Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Zahlung weiterer Beihilfeleistungen für Zahnersatz

Aktenzeichen  Au 2 K 17.1291

Datum:
8.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5878
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3, Art. 12
GOZ § 2, § 4 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5, § 10
GOZ Anl. Ziff. 2180, 2197, 4120
GOÄ § 10
GOÄ Anl. Ziff. 2382
BBG § 80
BBhV § 6 Abs. 1, Abs. 3, § 14 S. 1, § 15 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine zahnärztliche Behandlung mit der Schmelz-Dentin-Adhäsiv-Technik ist richtigerweise nach den Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 abzurechnen. (Rn. 54 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht, sind beihilferechtlich bereits dann als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat (ebenso BVerwG BeckRS 2017, 139785). (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist zweifelhaft, ob die für chirurgische Maßnahmen im Bereich der Epidermis (Außenhaut) geltende Gebührenziffer GOÄ 2382 für zahnärztliche Leistungen in der vollständig mit Mukosa (Schleimhaut) ausgekleideten Mundhöhle überhaupt Anwendung finden kann. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht über die vorliegende Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Beihilfeleistungen i.H.v. EUR 664,77 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger ist als Ruhestandsbeamter Versorgungsempfänger und damit beihilfeberechtigt nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG. Beihilfefähig sind nach § 80 Abs. 3 Nr. 1 BBG grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, gegeben war (BVerwG U.v. 30.4.2009 – 2 C 127.07 – juris Rn. 7; U.v. 15.12.2005 – 2 C 35.04 – BVerwGE 125, 21). Danach findet für die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen aus dem August 2016 die auf Grundlage von § 80 Abs. 4 BBG erlassene Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I 2009, S. 326), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2015 (BGBl. I S. 1368), Anwendung.
Nach § 14 Satz 1 BBhV sind Aufwendungen für ambulante zahnärztliche und kieferorthopädische Untersuchungen und Behandlungen nach Maßgabe des § 6 BBhV grundsätzlich beihilfefähig. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind beihilfefähig grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV sind wirtschaftlich angemessen grundsätzlich Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen für Zahnärzte (GOZ) entsprechen. Liegt keiner der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-5 BBhV genannten Fälle (u.a. zahnloser Ober- oder Unterkiefer) vor, sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 BBhV bei implantologischen Leistungen nach Abschnitt K der Anlage zur GOZ die Aufwendungen für höchstens zwei Implantate je Kiefer – einschließlich vorhandener Implantate, zu denen Beihilfen oder vergleichbare Leistungen aus öffentlichen Kassen gewährt wurden – beihilfefähig.
Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Beihilfeleistungen i.H.v. EUR 664,77. Grund hierfür ist, dass gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV die Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen nur insoweit wirtschaftlich angemessen sind, als sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen für Zahnärzte (GOZ) entsprechen. Insoweit gilt jedoch, dass die Beklagte den vom Kläger vorliegend begehrten Mehrbetrag zu Recht nicht erstattet hat, da die streitgegenständliche Abrechnung in der geänderten Rechnung des Abrechnungsunternehmens vom 11. Juni 2017 nicht dem Gebührenrahmen der GOZ entspricht.
a) Soweit es die vorliegend beim Kläger an den Zähnen 12 und 43 am 8. August 2016 sowie am Zahn 37 am 22. August 2016 zur Vorbereitung der Aufnahme einer Krone durchgeführten adhäsiven Aufbaufüllungen in Mehrschichttechnik für die Stumpfrekonstruktion betrifft (siehe Stellungnahme des Abrechnungsunternehmens v. 11.1.2017, Blatt 15 der Verwaltungsakte), gilt, dass insoweit zu Recht kein analoger Ansatz der Gebührenziffer GOZ 2120 über § 6 Abs. 1 GOZ vorgenommen wurde; die Aufwendungen sind vielmehr nach den Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 abzurechnen. Der diesbezügliche Selbstbehalt des Klägers i.R.d. Beihilfe von EUR 202,55 ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Die Gebührenziffer GOZ 2120 lautet „Präparieren einer Kavität und Restauration mit Kompositmaterialien, in Adhäsivtechnik (Konditionieren), mehr als dreiflächig, gegebenenfalls einschließlich Mehrschichttechnik, einschließlich Polieren, gegebenenfalls einschließlich Verwendung von Inserts“. Die Gebührenziffer GOZ 2180 lautet „Vorbereitung eines zerstörten Zahnes mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone“, die Gebührenziffer GOZ 2197 „Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.)“.
