Aktenzeichen TDG S 5 VL 25/17
WDO § 65 Abs. 1 S. 2, § 108 Abs. 2
SG § 7, § 11 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
VorgV § 3
Leitsatz
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden ferner dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat damals aufgrund seines Dienstgrades als Oberleutnant in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter, zumal ein Offizier, in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (BVerwG, z.B. Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 WD 2.10 – Rn. 30). (Rn. 111) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der frühere Soldat ist eines Dienstvergehens schuldig.
2. Ihm wird das Ruhegehalt aberkannt.
3. Von den Kosten des Verfahrens hat der frühere Soldat drei Viertel zu tragen, der Bund ein Viertel. Der Bund trägt auch ein Viertel seiner notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Der 50 Jahre alte frühere Soldat besuchte das Gymnasium in …. Die Abiturprüfung Mitte 1989 legte er ohne Erfolg ab. Zum 5. Juni 1989 wurde er zur Ableistung des 18-monatigen Grundwehrdienstes bei der X./Sanitätsbataillon X in … einberufen.
Seine Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erfolgte am 19. Oktober 1989. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf zwei Jahre, später stufenweise auf 12 Jahre festgesetzt. Am 6. August 1998 wurde dem früheren Soldaten die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 wurde er als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen. Am 26. Oktober 2018 wurde er durch Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 3 des Soldatengesetzes (SG) zum 31. Januar 2019 in den Ruhestand versetzt; ob dieser Bescheid mittlerweile bestandskräftig ist, ist dem Gericht nicht bekannt.
Er wurde zuletzt mit Wirkung vom 1. April 2004 zum Oberleutnant ernannt.
Nach der Grundausbildung bei der X./Sanitätsbataillon X folgten Verwendungen bei der Y./Sanitätsbataillon X, Z./Sanitätsbataillon X jeweils in … sowie an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in MMM. Zum 1. Oktober 1996 wurde der frühere Soldat zur X./Lazarettgruppe … in … versetzt, zum 1. April 1997 zum Sanitätsausbildungszentrum Süd am selben Standort. Ab 17. Juni 1998 erfolgte die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher, die er am 28. März 2001 an der Fachschule des Heeres für Erziehung in DDD erfolgreich abschloss; nach Angabe des früheren Soldaten wurde ihm dort das Fachabitur zuerkannt. Nach erfolgreicher Teilnahme am Offizierlehrgang militärfachlicher Dienst an der Offizierschule des Heeres in HHH im Jahr 2001 wurde der frühere Soldat zur X./Sanitätsregiment XX in VVV versetzt. Vom 5. November 2002 bis 9. Mai 2003 nahm er am Auslandseinsatz KFOR in KKK teil, wo er in der Stabs-/Versorgungskompanie der Einsatzbrigade KFOR als Sanitätsdienstoffizier Fachdienst eingesetzt war.
Zum 1. Juli 2003 erfolgte die Versetzung zum Sanitätskommando XX – Lazarettgruppe … als Führer Kaderpersonal in …, zum 1. Januar 2006 zum Stab Sanitätskommando XX in BBB als Sanitätsdienstoffizier Material. Am 1. November 2006 wurde der frühere Soldat zur X./Sanitätslehrregiment in … auf den Dienstposten eines Zugführeroffiziers versetzt, am 1. Januar 2009 auf den entsprechenden Dienstposten bei der XX./Sanitätslehrregiment. Zuletzt war er seit 1. Juni 2009 Angehöriger der X./Sanitätslehrregiment in ….
Der frühere Soldat wurde zuletzt am 9. Dezember 2014 durch den Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment, Hauptmann H, planmäßig zum 31. Mai 2015 beurteilt.
In dieser Beurteilung wurde ihm hinsichtlich der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten der Durchschnittswert 7,40 zuerkannt. Dabei erhielt er bei der von 1 bis 9 reichenden Wertungsskala fünfmal die Einzelnote „8“ („die Leistungserwartungen wurden ständig erheblich übertroffen“), viermal die Einzelnote „7“ („die Leistungserwartungen wurden ständig, teilweise auch erheblich übertroffen“) und einmal die Einzelnote „6“ („die Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen“).
In der freien Beschreibung wurde insbesondere ausgeführt, dass der frühere Soldat seinen Aufwärtstrend und seine Kontinuität weiter habe fortsetzen können. In der schwierigen Phase der Kompanieübergabe habe er den neuen Kompaniechef in allen Aufgabengebieten in hervorragender Weise unterstützt. Dabei habe er viel Geduld und Ausdauer bewiesen. Seine Erfahrungen und seine ausgewiesene Fach- und Sachkenntnis vor allem im Bereich der Logistik seien Garanten für die kontinuierliche Auftragssicherstellung der Kompanie gewesen. Die Zusammenarbeit mit ihm gestalte sich äußert angenehm.
Im Persönlichkeitsprofil wurden die Merkmale „geistige Kompetenz“ sowie „Kompetenz in Menschenführung“ (zugleich „bestimmendes Merkmal“) mit „stärker ausgeprägt“ bewertet. Die Merkmale „funktionale Kompetenz“ sowie „soziale Kompetenz“ waren „ausgeprägt“, das Merkmal „konzeptionelle Kompetenz“ „weniger ausgeprägt“.
Ergänzend wurde ausgeführt, dass der frühere Soldat ein sowohl dienstwie auch lebenserfahrener Offizier sei, der über ein gutes berufliches Selbstverständnis verfüge. Mit seiner Aufgabenstellung identifiziere er sich uneingeschränkt und mit großem Engagement. Sein gesunder Ehrgeiz und seine Tatkraft sorgten dafür, dass er sich nicht mit dem Erreichten zufrieden gebe, sondern sich und seine Arbeit kritisch durchleuchte und ständig daran arbeite, diese zu optimieren. Seine offene und hilfsbereite Art würde ihm zu einem festen und anerkannten Platz in der Kompanie verhelfen. Für Kameraden setze er sich überzeugend ein, seine Wertvorstellungen vertrete er konsequent, auch wenn sie von anderen einmal nicht geteilt würden. Seine eigene Leistung stelle er nie in den Vordergrund, denn für ihn zähle das Gesamtergebnis sowie die Erfüllung des Auftrages. Er habe ein sehr gutes Potenzial, um als Ausbildungsoffizier überzeugende Arbeit leisten zu können. Auch als S4-Offizier sei er sehr gut geeignet.
Der Kommandeur Sanitätslehrregiment, Oberfeldarzt S, als nächsthöherer Vorgesetzter bestätigte am 30. Januar 2015 den Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung und vergab als Entwicklungsprognose „oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive“.
Den früheren Soldaten bewertete er in der freien Beschreibung ausführlich und durchweg positiv. So führte er beispielsweise an, dass jener seine theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten in Verbindung mit ausgezeichnetem Teamwork, bemerkenswerten Kommunikationsfähigkeiten und planerischem Geschick bestens für ein permanent hohes Maß an Zielerreichung zu nutzen vermöge. Er verfüge über ein beachtliches Potential, dessen Grenzen noch nicht erreicht seien. Er zeige neben permanentem persönlichen Einsatz eine kontinuierliche Entwicklungstendenz.
Der letzte nächste Disziplinarvorgesetzte des früheren Soldaten (damalig Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment), Hauptmann P, sagte als Leumundszeuge in der Hauptverhandlung über ihn, den er bereits aus der Zeit des Besuchs der Fachschule des Heeres für Erziehung in DDD her kannte, insbesondere Folgendes aus:
Er sei nach der Kompanieübernahme am 15. März 2015 in dienstlichen Angelegenheiten mit ihm zunächst ausgekommen. Der Umgang sei anfangs soldatisch korrekt und der ruhige, intelligente frühere Soldat recht kameradschaftlich und freundlich ihm gegenüber gewesen. Bis Ende 2015 habe Hauptmann P Vertrauen zu ihm gehabt. Man habe um seine (gesundheitlichen) Einschränkungen gewusst. Er sei im Jahr 2015 in der Kompanie „eher beliebt“, krankheitsbedingt aber selten im Büro gewesen. Aufgrund einer Wiedereingliederung im August 2015 mit 20 Stunden in der Woche, die er nach eigenem Ermessen habe festlegen können, habe er ihn nicht mehr als Zugführer einsetzen können und ihm stattdessen Kompanieaufgaben übertragen. 2016 (wohl gemeint: in der ersten Jahreshälfte) habe er ihn überhaupt nicht mehr gesehen. Dann sei der frühere Soldat in seinen E-Mails sehr penetrant geworden. Die Leistungsfähigkeit des früheren Soldaten sah Hauptmann P im mittleren bis oberen Bereich. Der frühere Soldat ist berechtigt, die Schützenschnur in Gold, das Leistungsabzeichen im Truppendienst der Stufe III (Gold) in (wohl) neunter Wiederholung, das Deutsche Sportabzeichen in Gold und das Tätigkeitsabzeichen Sanitätspersonal in Gold zu tragen.
