Aktenzeichen M 11 K 15.1785
Leitsatz
Eine Drittanfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn für den Kläger eine Verletzung seiner subjektiven-öffentlichen Rechte vorliegt. Soweit die baurechtliche Nachbarklage auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gestützt wird, muss das Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermitteln (ebenso BVerwGE 52, 122). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass Nachbarn, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt, eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sind. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Eine baurechtliche Nachbarklage kann allerdings auch dann Erfolg haben, wenn ein Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt (BVerwGE 52, 122).
Wie sich die Kammer im Augenschein überzeugen konnte, verstößt die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts einschließlich des Gebots der Rücksichtnahme.
Das Maß der baulichen Nutzung ist grundsätzlich nicht nachbarschützend (BVerwG, NVwZ 1996, 888). Demnach ist es insoweit unerheblich, ob sich das Vorhaben hinsichtlich der Wandhöhe, der Grundfläche und der Kubatur in die nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB einfügt.
Soweit sich der Kläger auf die Verletzung der Abstandsflächen beruft, ist zunächst anzumerken, dass diese im vereinfachten Verfahren (Art. 59 BayBO) nicht geprüft werden und damit grundsätzlich auch nicht im Rahmen der Anfechtungsklage mit Erfolg gerügt werden können.
Wenn jedoch die Abstandsflächen eingehalten sind, sind die nachbarlichen Belange ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie die Begrenzung der Einsichtsmöglichkeiten im Regelfall nicht verletzt. In Bezug auf eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ist das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vom Landesgesetzgeber in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (vgl. z. B. BVerwG vom 16.9.1993, BVerwGE 94, 151).
Wie sich aus den Eingabeplänen vom 14. Januar 2015 und dem Freiflächengestaltungsplan vom 19. November 2014 ergibt, die laut Bescheid vom 23. April 2015 Gegenstand der Baugenehmigung sind, werden die Abstandsflächen eingehalten. Ob die Bauausführung diesen Abstand einhalten wird, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.
Nach Norden und Süden kann die Beigeladene im Sinne des Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO das 16-Meter-Privileg in Anspruch nehmen, da nach Osten und Westen die Abstandsflächen von 1 H eingehalten werden.
Die Wandhöhe beträgt zur Seite des Klägers 6,40 m. Nach den Plänen wird der Boden zum klägerischen Grundstück hin, auf dem das Haus gebaut wird, im Verhältnis zum bisherigen Gelände geringfügig abgegraben, lediglich im Garten zum klägerischen Grundstück hin befindet sich eine kleinere Aufschüttung. Die Wandhöhe beträgt daher 6,40 m, ½ H beträgt demnach 3,20 m. Das geplante Doppelhaus hält daher die Abstandflächen zum Kläger ein.
Die Terrasse hat zum klägerischen Grundstück hin eine Länge von 1,50 m (im Freiflächengestaltungsplan 2 m), selbst wenn sie 1 m erhöht ist und Abstandsflächen einzuhalten sind, sind diese eingehalten, da vom Ende der Terrasse bis zur Grundstücksgrenze des Nachbarn noch mehr als 1 m, also 1 H, liegen.
Nach dem Augenschein verstößt das Vorhaben nicht gegen das Rücksichtnahmegebot und die Baumasse des Vorhabens hat auch keine erdrückende oder abriegelnde Wirkung. Eine wie hier geplante Nachverdichtung muss der Nachbar vielmehr hinnehmen, zumal der Kläger selbst nur den Mindestabstand von 3 m zum Grundstück der Beigeladenen einhält.
Zwar geht es dem Kläger vor allem darum, dass die Firstrichtung gedreht wird, jedoch kann der Kläger keinen besser geeigneten Alternativstandort verlangen (siehe hierzu auch die Begründung des BayVGH im Beschluss vom 25.08.2015, AZ.: 1 CS 15.1411).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO.
Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.