Der Begriff Adhäsivtechnik wird in der GOZ als Oberbegriff für die Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik und die Schmelz-Adhäsiv-Technik verwendet (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 54).
Bei der nach Inkrafttreten der GOZ 1988 entwickelten Schmelz-Dentin-Adhäsiv-Technik muss der Zahnarzt einen wesentlich höheren Aufwand als bei der Herstellung einer gewöhnlichen Amalgam- oder Zementfüllung betreiben. Die mit Schmelz-Dentin-Adhäsiv-Säure-Ätz-Mehrschichttechnik gefertigte Kompositrestauration bedarf im Unterschied zur herkömmlichen „direkten“ Restauration einer sehr sorgfältigen Trockenlegung des Arbeitsfeldes, einer aufwändigen Oberflächenbehandlung der Kavität zumeist in mehreren Einzelschritten, einer aufwändigen Fülltechnik in mehreren Schichten und einer aufwändigeren Matrizentechnik, um straffe Kontaktpunkte zum Nachbarzahn zu erzielen. Die Schmelz-Dentin-Adhäsiv-Methode stellt in der Handhabung für den Praktiker eine viel größere Herausforderung als das herkömmliche „schlichte“ Füllen oder Zementieren eines Zahnes mit einem wie auch immer gearteten nicht adhäsiven Material dar. So bedarf es während des Legens einer adhäsiv befestigten Füllung oder während der Eingliederung einer laborgefertigten adhäsiv zu befestigenden Restauration (z.B. Inlay, Krone oder Brücke aus Keramik) eines sehr guten „Managements der Trockenlegung“. Die Einbringung geht in der Regel mit einer sogenannten Mehrschritttechnik einher, die mindestens drei Arbeitsschritte umfasst. Dabei besteht hinsichtlich dieses Aufwands kein Unterschied, ob es sich um eine (Einlage) Füllung oder eine Aufbaufüllung eines Zahnes handelt oder nicht (siehe zum Ganzen: VG Arnsberg, U.v. 28.6.2011 – 13 K 620/11 – juris Rn. 38-44).
Hiervon ausgehend wurde in der Rechtsprechung zur GOZ 1988 vertreten, dass die genannte Behandlungstechnik aufgrund ihres höheren Zeit-, Material und Arbeitsaufwands nicht dem Leistungsinhalt der Gebührenziffer GOZ 218 a.F. entspreche und daher eine Analogberechnung nach § 6 Abs. 2 GOZ 1988 i.V.m. GOZ 214-217 a.F. vertretbar sei (vgl. VG Arnsberg, U.v. 28.6.2011 – 13 K 620/11 – juris Rn. 45-48; AG Frankfurt, U.v. 11.7.2007 – 29 C 2147/03 – 21; vgl. allg. auch VGH BW, U.v. 20.8.2012 – 2 S 1001/12 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.7.2010 – 14 BV 09.809 – juris Rn. 18).
