Aktenzeichen 11 K 2862/16
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1. a. Der Klageantrag des Klägers vom 24. Oktober 2016 wird rechtsschutzgewährend dahingehend ausgelegt, dass der Kläger die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 – 2014 angreifen wollte. Auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 24. Oktober 2016 beantragt der Kläger, sämtliche Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 – 2014 für unwirksam und nichtig zu erklären. Außerdem bringt er vor, dass die Bescheide rechtswidrig seien.
b. Die Klage ist unzulässig, soweit das Jahr 2007 betroffen ist. Insoweit fehlt es an einem Einkommensteuerbescheid, der hätte angegriffen werden können. Der Kläger wird nicht beschwert nach § 40 Abs. 2 FGO.
c. Im Übrigen ist die Klage zulässig. Die vom Kläger zunächst als Untätigkeitsklage im Sinne des § 46 FGO erhobene Klage führt nach Erlass der Einspruchsentscheidungen für die Streitjahre 2006, 2008 – 2014, in denen die Einsprüche als unbegründet abgewiesen bzw. unzulässig verworfen wurden, dazu, dass das Klageverfahren ohne weiteres fortgesetzt wird. Mit Erlass der Einspruchsentscheidungen liegt auch die Sachentscheidungsvoraussetzung des § 44 Abs. 1 FGO vor.
Die sog. Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO bildet lediglich eine Ausnahme zu der Vorschrift des § 44 Abs. 1 FGO, wonach in Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Anrufung des Gerichts nur nach Abschluss dieses außergerichtlichen Vorverfahrens zulässig ist. Die Untätigkeit der Behörde ist nach § 46 FGO nur die Zulässigkeitsvoraussetzung, nicht aber der Gegenstand der Klage. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers ist daher auch in den Fällen des § 46 FGO auf Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts oder auf Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (§ 40 Abs. 1 FGO) gerichtet und nicht auf ein Tätigwerden der Behörde überhaupt.
d. Der Treuhänder war nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts W – Insolvenzgericht – vom 20. Juni 2012 nicht nach § 60 FGO beizuladen (BFH-Beschluss vom 30. September 2005 VIII B 260/04, BFH/NV 2006, 561).
2. Die Klage ist jedoch im Übrigen unbegründet. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006, 2008 – 2014 sind nicht nach § 125 AO nichtig. Weder leiden sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 125 Abs. 1 AO noch ist ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 125 Abs. 2 AO ersichtlich. Die Bescheide sind auch nicht rechtswidrig.
a. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 ist nicht zu beanstanden.
aa. Der gegenüber dem Kläger erlassene Bescheid für das Jahr 2006 ist formell ordnungsgemäß. Es erging zutreffend ein Steuerbescheid über die im Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Einkommensteuer, soweit sie auf die nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebene oder nichtselbständige Tätigkeit entfällt, gegenüber dem Kläger als Insolvenzschuldner.
Der Änderungsbescheid vom 19. August 2013 wurde fehlerfrei auf die Korrekturvorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ermöglicht eine Änderung des ursprünglichen Steuerbescheides, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird. Zugunsten des Klägers wurden im Änderungsbescheid vom 19. August 2013 anstelle der besonderen Vorsorgepauschale von x…. € nachgemeldete Versicherungsbeiträge von x…. € vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen, Spenden von … € berücksichtigt und die Einkommensteuer auf x…. € herabgesetzt.
bb. Die für das Jahr 2006 festgesetzte Einkommensteuer ist nicht zu korrigieren. Werbungskosten in Höhe von x…. € für Dienstreisen, in Höhe von xx € für einen Beitrag an den Berufsverband D e.V. und in Höhe von xx….,xx € (an den Treuhänder abgetretene Lohnanteile) sind nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Ansatz zu bringen.
