Bankrecht

Anspruch auf Vergütung aus einem Vertrag über die Erneuerung einer Heizungsanlage

Aktenzeichen  21 O 175/18

Datum:
9.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 46631
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 312 b Abs. 1 Nr. 1, § 312g Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 11, § 355 Abs. 1, Abs. 2, § 357 Abs. 8, § 631, § 649

 

Leitsatz

1 Mit der Verbraucherrechte-RL ist auch die Differenzierung aufgegeben worden, ob ein „Hausbesuch“ auf Initiative des Unternehmers stattfand oder auf einer vorigen Bestellung des Verbrauchers beruht. Auf Grundlage von möglichen Überraschungsmomenten und möglichem psychologischen Druck besteht grundsätzlich bei allen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht des Verbrauchers. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auf Dienstleistungen iSd Verbraucherrechte-RL – worunter etwa auch ein Werkvertrag nach deutschem Recht fällt – ist § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB nicht anwendbar. Hat der Vertrag eine Dienstleistung zum Gegenstand, besteht auch keine Notwendigkeit, das Widerrufsrecht auszuschließen, um den Unternehmer vor Nachteilen zu schützen, die sich daraus ergeben können, dass er vor dem Widerruf mit der Vertragsausführung begonnen hat. Dies schon deshalb, weil die Widerrufsfrist bei einem Vertrag über eine Werk- oder Dienstleistung, anders als bei einem Verbrauchsgüterkauf, nicht erst mit Lieferung der Ware beginnt, sondern unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen bereits mit Vertragsschluss. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A. Hauptsache
I. Hauptforderung
1. Der Klägerin steht kein Anspruch aus §§ 631, 649 BGB auf Grundlage eines Werkvertrages oder gekündigten Werkvertrages zu. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Parteien auf Grundlage des vorgelegten Kostenvoranschlages vom 06.09.2018 einen Vertrag über den Umbau der Heizungsanlage geschlossen haben. Der Beklagte hat einen etwaigen Vertrag jedenfalls wirksam gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB widerrufen, so dass ein etwaiger Vergütungsanspruch entfallen ist.
a) Anwendungsbereich
Die Vorschriften über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge (§§ 312 b ff. BGB) sind gemäß § 312 b BGB anwendbar. Der von der Klagepartei geltend gemachte Vertrag ist als Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, also als Verbrauchervertrag, einzuordnen, da hier eine Vereinbarung über eine entgeltliche Leistung der Klägerin geschlossen worden sein soll.
b) Außergeschäftsraumvertrag
Bei dem von der Klage geltend gemachten Vertragsschluss handelt es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag i.S.d. § 312 b Abs. 1 BGB. Der von der Klagepartei ins Felde geführte Vertrag soll bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und eines Vertreters des Unternehmers an einem Ort geschlossen worden sein, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist, sondern vielmehr als Privatwohnung des Beklagten einzuordnen ist, § 312 b Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte „überrumpelt“ worden ist. Mit der Verbraucherrechte-Richtlinie ist auch die Differenzierung aufgegeben worden, ob der „Hausbesuch“ auf Initiative des Unternehmers stattfand oder auf einer vorigen Bestellung des Verbrauchers beruht. Auf Grundlage von möglichen Überraschungsmomenten und möglichen psychologischen Druck besteht grundsätzlich zu allen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht des Verbrauchers.
c) Rechtsfolge
Dem Beklagten steht demgemäß ein Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB zu.
d) Ausschluss
Ausschlussgründe gemäß § 312 g Abs. 2 BGB bestehen nicht.