Er erhielt die Schießabzeichen der US-Streitkräfte Pistole und Gewehr der Stufe „expert“ als Sonderabzeichen. Ihm wurde am 30. Dezember 2002 die „Einsatzmedaille der Bundeswehr für die Teilnahme am Auslandseinsatz der Bundeswehr im Rahmen der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo für ein sicheres Umfeld der Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Sicherung einer Friedensregelung (KFOR)“ verliehen. Außerdem wurde ihm am 14. Februar 2003 die Einsatzmedaille der Nato für den Einsatz im 6. Einsatzkontingent KFOR ausgehändigt.
Der frühere Soldat erhielt am 20. Juli 2012 eine Leistungsprämie in Höhe von 1.500 €.
Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 12. Juni 2019 enthält keine Eintragung.
Der in der Verfahrensakte befindliche Disziplinarbuchauszug vom 19. September 2016 – ein aktueller konnte für den inzwischen früheren Soldaten nicht mehr angefordert werden – weist sechs Eintragungen auf, von denen es sich bei vier Eintragungen um förmliche Anerkennungen (vom 19. Dezember 1990, 7. Juni 1991, 11. Juni 1994 und 2. Juni 1999) jeweils wegen vorbildlicher Pflichterfüllung handelt. Die weiteren zwei Eintragungen zu verhängten, bestands- bzw. rechtskräftigen Disziplinarmaßnahmen aus den Jahren 2006 und 2010 dürfen angesichts der eingetretenen Tilgung nicht mehr berücksichtigt werden.
Gemäß Auskunft der Generalzolldirektion Stuttgart vom 2. Juli 2019 werden dem früheren Soldaten ab 1. April 2019 ruhegehaltsfähige Dienstbezüge in Höhe von monatlich 2.455,69 € brutto und 2.104,38 € netto gezahlt (mit leichter Steigerung zum 1. März 2020).
Der frühere Soldat lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Seine monatlichen Verbindlichkeiten belaufen sich auf etwa 1.800 €. Er habe insbesondere einen Dispokredit in Höhe von 10.000 € abzubezahlen. Seine finanzielle Lage bezeichnet er als sehr angespannt.
II.
Mit Verfügung vom 1. Dezember 2016, dem früheren Soldaten zugestellt am 12. Dezember 2016, hat der Kommandeur Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung, damalig Generalstabsarzt Dr. B, als Einleitungsbehörde das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet und gleichzeitig den früheren Soldaten vorläufig des Dienstes enthoben, ihm verboten, Uniform zu tragen, und für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 die Einbehaltung eines Viertels der jeweiligen Dienstbezüge verfügt.
Die Vertrauensperson der Offiziere der X. Sanitätslehrregiment, Hauptmann A, war am 27. Oktober 2016 angehört und das Ergebnis der Anhörung dem früheren Soldaten mit Schreiben der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung (im Folgenden: Wehrdisziplinaranwaltschaft) vom 2. November 2016 bekannt gegeben worden. Dem früheren Soldaten wurde mit demselben Schreiben der Wehrdisziplinaranwaltschaft Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Verfahrenseinleitung gegeben. Die Bezirksschwerbehindertenvertretung beim Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, in Vertretung Oberfeldapotheker C, gab am (vermutlich) 23. November 2016 eine Stellungnahme ab. Sie wies darauf hin, dass der frühere Soldat der Bezirksschwerbehindertenvertretung nicht bekannt sei.
Den Antrag des früheren Soldaten vom 21. Dezember 2016 auf Aufhebung der in der Einleitungsverfügung getroffenen Nebenentscheidungen lehnte der Kommandeur Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung mit Bescheid vom 9. Januar 2017 ab. Auf Antrag des früheren Soldaten vom 8. Februar 2017 hob die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd mit – rechtskräftigem – Beschluss vom 30. Mai 2017 die vom vorgenannten Kommandeur angeordnete Einbehaltung eines Viertels der jeweiligen Dienstbezüge sowie die vorgenannte bestätigende Entscheidung rückwirkend auf; im Übrigen wies sie den Antrag zurück.
Nach Einräumung der Gelegenheit zum Schlussgehör mit Schreiben vom 3. April 2017 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem früheren Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 8. August 2017, beim Truppendienstgericht Süd – 5. Kammer – eingegangen am 24. August 2017, dem früheren Soldaten zugestellt am 29. August 2017, folgenden Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„1. Der Soldat blieb seinem Dienst bei der X./Sanitätslehrregiment, …, vom 11.07. bis 17.08.2016 wissentlich und willentlich ohne Genehmigung fern.
2. Der Soldat befolgte den Befehl des Leiters Sanitätsversorgungszentrum …, Oberfeldarzt Dr. M, vom 18.08.2016, sich am 31.08.2016 im Versorgungszentrum … wieder vorzustellen, vorsätzlich nicht, sondern blieb seinem Dienst bei der X./SanLehrRgt, …, ab diesem Zeitpunkt bis zur Kontaktaufnahme durch die Feldjäger am 22.09.2016, wo seine Vorstellung beim Sanitätsunterstützungszentrum KKK am 26.09.2016 verfügt wurde, wiederum wissentlich und willentlich ohne Genehmigung fern.
3. Der Soldat blieb seinem Dienst bei der X./Sanitätslehrregiment, …, vom 28.09.2016, 13:30 Uhr, bis zu seiner Zuführung durch das Feldjägerdienstkommando MMM am 11.10.2016, 13:15 Uhr, wiederum wissentlich und willentlich ohne Genehmigung fern.
4. Der Soldat war am 14.01.2017 gegen 07:20 Uhr in …, …, im Besitz von ca. 1,3 Gramm Amphetamin, obwohl ihm bekannt war, dass der Besitz von Betäubungsmitteln verboten und Soldaten darüber hinaus auch gemäß der ihm zumindest sinngemäß bekannten Zentralrichtlinie A2-2630/0-0-2 Nummer 172 im und außer Dienst untersagt ist.“
Mit – rechtskräftigem – Beschluss vom 30. Mai 2017 bestellte der Vorsitzende der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd dem früheren Soldaten einen Pflichtverteidiger.
Die Staatsanwaltschaft … sah mit Verfügung vom 1. Juni 2017 betreffend das Strafverfahren zum Sachverhalt des Anschuldigungspunktes 4 gemäß § 154 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) von einer Strafe ab im Hinblick auf das Verfahren mit dem Az. 131 Js 94794/16 der Zweigstelle ST, in dem eine (höhere) Strafe erwartet wurde (Az. 104 Js 1424/17).
Im sachgleichen Strafverfahren zu den anderen Anschuldigungspunkten 1-3 fasste das Amtsgericht ST – Strafrichter – in der Hauptverhandlung am 18. September 2018 den Beschluss, das Verfahren mit Zustimmung des früheren Soldaten und dessen Verteidiger gemäß § 153a Abs. 2 StPO unter der Auflage vorläufig einzustellen, dass der frühere Soldat 3.800 € bis zu einem bestimmten Zeitpunkt an die Staatskasse zahlt (Az. 12 Ds 131 Js 94794/16). Nach aktueller Auskunft des Amtsgerichts ist das Verfahren noch nicht endgültig eingestellt worden. Der frühere Soldat äußerte in der Hauptverhandlung, dass er den auferlegten Betrag noch nicht habe zahlen können.
