Aktenzeichen M 12 K 16.3980, M 12 S 16.3973
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 166
Leitsatz
Nimmt ein Kläger vor der Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch seine Klagen und Anträge zurück, fehlt es an der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Sinne des § 114 S. 1 ZPO. Die vor der Entscheidung über die Bewilligung erklärte Rücknahme führt daher grundsätzlich zur Versagung der Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren (VGH München BeckRS 2011, 32178). (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I.
Die Verfahren M 12 K 16.3980 und M 12 S 16.3973 werden im Hinblick auf die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Kläger) ist ukrainischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am … März 2016 ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am … Juli 2016 wurde der Kläger bei einer polizeilichen Kontrolle festgenommen und in die JVA D. verbracht worden.
Am … August 2016 meldete er sich bei der Landeshauptstadt D., die eine Befragung nach § 15a AufenthG durchführte. Hierbei gab der Kläger an, keinen Asylantrag stellen zu wollen. Im Rahmen der Verteilungsentscheidung gemäß § 15a Abs. 1 AufenthG wurde der Kläger an die Aufnahmeeinrichtung München weitergeleitet, bei der er sich am … August 2016 meldete.
Bei einer Vorsprache bei der Regierung von Oberbayern am … August 2016 gab der Kläger an, seit März 2016 im Bundesgebiet aufhältig zu sein und ohne die erforderliche Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis einer Beschäftigung in der Altenpflege nachgegangen zu sein. Er sei zwar ohne Visum und ohne Aufenthaltserlaubnis nach Deutschland eingereist, sei jedoch im Besitz eines Passes gewesen, den er später verloren habe. Eine Verlustanzeige bei der Polizei habe er nicht erstattet, da er sich illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe.
Mit Bescheid des Beklagten und Antragsgegners (im Folgenden: Beklagter) vom 31. August 2016 wurde dem Kläger eine Ausreisefrist von sieben Tagen ab Bekanntgabe des Bescheides gesetzt und für den Fall der nichtfristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Ukraine oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Für den Fall der Abschiebung wurde das Einreiseverbot auf drei Jahre und zehn Monate ab erfolgter Abschiebung befristet.
Mit Schriftsatz vom … September 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
den Bescheid vom 31. August 2016 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG vorliegen.
Gleichzeitig hat der Kläger beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Beklagte verlängerte auf Antrag des Klägers hin die Ausreisefrist bis zum 21. September 2016.
Mit Schriftsatz vom … September 2016 hat der Kläger beantragt,
ihm Prozesskostenhilfe für die erste Instanz zu bewilligen.
Mit Schriftsatz vom 15. September 2016 hat der Beklagte beantragt,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom 26. September 2016 hat der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom … Oktober 2016 hat der Kläger sowohl die Klage als auch den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Das Gericht legt den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers dahingehend aus, dass der Kläger Prozesskostenhilfe sowohl für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch für das Hauptsacheverfahren begehrt, da er einerseits im Schriftsatz vom … September 2016 das Az. M 12 S 16.3973 nennt, inhaltlich aber auch auf das Klageverfahren Bezug nimmt.
Zuständig ist angesichts der Klage- und Antragsrücknahme gem. § 87a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO der Berichterstatter.
Die Anträge auf Gewährung der Prozesskostenhilfe haben keinen Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ff. ZPO erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur um Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolges.
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleiben bereits deshalb erfolglos, weil die Klage und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vor Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zurückgenommen worden sind. Nimmt der Kläger seine Klagen und Anträge zurück, so fehlt es an einer beabsichtigten Rechtsverfolgung im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO. Eine vor der Entscheidung über die Bewilligung erklärte Rücknahme führt daher grundsätzlich zur Versagung der Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren (BayVGH, B. v. 26.3.2004 – 12 C 04.564 – juris; BayVGH, B. v. 6.7.2011 – 12 C 11.1151 – juris; Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 166 Rn. 26a). Das kann zwar im Einzelfall aus Billigkeitsgründen anders sein, wenn sich die Klage etwa ohne Zutun des Klägers erledigt oder er die Klage zwar zurückgenommen hat, vorher aber alles Zumutbare getan hat, damit über die Prozesskostenhilfe vor Klagerücknahme entschieden werde bzw. das Gericht über den Prozesskostenhilfeantrag nicht in angemessener Frist entschieden hat. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da sich der streitgegenständliche Bescheid weder erledigt hat noch der Kläger mangels Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse alles Zumutbare getan hat, damit über die Prozesskostenhilfe vor Klagerücknahme entschieden wird. Vielmehr lag vor Wegfall der Rechtshängigkeit kein entscheidungsreifer Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor. Sonstige Billigkeitsgründe sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
Die Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe waren daher abzulehnen.