Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – „Westfalen Tower“ – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  27 W (pat) 529/15

Datum:
5.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 003 654
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Hermann und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth am 5. Februar 2016
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Angemeldet ist das Zeichen
2
Westfalen Tower
3
als Wortmarke für die Dienstleistungen
4
Klasse 41: Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, Kongressen, Symposien, Seminaren, Kolloquien und Workshops [Aus- und Fortbildung]; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke,
5
Klasse 43: Vermietung von Konferenzräumen; Vermietung von Versammlungsräumen, Vermietung von Stühlen, Tischen, Tischwäsche und Gläsern.
6
Nach Beanstandung mit Bescheid vom 19. August 2014 wies die Markenstelle für Klasse 41 des DPMA mit Beschluss vom 31. Juli 2015 die Anmeldung zurück.
7
Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Marke sei nicht unterscheidungskräftig nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer als Marke angemeldeten Bezeichnung sei zwar grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, die erforderliche Unterscheidungskraft könne aber u. a. fehlen, wenn es sich um eine gängige Wortkombination handle, welche im Zusammenhang mit den von der Anmeldung erfassten Waren und/oder Dienstleistungen stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werde. Der Verbraucher sei daran gewöhnt, waren- und/oder dienstleistungsbezogene Angaben auch mit Hilfe mehr oder weniger einprägsamer Wortzusammenstellungen vermittelt zu bekommen. Unterscheidungskräftig könnten derartige Bezeichnungen also nur dann sein, wenn sie sich aus der Sicht des angesprochenen Publikums nicht in reinen Sach- oder Werbeaussagen zu den Angeboten unter der betreffenden Bezeichnung erschöpften.
8
Den an die Unterscheidungskraft zu stellenden Anforderungen werde die angemeldete Marke nicht gerecht, denn die angesprochenen allgemeinen Kreise würden der Bezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen.
9
Das angemeldete Zeichen setze sich aus den einfachen Worten „Westfalen“ und „Tower“ zusammen, wobei der Wortbestandteil „Westfalen“ als geografische Angabe im Sinne des „nordöstlichen Teils des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen“ verständlich sei. Der weiter in der Anmeldemarke enthaltene Anglizismus „Tower“ sei dem angesprochen Publikum insbesondere durch den Kontrollturm an Flughäfen, den Tower von London sowie den „Commerzbank Tower“, den „Main Tower“, den „Trump Tower“ sowie den „Petronas Towers“ nicht nur in der ursprünglichen Bedeutung „Turm“, sondern auch als Synonym für ein größeres Gebäude bzw. Hochhaus geläufig.
10
Der angemeldeten Marke komme daher in ihrer allein maßgeblichen Gesamtheit die unmissverständliche Bedeutung von „Turm bzw. größeres Gebäude mit mehreren Stockwerken, das turmartig wirkt, irgendwo in Westfalen“ zu. Mit diesem Aussagegehalt stelle das beanspruchte Wort „Westfalen Tower“ im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen einen engen sachlichen Bezug zu diesen her und werde von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als allgemeiner Sachhinweis, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden.
11
Die Dienstleistungen der Klasse 41, welche allesamt mit ihrem Veranstaltungscharakter auf einen Veranstaltungsort angewiesen seien, könnten in einem Turm bzw. in einem größeren Gebäude mit mehreren Stockwerken, das turmartig wirkt, und irgendwo in Westfalen steht, erbracht und angeboten werden. Gleiches gelte für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 43. Auch diese könnten sich direkt auf ein Hochhaus irgendwo in Westfalen beziehen, welches (ggf. komplett) vermietet werde. Die Allgemeinheit des Hinweises verändere den Charakter als Sachangabe ebensowenig wie die gemischtsprachige Schreibart, woran das Publikum gewöhnt sei. Eine eventuelle begriffliche Unbestimmtheit bzw. Interpretationsbedürftigkeit führe nicht zur Schutzfähigkeit, eine solche könne auch erforderlich und gewollt sein, um den gewünschten möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können. Mit Blick auf den ausschließlich sachbezogenen Informationsgehalt, welchen das angemeldete Zeichen in Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen besitze, reihe es sich in die üblichen Bezeichnungsgewohnheiten der Branche und der Werbung ein und erwecke nicht den Eindruck einer ungewöhnlichen Zusammenstellung, die eine herkunftshinweisende Funktion ermöglichen könne. Beachtliche Teile des angesprochenen Publikums würden in dem um Schutz nachsuchenden Zeichen bezüglich der beanspruchten Dienstleistungen keinen betriebsindividualisierenden Herkunftshinweis auf einen ganz bestimmten Anbieter dieser Leistungen sehen, womit der Anmeldemarke für die angemeldeten Dienstleistungen die erforderliche markenrechtliche Unterscheidungskraft fehle.