aaa. Der Kläger bezog mit den im Jahr 2006 gezahlten Versorgungsbezügen nicht Einkünfte i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung für eine gegenwärtige Beschäftigung im öffentlichen Dienst, sondern Einkünfte aus früheren Dienstleistungen i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG als Berufssoldat. Er kann deshalb die Aufwendungen für Dienstreisen und für den Beitrag an den Berufsverband nicht als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei diesen Einkünften geltend machen (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1993 VI R 24/93, BStBl II 1994, 238). Zwischen den Aufwendungen des Klägers und seinen Bezügen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG besteht kein steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang. Denn ein in den Ruhestand versetzter Beamter erhält seine Bezüge unabhängig davon, ob er eine Tätigkeit ausübt oder nicht und hat sich seine Versorgungsbezüge bereits im aktiven Berufsleben erdient. Soweit die Aufwendungen für Dienstreisen und Beiträge zum Berufsverband im Zusammenhang mit Einsätzen des Klägers bei Wehrübungen stehen und dieser steuerfrei Wehrsold, Verpflegungsgeld und Unterhaltssicherung ausgezahlt bekam, ist zu beachten, dass die bei den Wehrübungen erzielten Einnahmen nicht der Lohnsteuer unterworfen, sondern steuerfrei ausgezahlt wurden. Ausgaben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, sind nach § 3c EStG aber nicht als Werbungskosten abzugsfähig.
Die an den Treuhänder abgetretenen und vom diesem zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwendeten Anteile an den Versorgungsbezügen dienten in erster Linie der Befriedigung der Insolvenzgläubiger und nicht dem Erhalt und der Sicherung von Einnahmen. Zudem sind sie erst im Jahr 2012 aus dem Vermögen des Klägers dadurch nach § 11 Abs. 2 EStG abgeflossen, dass sie an die Insolvenzgläubiger verteilt wurden und schon deshalb im Streitjahr 2006 nicht zu erfassen.
bbb. An den Treuhänder abgetretene, der Pfändung unterliegende Lohnanteile des Klägers von xx….,xx € sind auch nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 56/14, BFH/NV 2016, 1270).
Zwar konnte sich der Kläger dem Einzug seines pfändbaren Einkommens durch den Treuhänder im Rahmen des Insolvenzverfahrens aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Hat der Steuerpflichtige jedoch durch sein Verhalten die entscheidende Ursache für die geltend gemachten Aufwendungen selbst gesetzt, kann er sich nicht darauf berufen, er habe sich in einer Zwangslage befunden. Denn es kommt darauf an, ob das der Zahlungsverpflichtung als wesentliche Ursache zugrundeliegende Ereignis als solches für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Daher steht es der Abziehbarkeit von außergewöhnlichen Belastungen entgegen, wenn den Steuerpflichtigen ein Verschulden an der Entstehung der Aufwendungen trifft (BFH-Urteil vom 4. August 2016 VI R 47/13, BStBl II 2017, 276).
Im Streitfall hat der Kläger die Ursache für die streitigen Aufwendungen selbst gesetzt. Ihn trifft aufgrund der gewählten Gestaltung beim Erwerb der Eigentumswohnungen ein Verschulden am Eintreten der Überschuldung und mithin der Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens mit entsprechenden Kostenfolgen. Denn für die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers ist zumindest mitursächlich, dass er erhebliche Verluste durch Fehlinvestitionen in Fonds erlitt (vgl. Bericht des Treuhänders vom 22. März 2006) und die Vermietungsobjekte fremdfinanziert waren. Dabei hatte er zumindest für die drei in seinem Alleineigentum stehenden Immobilien die Möglichkeit, die Finanzierung selbst zu bestimmen. Die vierte Immobilie stand nach dem Tod seiner Ehefrau am 1. Juni 1999 ebenfalls im Alleineigentum des Klägers. Insoweit ist es nicht glaubhaft, wenn der Kläger angibt, er sei unverschuldet in die Insolvenz geraten, weil er die Vermietungsobjekte und deren Finanzierung geerbt oder durch Überlassung erhalten habe. Mit den Zahlungsschwierigkeiten hat sich demnach ein Risiko verwirklicht, das schon in der konkreten Gestaltung bei Vertragsabschluss angelegt und nicht etwa auf später eingetretene unvorhersehbare Umstände zurückzuführen war. Es beruhte vielmehr wesentlich auf der vom Kläger eingegangenen Gestaltung. Hat sich der Steuerpflichtige aber auf eine vertragliche und wirtschaftliche Gestaltung eingelassen, die konkret mit Unsicherheiten behaftet ist, deren Risiken sich später realisieren, so hat er die wesentliche Ursache für die hierdurch entstandenen Aufwendungen selbst gesetzt. Sie sind daher nicht zwangsläufig i.S. des § 33 EStG.