bb) Zur Abrechnung der hier in Rede stehenden Behandlungstechnik nach der GOZ 2012 wird zwar vertreten, dass diese weiterhin gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog abzurechnen sei. Der mehrschichtige Aufbau mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik einschließlich Lichthärtung sei eine Leistung, die sich fachlich in ihrem Charakter derart von den in den Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 enthaltenen Leistungen unterscheide, dass es sich um eine nicht in der GOZ beschriebene Leistung handele. Die Gebührenziffer GOZ 2180 sei wie die bis zur GOZ-Novelle 2012 geltende wortgleiche Gebührenziffer GOZ 218 a.F. derart auszulegen, dass diese als plastisches Aufbaumaterial nur Phosphat- oder Glasionomerzement umfasse; die deutlich kosten-, material- und zeitaufwändigere und daher nicht vergleichbare mehrschichtige Adhäsivtechnik sei hingegen nicht umfasst (vgl. AG Frankfurt, U.v. 11.7.2007 – 29 C 2147/03-21 – zu GOZ 218 a.F.). Hierbei sei auch zu bedenken, dass im Leistungstext der Gebührenziffer GOZ 2180 – anders als bei den Gebührenziffern GOZ 2060, 2080, 2100 und 2120 – weder die Adhäsivtechnik an sich noch die besondere Ausführung in Mehrschichttechnik erwähnt sei. Zudem umfasse auch die Gebührenziffer GOZ 2197 zwar die Adhäsiv-, jedoch nicht die Mehrschichttechnik. Auch sei eine angemessene Vergütung über die Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 selbst bei erhöhten Steigerungssätzen nicht darstellbar. Dies werde bereits aus dem niedrigen addierten Wert von 280 P. deutlich (GOZ 2180 und 2197), während bereits eine einflächige Kompositrestauration in Adhäsivtechnik nach Gebührenziffer GOZ 2060 mit 527 P. bewertet sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (U.v. 13.5.2004 – III ZR 344/03 – juris) sei jedoch dann, wenn durch medizinische Weiterentwicklung eine angemessene Vergütung nicht mehr gewährleistet sei, eine analoge Abrechnung zulässig, der Arzt könne insoweit auch nicht auf Möglichkeit einer abweichenden Individualvereinbarung mit dem Patienten über die Gebührenhöhe nach § 2 GOZ verwiesen werden (vgl. zum Ganzen: AG Schöneberg, U.v. 5.5.2015 – 18 C 65/14; AG Charlottenburg, U.v. 8.5.2014 – 205 C 13/12; BZAEK, Kommentar zur GOZ, Stand 12/2017, Nr. 2180, S. 75, abrufbar unter https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/goz/nov/goz-kommentar-bzaek.pdf; BZAEK, Ausschuss Gebührenrecht, Positionspapier v. 20.6.2014, S. 3 f.; ZÄK Berlin, Stellungnahme v. 29.3.2017, S. 2 f.).
cc) Der genannten Auffassung folgt das Gericht jedoch nicht. Denn für die inmitten stehende Behandlungstechnik finden richtigerweise die Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 Anwendung.
Insoweit gilt, dass der Wortlaut der Leistungsbeschreibung von Gebührenziffer GOZ 2180 („plastisches Aufbaumaterial“) umfassend ist, d.h. hierunter fällt grundsätzlich jedes plastische Material – auch Kompositkunststoff (vgl. Raff, DFZ 05/2015, S. 56 f.; AG Neukölln, U.v. 29.8.2011 – 7 C 106/11). Auch die historische Auslegung spricht für dieses Ergebnis, da mit der GOZ-Novelle 2012 das Gebührenverzeichnis der GOZ gerade an die medizinische und technische Entwicklung angepasst werden sollte (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 1). Aus dem Umstand, dass der Verordnungsgeber im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 bei den plastischen Füllungen im Leistungstext ausdrücklich zwischen der Ausführung ohne (GOZ 2050, 2070, 2090 und 2110) und mit (GOZ 2060, 2080, 2100 und 2120) Verwendung von Kompositmaterialien in ggf. mehrschichtiger Adhäsivtechnik unterschieden hat (vgl. amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 53), folgt überdies, dass der Verordnungsgeber die genannte Technik gekannt hat und diese nur in den ausdrücklich genannten Fällen (GOZ 2060, 2080, 2100 und 2120) besonders hat vergüten wollen. Gegen eine Analogie spricht zudem, dass es sich bei der Gebührenziffer GOZ 2180 um eine vorbereitende Maßnahme für eine Kronenversorgung handelt, während bei Gebührenziffer GOZ 2120 die (definitive) Füllung das eigentliche Leistungsziel ist. Zudem ist im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 die Gebührenziffer GOZ 2197 gerade angesichts der zwischenzeitlich erfolgten fortgeschrittenen technischen Entwicklung der Adhäsivtechniken und -materialien geschaffen worden, um diesen Fortschritt – insbesondere einen Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung plastischen Aufbaumaterials i.S.d. Gebührenziffer GOZ 2180 (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 54) – auch gebührentechnisch abzubilden. Soweit es die Mehrschichttechnik anbetrifft, so handelt es sich hierbei lediglich um eine besondere Ausführung der in der Gebührenziffer GOZ 2197 enthaltenen Leistung, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ nicht gesondert berechnet werden darf (vgl. zum Ganzen: AG Düsseldorf, U.v. 21.1.2016 – 27 C 3179/14 – juris Rn. 34; U.v. 1.7.2016 – 25 C 2953/14; PKV, Kommentierung praxisrelevanter Analogabrechnungen, Stand 19.12.2017, S. 27 f., abrufbar unter https://www.pkv.de/w/files/goz-kommentierungfaq/kommentierung-praxisrelevanter-analogabrechnungen.pdf; Esser, DZW 10/2017, 19).