Anschuldigungspunkt 4 hat die Truppendienstkammer (im Folgenden: Kammer) nach Anhörung des Wehrdisziplinaranwalts gemäß § 107 Abs. 2 der Wehrdisziplinarordnung (WDO) aus dem gerichtlichen Disziplinarverfahren ausgeklammert, weil er für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fiel.
III.
Die Kammer hat aufgrund der Einlassung des früheren Soldaten, soweit ihr gefolgt werden konnte, der Aussagen der Zeugen Oberfeldarzt a.D. Dr. M, Oberfeldarzt Dr. T, Hauptmann P, des Vorbringens des Sachverständigen Dr. U und der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden sowie durch Inaugenscheinnahme folgenden Sachverhalt festgestellt:
Zu Anschuldigungspunkten 1-3:
Der frühere Soldat war im Jahr 2015 aufgrund seiner Erkrankung sehr eingeschränkt dienstfähig und nur 71 Tage im Dienst. Daraufhin wurden Untersuchungen gemäß Belegart 90/5 zur Feststellung der Dienst- und Verwendungsfähigkeit auf dem Dienstposten durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten des früheren Soldaten (Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment, Hauptmann P) veranlasst. Auf die Begutachtungsanordnung vom 15. Oktober 2015 hin stellte Oberstabsarzt G am 19. Oktober 2015 folgendes Ergebnis fest: „Für o.g. Dienstposten gesundheitl. dauerhaft nicht verwendungsfähig“. Das nächstfolgende Untersuchungsergebnis des damaligen Oberfeldarztes Dr. M (Leiter Sanitätsversorgungszentrum …) vom 17. Juni 2016 auf die Begutachtungsanordnung vom 3. März 2016 hin lautete: „dienstfähig und eingeschränkt verwendungsfähig“. Weitere Untersuchungsergebnisse aufgrund von Begutachtungsanordnungen dieser Art erfolgten erst nach dem angeschuldigten Zeitraum.
Am 30. Juni 2016 fand im Sanitätsversorgungszentrum … ein „runder Tisch“ zum Zweck der Wiedereingliederung des früheren Soldaten statt, an dem neben dem früheren Soldaten der Leiter Sanitätsversorgungszentrum … (Oberfeldarzt Dr. M, zumindest ab Mitte 2016 der zuständige Truppenarzt für den früheren Soldaten), ein Vertreter des Sozialdienstes aus BBB sowie der nächste Disziplinarvorgesetzte des früheren Soldaten teilnahmen. Die Wiederaufnahme des Dienstbetriebes sollte zwei Wochen lang bei einem täglichen Dienst von vier Stunden im Stabsbereich des Sanitätslehrregiments erfolgen, danach sollte eine neue truppenärztliche Bewertung stattfinden. Bei Verträglichkeit sollte der frühere Soldat im Anschluss wieder 41 Wochenstunden Dienst leisten. Aus medizinischer Sicht war der Beginn der Maßnahme am 11. Juli 2016 möglich.
Der frühere Soldat wurde am 30. Juni 2016 durch den Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment belehrt, dass er unabhängig von der Feststellung der Verwendungsfähigkeit durch den Standortarzt unverzüglich mit seiner Einheit Verbindung aufzunehmen habe und dass der Krankenmeldeschein zwischen der Einheit und dem Truppenarzt pendele und nicht vom Soldaten am Mann zu behalten sei.
Der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment teilte dem früheren Soldaten am 8. Juli 2016 nach Rücksprache mit dem Truppenarzt via E-Mail mit, dass jener „krank zu Hause“ geschrieben sei bis zur Wiedervorstellung am 11. Juli 2016 um 13:30 Uhr bei Oberfeldarzt Dr. M im Sanitätsversorgungszentrum … und dass jener sich danach bei ihm zu melden habe.
Der frühere Soldat erschien jedoch nicht am 11. Juli 2016 in der …-Kaserne in …. In einer an den Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment gerichteten E-Mail vom selben Tag 08:43 Uhr teilte er unter anderem mit, dass er sich krank und nicht in der Lage fühle, die Fahrt nach … von … anzutreten, und dass er wegen der bestehenden Befehlslage um Mitteilung bitte, ob an den Befehlen festgehalten werde.
Daraufhin wurde dem früheren Soldaten durch den Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment am selben Tag um 11:16 Uhr per E-Mail befohlen, den Standortarzt (in …) zu kontaktieren und eine entsprechende Meldung des Standortarztes zu übermitteln; der Befehl, sich bei Oberfeldarzt Dr. M vorzustellen, wurde aufgehoben.
Am 12. Juli 2016 um 20:04 Uhr antwortete der frühere Soldat in einer ausführlichen E-Mail im Kern, dass durch Herrn Dr. E in … seine Arbeits-/Dienstunfähigkeit vom 11. bis zum 17. Juli 2016 festgestellt und dokumentiert worden sei. Vorab sei eine Verbindungsaufnahme mit der nächsterreichbaren Sanitätseinrichtung, der Arztgruppe …, erfolgt, bei der voraussichtlich erst „am Donnerstag“ (wohl gemeint 14. Juli 2016) wieder ein Arzt vor Ort sein werde. Bezüglich seiner Erreichbarkeit schrieb er, dass sämtliche dem Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment bekannten Kontaktdaten unverändert geblieben seien. Er stellte mehrere Anträge wie eine stufenweise Wiedereingliederung am Standort ….
(Frau) Stabsfeldwebel L von der Arztgruppe der Außenstelle … des Sanitätsversorgungszentrums … teilte am 13. Juli 2016 dem Leiter des Sanitätsversorgungszentrums … unter anderem mit, dass der frühere Soldat am 12. Juli 2016 telefonisch mit der Arztgruppe einen Termin mit dem Truppenarzt habe vereinbaren wollen; daraufhin sei er von der Angestellten N erneut an das Sanitätsversorgungszentrums … verwiesen worden.
Am 18. Juli 2016 um 06:50 Uhr meldete sich der frühere Soldat gegenüber dem Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment via E-Mail krank.
Am Folgetag teilte er ihm um 06:17 Uhr auf dem gleichen Weg mit, dass „nach Maßgabe des hiesigen behandelnden Arztes“ der Zeitraum seiner „Erkrankung und Unfähigkeit“ bis zum 21. Juli 2016 dokumentiert worden sei.
Mit E-Mail vom 26. Juli 2016 07:30 Uhr schrieb er dem Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment per E-Mail, dass ihm nach Wahrnehmung des Termins am vorherigen Tag das Ergebnis des Facharztes der „FU 6“ in AG vorliege und dass er sich hiermit krank melde.
Nach einer Gesprächsnotiz des Kompaniechefs X./Sanitätslehrregiment vom 26. Juli 2019 meldete sich der frühere Soldat gegen 07:20 Uhr bei Oberfeldarzt Dr. M während einer Gesprächsrunde und äußerte ihm gegenüber, dass er an diesem Tag zwischen 10 und 14 Uhr Zeit habe und sich vorstellen könne. Danach habe er den Hörer aufgelegt. Von Oberfeldarzt Dr. M und dem ebenfalls anwesenden Oberfeldarzt Dr. T, der dessen Stellvertreter war, sei nochmals bestätigt worden, dass der frühere Soldat die Verfahrensweise bei einer Krankmeldung genau kenne und mehrfach belehrt worden sei.
Nachdem eine entsprechende Mitteilung nicht einging, hielt der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment mehrmals Rücksprache mit dem Truppenarzt in …, ob eine Krankmeldung des früheren Soldaten vorliege. Dies wurde, auch nach Rücksprache mit dem Standortarzt in …, verneint; dort hatte sich der frühere Soldat nicht vorgestellt.
Am 1. August 2016 um 08:35 Uhr setzte der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment ein sog. Meldepflichtiges Ereignis ab. Der frühere Soldat sei seit dem Arztbesuch am 12. Juli 2016 nicht in seine Einheit zurückgekehrt.
Am selben Tag um 10:50 Uhr erteilte der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment dem früheren Soldaten via E-Mail den Befehl, sich sofort persönlich in der Einheit zu melden. Seine Versuche, den früheren Soldaten um 10:53 und 10:54 Uhr telefonisch zu erreichen, bleiben erfolglos.