cc. Zutreffend hat das FA gegen den Kläger den auf das insolvenzfreie Vermögen oder nichtselbständige Tätigkeit entfallenden Anteil an der Steuerschuld, die gegenüber dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzschuldner festzusetzen ist, mit x % der Gesamtsteuerschuld angesetzt, woraus sich eine auf diesen Anteil entfallende Einkommensteuer in Höhe von x…. € ergibt.
aaa. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Finanzverwaltung berechtigt, nach § 55 Abs. 4 AO Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen. Der Insolvenzverwalter hat nach § 34 Abs. 1 und 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Nach § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Im vereinfachten Insolvenzverfahren werden die Aufgaben des Insolvenzverwalters von dem Treuhänder wahrgenommen. Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO hingegen die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Eine Forderung ist insolvenzrechtlich begründet, wenn der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde.
bbb. Die auf den Insolvenzschuldner entfallende Gesamtsteuerschuld in Höhe von x…. € ist auf die insolvenzrechtlichen Vermögensbereiche (Insolvenzforderung/Forderung gegen die Insolvenzmasse/Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen) zu verteilen (Tz. 9.1.1. zu § 251 AO-Anwendungserlass – AEAO -).
Die Einkommensteuerschuld des Klägers für das Streitjahr 2006 ist teilweise vor und teilweise nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 10. Januar 2006 begründet worden und zählt – soweit sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist, zu den Insolvenzforderungen nach § 38 InsO, die vom FA im Wege der Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend zu machen waren.
Hinsichtlich der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Steueransprüche ist zu differenzieren. Soweit diese als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind sie gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen und von diesem vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Demgegenüber sind sonstige nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steueransprüche insolvenzfrei und gegen den Schuldner und/oder gegen den Zwangsverwalter festzusetzen. Der gegen die Masse gerichtete Bescheid ist ein gegenständlich beschränkter Steuerbescheid, mit dem die Einkommensteuer gegenüber dem Insolvenzverwalter festgesetzt wird. Er ist Teil des Festsetzungsverfahrens (BFH-Urteil vom 16. Juli 2015 III R 32/13, BStBl II 2016, 251).
ccc. Die Versorgungsbezüge und Renten des Klägers gehören zum insolvenzfreien Vermögen.
Die auf das Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners als Neuerwerb anfallende Einkommensteuerverbindlichkeit stellt keine Masseschuld dar, sondern richtet sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners (BFH-Urteile vom 24. Februar 2011 VI R 21/10, BStBl II 2011, 520, und vom 27. Juli 2011 VI R 9/11, BFH/NV 2011, 2111). Maßgebend ist insoweit, dass die Veranlagung eine Einkommensteuernachzahlung, d.h. eine Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt zur Folge hat. Sie bezieht sich dagegen nicht auf Fälle, in denen es zu einem Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt kommt (BFH-Urteil vom 15. März 2017 III R 12/16, BFH/NV 2018, 140).
