Verwaltungsrecht

Konkurrentenstreitverfahren – Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden Richters

Aktenzeichen  3 CE 20.2092

Datum:
18.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36166
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S 6, § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3
LlbG Art. 16 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, Art. 58 Abs. 4, Art. 60 Abs. 2
BayRiStAG Art. 2 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 6 S. 1 Nr. 1, S. 2, S. 3, S. 4

 

Leitsatz

1. Im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens (vgl. Art. 2 Abs. 1 BayRiStAG i.V.m. Art. 60 Abs. 2 LlbG) können die einer Beurteilung anhaftenden Mängel wie z.B. die Voreingenommenheit des Erstbeurteilers geheilt werden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein spezielles Anforderungsprofil für die Stelle einer Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht besteht in Bayern nicht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 20.896 2020-08-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 26.337,93 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht, auf dessen Darstellung des Sachverhalts in dem angefochtenen Beschluss vom 18. August 2020 verwiesen wird, hat den Antrag,
dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, die Stelle eines Vorsitzenden Richters/einer Vorsitzenden Richterin beim Finanzgericht München mit der Beigeladenen zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden wurde,
zu Recht abgelehnt.
1. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die von ihr vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin nach Art. 33 Abs. 2 GG wird durch die vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung (Auswahlvermerk v. 30.12.2019), die ausgeschriebene Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen, nicht verletzt. Der Antragsgegner hat – ausgehend von einem Gleichstand in der Gesamtpunktzahl (jeweils 15 Punkte) – in ausreichendem Maße Anhaltspunkte dafür gewonnen und im Auswahlvermerk dargestellt, dass die hier vorgenommene Binnendifferenzierung der Beurteilungen nach Art. 16 Abs. 2 Satz 1 LlbG, nach der die Beigeladene als leistungsstärkere Bewerberin einzuschätzen ist, nicht beanstandet werden kann. Sie bewegt sich vielmehr im rechtlich vorgegebenen Rahmen. Das Verwaltungsgericht ist dieser Einschätzung mit überzeugender Begründung gefolgt. Die Antragstellerin beanstandet an dem Beschluss vom 18. September 2020 im Einzelnen:
1.1 Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine etwaige Voreingenommenheit des Erstbeurteilers habe sich nicht auf die Beurteilung auswirken können, weil das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat (Staatsministerium) im Überprüfungsverfahren eine neue, eigene Anlassbeurteilung erstellt habe, könne nicht gefolgt werden. Die erste Anlassbeurteilung sei auch nicht durch die neue Ermessensausübung des Staatsministeriums „geheilt“ oder „ersetzt“ worden. Zwar sei das Gesamtprädikat von 13 auf 15 Punkte angehoben, jedoch die „von der deutlichen Voreingenommenheit des Erstbeurteilers“ getragenen Formulierungen der Einzelmerkmale nicht wesentlich geändert und nicht dem Gesamtprädikat angepasst worden. Auch die marginalen Ergänzungen der Einzelmerkmale machten den Sprung auf 15 Punkte „nicht nachvollziehbar“. Sie entsprächen nahezu vollständig der ursprünglichen Beurteilung, die „nach der Auffassung des Erstbeurteilers“ ein Prädikat von 13 Punkten begründen sollten.
Entgegen der Annahme der Antragstellerin führt die nach Durchführung des Überprüfungsverfahrens (vgl. Art. 2 Abs. 1 BayRiStAG i.V.m. Art. 60 Abs. 2 LlbG), dessen Gegenstand ihre Einwendungen gegen die erste Beurteilung – insbesondere der Vorwurf der Voreingenommenheit des Erstbeurteilers – waren, erfolgte Anhebung des Gesamturteils auf 15 Punkte bei gleichzeitiger Anpassung der verbalen Beschreibungen in neun Einzelmerkmalen (zum Überprüfungsverfahren dienstlicher Beurteilungen: Conrad in Weiß/Niedermeier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: August 2020, Art. 60 LlbG Rn. 13-15) dazu, dass die der ersten Anlassbeurteilung vom 27. August 2019 anhaftenden Mängel geheilt sind. Diesem Zweck diente das Überprüfungsverfahren, dem es auch gerecht geworden ist. Das zuständige Staatsministerium hat als vorgesetzte Dienstbehörde die geltend gemachten Einwendungen, darunter die behauptete Voreingenommenheit des Erstbeurteilers, nach Abhaltung einer umfangreichen Besprechung am 27. November 2019 überprüft und festgestellt, dass das Gesamturteil von 13 Punkten keine angemessene Bewertung darstelle; es hat starke Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Beurteilers geäußert und daraus die notwendigen Konsequenzen zugunsten der Antragstellerin gezogen. Damit hat das Staatsministerium von seiner auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden eigenen Befugnis, eine vorangegangene Beurteilung aufzuheben, zu ändern oder selbst zu erstellen, Gebrauch gemacht (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 7.6.1984 – 2 C 52.82 – juris Rn. 25). In der vorliegenden Situation, in der die Erstbeurteilung im Gesamturteil und in einer ganzen Reihe von Einzelfeststellungen abgeändert wurde, ist nicht ersichtlich, dass eine Voreingenommenheit des Erstbeurteilers nach Durchführung des (aus Sicht der Antragstellerin erfolgreichen) Überprüfungsverfahrens fortwirkt. Die gegenteilige Behauptung der Antragstellerin, auch die korrigierte Beurteilung sei von der „deutlichen Voreingenommenheit des Erstbeurteilers“ im Hinblick auf die „nahezu vollständig identischen“ Formulierungen getragen, trifft nicht zu.
