Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit einer Auswahlentscheidung

Aktenzeichen  6 CE 15.2721

Datum:
7.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 33 II

 

Leitsatz

Verfahrensgang

5 E 15.483 2015-11-18 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 18. November 2015 – B 5 E 15.483 – wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Technischer Fernmeldeamtsrat (Besoldungsgruppe A 12) im Dienst der Antragsgegnerin. Er ist bei der Deutschen Telekom AG (im Folgenden: Telekom) beschäftigt und für eine Tätigkeit bei der Deutschen Telekom Technik GmbH beurlaubt. Dort übt er eine nach dem Funktionskatalog der Telekom mit T8 bewertete Funktion als Teamleiter „Trail & Configuration“ aus. In der letzten dienstlichen Beurteilung für den Zeitraum 1. Juni 2011 bis 31. Oktober 2013 wurden seine Eignung, Befähigung und fachliche Leistung mit dem abschließenden Gesamturteil „gut“ mit der Ausprägung „+“ bewertet. Der Antragsteller hat gegen seine Beurteilung Widerspruch eingelegt, über den bislang nicht entschieden ist.
Für die aktuelle Beförderungsrunde hat die Telekom für den Unternehmensbereich „DTTechnik“ eine Rangliste zur Beförderung auf eine von 243 zugewiesenen Beförderungsplanstellen nach Besoldungsgruppe A 13 erstellt. Auf dieser Liste werden insgesamt 923 für eine Beförderung in Betracht kommende Beamtinnen und Beamte der Besoldungsgruppe A 12 geführt‚ darunter der Antragsteller. Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 teilte die Telekom diesem mit‚ dass er nicht auf eine der Beförderungsstellen befördert werden könne‚ weil nur Bewerber mit einer Bewertung mit mindestens „sehr gut Basis“ zum Zuge kämen. Der Antragsteller hat gegen seine Nichtberücksichtigung Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht beantragt‚ die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten‚ für die Beförderungsrunde 2015 eine Planstelleneinweisung in die letzten fünf nach A 13_vz zu vergebenden Planstellen einstweilen zu unterlassen‚ bis über seinen Widerspruch entschieden worden ist. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 18. November 2015 abgelehnt.
Der Antragsteller hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt‚ mit der er seinen erstinstanzlichen Vortrag weiter verfolgt. Die Antragsgegnerin verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts und beantragt‚ die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Die Gründe‚ die der Antragsteller mit seiner Beschwerde fristgerecht dargelegt hat und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i. V. m. Satz 1 und 3 VwGO)‚ rechtfertigen es nicht‚ dem mit dem Rechtsmittel weiterverfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen.
1. Der Antragsteller hat mit seinem fristgerechten Vorbringen nicht glaubhaft gemacht (vgl. BVerwG‚ B. v. 20.1.2004 – 2 VR 3.03 – juris Rn. 8)‚ dass die Telekom bei der streitigen Auswahlentscheidung über die Besetzung der in Rede stehenden Beförderungsämter nach Besoldungsgruppe A 13 seinen Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt hat. Ein Anordnungsanspruch ist deshalb‚ wovon auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist‚ nicht gegeben.
a) Bei den von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen, wie hier der Vergabe eines Beförderungsamtes, muss der Leistungsvergleich der Bewerber anhand aussagekräftiger, d. h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden. Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde (vgl. BVerwG, B. v. 27.9.2011 – 2 VR 3.11 – NVwZ-RR 2012, 71/72; BayVGH, B. v. 17.4.2013 – 6 CE 13.119 – juris Rn. 11 m. w. N.).
Ziel der dienstlichen Beurteilung ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten. Zugleich dient sie dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und Leistung voranzukommen. Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter miteinander ermöglichen. Ihre wesentliche Aussagekraft erhält eine dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in den dienstlichen Beurteilungen anderer Beamter. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen (BVerwG, U. v. 26.9.2012 – 2 A 2.10 – juris Rn. 9).
Die dienstliche Beurteilung eines Beamten ist ein von der Rechtsordnung dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte sollen ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt, ob er einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hat der Dienstherr – wie hier – Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler aufgrund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (ständige Rechtsprechung, z. B. BVerwG, U. v. 27.11.2014 – 2 A 10.13 – juris Rn. 14; BayVGH, B. v. 3.6.2015 – 6 ZB 14.312 – juris Rn. 5).
Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl als möglich erscheint. Dieser Prüfungsmaßstab ist wie im Hauptsacheverfahren auch bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anzulegen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen ebenfalls nicht über das hinausgehen, was für ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren genügt (BVerfG, B. v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02 – juris Rn. 10 ff.; BVerwG, B. v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 – juris Rn. 22; BayVGH, B. v. 17.4.2013 – 6 CE 13.119 – juris Rn. 12 m. w. N.).