Am 2. August 2016 um 06:13 Uhr schrieb der frühere Soldat dem Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment per E-Mail, dass sein gesundheitlicher Zustand keine Besserung erfahren habe, und erinnerte an gestellte Bitten. Am selben Tag um 09:46 Uhr antwortete der Angeschriebene, dass er an seinem Befehl vom Vortag festhalte und sich der frühere Soldat sofort persönlich in seiner Einheit zu melden habe.
Der Leiter Sanitätsversorgungszentrum … informierte den Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment am 3. August 2016 per E-Mail, dass der frühere Soldat weder seitens der Arztgruppe … noch des Sanitätsversorgungszentrums … ab dem 11. Juli 2016 mit dem Status „kzH“ versehen worden sei. Auch lägen keine aktuellen zivilen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder erklärende Facharztbefunde (betreffend den früheren Soldaten) vor.
Auf Nachfrage der Einheit nach neuen Erkenntnissen teilte der vorgenannte Leiter am 18. August 2016 per E-Mail mit, dass das bereits Geschriebene unverändert gelte. Den beiden Stellen seien auch nicht verzögert oder verspätet Dokumente vorgelegt worden, die einen möglichen Status „kzH“ begründeten. Bei der Vorstellung des früheren Soldaten bei ihm an diesem Tag sei erstmalig ein Facharztbefund vom 23. Juli 2016 vorgelegt worden, aus dem eine Empfehlung zur Krankschreibung zu entnehmen sei.
Laut Krankenmeldeschein wurde der frühere Soldat für den Zeitraum 18. bis 31. August 2016 durch Oberfeldarzt Dr. M – wohl in Absprache mit dem nächsten Disziplinarvorgesetzten – „kzH bis auf weiteres“ und als zurzeit nicht verwendungsfähig geschrieben.
Im Rahmen einer Nachforschung traf eine Feldjägerstreife den früheren Soldaten am 17. August 2016 bei sich zu Hause an. Auf den Befehl, ihr zu folgen, entgegnete er, dass er sich nicht transportfähig fühle. Nach Kontaktaufnahme mit verschiedenen Stellen beließ es die Feldjägerstreife bei einer Belehrung darüber, dass er weiterhin eigenmächtig abwesend sei und eine „Bringschuld“ habe, nachzuweisen, dass er nicht transportfähig sei.
Mit an Oberfeldarzt Dr. M gerichteter E-Mail vom 19. August 2016 beantragte der S3-Offizier des Sanitätslehrregiments (in seiner Funktion als Vertreter des Kompaniechefs X./Sanitätslehrregiment), (Frau) Oberleutnant O, die Feststellung der Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit des früheren Soldaten für den Zeitraum 11. Juli bis 25. Juli 2016 und 25. Juli bis 18. August 2016. Der Adressat antwortete am 22. August 2016 mit einem angehängten Schreiben vom selben Tag, in dem er mitteilte, dass er als Leiter des Sanitätsversorgungszentrums … (und Facharzt für Allgemeinmedizin) gemäß Aktenlage, persönlichem Arzt-Patientenkontakt am 18. August 2018 und auch unter Berücksichtigung aktueller Facharztbefunde aus truppenärztlicher und allgemeinmedizinischer Sicht keine Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit habe feststellen können.
Der frühere Soldat erschien am 31. August 2016 nicht zur Wiedervorstellung beim Truppenarzt in der …-Kaserne in ….
Mit an den Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment gerichteter E-Mail vom 1. September 2016 08:18 Uhr meldete der frühere Soldat „das weitere Andauern des Krankenstandes“ und fügte an, dass weitere Details nach Erreichen des Truppenarztes folgten.
Der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment „befahl“ (so Wortlaut) dem früheren Soldaten am 2. September (Freitag) um 11:49 Uhr per E-Mail, am Montag, dem 5. September 2016, um 08:00 Uhr den Dienst bei seiner Einheit aufzunehmen. Mangels ärztlicher Bescheinigung müsse er gegenwärtig von einer erneuten unerlaubten Abwesenheit ausgehen.
Am selben Tag fragte er via E-Mail beim Leiter des Sanitätsversorgungszentrums … nach, ob der frühere Soldat seit dem 31. August 2016 beim Truppenarzt vorstellig geworden sei oder ob es ärztliche Unterlagen – eingeschlossen die Arztgruppe in …, die dem Leiter Sanitätsversorgungszentrum … unterstand und nur zwei bis drei Tage in der Woche mit einem Arzt besetzt war – zu einer erneuten Krankschreibung ab diesem Zeitpunkt gebe.
Mit an den Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment gerichteter E-Mail vom 4. September 2016 15:36 Uhr meldete der frühere Soldat insbesondere, dass ihm seitens des Versorgungsamtes … mitgeteilt worden sei, dass ihm ab dem 1. Juli 2016 der Status „Schwerbehinderter“ zuerkannt worden sei. Er stellte verschiedene Anträge diesbezüglich.
Auf die E-Mail des Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment vom 2. September 2016 antwortete der frühere Soldat am 5. September 2016 um 06:31 Uhr, dass „vielerlei gesundheitliche Gründe“ es ihm nicht erlaubten, dem Befehl zum Dienstantritt nachzukommen. Mangels erbetener Befehlslage bezüglich der truppenärztlichen Behandlung (Sonderregelung) sei bis dahin keine Konsultation des Oberfeldarztes Dr. M möglich gewesen, da sich jener bis 13. September 2016 im Erholungsurlaub befunden habe. Wie bereits mitgeteilt, sei ihm eine Behandlung in der Arztgruppe … wiederholt verwehrt worden. Er bat erneut um eine klare schriftliche Regelung.
Der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment „befahl“ dem früheren Soldaten mit E-Mail vom 13. September 2016 (Dienstag) 16:29 Uhr, sofort den Dienst bei seiner Einheit aufzunehmen bzw. sich im Sanitätsversorgungszentrum … beim Truppenarzt vorzustellen. Bezüglich der Meldung des Status „Schwerbehinderter“ forderte er ihn auf, die begründenden Unterlagen bei ihm vorzulegen.
Am Folgetag antwortete der frühere Soldat mit E-Mail vom 14. September 2016 00:10 Uhr, dass er sich jetzt nicht in der Lage sehe, sofort seinen Dienst in der Einheit aufzunehmen. Zudem könne er nicht erkennen, bei wem er sich nach Eintreffen melden solle. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es ihm zudem nicht möglich, eine Vorstellung bei einem Truppenarzt des benannten Sanitätsversorgungszentrums zu erwirken, da die Dienststelle derzeit unbesetzt zu sein scheine. Die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen bat er zu konkretisieren. Des Weiteren stellte er Anträge.
Zur truppenärztlichen Versorgung des früheren Soldaten äußerte der Leiter Behandlung und Begutachtung und stellvertretender Leiter des Sanitätsversorgungszentrums …, Oberfeldarzt Dr. T, in einer E-Mail vom 14. September 2016, deren Empfänger nicht aus der ausgedruckten Kopie hervorgeht, Folgendes: Am 1. September 2016 sei durch ihn eine truppenärztliche Sprechstunde in der Arztgruppe … zwischen 12:30 und 17:30 Uhr erfolgt. Der frühere Soldat habe hierfür trotz Kenntnis und entsprechenden Festlegungen im Vorfeld keinen Termin vereinbart, sei auch nicht persönlich vorstellig geworden. Der dortige Innendienstfeldwebel, (Frau) Stabsfeldwebel L, habe ihm (Oberfeldarzt Dr. T) mitgeteilt, dass der frühere Soldat sie an jenem Nachmittag telefonisch kontaktiert habe mit der Bitte, sie möge ihn über seinen Anruf in Kenntnis setzen. Weiterführende Informationen habe er ihr nicht hinterlassen, auch eine Rückrufbitte habe er nicht geäußert. Aktuelle Befunde, Arztberichte, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen etc. seien in diesem Zusammenhang bis dahin weder seitens des (früheren) Soldaten noch von Dritten vorgelegt worden.
Am 19. September 2016 setzte der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment ein Meldepflichtiges Ereignis ab, in dem er eine eigenmächtige Abwesenheit des früheren Soldaten für den Zeitraum 31. August 2016 bis zum Absetzen des Meldepflichtiges Ereignisses meldete.