Der Beschwerdevortrag der Antragstellerin übersieht insbesondere, dass die nun maßgebliche (aktuelle) Anlassbeurteilung nicht nur im Gesamtprädikat um zwei Punkte angehoben, sondern auch in nicht weniger als neun Einzelmerkmalen in den konkreten Formulierungen zu Gunsten der Antragstellerin abgeändert wurde. Auch wenn die verbalen Umschreibungen zum Teil nur als marginale Verbesserungen erscheinen mögen, sind sie doch geeignet, die Aufbesserung der Gesamtpunktzahl um zwei Punkte zu tragen und damit den Vorwurf zu entkräften, die konkreten Formulierungen seien nicht ausreichend, um die Erhöhung der Gesamtpunktzahl zu rechtfertigen. Die neun Änderungen auf den zwei Seiten der „verbalen Umschreibung“ werden übersichtlich in der Erwiderungsschrift des Beklagten vom 13. Oktober 2020 (S. 2, 3) dargestellt; hierauf bezieht sich der Senat. Als zentral ist die Änderung bei der Beurteilung der fachlichen Leistung anzusehen. Während es im Erstentwurf noch hieß, die Antragstellerin habe „ihre Fälle…i.d.R. auf einem hohen fachlichen Niveau“ erledigt, entfiel der einschränkende Zusatz „i.d.R.“ in der geänderten Fassung der Anlassbeurteilung. Dass hiermit eine wesentlich positivere Beschreibung ihrer Leistung verbunden ist, bedarf keiner näheren Erläuterung. Des Weiteren wurde ein Hinweis auf die leicht überdurchschnittlichen Erledigungszahlen der Antragstellerin in die Beurteilung eingefügt, auf ihre hohe soziale Kompetenz hingewiesen und ihre „sehr hohe“ Wertschätzung im Kollegenkreis anerkannt, welche sich auch in ihrer Wahl in den Präsidialrat gezeigt habe. Auch wenn jede dieser und der weiteren Änderungen in der textlichen Beschreibung der Einzelmerkmale isoliert betrachtet nur auf Kleinigkeiten abzielen mag, sind sie im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung durchaus von Gewicht, zumal nicht übersehen werden darf, dass im zweistelligen Bereich der Gesamtnote – erst recht ab 13 Punkten – bereits kleinste „verbale Verbesserungen“ zu einem Punktesprung führen können, der sich im einstelligen Bereich in einer vergleichbaren Situation noch nicht rechtfertigen ließe.
Die (neun) verbalen Änderungen spiegeln im Übrigen das Ergebnis der im Rahmen des Einwendungsverfahrens unter Führung des zuständigen Staatsministeriums durchgeführten Besprechung vom 21. November 2019 wider, zu dem sich neben dem Vizepräsidenten und dem ehemaligen Präsidenten des Finanzgerichts sämtliche im Verfahren in Form von Beurteilungsbeiträgen mitwirkenden Vorsitzenden Richter und Richterinnen des Finanzgerichts zusammengefunden haben. Das Ergebnis wurde vom Beurteiler im Einwendungsverfahren zum Anlass genommen, „eine Reihe von Einzelformulierungen der vorangegangenen Anlassbeurteilung nach oben anzupassen“, weil sich die vom Erstbeurteiler gewählte Beschreibung nicht mit dem sich aus der Diskussion ergebenden Bild deckten (vgl. Vermerk des BayStFH v. 26.11.2019, S. 2). Damit wurde den Einwendungen der Antragstellerin im Überprüfungsverfahren hinsichtlich ihrer Anlassbeurteilung weitgehend Rechnung getragen, ohne damit die anschließend zu treffende Auswahlentscheidung unter vier Konkurrenten vorwegzunehmen.
