldners zu einer Vermögensminderung und auf Seiten des Anfechtungsgegners zu einer entsprechenden Vermögensvermehrung gekommen ist. Für die Annahme einer unentgeltlichen Leistung genügt es, dass diese ohne Rechtspflicht erfolgt ist und keine angemessene Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt ist (vgl. FG München-Urteil vom 28.07.2015 Az. 2 K 2935/12, juris).
Ob eine Verpflichtung zur Leistung vorgelegen hat, insbesondere ob die Leistung damit entgeltlich erbracht wurde, entscheidet sich nach der objektiven Sach- und Rechtslage, nicht nach subjektiven Vorstellungen der Beteiligten. Steht die Unentgeltlichkeit der Leistung fest, folgt hieraus regelmäßig auch die Gläubigerbenachteiligung (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 4 AnfG Rz. 51, 61, 66).
Im Streitfall liegt eine Verpflichtung des Ehemanns gegenüber der Klägerin in Bezug auf die angefochtenen Leistungen zur Überzeugung des Gerichts nicht vor.
Der Ehemann war zur Zahlung von Kosten für die Anschaffung der von der Klägerin als Alleineigentümerin erworbenen Immobilie und zur Zahlung der von der Klägerin aufgrund ihrer Darlehensaufnahme geschuldeten Zins- und Tilgungsforderungen gegenüber der Klägerin nicht verpflichtet. Eine Entgeltlichkeit folgt weder aus einer Verpflichtung zur Unterhaltsleistung, noch aus einer Darlehensvereinbarung und auch nicht aus der Bürgschaftsübernahme zugunsten der Klägerin, weil der Ehemann hierfür keine angemessene Gegenleistung erlangt hat.
7. Die angefochtenen Zahlungen des Ehemanns können nicht als Unterhaltsleistungen zugunsten der Klägerin gewertet werden.
Der Ehemann der Klägerin hat mit der Zuwendung von Geldmitteln an die Klägerin zur Finanzierung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Immobilie sowie der Zahlungen auf fällige Zins- und Tilgungsforderungen aus dem Immobiliendarlehen keine der Klägerin gegenüber obliegenden Unterhaltsverpflichtungen gemäß §§ 1360, 1360a BGB erfüllt. Hierunter fallen die Kosten der laufenden Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Eheleute und der Kinder (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB-Kommentar, 76. Aufl. 2017, § 1360a Rz. 1), nicht aber Beiträge für die Vermögensbildung und den Erwerb eines Eigenheimes. Zuwendungen, die über den gesetzlich geschuldeten Familienunterhalt hinausgehen, stellen unentgeltliche Leistungen dar, auch wenn sie als „Unterhalt“ bezeichnet werden (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 4 AnfG Rz. 51 ff). Die den Ehegatten einander obliegende Verpflichtung, zum angemessenen Unterhalt der Familie beizutragen, umfasst zwar auch die Sorge für den angemessenen Wohnbedarf der Familie. Daraus lässt sich aber keine Pflicht zur Anschaffung oder Mitfinanzierung eines Eigenheims herleiten (BFH-Urteil vom 10.02.1987 VII R 122/84, BFHE 149, 204, BStBl II 1988, 313, Rn. 10).
Im Streitfall betrafen die angefochtenen Zahlungen des Ehemanns keine typischen Unterhaltsleistungen wie etwa für Nahrung, Wohnung, Versorgung der Kinder etc.; insbesondere standen die angefochtenen Geldleistungen der Klägerin nicht für den täglichen Lebensunterhalt zur Verfügung. Es ist aus den Akten nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Klägerin aus eigenem Vermögen den laufenden Familienunterhalt finanziert hätte und daher die Zahlungen des Ehemanns gleichsam als Ausgleich hierfür gedient hätten. Wenn die Klägerin im Einspruchsschreiben vom 26.02.2016 vorträgt, ihr Ehemann lebe in ihrem Haus, so dass dieses Leben und Wohnen bereits Teil der Gegenleistung sei, so verkennt sie, dass in einer funktionierenden Ehegemeinschaft, die die Klägerin mit ihrem Ehemann geführt hat, zwar eine gemeinsame Unterhaltstragung zu erfolgen hat, im Streitfall die Leistungen des Ehemanns aber auf das alleinige Eigentumsrecht der Klägerin an dem Hausgrundstück erfolgten. Es sind daher diese Zahlungen als freiwillige Zuwendungen an die Klägerin und somit als unentgeltliche Leistungen zu werten.
Eine andere Beurteilung folgt nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) lebt. Denn in einer Zugewinngemeinschaft bleiben die Vermögensbereiche der Eheleute getrennt, auch bezüglich der während der Ehe erworbenen Vermögen; ein Ausgleich erfolgt erst bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 Abs. 2, 1373 ff BGB; vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1363 BGB Rz. 3).
8. Die zwischen der Klägerin und ihrem Ehmann getroffene Darlehensvereinbarung kann unter den Umständen des Streitfalls nicht dazu führen, dass die Zuwendungen des Ehemanns als entgeltlich anzusehen wären.