Dasselbe gilt für Versorgungsbezüge und Renten (Finanzgericht – FG – Düsseldorf vom 19. August 2011 11 K 4201/10, DStR 2012, 996; vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen – BMF – vom 31. Januar 2013 IV A 3-S 0062/08/10007-15, 2012/1176804, BStBl I 2013, 118 (außer Kraft)). Auch hier liegt eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters nicht allein deshalb vor, weil Versorgungsbezüge und Renten des Insolvenzschuldners als Neuerwerb zur Masse gelangt sind und diese damit vermehrt wurde. Bei den Ansprüchen des Insolvenzschuldners auf Renten und Versorgungsbezüge wird der Fiskus als Gläubiger der Lohnsteuer in zweifacher Weise gegenüber anderen Neugläubigern privilegiert. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO verweist auf die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850i der Zivilprozessordnung (ZPO). Die entsprechende Anwendung dieser Normen hat zur Folge, dass nur der allgemein pfändbare Teil zur Masse gelangt. Aus der Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse folgt aber nicht, dass die mit dieser Forderung zusammenhängenden Verbindlichkeiten stets Masseverbindlichkeiten sind. Die Einkommensteuer führt zu einer mit einem Neuerwerb in Verbindung stehenden Verbindlichkeit und ist grundsätzlich aus dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners zu begleichen (BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 21/10, BStBl II 2011, 520).
Etwas anderes gilt auch nicht, wenn die abgeführte Lohnsteuer nicht ausreicht, um die endgültige Jahreseinkommensteuer abzudecken. Dabei ist unerheblich, dass der Steuerpflichtige durch die Wahl der Steuerklasse die Höhe der Lohnsteuer beeinflussen kann. Maßgeblich für die Berechnung der einzubehaltenden Lohnsteuer i.S. des § 850e ZPO ist die vom Insolvenzschuldner vorgelegte Lohnsteuerkarte mit den eingetragenen Merkmalen zur Steuerklasse oder Freibeträgen. Das Recht zur Bestimmung der Höhe des Freibetrages geht nicht auf den Treuhänder über. Die Folge, dass der Insolvenzschuldner mit der Wahl der Steuerklasse entweder der Masse oder sich selbst -im Bereich des unpfändbaren Arbeitseinkommensauf Kosten des Steuergläubigers mehr Vermögen zuwenden kann, ist im System angelegt und nicht zu beanstanden (BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 21/10, BStBl II 2011, 520). Das gilt auch für den vom Kläger am 8. Februar 2006 beantragten Freibetrag für die Lohnsteuerkarte.
Die Grundsätze der Entscheidung des BFH vom 24. Februar 2011 (VI R 21/10, BStBl II 2011, 520) sind auch auf den Streitfall anwendbar. Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO berufen; handelt es sich doch bei dem angefochtenen, am 7. November 2012 gegenüber dem Kläger erlassenen Steuerbescheid um einen Erstbescheid und nicht um einen Änderungsbescheid.
ddd. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die x € betragen, sind der Insolvenzmasse und nicht dem insolvenzfreien Vermögen zuzuordnen.
eee. Die aus der Vermietung und Verpachtung resultierende Einkommensteuer gehört hingegen nicht zum insolvenzfreien Vermögen.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und bis zur Anordnung der Zwangsverwaltung über das Objekt in T am 16. Januar 2006 und die beiden Objekte in B (SStraße, Wohnung 35 und 17) am 1. März 2006 und 14. März 2006 gehören die aus diesen Objekten erwirtschafteten Mieterträge zu den Masseverbindlichkeiten. Denn die daraus resultierenden Steuerverbindlichkeiten sind „in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) begründet worden.