Mit an den Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment gerichteter E-Mail vom 22. September 2016 16:03 Uhr fragte der frühere Soldat zu den Umständen eines Anrufs eines Oberfeldwebels der Feldjäger, der ihn abholen wolle, nach und stellte Anträge bezüglich eines vorgesehenen Transports zur fachärztlichen Untersuchungsstelle in AG.
Bei einer am 22. September 2016 durchgeführten Nachforschung trafen die Feldjäger den (früheren) Soldaten nicht an seiner Wohnung an; er war mit dem Auto unterwegs und teilte später telefonisch mit, dass er mindestens zwei Stunden bis nach Hause benötige. Im Rahmen eines Telefonats wurde ihm letztlich der Befehl erteilt, sich bis zum 26. September 2016 (Montag) 10 Uhr bei seinem behandelnden Facharzt im Fachsanitätszentrum KKK vorzustellen, hilfsweise bei Transportunfähigkeit sich bis 7 Uhr an jenem Tag bei seinem Disziplinarvorgesetzten zu melden.
Am 27. September 2016 um 07:56 Uhr meldete der frühere Soldat seinem Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment per E-Mail, dass er erneut einen Termin bei der fachärztlichen Untersuchungsstelle Psychiatrie in AG wahrgenommen habe.
Jener „befahl“ ihm am selben Tag um 16:27 Uhr via E-Mail, den Dienst am 28. September 2016 (Mittwoch) um 13 Uhr bei seiner Einheit aufzunehmen.
Der frühere Soldat fragte ebenfalls am selben Tag um 18:49 Uhr per E-Mail nach, in welchem Anzug er seinen Dienst aufnehmen müsse, bei wem er sich zu melden habe, in welcher Art und Weise er sich vorbereiten könne/müsse, wie sein Dienst im weiteren Verlauf gestaltet sein werde, in welcher Funktion er tätig sein werde, welche Aufgaben/Aufträge er zu erfüllen habe, auf welche Dienstzeit er sich einzustellen habe und ob es weiterer Vorbereitung bedürfe. Er beantragte die Beantwortung seiner Fragen im Sinne eines Antrags und bat erneut um „Abarbeitung“ seiner offenen Anträge/Fragen.
Hauptmann P schrieb am 27. September 2016 in einer Gesprächsnotiz zum früheren Soldaten insbesondere, dass der Facharzt Oberfeldarzt R von der „FU“ Psychiatrie in AG nach einem Gespräch mit Dr. T im Beisein von Oberfeldarzt Dr. M geäußert habe, dass der frühere Soldat generell transport- und vernehmungsfähig sei. Er unterstütze eine Wiedereingliederung zum Wohle des (früheren) Soldaten.
Nach Information von (Frau) Stabsfeldwebel EK, X./Sanitätslehrregiment, an ihren Kompaniechef per „VS-Nur für den Dienstgebrauch“-eingestufter E-Mail (Lotus Notes) vom 5. Oktober 2016 habe der frühere Soldat am 29. September 2016 um ca. 13 Uhr das Geschäftszimmer der X. Kompanie betreten und nach ihm (dem Kompaniechef) gefragt. Er habe dessen bald erwartete Rückkehr von einer Besprechung nicht abwarten wollen habe und daraufhin das Gebäude verlassen. Er habe sich kurz mit Stabsunteroffizier G unterhalten, der auf Nachfrage über den Inhalt des Gesprächs aussagte, dass jener nichts über einen Termin oder seine Anwesenheit in der Kompanie geäußert habe. Es habe eine Frau in einem zivilen Fahrzeug auf ihn gewartet.
Hauptgefreiter Z vom Sanitätsversorgungszentrum habe ihr mitgeteilt, dass der frühere Soldat gegen 13:20 Uhr in der dortigen Anmeldung gewesen sei, um nach „seinem“ Termin nachzufragen. Er (Hauptgefreiter Z) habe ihm gesagt, dass es aktuell keinen Termin gebe. Der frühere Soldat habe sinngemäß geantwortet: „Ok, dann muss ich das mit meiner Einheit abklären.“ Nach ca. 20 Minuten sei er zurückgekehrt, habe einen an Oberfeldarzt Dr. M persönlich adressierten Brief abgegeben und sei weggegangen.
Mit an seinen Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment gerichteter E-Mail vom 29. September 2016 18:30 Uhr beantragte der frühere Soldat die Mitteilung von verschiedenen Informationen im Zusammenhang mit der bevorstehenden geplanten Dienstleistung.
In einer „VS-Nur für den Dienstgebrauch“-eingestuften E-Mail vom 30. September 2016 12:06 Uhr „befahl“ der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment dem früheren Soldaten, am 4. Oktober 2016 (Dienstag) um 07:00 Uhr den Dienst bei seiner Einheit aufzunehmen und sich bei seinem Disziplinarvorgesetzten im Feldanzug Grundform zu melden.
Am 4. Oktober 2016 um 07:26 Uhr antwortete der frühere Soldat, dass er ihn weder um 07:00 Uhr auf dessen Dienstapparat noch über dessen Handynummer vorab am Wochenende in Form eines Anrufes oder einer SMS habe erreichen können. Er meldete sich weiterhin krank. Sein Gesundheitszustand sei durch den behandelnden Facharzt und den Truppenarzt dokumentiert und ihm bekannt. Parallel werde er erneut mit Oberfeldarzt Dr. M Verbindung aufnehmen.
Der frühere Soldat stellte am 3. Oktober 2016 einen Antrag auf Erholungsurlaub für den Zeitraum 11. Juli bis 17. August 2016, (wohl) am 4. Oktober 2016 einen weiteren für den Zeitraum 31. August bis 25. September 2016 und (wohl) am selben Tag schließlich einen dritten Antrag für den 4. Oktober 2016. Sein Kompaniechef lehnte sämtliche Anträge am 7. Oktober 2016 mit der Begründung ab, dass eigenmächtige Abwesenheit durch nachträglichen Urlaub nicht legitimiert werden könne.
Der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment „befahl“ dem früheren Soldaten am 5. Oktober 2016 (Mittwoch) um 16:34 Uhr per E-Mail, sofort den Dienst bei seiner Einheit anzutreten.
Am 6. Oktober 2016 setzte der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment ein Meldepflichtiges Ereignis ab, in dem er eine eigenmächtige Abwesenheit des früheren Soldaten für den Zeitraum 28. September 2016, 13:30 Uhr bis zu dessen Absetzen am besagten Tag um 14 Uhr meldete.
Am 11. Oktober 2016 um 13:05 Uhr wurde der frühere Soldat durch Angehörige des Feldjägerdienstkommandos MMM in … dem Kompaniechef übergeben.
Das Zentrum Bayern Familie und Soziales hat dem früheren Soldaten mit Gültigkeitsbeginn 1. Juli 2016 einen Schwerbehindertenausweis mit dem Grad der Behinderung „50“ ausgestellt, der unbefristet gültig ist.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2016, dem früheren Soldaten zugestellt am 24. Oktober 2016, stellte der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) für die Zeiten vom 11. bis 24. Juli 2016, vom 26. Juli bis 17. August 2016, vom 31. August bis 22. September 2016 sowie vom 28. September 13:30 Uhr bis einschließlich 10. Oktober 2016 den Verlust der Bezüge des früheren Soldaten fest. Als Begründung führte er an, dass jener in den genannten Zeiträumen ohne Genehmigung dem Dienst schuldhaft ferngeblieben sei.
Der frühere Soldat legte nach seiner Erinnerung dagegen keine Beschwerde ein.
Die Verfahrensweise bei Krankheit nach der Zentralrichtlinie (ZR) A2-2630/0-0-2 („Leben in der militärischen Gemeinschaft“) in der damals gültigen Version 1 (dort Nrn. 504 ff.) war dem früheren Soldaten bekannt. Der Standortarztbefehl für … enthielt keine abweichende Regelung i.S.d. Nr. 505 der ZR A2-2630/0-0-2.
Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass dem früheren Soldaten die Bedeutung seines (abwesenden) Verhaltens bewusst war und er dessen Auswirkungen wollte.
