Aktenzeichen W 10 S 18.50530
AufenthG § 60 Abs. 5
RL 2008/115/EG Art. 6 Abs. 4, Art. 9
RL 2013/33/EU Art. 21
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 u. UAbs. 2, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 29 Abs. 2 S. 1
EMRK Art. 3
Leitsatz
1 Grundsätzlich verfügt Italien über ausreichende Unterbringungskapazitäten für Asylsuchende sowie ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, das trotz bestehender Mängel noch als funktionsfähig bezeichnet werden kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Vor der Überstellung einer im 8. Monat schwangeren und deshalb besonders vulnerablen Frau muss eine individuelle Zusicherung der italienischen Behörden eingeholt werden, dass diese Frau einen sicheren Platz in einer Unterkunft erhält, die für schwangere Frauen eine spezielle Versorgung und Betreuung gewährleistet und zudem individuelle Bedürfnisse und insbesondere eine adäquate hygienische Umgebung und medizinische Versorgung abdeckt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 15. November 2018 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit ihrer von der Antragsgegnerin angeordneten Abschiebung nach Italien.
Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben eine am … 1999 in Delta State geborene nigerianische Staatsangehörige. Sie gibt an, im Ghetto von Sabha in Libyen aufgewachsen und am 7. Dezember 2015 nach Italien ausgereist und dort am 5. Januar 2016 angekommen zu sein. Sie habe sich zwei Jahre und zehn Monate lang in Italien aufgehalten und dort Asyl beantragt. Nachdem sie in Italien vergewaltigt worden sei, habe sie das Land verlassen und sei am 22. Oktober 2018 in das Bundesgebiet eingereist.
Am 30. Oktober 2018 stellte die Antragstellerin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Da sich Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III-Verordnung – Dublin III-VO) ergaben, ersuchte das Bundesamt die italienischen Behörden mit Schreiben vom 6. November 2018 um Wiederaufnahme der Antragstellerin.
Mit Schreiben vom 13. November 2018 stimmten die italienischen Behörden der Wiederaufnahme der Antragstellerin unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin III-VO zu.
Mit Bescheid vom 15. November 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung der Antragstellerin nach Italien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Auf die Gründe des Bescheides wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Am 21. November 2018 erhob die Antragstellerin zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage (Az. W 10 K 18.50529), über die noch nicht entschieden wurde. Zugleich beantragte sie im vorliegenden Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, sie hätte in Italien keinerlei Unterstützung. Sie wüsste nicht, wo sie dort leben könnte. Sie habe in Italien mehr oder weniger auf der Straße gelebt und die Nacht im Bahnhof verbracht. Des Weiteren sei sie im siebten Monat schwanger. Sie könne weder jetzt als Schwangere noch später mit einem Baby zurück nach Italien und wolle daher in Deutschland bleiben.
Für die Antragsgegnerin beantragt das Bundesamt, den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, weil die Klage gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung von Gesetzes wegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Der Antrag wurde auch innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG und damit fristgerecht bei Gericht gestellt.
2. Der Antrag ist auch begründet. Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80 Rn. 152; Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Ergibt eine vorläufige Überprüfung der Klage in der Hauptsache dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 90 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin aus. Bei summarischer Prüfung erweist sich die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids als rechtswidrig. Das Gericht geht zwar davon aus, dass in Italien zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keine systemischen Mängel bestehen, die zu einer generellen Unmöglichkeit der Überstellung führen würden (unter b)). Allerdings besteht im Falle der Antragstellerin voraussichtlich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, da sie im achten Monat schwanger ist (unter c)). Daher überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Vollzugsinteresse.
a) Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 29 Absatz 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Die Antragstellerin hat ausweislich des in der Behördenakte befindlichen Eurodac-Treffers bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, so dass an sich die italienischen Behörden für die Prüfung ihres Antrags zuständig sind.
Da das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO an Italien gerichtet wurde, ist die Zuständigkeit auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen. Auch auf der Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ergibt sich keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin, weil die dort geregelte Überstellungsfrist offensichtlich nicht abgelaufen ist.
b) Ein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus der rechtlichen Unmöglichkeit der Überstellung nach Italien. Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO besteht ein Überstellungshindernis, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU – Grundrechtecharta mit sich bringen. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO beruht auf der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach das in Art. 4 der EU – Grundrechtecharta enthaltene Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von fundamentaler Bedeutung ist und aufgrund der engen Verbindung zur Achtung der Würde des Menschen (Art. 1 der EU – Grundrechtecharta) und seines daraus folgenden absoluten Charakters auch bei Überstellungen von Asylbewerbern nach den Dublin – Verordnungen vollumfänglich beachtet werden muss (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417; U.v. 5.4.2016 – C-404/15, C-659/15 – NJW 2016, 1709 Rn. 85, 86; U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – NVwZ 2017, 691 Rn. 59).