Hingegen sind die Mieterträge aus dem Objekt in M, über das am 11. November 2005 die Zwangsverwaltung angeordnet wurde, vom Zwangsverwalter zu entrichten. Steuersubjekt und damit Schuldner der Einkommensteuer bleibt zwar bei einer angeordneten Zwangsverwaltung der Vollstreckungsschuldner. Diese ist indes durch den Zwangsverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO zu entrichten, soweit sie aus der ordnungsgemäßen Verwaltung des beschlagnahmten Grundvermögens herrührt. An der Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters ändert sich nichts, wenn während der Zwangsverwaltung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht zwar die an das Eigentum geknüpfte Verfügungsbefugnis des Schuldners am Grundstück auf den Insolvenzverwalter über; die Befugnis, das Grundstück zu verwalten und zu benutzen, verbleibt aber bei dem Zwangsverwalter. Aus § 55 InsO ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift regelt, welche Forderungen im Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit vorab aus der Masse zu bedienen sind. Sie setzt dabei voraus, dass die Forderung, um die es geht, in die Insolvenz fällt. Daran fehlt es aber, wenn sie in einem vorrangigen Zwangsverwaltungsverfahren vom dortigen Zwangsverwalter zu bedienen ist (BFH-Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 23/14, BFH/NV 2015, 1018).
b. Auch die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 – 2011 sind nicht zu beanstanden.
aa. Der Kläger war Bekanntgabeadressat der Bescheide. Die der Besteuerung zugrunde gelegten Versorgungsbezüge und Renten gehören zum insolvenzfreien Vermögen und stellen keine Masseverbindlichkeiten dar (vgl. oben 2.a.cc.ccc.).
bb. Die im Einspruchsverfahren nachgewiesenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden vom FA bereits in den Einkommensteueränderungsbescheiden für die Jahre 2008 – 2010, jeweils vom 3. Februar 2017, berücksichtigt. Darüber hinaus begehrt der Kläger keinen Ansatz von weiteren Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung im Klageverfahren.
cc. An den Treuhänder in den Jahren 2008 – 2011 abgetretene, der Pfändung unterliegende Lohnanteile des Klägers sind nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. oben 2.a.bb.aaa.), da sie in erster Linie der Befriedigung der Insolvenzgläubiger und nicht dem Erhalt der Sicherung von Einahahmen dienen. Auch eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung kommt nicht in Betracht (vgl. oben 2.a.bb.bbb.).
dd. Zu Recht hat das FA Treuhänderkosten nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG im Jahr 2011 berücksichtigt.
Hat der Steuerpflichtige durch sein Verhalten die entscheidende Ursache für die geltend gemachten Aufwendungen selbst gesetzt, kann er sich nicht darauf berufen, er habe sich in einer Zwangslage befunden. Im Streitfall hat der Kläger die Ursache für die streitigen Aufwendungen selbst gesetzt. Ihn trifft aufgrund der gewählten Gestaltung ein Verschulden am Eintreten der Überschuldung und mithin der Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens mit entsprechenden Kostenfolgen (vgl. oben 2.a.bb.bbb.). Treuhänderkosten sind daher nicht zwangsläufig i.S. des § 33 EStG.
ee. Auch Rechtsanwaltskosten von x….,xx € sind im Jahr 2011 nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.
Strafverteidigungskosten können zwar als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG anzuerkennen sein. Soweit das Verfahren eingestellt wird, fallen gemäß § 467 Abs. 1 StPO, von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen (§ 467 Abs. 2 und 3 StPO), die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last. Gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Dazu zählen u.a. die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts. Soweit dem Steuerpflichtigen aufgrund dieser Vorschriften ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Strafverteidigung zusteht, scheidet schon mangels Belastung des Steuerpflichtigen ein Abzug nach § 33 EStG aus.
Soweit nach den genannten Vorschriften kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, sind Anwaltskosten für die Strafverteidigung einem Steuerpflichtigen nur zwangsläufig erwachsen (§ 33 Abs. 1 EStG), wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit diese Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nicht zwangsläufig sind Aufwendungen insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige mit seinem Verteidiger ein Honorar vereinbart hat, das über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt; ein Abzug dieser Mehraufwendungen ist mangels Zwangsläufigkeit nicht möglich (BFH-Beschluss vom 10. Juni 2015 VI B 133/14, BFH/NV 2015, 1247).
