Aktenzeichen 6 CS 19.92
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
Leitsatz
1. Eine Weisung, künftige zur Dienstunfähigkeit führende Erkrankungen durch amts- oder vertrauensärztliches Attest oder Zeugnis zu belegen, ist als gemischte dienstlich-persönliche Weisung mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen kein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG. Dass die Behörde die sofortige Vollziehung anordnet, d.h. selbst von einem Verwaltungsakt ausgeht, ändert daran nichts. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Tatbestandlich setzt die Nachweisverpflichtung voraus, dass der Beamte nach eigener Einschätzung infolge Krankheit dienstunfähig ist und dass der Dienstherr Zweifel an dieser (Selbst-)Einschätzung hat. Diese Zweifel dürfen nicht aus der Luft gegriffen, sondern müssen durch konkrete Umstände veranlasst sein. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist die Selbsteinschätzung der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit bereits von verschiedenen Ärzten unterschielich bewertet worden, so begründet dies hinreichende Zweifel, die eine Verpflichtung zur Vorlage einer amtsärztlichen Bescheinigung als Nachweis rechtfertigen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 21 S 18.1471 2018-11-18 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. November 2018 – M 21 S 18.1471 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin steht als Medizinaloberrätin im Dienst der Antragsgegnerin.
Ab dem 4. März 2009 war sie dienstunfähig erkrankt, in der Zeit vom 15. Juni 2010 bis 31. Mai 2011 erfolgte eine Wiedereingliederungsmaßnahme. Seit 7. Juli 2011 bis heute ist sie erneut dienstunfähig erkrankt. Aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens vom 26. November 2015 versetzte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 15. Juni 2016 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Eine im Widerspruchsverfahren eingeholte ergänzende Stellungnahme des Amtsarztes vom 20. Juli 2017 kam zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin psychisch und physisch vollumfänglich dienstfähig sei. Die Antragsgegnerin gab daraufhin dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2017 statt. In der Folgezeit legte die Antragstellerin privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Unter dem 18. Dezember 2017 und 2. Mai 2018 ordnete die Antragsgegnerin wegen Zweifeln an der Dienstfähigkeit eine weitere amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin an. Dem ist die Antragstellerin bislang – soweit ersichtlich – nicht nachgekommen.
Mit Bescheid vom 14. März 2018 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin zudem an, im Falle künftiger Erkrankung bzw. Dienstunfähigkeit diese ausschließlich mittels amts- bzw. vertrauensärztlichen Attests bzw. Zeugnisses zu belegen, und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Weisung ergehe vor dem Hintergrund bestehender Zweifel, die aus dem Vortrag der Antragstellerin im Zurruhesetzungsverfahren und der fortdauernden und nahtlosen Vorlage von privatärztlichen Dienstunfähigkeitsattesten resultieren würden. Eine sachgerechte Entscheidung über eine etwaige Dienstunfähigkeit durch einen Amtsarzt sei notwendig. Allein hierdurch lasse sich der Widerspruch zwischen der selbst vorgetragenen Dienstfähigkeit und der bescheinigten Dienstunfähigkeit lösen.
Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2018 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO sei unstatthaft. Sachdienlich sei er dahin auszulegen, dass die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung begehre, dass sie vorläufig der Weisung vom 14. März 2018 nicht nachkommen müsse. Dafür sei allerdings kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin habe ihr Ermessen nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG rechtmäßig ausgeübt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Weisung vom 14. März 2018 wiederherzustellen, hilfsweise sie vorläufig von der Befolgungspflicht freizustellen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem einstweiligen Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses im Hauptantrag (1.) oder im Hilfsantrag (2.) zu entsprechen.
1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der auf § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gestützte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs gegen die streitige Weisung wiederherzustellen, bereits unstatthaft ist.