Er selbst hat die Abwesenheit „an den Tagen unter der Woche“ nicht bestritten. Sein offensichtlich als Entschuldigung vorgebrachter Hinweis auf seine „Krankheit psychischer und körperlicher Art“ kann ihn insoweit nicht entlasten, als jene Krankheit nach der nachvollziehbaren Darstellung des Sachverständigen Dr. U, der die Kammer gefolgt ist, nicht zur Schuldunfähigkeit des früheren Soldaten führte.
Die vom Sachverständigen als Hauptdiagnose festgestellte Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10: F 43.21) fällt zwar unter das Eingangsmerkmal „andere schwere seelische Abartigkeit“ i.S.d. § 20 StGB, hatte allerdings mit hohem Wahrscheinlichkeitsgrad („nahezu auszuschließen“) – eine genauere Angabe hielt der Sachverständige angesichts des Zeitablaufs bis zur Fertigung des Sachverständigengutachtens (im sachgleichen Strafverfahren) nicht mehr für möglich – keine rechtlich relevante Auswirkung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des früheren Soldaten. Die hinzutretende kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und paranoiden Zügen (ICD-10; F 61) war nach Bewertung des Sachverständigen kein „schwerwiegender Beitragsfaktor“. Für eine Schuldunfähigkeit hätten schwerste depressive Symptome vorliegen müssen. Diese Schwelle sei beim früheren Soldaten mit Sicherheit nicht überschritten gewesen. Er habe Verantwortung für seine Hunde und seine Wohnung gezeigt; er habe sich versorgen können. Er sei in der Lage gewesen, E-Mails zu beantworten und Termine wahrzunehmen.
Die Kammer sah keine Veranlassung, an dieser schlüssig vorgetragenen fachlichen Einschätzung zu zweifeln, auch nicht im Hinblick auf die fehlende absolute Gewissheit aus zeitlichen Gründen.
Auch wusste der frühere Soldat nach eigener Einlassung, dass eine Arbeits-/Dienstunfähigkeitsbescheinigung, die von einem Zivilarzt ausgestellt wurde, nicht allein zur dienstlichen Abwesenheit berechtigt, sondern eine Entscheidung des zuständigen Truppenarztes mit Umsetzung durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten erforderlich ist. Sein entschuldigendes Vorbringen, dass in der Praxis „justitiable Alternativen“ das Problem gewesen seien, vermögen nichts an seinem Wissen um die dienstrechtliche Irrelevanz solcher Bescheinigungen zu ändern.
Das Gleiche gilt für seinen Einwand, dass der Fürsorgeerlass (der Bundeswehr) hätte beachtet und die Vertrauensperson der Schwerbehinderten hätte eingebunden werden müssen.
Die Kammer sah im Hinblick auf ihre Aufklärungspflicht nach § 106 Abs. 1 WDO davon ab, allein die im Bescheid des Kompaniechefs X./Sanitätslehrregiment vom 20. Oktober 2016 auf § 9 BBesG gestützten – kurzen – tatsächlichen Feststellungen in Bezug auf das Vorliegen und den Zeitraum der unerlaubten Abwesenheit ohne ausführlichere Prüfung gemäß § 84 Abs. 2 WDO – also ohne weitere Erkenntnisse – ihrer Entscheidung zugrunde zu legen.
IV.
Der frühere Soldat hat durch das zu den Anschuldigungspunkten 1-3 festgestellte Verhalten ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
1. Er hat objektiv nachfolgende Pflichtentatbestände verletzt:
a) Dadurch, dass er in den angeschuldigten Zeiträumen 11. Juli 2016 – jedoch erst ab 13:30 Uhr, da ab dieser Uhrzeit eine Pflicht zur Wiederaufnahme des Dienstes bestand – bis einschließlich 17. August 2016, 31. August 2016 bis einschließlich 22. September 2016 sowie 28. September 2016 13:30 Uhr bis einschließlich 11. Oktober 2016 13:05 Uhr dem Dienst in seiner oder zumindest der nach dem Wiedereingliederungsversuch bestimmten Einheit (Regimentsstab) fernblieb, ohne hierfür eine Genehmigung seines Kompaniechefs gehabt zu haben, hat er gegen seine in § 7 SG normierte Pflicht zum treuen Dienen, und zwar in der Gestalt der Kernpflicht zur Dienstleistung, verstoßen.
Die Treuepflicht ist zudem in ihrer Ausprägung der Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, verletzt (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], z.B. Urteil vom 28. August 2014 – 2 WD 20.13 – Rn. 43). Gegen diese Loyalitätspflicht hat der frühere Soldat verstoßen, weil er durch das Fernbleiben und die Abwesenheit von der Einheit an jeweils mehr als drei vollen Kalendertagen tatmehrheitlich (§ 53 StGB) den Straftatbestand der eigenmächtigen Abwesenheit gemäß § 15 Abs. 1 des Wehrstrafgesetzes (WStG) verwirklichte. Dass er insoweit nicht strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurde, ist unerheblich.
Die Frage, ob die Tage, die grundsätzlich dienstfrei waren (also die Samstage und Sonntage am 16., 17., 23., 24., 30., 31. Juli 2016, am 6., 7., 13., 14. August 2016, am 3., 4., 10., 11., 17., 18. September und am 1., 2., 8., 9. Oktober 2016 sowie die in Bayern geltenden gesetzlichen Feiertage am 15. August [Mariä Himmelfahrt] und 3. Oktober 2016 [Tag der deutschen Einheit]), bei der dienstrechtlichen Betrachtung mitgerechnet werden dürfen, hat die Kammer bejaht, auch wenn wegen der anderen Anknüpfung im Wehrdisziplinarrecht als im Wehrstrafrecht (kein ausdrückliches Abstellen auf Kalendertage in der § 7 SG konkretisierenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich) und eines Analogieverbots zulasten eines angeschuldigten Soldaten Restzweifel blieben. Insoweit wäre eine höchstrichterliche Klärung durch den 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: Senat) über seine Andeutungen im Beschluss vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – Rn. 19 – hinaus aus Gründen der Rechtsklarheit wünschenswert.
Das Unerlaubtsein seiner Abwesenheit entfiel nicht dadurch, dass der frühere Soldat sich telefonisch oder vor Ort bei einem Arzt meldete oder eine bloße E-Mail an seinen Kompaniechef richtete, ohne dessen Reaktion abzuwarten. Denn eine rechtlich relevante Erlaubnis, in den vorgenannten Zeiträumen abwesend zu sein, lag nicht vor. Weder erteilte sie der Kompaniechef X./Sanitätslehrregiment als damaliger nächster Disziplinarvorgesetzter noch ein Truppenarzt mit dessen Einverständnis.
Die alleinige Zuständigkeit des nächsten Disziplinarvorgesetzten für die Erteilung von Befreiungen von der Dienstleistungspflicht ergibt sich in erster Linie aus dem System der Soldatenarbeitszeit, in dem der zuständige nächste Disziplinarvorgesetzte die regelmäßige tägliche Arbeitszeit festlegt (vgl. § 3 Satz 1 der seit 1. Januar 2016 geltenden Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten [Soldatenarbeitszeitverordnung – SAZV] i.V.m. Nr. 105 der Zentralen Dienstvorschrift [ZDv] A-1420/34 [„Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten“], 6 Abs. 1 Satz 1 SAZV) und damit auch für etwaige Befreiungen für einzelne Soldaten zuständig ist. Der nächste Disziplinarvorgesetzte ist verantwortlich für die Einsatzbereitschaft der ihm unterstellten Soldaten („ungeteilte Führungsverantwortung“), so dass er es auch in der Hand haben muss, über Dienstleistung und Befreiung davon zu entscheiden. Diese zeigt sich beispielsweise an seiner Zuständigkeit für die Urlaubsgewährung (vgl. § 14 der Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung i.V.m. Nr. 215 der ZDv A-1420/12 [„Ausführung der Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung“]). Nur mit seiner Zustimmung können militärärztliche Empfehlungen wie des zuständigen Truppenarztes, einen Soldaten „krank zu Hause“ zu schreiben, rechtlichen Einfluss auf die Dienstleistungspflicht haben. Truppenärzte oder sonstige Sanitätsoffiziere in kurativer Funktion geben lediglich Empfehlungen zur weiteren Verfahrensweise ab, die noch der abschließenden Umsetzung durch den zuständigen Disziplinarvorgesetzten bedürfen. Das kommt, wenn auch nicht in einer generellen Eindeutigkeit, zum Ausdruck in den Nrn. 504 ff. der damals geltenden Version 1 der Zentralrichtlinie (ZR) A2-2630/0-0-2 („Leben in der militärischen Gemeinschaft“), insbesondere in Nr. 510.
b) Der frühere Soldat hat, wie in Anschuldigungspunkt 2 eigenständig vorgeworfen (bestätigt durch den Wehrdisziplinaranwalt in der Hauptverhandlung), gegen seine Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 SG) verstoßen.