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80). Hierbei handelt es sich zwar um eine widerlegliche Vermutung. Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus folgende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind allerdings hoch. Im Hinblick auf das Ziel der Dublin III-VO, zügig und effektiv den für das Asylverfahren zuständigen Staat zu bestimmen, können geringfügige Verstöße hierfür nicht ausreichen. Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss vielmehr ernsthaft zu befürchten sein, dass Asylbewerbern bzw. bestimmten Gruppen von Asylbewerbern aufgrund genereller defizitärer Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 der EU – Grundrechtecharta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 34 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem zu überstellenden Mitgliedstaat nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder ihr finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihr dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Überstellung im Dublin-Verfahren stünden nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Entsprechend vorstehender Ausführungen geht das Gericht auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung nach dem aktuellen Erkenntnisstand und im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht davon aus, dass das Asylverfahren in Italien unionsrechtlichen Maßstäben widerspricht bzw. dort unzureichende Aufnahmebedingungen herrschen, die zu einer Verletzung der durch Art. 4 der EU – Grundrechtecharta gewährleisteten Rechte führen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Italien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne der Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Es ist davon auszugehen, dass das Asylrecht in Italien zumindest den internationalen und europäischen Mindeststandards entspricht und jedenfalls elementare Bedürfnisse der Asylbewerber gedeckt werden können.
Asylbewerber haben in Italien entsprechend dem Grundrecht auf Asyl Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Über den Ablauf des Asylverfahrens wird über Informationsbroschüren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen sowie über Betreuungsdienste Auskunft gegeben. Bei Dublin-Rückkehrern ist im Regelfall gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren ursprünglichen Antrag auf internationalen Schutz weiterverfolgen oder erstmals einen Asylantrag stellen können. Im Falle einer negativen Verbescheidung kann ein Wiederaufnahmeantrag gestellt werden oder Beschwerde gegen den ablehnenden Bescheid eingelegt werden. Das Asylverfahren soll zwar grundsätzlich nicht länger als sechs Monate dauern (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 23.2.2016). Der Umstand, dass diese Verfahrensdauer aufgrund der aktuellen Belastungssituation nicht immer eingehalten werden kann, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines unzureichenden Asylverfahrens, zumal diesbezügliche Schwierigkeiten wegen des enormen Zustroms an Schutzsuchenden nicht nur in Italien, sondern in vielen europäischen Ländern bestehen.
Weiterhin erhalten Asylsuchende während des Asylverfahrens in Italien Leistungen für die Befriedigung von Grundbedürfnissen, insbesondere Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Kleidung (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018 m.w.N.). Auch wenn Italien diesbezüglich hinter den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zurückbleibt und insbesondere kein umfassendes Sozialsystem kennt, so begründet dies entsprechend den obigen Ausführungen keine generellen systemischen Mängel.
Italien verfügt über ein umfassendes Gesundheitssystem, das medizinische Behandlungsmöglichkeiten auf hohem Niveau bereitstellt. Asylbewerber haben in gleicher Weise wie italienische Bürger einen Anspruch auf medizinische Versorgung, der mit der Registrierung eines Asylantrags entsteht. Bis zum Zeitpunkt der Registrierung werden gleichwohl medizinische Basisleistungen, wie beispielsweise kostenfreie Notfallversorgung, gewährleistet (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S.17).