Der von der Rechtsanwaltskanzlei X & Y aufgrund der am 30. April 2011 getroffenen Vergütungsvereinbarung abgerechnete Betrag von insgesamt x….,xx € brutto liegt über den von der Staatskasse erstattungsfähigen Kosten und ist deshalb dem Kläger nicht zwangsläufig erwachsen, soweit er über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt. Soweit er darunter liegt, wird der Kläger nicht belastet, da ihm die Aufwendungen nach § 467 Abs. 1 StPO nicht zur Last fallen. Auch hinsichtlich durch den Rechtsanwalt S abgerechneten Verfahrensgebühren und Auslagen von …,xx € brutto greift § 467 Abs. 1 StPO ein. Mangels Belastung des Klägers sind diese ebenfalls nicht nach § 33 EStG abzugsfähig.
c. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 ist ebenfalls rechtmäßig.
aa. Die gepfändeten Versorgungsbezüge stellen im Jahr 2012 insoweit nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dar als sie auf Schuldzinsen entfallen, die auf Darlehen der bis zur Zwangsversteigerung vermieteten Immobilien zurückzuführen sind.
Im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs zwischen Schuldzinsen auf ein Immobiliendarlehen und der Einkünftesphäre kommt nämlich einerseits dem mit der Aufnahme der Darlehensschuld verfolgten Zweck, welcher auf die Erzielung von Einnahmen -im Streitfall aus Vermietung und Verpachtunggerichtet sein muss, und andererseits der zweckentsprechenden Verwendung der Darlehensmittel entscheidende Bedeutung zu. Mit der erstmaligen -objektbezogenen- Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjekts wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt. Der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den Einkünften aus der Vermietung setzt sich unabhängig von der Veräußerung am Veräußerungspreis fort (sog. Surrogationsbetrachtung). Daher sind nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen entfallen, grundsätzlich auch nach einer Veräußerung der Immobilie weiter als nachträgliche Werbungskosten zu berücksichtigen, (1.) wenn der Steuerpflichtige damit eine neue Einkunftsquelle -etwa ein zur Vermietung bestimmtes Immobilienobjekt-anschafft, (2.) wenn der Steuerpflichtige die vermietete Immobilie veräußert, der Verkaufserlös aber nicht ausreicht, um ein hierfür aufgenommenes Darlehen abzulösen; dann bleibt der nicht ablösbare Teil des (fortgeführten) Anschaffungsdarlehens im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2017 IX R 4/17, BStBl II 2018, 268).
Im Streitfall wurden die Vermietungsimmobilien des Klägers im Jahr 2006 im Rahmen der Zwangsverwaltung veräußert. Soweit der Verkaufserlös nicht ausreichte, um die zur Immobilienfinanzierung aufgenommenen Darlehen abzulösen, können die auf diese Darlehen gezahlten Zinsen nachträgliche Werbungskosten darstellen. Die im Jahr 2012 an die Insolvenzschuldner ausgezahlten und ursprünglich gepfändeten Teile der Versorgungsbezüge wurden im Jahr 2012 in Höhe von xx…. € zu Recht als nachträgliche Werbungskosten in Form von Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung behandelt. Gegen die vorgenommene Schätzung der Höhe der Schuldzinsen hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Die Schätzung begegnet keinen Bedenken und ist nicht zu beanstanden. Sie ist nachvollziehbar und bewegt sich angesichts der Höhe der durch Grundpfandrechte gesicherten Darlehen, die bei Stellung des Antrags auf Insolvenzeröffnung bei etwa ……. € lagen, und der Höhe der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Immobilien von etwa ……. € mit x % des zu verteilenden Betrages zugunsten des Klägers eher am oberen Rand des Schätzungsrahmens.
bb. Darüber hinaus sind keine Werbungskosten abzugsfähig. Steuerberatungskosten in Höhe von …,xx €, die im Zusammenhang mit der Vertretung des Klägers im Rechtsbehelfsverfahren angefallen sind, sind nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für das Jahr 2012 abzugsfähig.