Dass die Beigeladene im Auswahlvermerk vom 30. Dezember 2019 trotz der dargestellten wesentlichen Verbesserung der Beurteilung der Antragstellerin bei gleicher Gesamtpunktzahl (weiterhin) als leistungsstärkste Bewerberin und – in der Reihung unmittelbar vor der Antragstellerin liegend – ausgewählt wurde, vermag demnach den Vorwurf der „fortwirkenden“ Voreingenommenheit des Erstbeurteilers nicht zu begründen.
1.2 Auch sonst ist die Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden, insbesondere nicht im Hinblick auf den Vortrag der Antragstellerin, ihre Gesamtpunktzahl sei zwar auf 15 angehoben, dieser Punktwert zugleich aber im Rahmen einer ergänzenden Bemerkung mit „an der unteren Grenze“ liegend bezeichnet worden; diese Bemerkung („untere Grenze“) habe sich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sehr wohl auf das Beurteilungsermessen ausgeübt und es unzulässig eingeschränkt. Der Zusatz mache deutlich, dass schon mit der erneuten Anlassbeurteilung der Antragstellerin ihrer Konkurrentin der Vorzug habe eingeräumt werden sollen, obwohl die Auswahlentscheidung nicht Gegenstand der Anlassbeurteilung sei, sondern ihr nachfolgen müsse.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Zusatz „untere Grenze“ als verbale Abstufung im ausdifferenzierten System der Punktebewertung für unzulässig gehalten und daher bei der Auswahlentscheidung „hinweggedacht“. In der Konsequenz ist es (zugunsten der Antragstellerin) von einem Punktegleichstand zwischen ihr und der Beigeladenen ausgegangen, der erforderlich mache, die in den dienstlichen Beurteilungen aufgeführten Einzelmerkmale heranzuziehen, gegenüberzustellen und im Wege der Binnendifferenzierung den nach dem Leistungsgrundsatz am besten geeigneten Bewerber zu ermitteln (Art. 16 Abs. 1, 2 Satz 1, Abs. 3 LlbG). Obwohl der unzulässige verbale Zusatz („untere Grenze“) im Auswahlvermerk vom 30. Dezember 2019 (S. 5) nachrichtlich erwähnt wird, geht auch der Antragsgegner von einem Gleichstand der Bewerberinnen nach Punkten aus; die Auswahlentscheidung fällt auf der Grundlage der gebotenen Binnendifferenzierung der Anlassbeurteilungen der (drei gesamtpunktgleichen) Bewerber und begründet eingehend, warum die Beigeladene als die leistungsstärkste, gegenüber der Antragstellerin jedoch nur „leicht leistungsstärkere“ Bewerberin (vgl. dort S. 8) eingeschätzt wird.
Der Auffassung der Antragstellerin, infolge des durch den Zusatz „eingeschränkten“ Werts ihrer Gesamtpunktzahl sei die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen in unzulässiger Weise quasi vorweggenommen worden, ohne dass die vom Verwaltungsgericht festgestellte Rechtswidrigkeit dieses Zusatzes hieran etwas geändert habe, trifft nicht zu. Aus der im Auswahlvermerk in nachvollziehbarer Weise vorgenommenen Binnendifferenzierung („Ausschärfung“) ergibt sich auch dann, wenn man den zum Nachteil der Antragstellerin angeführten (unzulässigen) Zusatz hinwegdenkt, weshalb der Antragsgegner die Beigeladene als vorzugswürdig ansieht. Eine unzulässige Einschränkung des Beurteilungsermessens vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Beschwerdevortrag zeigt im Übrigen nicht auf, bei welchen konkreten Einzelmerkmalen der Beigeladenen ohne ausreichende Plausibilisierung ein Vorsprung eingeräumt worden sein sollte, der richtigerweise der Antragstellerin hätte zuerkannt werden müssen (vgl. a. UA Rn. 37)
1.3 Auch der weitere Vortrag, das Verwaltungsgericht (UA Rn. 35, 36) nehme zu Unrecht an, angesichts des feststehenden Leistungsvorsprungs komme es auf das Anforderungsprofil für die Stelle eines Vorsitzenden Richters nicht mehr entscheidungserheblich an, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass bei einer „ordentlichen Formulierung der Einzelmerkmale in der Anlassbeurteilung“ die Antragstellerin unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils im Rahmen der Binnendifferenzierung den nur leichten Rückstand zur Beigeladenen kompensieren könne. Der Antragsgegner habe (ausweislich Bl. 474 der Stellenbesetzungs-Akte) von einem Anforderungsprofil gesprochen, das im Weiteren bei der Binnendifferenzierung nicht nachvollzogen werden könne. Das Verwaltungsgericht gehe etwa davon aus, dass die Beigeladene eine höhere Einsatzbereitschaft im Hinblick auf die Übernahme von Fällen zeige, während im Überprüfungsverfahren in der Besprechung am 21. November 2019 insoweit ein Gleichstand festgehalten worden sei.