Während des Asylverfahrens haben Asylbewerber einen Anspruch auf Unterbringung. Grundsätzlich werden zahlreiche Plätze für Asylsuchende und Dublin – Rückkehrer in verschiedenen staatlichen Unterkünften zur Verfügung gestellt, die über ganz Italien verteilt sind. Sowohl das BAMF als auch Asylum Information Database (im Folgenden: AIDA) gehen von einer Gesamtkapazität von über 175.000 Plätzen aus (vgl. BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 2; AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2017update.pdf, S. 80 ff.), so dass angesichts der hohen Zahl von Asylbewerbern nach wie vor eine Überbelegung anzunehmen ist. Nach italienischem Recht sind bei der Unterbringung die besonderen Bedürfnisse von Asylbewerbern, insbesondere vulnerabler Personen, zu berücksichtigen. Geeignete Einrichtungen für vulnerable Personen stehen hauptsächlich in den sogenannten SPRAR-Unterkünften zur Verfügung, in denen entsprechende Unterstützungsleistungen gewährt werden. Es handelt sich hierbei um ein Unterbringungssystem auf kommunaler Ebene, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 23.2.2016). Diese machen jedoch einen eher geringeren Prozentsatz der staatlichen Unterbringungsmöglichkeiten aus, so dass nicht jeder Asylsuchende einen Platz erhalten kann und die Zuteilung häufig mit langen Wartezeiten verbunden ist (vgl. AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, S. 51, 76; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 41). Neben den staatlichen Einrichtungen existieren verschiedene karitative und kommunale Einrichtungen, die zusätzliche Unterkunftsmöglichkeiten bieten, um Asylbewerber vor Obdachlosigkeit zu schützen. In Einzelfällen ist es gleichwohl möglich, dass Dublin-Rückkehrer keine Unterbringung erhalten und vorübergehend obdachlos sind. Insbesondere kann es zu Problemen kommen, wenn Dublin-Rückkehrer in Italien bereits offiziell untergebracht waren, da der Anspruch auf Unterbringung in staatlichen Einrichtungen untergeht, wenn der Ausländer seine Unterkunft ohne vorherige Bewilligung verlässt oder eine ihm zugewiesene Unterkunft gar nicht erst in Anspruch genommen hat (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S. 16). Der Anspruch kann zwar wieder aufleben. Insoweit ist allerdings ein vorheriger Antrag bei der Questura erforderlich, die ursprünglich für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig war. Eine Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung kann erst dann wieder erfolgen, wenn die Wiederaufnahme genehmigt wurde (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 28). In dieser Übergangsphase sind Dublin-Rückkehrer auf die Hilfe von Freunden oder karitative Einrichtungen, über deren Aufnahmekapazität es keine gesicherten und aussagekräftigen Unterlagen gibt, angewiesen, um der Obdachlosigkeit entgehen zu können. Im Ergebnis ist die Unterkunftssituation in ihrer Gesamtschau weiterhin problematisch.
Gleichwohl sind diese defizitären Umstände noch nicht als generelle systemische Mängel in Italien zu qualifizieren, zumal die Annahme von Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO entsprechend den oben genannten Maßgaben an hohe Anforderungen geknüpft ist. Der maßgebliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit muss sich auf der Basis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ergeben und darf sich nicht nur auf einzelne Mängel des Systems beziehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der italienische Staat mit Unterstützung des European Asylum Support Office der Europäischen Union (EASO) geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um die Aufnahmekapazitäten stetig zu erhöhen und aktiv darum bemüht ist, diese auch weiterhin zu verbessern (vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015). Dies gilt umso mehr, als die Anzahl der in Italien ankommenden Asylbewerber seit Beginn des Jahres 2018 stark rückläufig ist.
Auch unter Auswertung neuerer Erkenntnismittel und auf Basis vorstehender Ausführungen schließt sich das Gericht in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung der Einschätzung zahlreicher anderer Verwaltungsgerichte an, dass Italien grundsätzlich über ausreichende Unterbringungskapazitäten sowie ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz bestehender Mängel noch als funktionsfähig betrachtet werden kann (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; VG Augsburg, B.v. 1.3.2018 – Au 5 S 18.50329 – juris; VG München, B.v. 6.6.2018 – M 11 S 18.51151 – BeckRS 2018, 15962; B.v. 9.8.2018 – M 26 S 18.52225, BeckRS 2018, 19472; VG Ansbach, U.v. 1.8.2018 – AN 14 K 17.50567 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 22.3.2018 – A 5 K 15921/17 – BeckRS 2018, 7260; OVG Lüneburg, B.v. 13.6.2018 – 10 LB 204/18, BeckRS 2018, 22826; B.v. 2.7.2018 – 10 LB 249/18, BeckRS 2018, 24922; BayVGH, U.v. 18.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; OVG Münster, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris).
Diese Auffassung vertritt auch der EGMR, der in seiner Tarakhel-Entscheidung vom 4. November 2014 ausgeführt hat, dass zwar nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Asylbewerber im Einzelfall keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht sei, die allgemeine Situation der Asylbewerber in Italien aber nicht mit der Griechenlands vergleichbar sei und keine systemischen Mängel vorlägen (EGMR, Tarakhel ./. Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127, Rn. 114 ff.).
Die Einschätzung, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, bedarf auch in Anbetracht des am 24. September 2018 erlassenen Dekrets der italienischen Regierung (sog. Salvini-Dekret) keiner Modifizierung. Soweit ersichtlich, betrifft die Regelung Änderungen im Bereich des Aufenthaltsrechtes aus humanitären Gründen sowie zum Verlust eines zuerkannten Schutzstatus (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S. 6). Unmittelbare Auswirkungen auf die Behandlung von Asylbewerbern, deren Anerkennungsverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen wurde, sind damit derzeit nicht zu erwarten. Soweit Ausländern nach einem unanfechtbar gewordenen negativen Abschluss des Asylverfahrens weder ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen noch eine Duldung gewährt wird, liegt darin in den von Art. 6 Abs. 4 und Art. 9 der Richtlinie 2008/115/EG (sog. Rückführungsrichtlinie) gesetzten Grenzen kein Verstoß gegen europäisches Unionsrecht oder gegen völkerrechtliche Mindeststandards. Grundsätzlich liegt es, wie auch aus Art. 6 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie folgt, im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates, den Aufenthalt von Ausländern in seinem Staatsgebiet zu beenden, denen nach einer unanfechtbar gewordenen Entscheidung der zuständigen Behörde kein Schutzanspruch zusteht.