aa) Ein Ausschlussgrund nach § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ist nicht gegeben. Die Parteien habenn einen Werkvertrag geschlossen, der nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB fällt. Auf Dienstleistungen i.S.d. Verbraucherrichtlinie – worunter etwa auch ein Werkvertrag nach deutschem Recht fällt (BGH, Urteil vom 07. Juli 2016 – I ZR 68/15 Rn. 38) – ist die genannte Vorschrift nicht anwendbar. Hat der Vertrag eine Dienstleistung zum Gegenstand, besteht auch keine Notwendigkeit, das Widerrufsrecht auszuschließen, um den Unternehmer vor Nachteilen zu schützen, die sich daraus ergeben können, dass er vor dem Widerruf mit der Vertragsausführung begonnen hat. Dies schon deshalb, weil die Widerrufsfrist bei einem Vertrag über eine Werk- oder Dienstleistung, anders als bei einem Verbrauchsgüterkauf, nicht erst mit Lieferung der Ware beginnt, sondern unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen bereits mit Vertragsschluss. Der Unternehmer kann also regelmäßig das Ende der Widerrufsfrist abwarten, bevor er mit der Vertragsausführung beginnt. Es besteht folglich kein Grund einer analogen Anwendung des § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB auf Werkverträge in Erwägung zu ziehen (vgl. OLG Stuttgart Urteil vom 19.09.2017 – 6 U 76/16, nach Juris, m.w.N.).
Ein Werkvertrag ist schon deswegen gegeben, weil die Klägerin verpflichtet war, auf der Basis ihrer Planung eine den konkreten örtlichen Verhältnissen angepasste funktionstaugliche bauliche Anlage zu errichten. Dieser Werkerfolg gibt dem vorliegenden Vertrag die charakteristische Prägung.
bb) Ein Ausschluss ergibt sich auch nicht aus § 312 g Abs. 2 Nr. 11 BGB.
Kein Widerrufsrecht besteht danach bei Verträgen, bei den der Verbraucher den Unternehmer . ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen. Erfasst werden dabei aber lediglich Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachte Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung und der Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden.
Da hier ein Vertragsschluss mit 06.09.2017 geltend gemacht wird ist es bereits unerheblich, dass die Klägerin auf Grundlage des „Ölaustrittes“ am 05.09.2017 den Beklagten aufgesucht hat. Bei diesem Besuch ist es auch auf Grundlage des Anhörungsergebnisses der Geschäftsführerin der Klägerin nicht zu einem Vertragsschluss zur Umstellung der Heizungsanlage gekommen. Im Übrigen würde es sich bei der Heizungsumstellung um eine zusätzlich Dienstleistung handeln und nicht um den ursprünglich erteilten Auftrag im Zusammenhang mit dem Ölaustritt (vgl. auch Beck Online, Großkommentar BGB, Rz 64 zu § 312 g).
cc) Erbringung von Leistungen
Dem Widerruf stehen etwaig erbrachte Leistungen oder eine Kündigung des etwaigen Werkvertrages nicht entgegen Eine Beendigung des Vertragsverhältnisses und selbst beidseitig vollständige Leistungserbringung stehen dem späteren Widerruf nicht entgegen. (BGH, Urteil vom 24.11.2009 – XI ZR 260/08; OLG Stuttgart a.a.O.)
e) Erklärung
Der Beklagte hat mit Rechtsanwaltsschreiben vom 19.10.2017 (Anlage B 4) den Widerruf erklärt.
f) Widerrufsfrist
Der Beklagte hat einen etwaigen Vertragsschluss fristgemäß widerrufen.
Die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 BGB beträgt grundsätzlich 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 355 Abs. 2 BGB. Allerdings beginnt die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB nicht zu laufen, bevor der Unternehmer den Verbraucher nicht entsprechend den Anforderungen des Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder des Art. 246 b § 2 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch unterrichtet hat. Hieran fehlt es. Die Klägerin hat weder dargelegt noch ist ersichtlich, dass sie eine vorvertragliche Belehrung über das Widerrufsrecht erteilt hat. Das Widerrufsrecht ist auch nicht wegen Zeitablauf (12 Monate und 14 Tage) erloschen gewesen. Die Widerrufserklärung erfolgte vor Ablauf des genannten Zeitraumes.
2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus § 357 Abs. 8 BGB auf Wertersatz zu. Weder ist vorgetragen worden, dass der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt noch ist eine entsprechende Widerrufsbelehrung, die eine Wertersatzmöglichkeit in diesem Fall überhaupt erst ermöglicht,
dargetan.
II. Nebenforderung
Da ein Anspruch auf die Hauptforderung nicht gegeben ist, entfallen auch Ansprüche der Klägerin auf Verzugszinsen und Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
B. Nebenentscheidungen
Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf §§ 91, 269 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO

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