Soweit es das Argument einer fehlenden Angemessenheit der zahnärztlichen Vergütung im Falle der Anwendung der Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 betrifft, so berechtigt eine solche für sich genommen nicht zu einer Analogberechnung. Maßgeblich für eine Analogberechnung ist vielmehr, dass die in Rede stehende Leistung eine andere als die im Leistungsverzeichnis beschriebene ist und nicht nur eine besondere Ausführung der letzteren. Denn es ist es Sache des Verordnungsgebers, darüber zu befinden, wie (zahn-)ärztliche Leistungen, ggf. auch unter Berücksichtigung nach Erlass der Verordnung eingetretener Veränderungen des technischen Standards oder der Fortentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse, zu bewerten sind. Eine Bindung an die Verordnung besteht nur dann nicht, wenn sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht – etwa Art. 3 GG oder Art. 12 GG – nichtig ist (vgl. zum Ganzen: BGH, U.v. 13.5.2004 – III ZR 344/03 – juris Rn. 17/24). Für die Annahme eines verfassungswidrigen Zustands, soweit die Angemessenheit der Vergütung in Rede steht, fehlt es jedoch vorliegend an ausreichend begründeten und nachvollziehbaren Darlegungen. Hierfür genügt insbesondere nicht die bloße Gegenüberstellung von Punktwerten nach der Gebührenziffer GOZ 2120a einerseits und den Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 andererseits (vgl. BGH, U.v. 13.5.2004 – III ZR 344/03 – juris Rn. 18 f.).
dd) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die analoge Abrechnung der inmitten stehenden Behandlungstechnik nach der Gebührenziffer GOZ 2120 jedenfalls objektiv vertretbar sei.
(1) Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht, sind beihilferechtlich bereits dann als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 19.10.2017 – 2 C 19.16 – juris Rn. 17).
Dieser Vertretbarkeitsmaßstab folgt aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten. Ihm liegt die Erwägung zugrunde, dass objektive Unklarheiten der Gebührenordnung nicht zulasten des Beihilfeberechtigten gehen sollen, indem dieser vor die Wahl gestellt wird, entweder auf eigenes Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über die objektiv zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrages selbst zu tragen. Allerdings ist in der Regel davon auszugehen, dass die Gebührensätze der ärztlichen Gebührenordnungen – insbesondere durch die gegebenen Erläuterungen – eindeutig sind und sowohl von der Beihilfestelle als auch vom Gericht ohne weiteres mit eindeutigem Ergebnis ausgelegt werden können. Objektiv zweifelhafte Gebührenvorschriften, bei denen es ernsthaft widerstreitende Meinungen über die Berechtigung des Gebührenansatzes geben kann, sind demgegenüber der Ausnahmefall (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 19.10.2017 – 2 C 19.16 – juris Rn. 18).