Des Weiteren liegen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten.
c) Allerdings besteht im Falle der Antragstellerin gleichwohl voraussichtlich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, da die Antragstellerin vorgetragen und durch Vorlage eines Mutterpasses auch belegt hat, derzeit etwa im achten Monat schwanger zu sein. Als Schwangere gehört die Antragstellerin zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (sog. Aufnahmerichtlinie). Nach dieser Regelung ist die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen in dem einzelstaatlichen Recht zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie zu berücksichtigen. Nach italienischem Recht sind schwangere Frauen grundsätzlich als vulnerable Personen anerkannt, auf deren spezifische Bedürfnisse Rücksicht genommen werden muss. Geeignete Einrichtungen für Vulnerable stehen hauptsächlich in den sogenannten SPRAR-Unterkünften zur Verfügung, in denen regelmäßig gute Unterstützungsleistungen gewährt werden. Es handelt sich hierbei um ein Unterbringungssystem auf kommunaler Ebene, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 23. Februar 2016). Diese machen jedoch einen eher geringeren Prozentsatz der staatlichen Unterbringungsmöglichkeiten aus, so dass nicht jeder Asylsuchende einen Platz erhalten kann und die Zuteilung häufig mit langen Wartezeiten verbunden ist (vgl. AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, S. 51, 76; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 41).
Der EGMR hat in seiner Tarakhel-Entscheidung vom 4. November 2014 ausgeführt, dass die allgemeine Situation der Asylbewerber in Italien nicht mit der Griechenlands vergleichbar sei und keine systemischen Mängel vorlägen (EGMR, Tarakhel ./. Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127, Rn. 114 ff.). Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Anzahl von Asylbewerbern keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht sei. Um sicherstellen zu können, dass die Aufnahmebedingungen an die besonderen Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Personen angepasst seien, müssten vor deren Abschiebung individuelle Garantien von den italienischen Behörden eingeholt werden, dass diese Personen in Einrichtungen und unter Bedingungen aufgenommen werden, die ihrer Schutzbedürftigkeit angemessen seien (Rn. 120, 122 der vorgenannten Entscheidung).
Auch das Bundesverfassungsgericht vertritt in seinem Beschluss vom 29. August 2017 die Auffassung, dass den Belangen besonders schutzbedürftiger Personen unter Berücksichtigung der Grundsätze der Tarakhel-Entscheidung des EGMR besonders Rechnung getragen werden müsse (BVerfG, B.v. 29.8.2017 – 2 BvR 863/17 – juris Rn.16).
In Ansehung der vorgenannten Entscheidungen kann aus Sicht des Gerichts eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann ausgeschlossen werden, wenn die Antragsgegnerin vor einer Überstellung nach Italien eine entsprechende individuelle Zusicherung der italienischen Behörden einholt (so auch VG Düsseldorf, B.v. 16.11.2016 – 22 L 3599/16.A – juris; a.A.: VG München, B.v. 23.4.2018 – M 18 S 18.50476 – juris), dass die Antragstellerin einen sicheren Platz in einer Unterkunft erhält, die für schwangere Frauen eine spezielle Versorgung und Betreuung gewährleistet und zudem individuelle Bedürfnisse und insbesondere eine adäquate hygienische Umgebung und medizinische Versorgung abdeckt, was wohl nur in SPRAR-Unterkünften sichergestellt werden kann. Dies muss umso mehr gelten, als dem Gericht auch aktuelle Berichte über Defizite bei der Zuweisung schutzbedürftiger Personen an geeignete Einrichtungen vorliegen und Obdachlosigkeit von Asylbewerbern und Schutzberechtigten in Italien sowie festzustellende Mängel und Defizite in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen ein nach wie vor bestehendes Problem darstellen (vgl. US Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2017 – Italy, abrufbar unter https://www.ecoi.net/en/document/1430262.html). Im vorliegenden Fall fehlt es zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt an einer solchen konkreten und einzelfallbezogenen Zusicherung Italiens im Sinne der Tarakhel-Entscheidung.
3. Da der Überstellung somit rechtliche Gründe entgegenstehen und die Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolgreich sein wird, überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung das öffentliche Vollzugsinteresse, weshalb dem Antrag stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.