Die der Antragstellerin erteilte Weisung, künftige zur Dienstunfähigkeit führende Erkrankungen durch amts- oder vertrauensärztliches Attest oder Zeugnis zu belegen, beruht auf § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG. Danach ist Dienstunfähigkeit infolge von Krankheit dem Dienstherrn auf Verlangen nachzuweisen. Eine solche Nachweisverpflichtung ist als gemischte dienstlich-persönliche Weisung ebenso wie eine auf § 44 Abs. 6 BBG beruhende Untersuchungsanordnung mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen kein Verwaltungsakt im Sinn von § 35 Satz 1 VwVfG; denn nach ihrem objektiven Sinngehalt zielt sie auf organisationsinterne Wirkungen ab, weil sie dazu bestimmt ist, die Antragstellerin nicht als Trägerin subjektiver Rechte, sondern als Amtswalterin und Glied der Verwaltung anzusprechen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 14 ff.). Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich daher nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern nach § 123 VwGO. Dass die Antragsgegnerin in der Verfügung vom 14. März 2018 die sofortige Vollziehung angeordnet hat, d.h. selbst von einem Verwaltungsakt ausgegangen ist, ändert daran nichts (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – juris Rn. 16). Dadurch wird die Antragstellerin nicht schlechter gestellt, weil die Folgepflicht eines Beamten nicht von der Einordnung der Anordnung als Verwaltungsakt abhängig ist (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG; vgl. BVerwG, B.v. 22.9.2016 – 2 B 128.15 – juris Rn. 11).
2. Der Hilfsantrag, die Antragstellerin im Weg der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO vorläufig von der Nachweisverpflichtung freizustellen, ist zwar zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Nachweisverpflichtung ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig.
In welcher Weise der Beamte der Nachweispflicht nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG nachzukommen hat, bestimmt die Behörde nach ihrem Ermessen (BVerwG, B.v. 23.3.2006 – 2 A 12.04 – juris Rn. 2).
Tatbestand:lich setzt die Nachweisverpflichtung voraus, dass der Beamte nach eigener Einschätzung infolge Krankheit dienstunfähig ist und dass der Dienstherr Zweifel an dieser (Selbst-)Einschätzung hat. Diese Zweifel dürfen nicht aus der Luft gegriffen, sondern müssen durch konkrete Umstände veranlasst sein (BVerwG, B.v. 23.3.2006 – 2 A 12.04 – Rn. 3 ff.).
Solche Zweifel an der Selbsteinschätzung der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit waren und sind vorliegend begründet. Sie ergeben sich ohne weiteres daraus, dass die letzte amtsärztliche Beurteilung vom 20. Juli 2017 aufgrund einer Untersuchung am 7. Juli 2017 zum Ergebnis gekommen ist, dass die Antragstellerin – insoweit entsprechend ihrer Selbsteinschätzung – nicht dauernd dienstunfähig im Sinn von § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG, sondern „sowohl physisch als auch psychisch vollumfänglich dienstfähig“ ist. Gleichwohl hat die Antragstellerin anschließend (bis heute) den Dienst nicht angetreten, sondern sich – weiter – dienstunfähig erkrankt gemeldet und privatärztliche Bescheinigungen über ihre Dienstunfähigkeit vorgelegt. Auch unter Berücksichtigung des Unterschieds zwischen dauernder und vorübergehender Dienstunfähigkeit begründet schon die unterschiedliche ärztliche Bewertung hinreichende Zweifel, die eine Verpflichtung zur Vorlage einer amtsärztlichen Bescheinigung als Nachweis rechtfertigen. Das gilt umso mehr, als die Antragstellerin seit März 2009 im Wesentlichen keinen Dienst mehr geleistet hat. Aus der erneuten Aufforderung vom 2. Mai 2018 zur amtsärztlichen Untersuchung zur Klärung der Dienst(un) fähigkeit nach § 44 Abs. 6 BBG lässt sich schon deshalb kein Ermessensfehler bei der Nachweisverpflichtung nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG herleiten, weil die Antragstellerin dieser Aufforderung offensichtlich noch nicht nachgekommen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).