Baurecht

Prozesskostenhilfeantrag für Klage gegen Erschließungsbeitragsbescheid

Aktenzeichen  6 C 17.2211

Datum:
30.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO AO § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 228, § 231 Abs. 1 Nr. 1
KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a

 

Leitsatz

Für die Verwirkung einer Beitragsforderung ist über einen unangemessen langen Zeitablauf hinaus zu verlangen, dass die Gemeinde durch ein positives Verhalten gegenüber dem Beitragspflichtigen zum Ausdruck bringt, er schulde den Beitrag nicht mehr oder er brauche mit einer Heranziehung nicht mehr zu rechnen (Bestätigung von BayVGH BeckRS 2008, 28211). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 16.75 2017-10-12 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Oktober 2017 – B 4 K 16.75 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe und die Beiordnung ihres Rechtsanwalts für eine Klage gegen den Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 26. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Bamberg vom 25. Januar 2016. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V. mit § 114, § 121 ZPO). Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Sie soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können (vgl. BVerfG, B.v. 14.2.2017 – 1 BvR 2507/16 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Hinreichend ist die Erfolgsaussicht danach jedenfalls dann, wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BayVGH, B.v. 12.12.2011 – 6 C 11.2100 – juris Rn. 2).
Gemessen hieran hat die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der angefochtene Bescheid vom 26. April 2002 mit der Festsetzung eines Erschließungsbeitrags in Höhe von 2.991,38 € für das Grundstück FlNr. 1294/4 dürfte bei summarischer Prüfung rechtmäßig sein. Insoweit wird Bezug genommen auf die ausführliche Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2017. Die von der Klägerin erhobenen Einwendungen überzeugen nicht.
Die Rüge der Klägerin, dass die maßgebliche Erschließungsanlage Markusstraße bereits 1969 erstmals endgültig hergestellt worden sei, ist nach Aktenlage nicht begründet. Der ursprünglich geltende Bebauungsplan „Östlich der Bahn II“ aus den 1960er Jahren sah eine Erschließung unter anderem des klägerischen Grundstücks von Süden her über zwei Stichstraßen mit Wendehämmern vor. Diese Planung wurde nie realisiert. Die von der Klägerin vorgelegte Kopie eines Plans vom 12. Mai 1969 (VG-Akte Bl. 22) stellt weder einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan im Sinn des § 10 BBauG/BauGB dar noch enthält der Plan Festsetzungen für die Erschließungsanlage Markusstraße. Nach dem geänderten Bebauungsplan vom 20. Januar 1970 (Beiakt II Bl. 244) war die Erschließung über eine Stich Straße mit einem nach Süden abknickenden Wendehammer vorgesehen. Hergestellt wurde 1970 die Erschließungsanlage lediglich bis auf Höhe des klägerischen Grundstücks FlNr. 1294/4, nicht jedoch in voller Länge bis auf Höhe des damaligen Grundstücks FlNr. 1348/100. Auch das der Klägerin westlich benachbarte Grundstück FlNr. 1294/5 wurde nicht erschlossen. Dies ergibt sich aus der in den Akten befindlichen Skizze (Beiakt II Bl. 108) und dem Luftbild vom 6. Mai 1976 (Beiakt II Bl. 249). Dem entspricht auch die Eintragung vom 22. Juli 1971 im Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen (Beiakt III), wonach die – nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts insgesamt ca. 160 m lange – Straße im Jahr 1970 „auf einer Länge von etwa 130 m ausgebaut und staubfrei gemacht“ worden war. Am 4. Dezember 1993 trat der geänderte Bebauungsplan „Östlich der Bahn IV“ in Kraft, nach dessen Festsetzungen die heutige Markusstraße nach Aktenlage in den Jahren 1998/99 endgültig hergestellt worden ist.
Die Erschließungsbeitragsforderung ist nicht verjährt. Die Markusstraße wurde, wie oben ausgeführt, erst im Jahr 1999 endgültig hergestellt. Eine Festsetzungsverjährung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAG in Verbindung mit § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO kann nicht eingetreten sein, weil die Forderung bereits mit Bescheid vom 23. Mai 2001 und Änderungsbescheid vom 26. April 2002 festgesetzt wurde. Dass über den von der Klägerin erhobenen Widerspruch erst im Jahr 2016 entschieden worden ist, ändert daran nichts. Abgesehen davon hätte die Klägerin Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erheben können. Eine Zahlungsverjährung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG in Verbindung mit § 228 AO liegt ebenfalls nicht vor, weil die Verjährung des Anspruchs durch die vom Beklagten mit Schreiben vom 27. Juni 2001 verfügte Aussetzung der Vollziehung nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 AO unterbrochen wurde (Beiakt II Bl. 162). Mit einem weiteren Schreiben vom 13. Dezember 2007 wurde nochmals auf die Aussetzung der Vollziehung hingewiesen (Beiakt II Bl. 149 Rückseite).
Für eine Verwirkung der Beitragsforderung hat die Klägerin nichts Substantiiertes vorgetragen. Für die Verwirkung einer Beitragsforderung ist über einen unangemessen langen Zeitablauf hinaus zu verlangen, dass die Gemeinde durch ein positives Verhalten gegenüber dem Beitragspflichtigen zum Ausdruck bringt, er schulde den Beitrag nicht mehr oder er brauche mit einer Heranziehung nicht mehr zu rechnen (sogenanntes Umstandsmoment, u.a. BayVGH, B.v. 14.8.2008 – 6 ZB 07.841 – juris Rn. 16). Hierfür ist nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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