Diese Erwägungen greifen jedoch nur durch, soweit auch der Dienstherr es bei der Unklarheit belassen und nicht durch konkrete, veröffentlichte Hinweise auf die gebührenrechtliche Zweifelsfrage und seinen Rechtsstandpunkt dazu den Beihilfeberechtigten Gelegenheit gegeben hat, sich vor der Inanspruchnahme der Behandlung auf diesen Rechtsstandpunkt einzustellen und sich ggf. dem Arzt oder Zahnarzt gegenüber darauf zu berufen. Denn die Dienstherren können auch und gerade bei zweifelhaftem Inhalt der Gebührenordnungen ein berechtigtes Interesse daran haben, bestimmten häufiger wiederkehrenden, von ihnen als überhöht angesehenen Gebührenforderungen von Ärzten oder Zahnärzten an Beihilfeberechtigte entgegenzutreten und ggf. eine rechtliche Klärung herbeizuführen, wenn sie dies – etwa wegen des finanziellen Umfangs der sich zu der betreffenden Streitfrage summierenden Einzelbeträge – für zweckmäßig erachten. Hierzu steht zwar den Dienstherren – anders als den einzelnen Beihilfeberechtigten – insbesondere die Möglichkeit offen, die Bundesregierung als Verordnungsgeber auf häufiger auftretende Zweifelsfragen anzusprechen und in diesen Punkten auf eindeutige Regelungen in der Verordnung hinzuwirken. Aber auch solange und soweit solche Regelungen nicht erreicht werden, kann den Dienstherren die Möglichkeit der rechtlichen Klärung dann nicht abgesprochen werden, wenn sie selbst für rechtzeitige Klarheit über ihren Rechtsstandpunkt gesorgt und die Beihilfeberechtigten Gelegenheit gehabt haben, sich darauf einzustellen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 19.10.2017 – 2 C 19.16 – juris Rn. 19).
(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist eine analoge Abrechnung der inmitten stehenden Behandlungstechnik nach der Gebührenziffer GOZ 2120 jedoch bereits nicht objektiv vertretbar. Denn ein besonderer Ausnahmefall objektiv zweifelhafter Gebührenvorschriften, bei denen es ernsthaft widerstreitende Meinungen über die Berechtigung des Gebührenansatzes geben kann, ist nicht gegeben. Vielmehr sind die jeweiligen Gebührenziffern hinreichend klar und können – wie ausgeführt – sowohl von der Beihilfestelle als auch vom Gericht ohne weiteres mit eindeutigem Ergebnis ausgelegt werden. Der bloße Umstand, dass in Rechtsprechung und/oder Literatur auch abweichende Meinungen vertreten werden, steht dem nicht entgegen, da dieser für sich genommen nichts über die inhaltliche Richtigkeit oder auch nur rechtliche Vertretbarkeit dieser Auffassungen aussagt.
b) Auch soweit die Beklagte im Fall des Klägers jeweils den Ansatz der Gebührenziffer GOÄ 2382 verneint und insoweit die Gebührenziffer GOZ 4120 herangezogen hat (Selbstbehalt i.R.d. Beihilfe: EUR 338,24), ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die fehlende Ansatzfähigkeit der Zuschläge aus den Gebührenziffern GOÄ 440 und 443 (Selbstbehalt i.R.d. Beihilfe: EUR 97,40) sowie der Materialkosten aus § 10 GOÄ (Selbstbehalt i.R.d. Beihilfe: EUR 54,81).
aa) Die Gebührenziffer GOÄ 2382 (Abschnitt „VII. Chirurgie der Körperoberfläche“) lautet „Schwierige Hautlappenplastik oder Spalthauttransplantation“. Als Lappenplastiken werden operative plastisch-chirurgische Techniken bezeichnet, die (Haut-)Gewebe von einer (entbehrlichen) Stelle des gleichen Individuums an eine neue gewünschte Stelle bringen (siehe https://de.wikipedia. org/wiki/Lappenplastik). Von Gebührenziffer GOÄ 2382 werden vollständige Lappenplastiken umfasst (vgl. Raff, Abrechnung plastischer Parodontaltherapien, ZWP 3/2016, S. 46; VG Ansbach, U.v. 8.12.2010 – AN 15 K 09.1488 – juris Rn. 56). Eine vollständige Lappenplastik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht nur ein vorhandener Hautlappen verlegt, sondern der betreffende Hautlappen zuvor auch ärztlich gebildet wird (vgl. Zahnärztekammer Niedersachsen, FAQ zur GOZ (II), Januar 2013, abrufbar unter https://zkn.de/ fileadmin/user_upload/praxis-und-team/praxisfuehrung/gebuehrenordnung/ FAQ_zur_GOZ_II.pdf).