Ein spezielles Anforderungsprofil für die Stelle einer Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht besteht nicht. Ein solches ergibt sich weder aus der Gemeinsamen Bekanntmachung vom 26. März 2015 (JMBl S. 18; GemBek) zur Beurteilung u.a. der Richter/-innen noch aus der Bekanntmachung zur dienstlichen Beurteilung der Richter/-innen an den Finanzgerichten vom 12. August 2015(FMBl S. 151; BeurtFGBek). Es bedarf auch keines vom Dienstherrn festgelegten Anforderungsprofils, weil sich die Anforderungsmerkmale ohne weiteres aus dem angestrebten Statusamt selbst ergeben (vgl. etwa zur Stelle eines Vorsitzenden Richters am Bundespatentgericht BayVGH, B.v. 18.2.2005 – 15 CE 04.3030 – juris Rn. 14; für die Stelle des Vizepräsidenten eines Verwaltungsgerichts BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – juris Rn. 32, 34, 43).
Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass die Entscheidung im maßgeblichen Auswahlvermerk, welchen Merkmalen im Rahmen der Binnendifferenzierung für die Prognose über die beste Eignung für das angestrebte Amt besonderes Gewicht zukommen soll, sachgerecht getroffen wurde. Es gelten die sich aus den beiden Bekanntmachungen für alle bayerischen Richter allgemein ergebenden Anforderungen. In diesem Zusammenhang weist das Verwaltungsgericht (UA Rn. 36) insbesondere auf in den Nummern 3.1 sowie 3.2 GemBek („Fachliche Leistung“ und „Eignung und Befähigung“) benannten Einzelmerkmale hin. Die Auswahlentscheidung orientiert sich insbesondere an den Ziffern 3.1.3 (Sitzungsvorbereitung und Verhandlungsführung), 3.1.5 (Agieren in Verhandlungssituationen), 3.1.7 (effektive Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen), 3.2.1 (amtsangemessenes Verhalten im Umgang mit Menschen), 3.2.3 Urteilsfähigkeit und Entschlusskraft) sowie 3.2.8 (juristische Kenntnisse). Die von der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage nach dem – als nicht nachvollziehbar bezeichneten – Zusammenhang zwischen den herangezogenen Beurteilungskriterien und dem im Auswahlvermerk vom 30. Dezember 2019 (S. 4, Bl. 474) genannten allgemeinen Anforderungsprofil stellt sich nicht.
Soweit die Antragstellerin die Festlegung des Einzelmerkmals „Einsatzbereitschaft“ im Auswahlvermerk (Bl. 476) als unrichtig moniert, ist dem entgegenzuhalten, dass im Anhang zum Auswahlvermerk lediglich festgehalten wurde, dass für ihre Person keine Aussage zur „Übernahme von zusätzlichen Fällen“ getroffen habe werden können, weil hierzu – anders als bei den beiden Konkurrenten – „keine Gelegenheit“ für die Antragstellerin bestanden habe. Damit wird jedoch kein negatives Urteil über ihre (allgemeine) Einsatzbereitschaft ausgesprochen, zumal diese Begrifflichkeit weder im Auswahlvermerk noch im Protokoll der Besprechung vom 27. November 2019 (vgl. dort S. 7) angesprochen wird. In der Besprechung ging es vielmehr um die „Bereitschaft zur Erbringung von Zusatzarbeiten“, die bei allen Konkurrenten als „gleichermaßen“ ausgeprägt angesehen wurde; in diesem Zusammenhang wurde das Engagement der Antragstellerin im Präsidialrat hervorgehoben. Dies zeigt bereits, dass das Merkmal der Einsatzbereitschaft weit über die Bereitschaft hinausgeht, zusätzliche Fälle aus dienstlichen Gründen, etwa zur Entlastung von Kollegen, zu übernehmen.