Zwar ist die Ausreichung eines Darlehens grundsätzlich ein entgeltliches Geschäft, weil der Darlehensvertrag den Darlehensnehmer nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, einen vereinbarten Zins zu zahlen, jedenfalls aber das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen (vgl. BGH-Urteil vom 13.10.2016 IX ZR 184/14, BGHZ 212, 272-285, Rn. 13 – 14 zu § 134 InsO). Jedoch kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, ihr Ehemann habe ihr die Eigenmittel zur Anschaffung des Hausgrundstücks, soweit diese die Darlehen der Sparkasse von 600.000 € überschritten, nämlich mit dem Betrag von 149.938 €, auf entgeltlicher Darlehensbasis zur Verfügung gestellt.
Der handschriftlich verfasste Darlehensvertrag vom 10.03.2013, der im Klageverfahren in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegt wurde, ist in seiner Ausgestaltung nicht geeignet, einen ernsthaften und werthaltigen Zins- und Rückforderungsanspruch ihres Ehemanns als Darlehensgeber zu begründen (vgl. BFH-Urteil vom 18.09.2012 VII R 14/11, BStBl. II 2013, 128, Rn. 29). Der Vertrag formuliert ein Darlehen „über einen Betrag von 155.000 € zu 1,8% Zinsen zur Finanzierung einer Immobilie, wobei die Tilgung zwischen den Eheleuten nach finanzieller Lage abgesprochen werde; das Darlehen sollte aber bis 20 Jahre nach einem Immobilienkauf getilgt sein.“
Damit wurde im Vertrag weder die Laufzeit konkret bestimmt, noch wurden eindeutige Regelungen zur Fälligkeit von Zins- und Tilgungsleistungen getroffen. Zudem fehlt eine Besicherung des Rückzahlungsanspruchs, so dass es an dessen Werthaltigkeit und damit an einer ausgleichenden Zuwendung seitens der Klägerin fehlt; eine Pfändung des Rückzahlungsanspruches durch einen Gläubiger des Ehemanns, etwa auch durch den Beklagten, ginge daher ins Leere (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 4 AnfG Rz. 33). Eine rechtsverbindliche Vereinbarung von konkreten Zins- und Tilgungsleistungen, wie sie zwischen einander fremden Dritten bei Darlehensverträgen üblicherweise abgesprochen werden, fehlt und war offensichtlich auch nicht gewollt. Ebenso war die Laufzeit von 20 Jahren bis zur gesamten Rückzahlung des Darlehens nicht verbindlich vereinbart worden, sondern nur als Zielvorstellung formuliert. Die Darlehensvereinbarung erweckt somit lediglich den Anschein eines ernsthaft gewollten entgeltlichen Vertragsverhältnisses (vgl. Karsten Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 19. Aufl. 2016, § 134 Rz. 62), tatsächlich hat zur Überzeugung des erkennenden Senats der Ehemann zugunsten der Klägerin die schuldbefreienden Zahlungen ohne eine konkretisierte Gegenleistung gewährt. So wurde auch nicht vorgetragen, dass Zins- und Tilgungsleistungen auf das Darlehen tatsächlich erfolgt seien; aus den Akten sind Leistungen der Klägerin zur Rückzahlung des Darlehens nicht ersichtlich. Die angefochtenen Zuwendungen des Ehemanns sind damit auch im Lichte der Darlehensvereinbarung nicht als entgeltliche Leistungen zu bewerten.
9. Die selbstschuldnerische Bürgschaft, die der Ehemann zur Besicherung der von der Klägerin zum Immobilienerwerb bei der Sparkasse A-Stadt aufgenommenen Darlehen gegenüber dem Kreditinstitut gemäß § 773 BGB eingegangen ist, führt nicht dazu, dass die vom Ehemann hierauf geleisteten Zins- und Tilgungsraten als entgeltlich gegenüber der Klägerin zu werten wären, auch wenn der Ehemann mit den Zahlungen eine eigene Verbindlichkeit als selbstschuldnerischer Bürge erfüllt hat.
Im Allgemeinen wird eine unentgeltliche Leistung dann angenommen, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zu Gunsten einer anderen Partei aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Gegenwert zufließen soll. In einem Drei-Personen-Verhältnis, wie es hier vorliegt, kommt es für die Frage der Unentgeltlichkeit einer Leistung des Schuldners jedoch nicht darauf an, ob er selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat (vgl. BGH-Urteil vom 19.04.2007 IX ZR 79/05, Rn. 16, juris, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
Nach diesen Grundsätzen erfolgte die schuldbefreiende Zahlung des Ehemanns von Zins und Tilgung auf das Darlehen der Sparkasse zugunsten der Klägerin unentgeltlich, da diese hierfür keine Gegenleistung an den Ehemann zu erbringen hatte (vgl. BGH-Urteil vom 04.03.1999 IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96-107, Rn. 12 – 13).