Er kam der – so zu qualifizierenden – Weisung des Leiters Sanitätsversorgungszentrum …, (damalig) Oberfeldarzt Dr. M, vom 18. August 2016, sich am 31. August 2016 im Sanitätsunterstützungszentrum KKK wiedervorzustellen, nicht nach. Jene stellt einen Befehl im Sinne des § 2 Nr. 2 WStG dar. Der vorgenannte Sanitätsstabsoffizier war jedenfalls Vorgesetzter des früheren Soldaten aufgrund § 1 Abs. 3 SG i.V.m. § 4 Abs. 3 der Vorgesetztenverordnung (VorgV); ob darüber hinaus auch ein Vorgesetztenverhältnis aufgrund besonderen Aufgabenbereichs nach § 3 VorgV im Hinblick auf das Arzt-Patienten-Verhältnis bestand, kann dahingestellt bleiben.
Es ist hier auch kein bloßer gesetzeswiederholender Befehl anzunehmen, der mangels eigenständigen Regelungsgehalts rechtlich irrelevant sein könnte. Denn der Inhalt der konkreten Weisung ist dermaßen individualisiert und abweichend von einer regulären Dienstzeitregelung – welcher der frühere Soldat aufgrund seiner geplanten Wiedereingliederung noch nicht unterlegen hätte -, dass dieser Ausnahmefall nicht gegeben ist.
c) Der frühere Soldat hat außerdem gegen seine Pflicht zur innerdienstlichen Achtungs- und Vertrauenswahrung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative SG verstoßen.
Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht – hier das Nichterfüllen der zentralen Dienstleistungspflicht, zudem in strafrechtlich relevanter Weise – enthält zugleich einen Verstoß gegen die vorgenannte Norm, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von den anderen Pflichtenverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Dies ist schon dann der Fall, wenn er Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (BVerwG, z.B. Urteil vom 28. August 2014 – 2 WD 20.13 – Rn. 45). Das ist bei einer langandauernden und außerdem wiederholten unerlaubten Abwesenheit wie hier offensichtlich der Fall. 2. Er handelte jeweils vorsätzlich und schuldhaft.
Bezüglich § 7 SG liegt Vorsatz vor, weil er wissentlich und willentlich der Einheit fernblieb und keinen Dienst leistete.
Nach Interpretation seiner Einlassung rechnete er selbst nicht damit, dass die von ihm für einen Teil des Abwesenheitszeitraums bemühten und in der Hauptverhandlung auch nicht vorgelegten (vermeintlichen) zivilen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eine rechtlich relevante Ausnahme von der Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht begründen könnten, ebenso wenig wie seine für bestimmte Tage in E-Mails an seinen damaligen Kompaniechef behauptete „Transportunfähigkeit“ (wohl gemeint: Reiseunfähigkeit). Daher kommt auch kein den Vorsatz berührender Tatbestandsirrtum in Bezug auf das Quasitatbestandsmerkmal „unerlaubt“ in Betracht. Außerdem kannte er aufgrund seiner Erfahrung als Offizier und der eindeutigen Pflichtenmahnungen seines damaligen Kompaniechefs den Umfang seiner Verpflichtungen und auch das Prozedere, wie bei Krankheitsfällen zu verfahren ist. Auch die Tatsache, dass er exakt für den Zeitraum der unerlaubten Abwesenheit im Nachhinein drei Anträge auf Erholungsurlaub stellte, zeigt, dass der frühere Soldat davon ausging, dass er in dem Zeitraum Dienst hatte und nicht bereits krankheitsbedingt entschuldigt war.
Mögliche Versäumnisse seitens der beteiligten Truppenärzte/Sanitätseinrichtungen auf organisatorischem Gebiet können den früheren Soldaten nicht von seinen Pflichtwidrigkeiten und das Wissen darum subjektiv entlasten.
Ein vorsatzausschließender Irrtum darüber, dass an den angeschuldigten und vom Urteil umfassten Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von einer Dienstleistungspflicht auszugehen war, wäre denkbar. Denn ein Soldat darf vor dem Hintergrund der Geltung der SAZV in deren Anwendungsbereich davon ausgehen, dass an den vorgenannten Tagesarten, an denen nicht ausnahmsweise ein besonderer Dienst angesetzt ist, kein Dienst und damit auch keine Dienstleistungspflicht besteht. Etwas anderes gälte nur, wenn von einer ständig bestehenden allgemeinen („potentiellen“) Dienstleistungspflicht auszugehen wäre, wie sie wohl der Wehrdisziplinaranwalt annahm.
Eine Klärung braucht hier jedoch nicht zu erfolgen, weil weder der frühere Soldat noch sein Pflichtverteidiger das Vorhandensein eines solchen Irrtums behaupteten.
Hinsichtlich § 11 Abs. 1 SG ist von zumindest bedingtem Vorsatz auszugehen, da aus den Umständen – insbesondere dem Nichterscheinen am Tag des Vorstellungstermins – zu schließen ist, dass dem früheren Soldaten eine Befehlsbefolgung egal war und er sich damit abfand.
Bezüglich der Pflicht zur innerdienstlichen Achtungs- und Vertrauenswahrung liegt ebenfalls zumindest bedingter Vorsatz vor, da der frühere Soldat es für möglich hielt und es billigend in Kauf nahm, dass durch sein langes Fernbleiben von seiner Einheit sein dienstliches Ansehen bei Vorgesetzten, Gleichgestellten und Untergebenen gemindert werden könnte.
Eine Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) schloss die Kammer aus den bereits oben unter III. genannten Gründen aus.
V.
1. Bei Art und Maß der verwirkten Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen sehr schwer.
Der Schwerpunkt der Verfehlung liegt in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen aus § 7 SG in Gestalt der allgemeinen Dienstleistungspflicht.
Die Treueplicht gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten, deren Verletzung von erheblicher Bedeutung ist. Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens folgt daraus, dass der frühere Soldat nicht nur gegen seine soldatische Pflicht zur Dienstleistung, sondern auch gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, in erheblichem Umfang verstoßen und kriminelles Unrecht im Sinne von § 15 Abs. 1 WStG begangen hat. Ein Soldat, welcher der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung (vgl. BVerwG, z.B. Urteil vom 19. Mai 2015 – 2 WD 13.14 – Rn. 25). Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (BVerwG, z.B. Urteil vom 19. Mai 2015 – 2 WD 13.14 – Rn. 27).
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden ferner dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat damals aufgrund seines Dienstgrades als Oberleutnant in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter, zumal ein Offizier, in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (BVerwG, z.B. Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 WD 2.10 – Rn. 30).
Das Dienstvergehen hatte abstrakt große nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn, da der frühere Soldat während der langen Zeiten der unerlaubten Abwesenheit nicht zur Dienstleistung zur Verfügung stand. Konkret waren die Folgen jedoch eher gering, da er erst wiedereingegliedert werden sollte und schon länger nicht mehr die auf seinem originären, faktisch nicht mehr existierenden Dienstposten als Zugführeroffizier anfallenden Aufgaben, sondern stattdessen vereinzelt Kompanieaufgaben wahrnahm. Die Einheit hatte sich auf seine langen Fehlzeiten schon eingestellt.
Zu seinen Lasten ist zu berücksichtigen, dass er zunächst weiteralimentiert wurde, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Erst mit tatsächlicher Rückforderung des – nicht bezifferten – Betrages, der durch – bestandskräftigen – Bescheid des Kompaniechefs X./Sanitätslehrregiment zur Feststellung des Verlusts von Dienstbezügen gemäß § 9 BBesG festgesetzt wurde, änderte sich das.