Im Rechtsbehelfsverfahren 2008 – 2010 machte der damalige steuerliche Vertreter geltend, dass Masseverbindlichkeiten vorlägen, der Treuhänder Bekanntgabeadressat sei und dass die Aufteilung nicht korrekt sei. Die in den Jahren 2008 – 2010 gepfändeten Lohnanteile seien als Werbungskosten, hilfsweise als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang der Rechtsanwaltskosten mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit ist nicht erkennbar. Es handelt sich vielmehr um Kosten der privaten Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG).
cc. Im Streitjahr 2012 sind die streitigen Steuerberatungskosten nicht als Sonderausgaben abzugsfähig. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. konnten bis Ende 2005 private Steuerberatungskosten als Sonderausgaben abgezogen werden. Die Vorschrift wurde mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben.
d. Auch die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014 sind nicht zu beanstanden.
aa. Im Streitjahr 2013 sind die streitigen Steuerberatungskosten nicht als Sonderausgaben abzugsfähig. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. wurde mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben.
Die Aufwendungen können auch nicht als Werbungskosten abgezogen werden; sie sind nicht gemäß § 4 Abs. 4 EStG bzw. § 9 Abs. 1 EStG durch eine bestimmte Einkunftsart veranlasst.
Auch ein Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung scheidet im Streitjahr 2013 aus. Der Kläger macht insoweit geltend, dass die Aufwendungen in Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers gestanden hätten. Es sei um die Abgrenzung der Massekosten für Tabellenanmeldungen und um die Steuern des Klägers gegangen. Im Streitfall hat der Kläger jedoch die Ursache für die streitigen Aufwendungen selbst gesetzt. Ihn trifft aufgrund der gewählten Gestaltung ein Verschulden am Eintreten der Überschuldung und mithin der Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens mit entsprechenden Kostenfolgen (vgl. oben 2.a.bb.bbb.). Sie sind daher nicht zwangsläufig i.S. des § 33 EStG.
bb. Für das Jahr 2014 sind keine weiteren Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Es ist nicht erkennbar, dass Aufwendungen für ein Notebook und Fachbücher zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Versorgungsbezüge des Klägers gedient haben, sind diese doch durch das frühere Dienstverhältnis des Klägers entstanden und fließen diesem ohne weiteres Zutun zu. Wegen dieses automatischen Zuflusses der Versorgungsbezüge besteht kein Zusammenhang mit dem Bedürfnis des Klägers, sich auf dem Laufenden zu halten. Die Aufwendungen für das Notebook und die Fachliteratur stellen deshalb Aufwendungen der privaten Lebensführung dar (§ 12 Nr. 1 EStG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Über das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 27. September 2018 brauchte kein Beschluss zu ergehen, (Stapperfend, in: Gräber, Kommentar zur FGO, § 51 Rz. 73), da es dem Kläger mit seinem Ablehnungsgesuch ersichtlich darum ging, die mündliche Verhandlung und eine Entscheidung erheblich hinauszuschieben und den Prozess zu verschleppen (BFH-Beschluss vom 21. November 2002 VII B 52/02, BFH/NV 2003, 485). Rechtsanwalt A hat sich als Prozessvertreter weder angezeigt noch wurde Akteneisicht oder die Beiziehung von Akten bisher beantragt. Der Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung war aufgrund der mangelnden Darlegung und Glaubhaftmachung von Gründen abzulehnen; dies begründet keine Besorgnis der Befangenheit. Vielmehr dient die Richterablehnung maßgeblich der Prozessverschleppung durch den Kläger.