b) Gemessen an diesem Maßstab greifen die Einwände, die der Antragsteller innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO gegen seine der Auswahlentscheidung zugrunde liegende dienstliche Beurteilung vom 20. März 2015 vorgebracht hat, nicht durch.
Der Antragsteller will mit seiner Beschwerde und dem in Bezug genommenen Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 27. November 2015 die Fehlerhaftigkeit seiner dienstlichen Beurteilung im Wesentlichen daraus herleiten, dass zum Zeitpunkt deren Erstellung die Beurteilungsrichtlinie vom 23. Oktober 2014 gegolten habe. Diese sehe in Nr. 3.1. Satz 2 in den Jahren 2013 und 2014 jeweils zum Stichtag 31. Oktober eine jährliche Beurteilung vor, seine Beurteilung umfasse aber einen längeren Beurteilungszeitraum. Die Beurteilung sei daher rechtswidrig, weil sie auf einem fehlerhaften Beurteilungszeitraum beruhe. Mit dieser Rüge wird kein beachtlicher Beurteilungsmangel aufgezeigt.
Beurteilungsrichtlinien sind keine Rechtsnormen. Ihre Aufgabe ist es, gleiche Bewertungsmaßstäbe bei dem Leistungsvergleich nach Art. 33 Abs. 2 GG herzustellen. Für die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung kommt es daher nicht entscheidend auf den Wortlaut einer Beurteilungsrichtlinie an, sondern darauf, wie sie von den Beurteilern tatsächlich gehandhabt worden ist (BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – Juris Rn. 41; B. v. 25.2.2013 – 2 B 104.11 – juris Rn. 5). Die Beurteilungsrichtlinien für die bei der Deutschen Telekom AG beschäftigten Beamtinnen und Beamten sahen in ihrer – rückwirkend zum 31. Oktober 2013 in Kraft gesetzten – Fassung vom 23. Oktober 2014 (Beurteilungsrichtlinie 2014) in Nr. 3.1. grundsätzlich einen zweijährigen Beurteilungszeitraum vor (Satz 1), für die Jahre 2013 und 2014 ausnahmsweise einen einjährigen (Satz 2). Von der letztgenannten Vorgabe sind die Beurteiler indes nach dem Vorbringen der Telekom im Beschwerdeverfahren bei sämtlichen Beamten, die bei der Beförderungsrunde 2015 in die Beförderungslisten aufgenommen wurden, abgewichen und haben es bei dem Grundsatz der zweijährigen Beurteilung belassen. Die Antragsgegnerin hat in anderen Beschwerdeverfahren ausgeführt, dass bei über 25.000 zu beurteilenden Beamten eine jährliche Beurteilung nicht zu leisten gewesen sei. Es besteht kein Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln. Bei keinem der vom Senat bislang entschiedenen Eilverfahren in vergleichbaren Fallgestaltungen aus der aktuellen Beförderungsrunde verfügte der jeweilige Antragsteller über eine Beurteilung, die auf einen nur einjährigen Zeitraum bezogen war (vgl. etwa BayVGH, B. v. 7.10.2015 – 6 CE 15.1932 – juris Rn. 1; B. v. 19.10.2015 – 6 CE 15.2043 – juris Rn. 1; B. v. 27.10.2015 – 6 CE 15.1849 – juris Rn. 1; B. v. 10.11.2015 – 6 CE 15.2233 – juris Rn. 1; B. v. 12.11.2015 – 6 CE 15.2031 – juris Rn. 1; B. v. 19.1.2016 – 6 CE 15.2582 – juris Rn. 13).
Zudem wurde die Sonderregelung für die Jahre 2013 und 2014 mit der Neufassung der Beurteilungsrichtlinie vom 19. Juni 2015 – wiederum rückwirkend zum 31. Oktober 2013 – gestrichen und damit die tatsächliche Handhabung durch die Beurteiler bestätigt. Ein zweijähriger Beurteilungszeitraum ist als solches nicht zu beanstanden (vgl. § 48 Abs. 1 BLV, § 22 Abs. 1 Satz 2 BBG). Aufgrund seiner gleichmäßigen Anwendung auf sämtliche Konkurrenten um das vom Antragsteller angestrebte Beförderungsamt scheidet eine Rechtsverletzung aufgrund uneinheitlicher Anwendung der Beurteilungsrichtlinie hinsichtlich des Beurteilungszeitraums aus (vgl. zuletzt: BayVGH‚ B. v. 19.1.2016‚ a. a. O.). Daran ändert der Umstand nichts, dass sich die dienstliche Beurteilung des Antragstellers auf einen um einige Monate längeren Zeitraum erstreckt (1.6.2011 bis 31.10.2013). Inwieweit er hierdurch benachteiligt sein könnte, ist nicht ersichtlich.
Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge, die Aufgabenbeschreibung sei bezüglich des Spiegelstrichs „Übernahme von Support-Aufgaben im Ressort“ unzutreffend, weil der Antragsteller keine operativen Aufgaben ausgeführt, sondern die fachliche Verantwortung für die Durchführung dieser Tätigkeiten getragen habe. Die Beschwerde misst dem – nicht eindeutigen – Wortlaut der Aufgabenbeschreibung, wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat, eine höhere Bedeutung bei als er nach Vorstellung der Beurteiler haben soll.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie sich am Beschwerdeverfahren weder beteiligt noch Anträge im Beschwerdeverfahren gestellt und sich damit selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben. Es entspräche daher nicht der Billigkeit, diese dem Antragsteller aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Der Streitwert in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren, das auf die vorläufige Freihaltung der zu besetzenden Beförderungsstelle(n) im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, wird nach der ständigen Rechtsprechung der mit Beamtenrecht befassten Senate des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG mit dem vollen Auffangwert von 5.000 Euro bemessen. Die beantragte Anzahl der freizuhaltenden Stellen wirkt sich grundsätzlich nicht streitwerterhöhend aus (BayVGH, B. v. 16.4.2013 – 6 C 13.284 – juris; B. v. 22.4.2013 – 3 C 13.298 – juris).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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