Die Beweggründe des früheren Soldaten waren eigennützig, weil er letztlich private Belange über die Erfüllung von Dienstpflichten stellte. Gleichwohl ist dabei seine ihn belastende Krankheit zu berücksichtigen.
Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des früheren Soldaten bestimmt.
Bezüglich der verbliebenen Anschuldigungspunkte 1-3 ist die Kammer nach den – bereits oben angeführten – stimmigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. U in der Hauptverhandlung davon ausgegangen, dass die Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) des früheren Soldaten mit hoher Wahrscheinlichkeit lediglich an einigen, nicht mehr näher bestimmbaren Tagen erheblich vermindert war und nicht im gesamten angeschuldigten Zeitraum. Die Anpassungsstörung des früheren Soldaten sei (nur) „fluktuierend“ gewesen.
Dies hatte nur eine geringfügige Maßnahmemilderung zur Folge, die jedenfalls nicht dazu führte, von der Höchstmaßnahme abzugehen.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die seine Schuld mindern könnten, sind nicht gegeben.
Sie liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dann vor, wenn die Situation, in welcher der (frühere) Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte (vgl. z.B. Urteil vom 25. Oktober 2018 – 2 WD 8.18 – Rn. 31). Dazu hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung verschiedene – nicht abschließende – Fallgruppen entwickelt.
Ein Handeln des früheren Soldaten in einer seelischen Ausnahmesituation (dazu BVerwG, z.B. Urteil vom 8. Februar 2018 – 2 WD 9.17 – Rn. 28), die hier am ehesten in Betracht kommt, ist für den angeschuldigten Gesamtzeitraum zu verneinen. Diese Ausnahmesituation setzt eine Zuspitzung von Belastungsfaktoren voraus, die außergewöhnliche Besonderheiten der Situation begründen, in welcher der (frühere) Soldat versagt hatte.
Der Sachverständige Dr. U äußerte sich, vom Vorsitzenden zu diesem „juristischen Ansatz“ um eine Einschätzung aus seiner fachlichen Sicht gebeten, insoweit, als er davon ausging, dass der frühere Soldat nicht ständig in einer seelischen Ausnahmesituation gewesen sei, teilweise wohl durchaus. Außerdem ist zu beachten, dass das Abfassen von zahlreichen Schreiben während des angeschuldigten Zeitraums seitens des früheren Soldaten, die allesamt klar formuliert und durchdacht waren, als Anzeichen einer fehlenden seelischen Ausnahmesituation gewertet werden kann.
Eine nähere Auseinandersetzung damit kann aber unterbleiben, da dieser Milderungsgrund hier nur auf die identischen Umstände gestützt werden könnte, die bereits bei der oben behandelten Frage der verminderten Schuldfähigkeit relevant gewesen sind, und eine doppelte Berücksichtigung in einem derartigen Fall nach Ansicht des Senats (vgl. Urteil vom 27. März 2017 – 2 WD 11.16 – Rn. 118) nicht zulässig ist. Jedenfalls wäre auch hier nicht der gesamte angeschuldigte Zeitraum betroffen, so dass der Milderungsgrund der seelischen Ausnahmesituation im vorliegenden Fall kein höheres Gewicht hätte.
Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sprechen zu seinen Gunsten ebenso die vier förmlichen Anerkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung und die gewährte Leistungsprämie wie das gute Beurteilungsbild mit einem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 7,40 in der letzten planmäßigen Beurteilung aus Ende 2014.
2. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist nach der gefestigten Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts von einem zweistufigen Prüfungsschema auszugehen (z.B. Urteil vom 3. August 2016 – 2 WD 20.15 – Rn. 44). a) Auf der ersten Stufe ist zunächst im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägung“ zu bestimmen.
Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts in Fällen des vorsätzlichen eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad, Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist das Dienstvergehen so schwerwiegend, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (BVerwG, z.B. Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – Rn. 32).
Allein die zweifache Wiederholung der unerlaubten Abwesenheit lässt hier die Höchstmaßnahme als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen einschlägig sein.
b) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, welche die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen.
Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet. Letzteres ist bei der Höchstmaßnahme nicht der Fall.
Für einen höheren Schweregrad des Dienstvergehens spricht die besondere Dauer des sich auf knapp 80 Tage erstreckenden Fernbleibens, womit es sich deutlich jenseits des dem damaligen Soldaten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung i.V.m. § 5 Abs. 1 der Erholungsurlaubsverordnung jährlich zustehenden Urlaubszeitraums von 30 Tagen bewegte, an den der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Frage einer langen Dauer (wohl noch) anknüpft (z.B. Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – Rn. 34). Methodisch stimmiger erschiene es allerdings – bei nahezu demselben „zeitlichen Ergebnis“ -, auf den in § 16 Abs. 3 WStG genannten, sachlich näheren Monatszeitraum im Rahmen einer Strafmilderung bei tätiger Reue abzustellen. Dies zum Zweck der Abgrenzung, ab wann von einer längeren Dauer der unerlaubten Abwesenheit auszugehen ist. Denn dort gibt der Gesetzgeber selbst seine zeitliche Einschätzung darüber ab, bis wann bei einer gezeigten Reue noch eine Strafmilderung in Betracht kommen soll. Er sieht jedenfalls mit Überschreiten der Einmonatsgrenze eine andere, gewichtigere Dimension.
Die für die Art und Höhe der verhängten Disziplinarmaßnahme an sich bedeutsame Frage, ob hier wegen Anhängigkeit des Verfahrens von knapp zwei Jahren bei Gericht bereits eine überlange Verfahrensdauer maßnahmemildernd einzustellen gewesen wäre, hat die Kammer aufgrund der eindeutigen gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung (z.B. BVerwG, z.B. Urteil vom 16. Juni 2016 – 2 WD 2.16 – Rn. 49 ff.) unbeantwortet gelassen. Denn nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts kommt es darauf nicht an, wenn – wie hier – die Höchstmaßnahme als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen im Raum steht.
Das erscheint jedoch vor dem Hintergrund der „universalen“ Geltung des im Verfassungsrecht (Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) begründeten und damit an oberster Stelle in der nationalen Normenhierarchie – also oberhalb des Wehrrechts, soweit aus diesem nicht ausnahmsweise Grundsätze im Verfassungsrang entnommen werden (wie die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte) – stehenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, aus dem der Einwand einer überlangen Verfahrensdauer (vornehmlich) abgeleitet wird, hinterfragenswert.
In Abwägung aller be- und entlastenden Umstände hat die Kammer trotz vereinzelter Gesichtspunkte, die für den früheren Soldaten sprechen, die Verhängung der Höchstmaßnahme – hier die Aberkennung des Ruhegehaltes (§ 65 WDO) – für erforderlich gehalten, um der Schwere seines Fehlverhaltens gerecht zu werden und den hier zudem bedeutsamen generalpräventiven Aspekten Rechnung zu tragen.
Ein früherer Offizier, der wiederholt und insgesamt über einen langen Zeitraum seiner Kernpflicht zur Dienstleistung und Anwesenheit nicht nachkommt, ist auch als ausgeschiedener Soldat nicht mehr tragbar. Denn es fehlt an der für die Fortsetzung eines gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses notwendigen Vertrauensgrundlage. Würde der frühere Soldat sich noch im aktiven Dienst befinden, wäre er aus diesem zu entfernen, weil keine Grundlage für Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Integrität mehr besteht (§ 65 Abs. 1 Satz 2 WDO).
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 138 Abs. 1 Satz 1, 140 Abs. 2 Satz 1 WDO.
Nach § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WDO sind die Kosten des Verfahrens dem (früheren) Soldaten aufzuerlegen, wenn er verurteilt wird.
Bei Unbilligkeit besteht aber die Möglichkeit, die Kosten und notwendigen Auslagen teilweise oder ganz dem Bund aufzuerlegen (§§ 138 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, 140 Abs. 2 Satz 1 WDO). Davon wurde hier im Verhältnis drei Viertel (zulasten des früheren Soldaten) zu einem Viertel Gebrauch gemacht, da ein Anschuldigungspunkt ausgeklammert wurde.