Die Gebührenziffer GOZ 4120 (Abschnitt E. „Leistungen bei Erkrankungen der Mundschleimhaut und des Parodontiums“, „Allgemeine Bestimmungen“) lautet „Verlegen eines gestielten Schleimhautlappens, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich“ Es handelt sich um das Verlegen eines – z.B. im Zusammenhang mit einer offenen Lappenoperation nach GOZ 4090/4100 („Lappenoperation, offene Kürettage einschließlich Osteoplastik an einem Seiten/-Frontzahn, je Parodontium“) – vorhandenen gestielten Schleimhautlappens, wenn der – ursprünglich nur als Zugangslappen dienende – Schleimhautlappen nicht in die ursprüngliche Position reponiert, sondern apikal, koronal oder lateral verlegt wird. Unter einem gestielten Schleimhautlappen versteht man ein durch Entlastungsschnitte mobilisiertes Gewebestück der Mundschleimhaut, das durch eine Gewebsbrücke mit der übrigen Mundschleimhaut verbunden ist. Je nach Operationstechnik unterscheidet man den Verschiebe- oder Rotationslappen. Gemeinsam haben beide Techniken, dass der Lappen von seiner ursprünglichen Position an eine andere Stelle (Lokalisation des Defekts) verlegt wird. Er kommt zum Einsatz in der Mukogingivalchirurgie, meist bei der Rezessionsdeckung (Behandlung bei Zahnfleischrückgang; vgl. zum Ganzen: VG Köln, U.v. 8.7.2013 – 19 K 6797/12 – juris Rn. 34 f. m.w.N. – zu GOZ 412 a.F.; Raff, Abrechnung plastischer Parodontaltherapien, ZWP 3/2016, S. 46; PKV, Kommentar zur GOZ, Stand 19.12.2017, GOZ Nr. 4120, S. 144, abrufbar unter www.pkv.de/w/files/goz-kommentierungfaq/gebuehrenteil.pdf; BZAEK, Kommentar zur GOZ, Stand 12/2017, Nr. 4120, S. 152, abrufbar unter www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/goz/nov/goz-kommentar-bzaek.pdf).
Zur Abgrenzung der Gebührenziffern GOÄ 2382 und GOZ 4120 gilt, dass im zahnärztlichen Bereich grundsätzlich nur die Gebührenziffer GOZ 4120 Anwendung findet. Denn die Gebührenziffer GOÄ 2382 bezieht sich ausweislich der Abschnittsbezeichnung („VII. Chirurgie der Körperoberfläche“) systematisch auf die Körperoberfläche und nicht etwa auf den Mundraum; überdies sind auch in der GOZ chirurgische Leistungen enthalten (siehe etwa GOZ 3000 ff.). Allenfalls in besonderen Einzelfällen, in denen ein über den Tatbestand der Gebührenziffer GOZ 4120 hinausgehender Leistungsinhalt gegeben ist, der auch nicht von einer sonstigen Gebührenziffer der GOZ – etwa GOZ 3100, 4090, 4100 oder 9100 – umfasst ist, kann daher über § 6 Abs. 2 Nr. 5 GOZ ein ausnahmsweiser Ansatz der Gebührenziffer GOÄ 2382 gerechtfertigt sein, sofern deren Tatbestand – nicht nur Verlegen eines (vorhandenen) Schleimhautlappens, sondern zuvor auch Bildung des Schleimhautlappens – gegeben ist (vgl. zum Ganzen: VG Köln, U.v. 8.7.2013 – 19 K 6797/12 – juris Rn. 36-38 m.w.N. – zu GOZ 412 a.F.; VG Ansbach, U.v. 8.12.2010 – AN 15 K 09.1488 – juris Rn. 56; AG Köln, U.v. 24.11.2015 – 146 C 113/14 – juris Rn. 53; vgl. hierzu auch Beschluss Nr. 25 des GOZ-Beratungsforums der Bundeszahnärztekammer, des Verbands der Privaten Krankenversicherung und der Beihilfestellen, abrufbar unter https://www.pkv.de/w/files/goz-kommentierungfaq/beschluesseberatungsforum1.pdf).
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist die Gebührenziffer GOÄ 2382 vorliegend nicht ansetzbar.