1.4 Es sei weiter nicht ausreichend zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin hinsichtlich ihrer Eignungen für eine Stelle als Vorsitzender Richter differenziert worden. Aus der Beurteilung der Antragstellerin ergebe sich, dass sie die kommissarische Vertretung eines Senatsvorsitzenden „sehr gut“ erledigt habe; die Beigeladene habe eine solche mit Führungsaufgaben verbundene Tätigkeit ausweislich ihrer Beurteilung nicht ausgeübt. Es fehle eine Dokumentation, inwieweit die im Auswahlvermerk vom 30. Dezember 2019 (S. 4, 3.2) genannten Kriterien auch berücksichtigt worden seien.
Der Vorsprung der Beigeladenen ergibt sich aus einem Vergleich des Wortlauts beider Beurteilungen im Rahmen der vorgenommenen Binnendifferenzierung; diese Gegenüberstellung ist als Anhang Bestandteil des Auswahlvermerks (Bl. 486 ff). Hieraus folgt, dass die im einzelnen festgestellten Kriterien sehr wohl in die Entscheidung eingeflossen sind; einer darüberhinausgehenden Dokumentation bedurfte es nicht. Zu Recht weist im Übrigen der Antragsgegner darauf hin, dass die Antragstellerin nicht als kommissarische, sondern als (regulär) stellvertretende Senatsvorsitzende tätig war, und dieser Umstand im Auswahlvermerk berücksichtigt wurde (Bl. 476 d.A.).
1.5 Die Antragstellerin beanstandet schließlich, in ihrer Beurteilung werde zwar ihre Eignung zur Vorsitzenden Richterin an sich festgestellt, aber keine zusammenfassende Darstellung im Sinn von Art. 58 Abs. 4 LlbG sowie Ziffer 3.5 der Gemeinsamen Bekanntmachung vom 26. März 2015 anhand des für die Stelle einer Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht vorhandenen Anforderungsprofils gegeben. Die fehlende Darstellung der Verwendungseignung könne nach der Rechtsprechung nicht nachträglich ergänzt oder plausibilisiert werden.
Auch mit diesem Vertrag vermag sie ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der in Bezug genommene Art. 58 Abs. 4 LlbG betrifft ausschließlich die periodische Beurteilung nach Art. 56 (Zängl in Weiß/Niedermeier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: August 2020, Art. 58 LlbG Rn. 32). Im vorliegenden Fall geht es jedoch um eine Anlassbeurteilung, deren Erstellung als Ausnahme jeweils einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Auch Ziffer 3.5 GemBek ist auf den Regelfall der periodischen Beurteilung zugeschnitten, bei deren Erstellung nicht feststeht, auf welche Ämter sich der Beamte künftig noch bewerben wird. Hieraus rechtfertigt sich die Notwendigkeit einer fundierten Aussage über die Verwendung in sämtlichen potentiell in Betracht kommenden Ämtern. Wird jedoch im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens für ein ganz bestimmtes Amt eine Anlassbeurteilung erstellt (hier gemäß Nr. 2.2 BeurtFGBek), soll diese Aufschluss über die Eignung des Bewerbers gerade für die ausgeschriebene Stelle geben. Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass sich in diesem Fall die abschließende Aussage über die Verwendungseignung ausschließlich auf die konkrete Bewerbung bezieht und nicht darüberhinaus geht.
1.6 Der Senat hat auch die weiteren Argumente der Antragstellerin, die diese in der Beschwerdeschrift vom 18. September und in der Replik vom 29. Oktober 2020 vorgebracht hat, erwogen. Sie sind jedoch ebenfalls nicht geeignet, zu einer Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu führen, ohne dass es insoweit im vorliegenden Beschluss einer ausdrücklichen Auseinandersetzung bedurft hätte.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, wenn sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Der Streitwert beträgt ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des von der Antragstellerin angestrebten Amtes (R 3) mit Ausnahme von nicht ruhegehaltfähigen Zulagen, wobei auch die jährliche Sonderzahlung (Art. 82 ff. BayBesG) Berücksichtigung findet (BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 3 CE 19.1896 – juris Rn. 32). Danach entspricht der Streitwert für das Beschwerdeverfahren demjenigen des Erstverfahrens (vgl. BA S. 18, 6.) und beträgt daher auch für das Beschwerdeverfahren 26.337,93 Euro.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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