Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “RoboColumn® (Wort-Bild-Marke)” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  27 W (pat) 149/09

Datum:
12.10.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 305 60 840.1
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 12. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richterin Werner am Landgericht und Richter Kruppa
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Februar 2009 wird aufgehoben.

Gründe

I
1
Die am 13. Oktober 2005 für die Waren und Dienstleistungen
2
„Chromatographiegeräte für Laborzwecke, Dienstleistungen von chemischen Labors“
3
angemeldete farbige (schwarz, mintgrün) Wort-/Bildmarke
4
ist von der mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzten Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 10. Februar 2009 wegen eines Freihaltungsbedürfnisses und fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden.
5
Der Gesamtbegriff „RoboColumn“ gebe den Hinweis auf ein der Chromatographie dienendes, in der Art einer Säule gehaltenes Gerät, das mit Hilfe einer robotischen Vorrichtung automatisch arbeite. Das Anmeldezeichen werde bereits zur Beschreibung entsprechender säulenchromatographischer Vorrichtungen verwendet.
6
Die „Gestaltung“ des Anmeldezeichens könne das extrem hohe Freihaltungsbedürfnis an der existierenden Fachbezeichnung nicht überwinden. Die „Gestaltung“ beschränke sich auf eine werbeübliche, unauffällige Gestaltung der Bestandteile, die die Bildung des Gesamtbegriffs aus den Einzelbestandteilen „Robo“ und „Column“ sogar noch verdeutliche.
7
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
8
den Beschluss der Markenstelle vom 10. Februar 2009 aufzuheben.
9
Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin die Auffassung, der Gesamtbegriff sei unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Grundsätzlich sei das wissenschaftlich-technische Gebiet der Chromatographie nicht durch besondere farbliche Gestaltungen geprägt oder gekennzeichnet, so dass die angesprochenen Verkehrskreise – in der Regel Fachleute aus dem Bereich der Biochemie und Biotechnologie – durchaus einen Herkunftshinweis in der farblichen Ausgestaltung sehen könnten.
10
Wie sich aus Wörterbüchern und auch dem Duden ergebe, sei „Robo“ kein Kürzel für „Roboter“. Der Gesamtbegriff „Roboter in Säulenform“ sei im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen unverständlich, wenn nicht gar sinnlos. Es handle sich um eine rein linguistische, inhaltlich sinnfreie Auslegung des angemeldeten Zeichens ohne jeden Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen.
11
Chromatographie bezeichne ein Verfahren, das die Auftrennung eines Stoffgemisches durch unterschiedliche Verteilung seiner Einzelbestandteile zwischen einer stationären und einer mobilen Phase erlaube. Dieses Verfahren habe verschiedene Phasen, in welchen auch der Begriff „Säule“, nämlich in Form von Säulenchromatographie, von Bedeutung sei. Keinesfalls könne aber ein Begriff „Robo“ in Form von „Roboter“ in dieses Verfahren integriert und ein Zusammenhang zwischen Marke und Produkt hergestellt werden.
12
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung, in der die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft hat sowie nach dem Übergang ins schriftliche Verfahren, hat die Anmelderin das Waren-/ und Dienstleistungsverzeichnis mit Schriftsatz vom 15. Juli 2010 wie folgt beschränkt:
13
„Handbetätigte Chromatographiegeräte, nämlich handbetätigte Chromatographiesäulen für Laborzwecke; Dienstleistungen von chemischen Labors, nämlich händisches Befüllen von Chromatographiesäulen und händische Durchführung von chromatographischen Dienstleistungen mittels Chromatographiesäulen“.
II
14
Dass die Markenstelle der Anmelderin vor dem Erlass des angegriffenen Beschlusses keine Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem von ihr ermittelten Zeitungsartikel eingeräumt hat, hält der Senat zwar für einen Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs, insbesondere auch deshalb, weil der Beanstandungsbescheid in diesem Verfahren zum Zeitpunkt der Abfassung des Beschlusses drei Jahre zurücklag. Die aus diesem Grund hier durchaus in Betracht zu ziehende Zurückweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt wegen eines groben Verfahrensfehlers erscheint dem Senat jedoch aus Gründen der Prozessökonomie nicht angezeigt.
15
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auf der Grundlage des eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses Erfolg. Insoweit stehen einer Eintragung weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft noch das einer Merkmalsbezeichnung im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
16
Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer. Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Kreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist.
17
Unstreitig ist der der Marke nachgestellte Bestandteil „Column“ für die hier angesprochenen Fachkreise auf dem Gebiet der Biochemie und -technologie als englisches Wort für „Säule“ in Bezug auf die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen glatt beschreibend, wie die Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung selbst eingeräumt hat.
18
Dies gilt jedoch nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nicht für das der Marke vorangestellte Wort „Robo“ und erst recht nicht für die hier gebotene Gesamtbetrachtung des angemeldeten Gesamtbegriffs „RoboColumn“.
19
Selbst wenn der hier angesprochene Fachverkehr „Robo“ wegen seiner teilweisen Übereinstimmung mit dem englischen Wort „robot“ als Abkürzung für „Roboter“ nehmen sollte, ergäbe sich allein daraus noch keine beschreibende Bedeutung des Gesamtbegriffs, der dann mit „Robotersäule“ zu übersetzen wäre. In Bezug auf die jetzt noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die ausnahmslos von Hand betätigt werden, ergibt dieser Bedeutungsinhalt keinen im Vordergrund des Verständnisses stehenden beschreibenden Sinngehalt. Da Roboter üblicherweise als Ersatz für handbetätigte Geräte und Dienstleistungen zum Einsatz kommen, bleibt der Bedeutungsinhalt der Marke in Bezug auf die jetzt noch beanspruchten handbetätigten Geräte bzw. händischen Dienstleistungen in seiner Gesamtheit vage und unscharf.
20
Belege für eine beschreibende Verwendung der Wortfolge durch Dritte hat die Markenstelle entgegen ihren Ausführungen im Beschluss nicht ermittelt. Der dem Beschluss beigefügte Artikel aus einer amerikanischen Wissenschaftszeitschrift bezieht sich nämlich auf die Anmelderin.
21
Einer Registrierung steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, da „RoboColumn“ aus den genannten Gründen keine beschreibende Bedeutung hat. Diese Vorschrift verbietet es nämlich nur, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
22
Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.


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