Eine Benachteiligung der Gläubiger eines Bürgen, wie hier der Ehemann der Klägerin, liegt dann vor, wenn der Bürge aus seinem Vermögen Zahlungen zugunsten des Hauptschuldners, hier der Klägerin als der Darlehensnehmerin, schuldbefreiend leistet. Ein vermögenswerter Ausgleich aufgrund der Befreiung von der eigenen Schuld aus selbstschuldnerischer Bürgschaft kann unter den Umständen des Streitfalls nicht zu einer „Entgeltlichkeit“ der Leistung zugunsten der Klägerin führen (a.A. im Grundsatz wohl Karsten Schmidt/Ganter/Weinland, a.a.O., § 134 InsO Rz. 57). Die Zahlungen des Ehemanns auf Zins- und Tilgungsraten für die Darlehen der Klägerin erfolgte im Streitfall unentgeltlich, weil der rechtlich mögliche Ausgleichsanspruch des Ehemanns (vgl. § 774 BGB) gegen die Klägerin wertlos war; die Klägerin hatte nach Aktenlage nicht die wirtschaftlichen Möglichkeiten, entweder das Darlehen aus eigenen Mitteln zu bedienen oder dem Ehemann einen vermögenswerten Ausgleich zu verschaffen (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 4 AnfG Rz. 40 ff, 42, 49). Eine Leistungsfähigkeit der Klägerin ist weder behauptet noch unter Beweis gestellt worden. Im Streitfall hat der Ehemann für seine Zahlungen zugunsten der Klägerin keinen Gegenwert erhalten, die Klägerin hat einen solchen nicht erbracht. Die Einwendungen der Klägerin greifen daher nicht durch.
10. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, durch die unentgeltlichen Zuwendungen ihres Ehemanns nicht bereichert zu sein.
Gemäß § 11 Abs. 1 AnfG muss dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, soweit es zur Befriedigung des Gläubigers erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend.
Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nach § 11 Abs. 2 AnfG nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
Im Streitfall kann sich die Klägerin nicht auf eine Entreicherung i.S.v. § 11 AnfG berufen. Denn durch die Zahlungen ihres Ehemanns zu ihren Gunsten, die der Beklagte angefochten hat, erlangte die Klägerin eine beständige Bereicherung, weil sie von den Verbindlichkeiten bezüglich der Anschaffungsnebenkosten für das Hausgrundstück sowie aus den Zins- und Tilgungsansprüchen aus den Darlehensverhältnissen freigestellt worden ist (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 11 AnfG Rz 140 m.w.N.). Zudem erlangte die Klägerin einen Wertzuwachs hinsichtlich des in ihrem Alleineigentum befindlichen Hausgrundstücks im Umfang der von ihrem Ehemann getragenen Tilgungsleistungen.
11. Der angefochtene Duldungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung entsprach schließlich auch den nach § 14 AnfG gestellten Anforderungen.
Zutreffend hat der Beklagte die Inanspruchnahme der Klägerin im Haftungsbescheid vom 17.12.2015 unter den Vollstreckungsvorbehalt der bestandskräftigen Festsetzung der Umsatzsteuerschuld gestellt. Der Vorbehalt wurde in der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2016 nicht aufgehoben. Soweit in der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragen wurde, dass die dem Duldungsbescheid zugrundeliegende Umsatzsteuer für 2010 nun auch materiell bestandskräftig geworden ist, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Duldungsbescheides. Vielmehr kann der Beklagte nun die Vollstreckung der Umsatzsteuer auch aus dem Duldungsbescheid betreiben. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
12. Die vom beklagten Finanzamt getroffene Ermessensentscheidung, die Klägerin in Anspruch zu nehmen, stellt sich weder als willkürlich noch als von sachfremden Erwägungen getragen dar.
Da der Erlass eines Duldungsbescheides gemäß § 191 Abs. 1, § 5 AO im Ermessen der Finanzbehörde liegt, ist die Entscheidung des Beklagten, ob und wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will, gerichtlich im Rahmen des § 102 FGO nur beschränkt auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar. In der zu überprüfenden Verwaltungsentscheidung müssen die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen aus der Entscheidung erkennbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579, m.w.N.).
Das beklagte Finanzamt hat sowohl im Duldungsbescheid vom 17.12.2015 als auch in der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2016 die erforderliche Begründung zu den Ermessenserwägungen getroffen. Diese Ausführungen genügen zur Darstellung eines sachgemäßen Ermessens hinsichtlich der Entschließung zur Inanspruchnahme Dritter und im Streitfall gerade der als zur Duldung verpflichteten Klägerin. Der Beklagte hat die Entscheidung zur Anfechtung der Zahlungen des Ehemanns zugunsten der Klägerin nach sachgerechten Erwägungen vorgenommen.
Die Kosten des Verfahren hat die Klägerin zu tragen, weil ihre Klage ohne Erfolg geblieben ist (§§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO).