Strafrecht

Keine Wiedereinsetzung bei fehlenden Vorkehrungen für Zustellung in Abwesenheitszeiten

Aktenzeichen  Qs 251/18 jug

Datum:
13.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54196
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 37 Abs. 1, § 44, § 410 Abs. 1 S. 1, § 473 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Unkenntnis von der Zustellung eines Strafbefehls an die ständig benutzte Wohnung des Angeklagten kann nur dann eine Verhinderung betreffend die Einhaltung der Einspruchsfrist ohne Verschulden im Sinne des § 44 StPO begründen, wenn der Angeklagte keine besonderen Vorkehrungen dafür hätte treffen müssen, dass er rechtzeitig von etwaigen Zustellungen Kenntnis erlangt, weil gegen ihn Ermittlungen geführt wurden.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 Ds 260 Js 17493/17 jug 2018-08-07 Bes AGMUEHLDORF AG Mühldorf

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin … gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 07.08.2018, Geschäfts-Nr. 3 Ds 260 Js 17493/17 jug wird aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Entscheidung kostenfällig als unbegründet verworfen.

Gründe

I.
Seitens der Staatsanwaltschaft Tr. wurde unter dem Az.: 260 Js 17493/17 gegen die Beschwerdeführerin … ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage geführt, in welchem das Amtsgericht Mühldorf am Inn am 25.09.2017 einen Strafbefehl antragsgemäß erließ; hinsichtlich des Inhaltes dieses Strafbefehles wird auf Bl. 390/394 d.A. Bezug genommen.
Dieser Strafbefehl wurde entsprechend der im Akt befindlichen Zustellurkunde am 27.09.2017 unter der Anschrift … zugestellt.
Mit Schriftsatz ihres anwaltschaftlichen Vertreters vom 14.05.2018, am 15.05.2018 per Fax eingegangen, wurde gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt und bezüglich der versäumten Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Hinsichtlich der Einzelheiten und der Begründung wird auf Bl. 400/402 d.A. verwiesen.
Unter dem 07.08.2018 hat das Amtsgericht Mühldorf am Inn wie folgt entschieden (vgl. i.E. Bl. 456 ff. d.A.):
1. Der Einspruch der Angeklagten gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Mühldorf vom 25.09.2017 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 15.05.2018 wird als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf Blatt 456/459 der Akte Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss, den anwaltschaftlichen Vertretern der Beschwerdeführerin am 10.08.2018 zugestellt, ist von diesen mit Schriftsatz vom 16.08.2018, am gleichen Tage per Fax eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt worden (Bl. 461 d.A.) verbunden mit dem Antrag auf Gewährung einer Begründungsfrist bis 30.08.2018; die Begründung ging dann unter dem 30.08.2018, wie Bl. 462/467 d.A. zu entnehmen ein.
Seitens der Staatsanwaltschaft wurde unter dem 12.09.2018, bei Gericht am 13.09.2018 eingegangen die kostenpflichtige Verwerfung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 07.08.2018 beantragt; es wird auf Bl. 469/471 d.A. verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist nach Überzeugung der Beschwerdekammer in der Sache selbst unbegründet.
Vielmehr entspricht die angefochtene Entscheidung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Sach- und Rechtslage.
Zunächst ist seitens der Beschwerdekammer nochmals zu betonen, dass die umfangreiche Begründung im angegriffenen Beschluss keinen rechtlichen Bedenken begegnet, weshalb die Beschwerdekammer sie sich zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen voll umfänglich zu Eigen macht.
Ergänzend teilt die Beschwerdekammer auch die seitens der Staatsanwaltschaft Traunstein in der Vorlageverfügung betonte Begründung:
Die Beschwerdeführerin … war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Einspruchsfrist des § 410 Abs. 1 S. 1 StPO einzuhalten, weshalb die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 44 StPO nicht vorliegen.
Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft Traunstein darauf hin, dass es zwar sein kann, dass die Beschwerdeführerin selbst keine Kenntnis von Existenz des Strafbefehls des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 25.09.2017 hatte. Die Unkenntnis von der Zustellung eines Strafbefehls an die Anschrift „…“ kann allerdings nur dann eine Verhinderung betreffend die Einhaltung der Einspruchsfrist ohne Verschulden im Sinne des § 44 StPO begründen, wenn die Beschwerdeführerin keine besonderen Vorkehrungen dafür hätte treffen müssen, dass sie rechtzeitig von etwaigen Zustellungen Kenntnis erlangt, weil gegen sie Ermittlungen geführt wurden. In der von der Staatsanwaltschaft Traunstein zitierten Entscheidung des BVerfG NJW 2013, 592 heißt es diesbezüglich: Entscheidend ist allein – dann ist nicht von einem Verschulden auszugehen -, dass die Abwesenheit eine nur vorübergehende und relativ kurze – längstens etwa 6 Wochen – von einer sonst ständig benutzten Wohnung ist – ansonsten muss man besondere Vorkehrungen dafür treffen, dass man rechtzeitig von etwaigen Zustellungen Kenntnis erlangt -. Das gilt auch dann, wenn der Betroffene weiß, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren anhängig oder er als Beschuldigte/r oder Betroffene/r vernommen wurde.
Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen hätte die Beschwerdeführerin vorliegend Vorkehrungen treffen müssen – jedenfalls nach Ablauf von 6 Wochen seit dem Auszug aus der Wohnung unter der Meldeadresse … -, dass Zustellungen sie erreichen.
Relevante Gründe, dass ihr dies nicht zumutbar gewesen wäre, sind aus Sicht der Beschwerdekammer nicht vorgetragen:
Die Beschwerdeführerin zog am 28.01.2017 aus der Wohnung am … aus und erst über ein Jahr später, nämlich am 15.02.2018 dort wieder ein, war somit nicht nur vorübergehend abwesend. Die in der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zitierte Zeitgrenze von 6 Wochen war erkennbar überschritten.
Auch der Umstand, dass der damalige Lebensgefährte der Beschwerdeführerin, der anderweitig Verfolgte … im Januar 2017 angekündigt hatte, noch längstens 6 Wochen in der Wohnung zu verbleiben, was zur Folge gehabt hätte, dass die Beschwerdeführerin selbst nach dieser Zeit die Wohnung hätte beziehen können, ergibt keine andere Sichtweise, da es tatsächlich dazu in der Folgezeit nicht kam. Vielmehr hätte die Beschwerdeführerin zumindest entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, als ihr bekannt und erkennbar wurde, dass der anderweitig verfolgte … noch länger in der Wohnung verweilt und sie eben nicht in ihre Wohnung zurückkehrt.
Dafür wäre auch kein persönlicher Kontakt zu ihm notwendig gewesen, beispielsweise hätte die Beschwerdeführerin einen Nachsendeantrag stellen können.
Ihr war bekannt, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren geführt und sie daher auch bereits am 29.09.2016 als Beschuldigte vernommen worden war.
Zudem ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin durchaus damit hätte rechnen können und müssen, dass ihr damaliger Lebensgefährte, der anderweitig Verfolgte …, etwaige Schriftstücke nicht an sie weiterleiten würde, denn die Verteidigung selbst führt aus, dass … nach Beendigung der Beziehung zur Beschwerdeführerin mit vielfältigen Mittel versucht habe, dieser zu schaden und das Abfischen der Post nur ein kleiner Ausschnitt daraus gewesen sei.
Die Beschwerdekammer ist daher der Überzeugung, dass es auf die in der Beschwerdebegründung geschilderten „Folgeprobleme“ nicht mehr ankam, auch nicht auf die Frage, ob die Ersatzzustellungen gem. § 37 Abs. 1 StPO, 180 ZPO ordnungsgemäß erfolgten; gleiches gilt für den Umstand, ob die Person, die sich telefonisch beim Amtsgericht Mühldorf am Inn vernehmungsunfähig meldet, tatsächlich die Beschwerdeführerin war oder nicht und wer Zahlungen auf die im Strafbefehl festgesetzte Geldstrafe erbracht hat.
Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte ist die Beschwerdekammer der Überzeugung, dass der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 07.08.2018 nicht zu beanstanden und die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde daher zu verwerfen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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