12
Der Hinweis auf Voreintragungen ergebe keinen Eintragungsanspruch.
13
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die meint, ein unmittelbar beschreibender Sinngehalt, der sich ohne weiteres und ohne Unklarheiten ergebe, sei für das Zeichen „Westfalen Tower“ nicht erkennbar, da Tower auch als (historischer) Turm verstanden werde und gerade nicht als beliebiges Hochhaus.
14
Die Anmelderin regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an und beantragt,
15
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Juli 2015 aufzuheben.
II.
16
Die zulässige Beschwerde, über die, nachdem die Anmelderin zuletzt keine mündliche Verhandlung mehr beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, ohne eine solche entschieden werden kann, hat in der Sache keinen Erfolg. Einer Registrierung des angemeldeten Zeichens steht § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
17
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) – Freixenet; EuGH GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) –  smartbook; BGH GRUR 2013, 731, Nr. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143, Nr. 7 – Starsat; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 – Link economy). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Nr. 27 – BioID; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 – EUROHYPO). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Nr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 – SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Nr. 8 – Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rdn. 134).
18
Dabei sind an die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914, Nr. 25 – WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH).
19
Es ist daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihm abweichen (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 38 – Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 35 und Nr. 36 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 39 – Vorsprung durch Technik).
20
Keine Unterscheidungskraft liegt vor, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 – Aus Akten werden Fakten) diesem (dem Zeichen) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 – Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 – DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – antiKALK) oder wenn das Zeichen aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache besteht, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 – TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. – FUSSBALL WM 2006).
21
Der Wortfolge „Westfalen Tower“ fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft. Auf die zutreffenden Ausführungen der Markenstelle wird umfassend Bezug genommen.
22
Der angefochtene Beschluss kommt überzeugend zu dem Schluss, dass das Publikum, welches von einem mit der begehrten Wortkombination gekennzeichneten Dienstleistungsangebot angesprochen wird, diese zwanglos als Sachhinweis auf den Ort der Veranstaltung in einem turmartigen (Hoch-)haus in Westfalen verstehen wird und nicht als Herkunftshinweis zu einem Unternehmen.
23
Allein google-Suchen (westfalen tower; westfalen tower münster; westfalen tower – Bilder) nach dem  Zeichen ergeben zahllose Nachweise, die beliebige Gebäude betreffen, ein wikipedia Eintrag führt zu einem Hochhaus in Dortmund.
24
Eine markenmäßige Kennzeichnung entnimmt das Publikum dem Zeichen in seinem Gesamteindruck nicht. Auch die Zweisprachigkeit überwindet das Fehlen der Unterscheidungskraft nicht, da sie den beschreibenden Sinn nicht in den Hintergrund drängt.
25
Auch die Eintragung von nach der Ansicht der Anmelderin vergleichbaren – aber möglicherweise löschungsreifen – Marken gibt keinen Anspruch auf Eintragung.
26
Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH, Beschluss v. 12.02.02009 – C-39/08, 43/08; GRUR 2009, 667 Tz. 18 – Volks.Handy u. a.; BGH GRUR 2011, 230 – SUPER girl). Ohnehin verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall unter Einbeziehung seiner Besonderheiten, insbesondere des beteiligten Publikums, zu beurteilen ist. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage. Selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen nach ständiger Rechtsprechung somit nicht zu einem Anspruch auf Eintragung (vgl. EuGH, Beschluss v. 15.02.2008 – C-243/07 P, MarkenR 2008, 163 Rn. 39 – Terranus; BGH, Beschluss v. 17.08.2011 – I ZB 70/10, GRUR 2012, 276 Rn. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. m. w. N.).
27
Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.
28
Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 574 ZPO) liegen nicht vor, weil keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen und der Senat mit dieser Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht.

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