Das Gericht hat bereits grundsätzliche Zweifel, ob die für chirurgische Maßnahmen im Bereich der Epidermis (Außenhaut) geltende Gebührenziffer GOÄ 2382 für zahnärztliche Leistungen in der vollständig mit Mukosa (Schleimhaut) ausgekleideten Mundhöhle überhaupt Anwendung finden kann (vgl. PKV, Kommentar zur GOZ, Stand 19.12.2017, Allg. Bestimmungen zu Abschnitt D. – Chirurgische Leistungen, S. 78, abrufbar unter www.pkv.de/w/files/goz-kommentierungfaq/gebuehrenteil.pdf). Jedenfalls jedoch fehlen vorliegend hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die Gebührenziffer GOÄ 2382 im Rahmen einer paradontalchirurgischen Therapie zur Anwendung gelangen könnte, so dass die Beklagte insoweit im Ergebnis zu Recht einen Ansatz der Gebührenziffer GOÄ 2382 verneint hat.
Denn insoweit ist in der Stellungnahme des Abrechnungsunternehmens vom 11. Januar 2017 (Blatt 16 der Verwaltungsakte) lediglich im Kontext der Begründung einer Schwellenwertüberschreitung aus § 10 Abs. 3 GOZ ausgeführt, dass die am 8. August 2016 und 22. August 2016 abgerechneten Hautlappenplastiken sehr schwierig und zeitintensiv gewesen seien, da es notwendig gewesen sei, mikrochirurgische papillenerhaltende Schnittführungen sowie mikrochirurgische Lappenplastiken bei der plastischen PAR-Chirurgie durchzuführen. Der Stellungnahme des Abrechnungsunternehmens vom 22. Mai 2017 (Blatt 60 der Verwaltungsakte) ist zudem zu entnehmen, dass im Fall des Klägers eine „papillenerhaltende/rekonstruierende Lappenplastik“ indiziert gewesen sei; zur Begründung wird auf eine Kommentierung verwiesen, nach der der Papillenrekonstruktionslappen bei ungenügendem Angebot an fixierter Schleimhaut und gleichzeitig fehlender approximaler Gingiva eine schwierige Hautlappenplastik i.S.v. GOÄ 2382 darstelle.
Aus den genannten, vom Kläger in Bezug genommenen Stellungnahmen ergibt sich jedoch bereits nicht hinreichend eindeutig, ob und ggf. inwieweit in seinem Fall überhaupt eine vollständige Lappenplastik im Sinne des Leistungstatbestands der Gebührenziffer GOÄ 2382 durchgeführt worden ist. Unabhängig davon wird jedenfalls nicht hinreichend dargelegt bzw. erläutert, aus welchen Gründen im Fall des Klägers im Rahmen einer paradontalchirurgischen Therapie eine solche vollständige Lappenplastik vorliegend medizinisch eigenständig indiziert gewesen sein soll. Auf die insoweit fehlende hinreichende Konkretisierung hat auch der durch die Beklagte befasste Gutachter mehrfach hingewiesen, etwa in seinen Stellungnahmen vom 10. Mai 2017 und 30. Mai 2017 (Blatt 53 und 68 der Verwaltungsakte). Auch die Stellungnahme des Abrechnungsunternehmens vom 22. Mai 2017 (Blatt 60 der Verwaltungsakte) führt insoweit nicht weiter; denn hier wird eine medizinische Indikation lediglich pauschal unter Bezugnahme auf eine Kommentarstelle behauptet, ohne jedoch auf den maßgeblichen Einzelfall des Klägers näher einzugehen (vgl. zum Ganzen: VG Köln, U.v. 8.7.2013 – 19 K 6797/12 – juris Rn. 36-38).
Mangels Ansatzfähigkeit der Gebührenziffer GOÄ 2382 konnten auch die Zuschläge aus den Gebührenziffern GOÄ 440 und 443 nicht zum Ansatz gebracht werden (vgl. AG Köln, U.v. 24.11.2015 – 146 C 113/14 – juris Rn. 54). Gleiches gilt für die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GOÄ abgerechneten Materialkosten (8.8.2016: EUR 46,98; 22.8.2016: EUR 31,32), da sich diese ebenfalls auf die Leistung nach GOÄ 2382 beziehen (Schreiben des Abrechnungsunternehmens v. 8.2.2017, Blatt 12 der Verwaltungsakte). Hinsichtlich der Materialkosten gilt, dass diese gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GOZ mit den Gebühren abgegolten sind, da vorliegend im Gebührenverzeichnis nicht etwas anderes bestimmt ist.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§§ 124, 124a VwGO).


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