Europarecht

Abschiebung, Asylantrag, Beschwerde, Italien, Fluchtgefahr, Bescheid, Mitgliedstaat, Haftgrund, Abschiebungsanordnung, Ausreisepflicht, Migration, Abschiebungsverbote, Heimatland, Sicherungshaft, Haft zur Sicherung der Abschiebung, Sicherung der Abschiebung, sofortige Wirksamkeit

Aktenzeichen  51 T 284/17

Datum:
9.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 164574
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

206a XIV 22/17 2017-07-24 AGREGENSBURG AG Regensburg

Tenor

1. Die Beschwerde des Verfahrenspflegers gegen den Beschluss des Amtsgericht Regensburg vom 24.07.2017, Az. 206a XIV 22/17, wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.

Gründe

I.
Die Betroffene ist erirteische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am 24.10.2016 in das Bundesgebiet ein und stellte am 28.10.2016 einen Asylantrag.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtinge vom 24.03.2017 wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht bestehen, und die Abschiebung der Betroffenen nach Italien angeordnet mit der Begründung, dass Italien aufgrund des illegalen Grenzübertritts gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei.
Die Betroffene hat gegen den Ablehnungsbescheid am 31.03.2017 zum Verwaltungsgericht Regensburg zum einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen und zum anderen Klage erheben lassen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 13.04.2017 wurde der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Nachdem dieser Beschluss unanfechtbar ist, ist der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge seit dem 13.04.2017 vollziehbar.
Mit Schreiben vom 16.05.2017 erfolgte seitens der Katholischen Pfarrgemeinde … die Mitteilung, dass entschieden worden sei, die Betroffene in den Räumen des Katholischen Pfarramtes … in kirchlichen Schutz zu nehmen und „Kirchenasyl“ zu gewähren. Die Betroffene habe sich am 16.05.2017 in den Schutz der Kirche begeben.
Die Betroffene wurde am 20.07.2017 zur Festnahme ausgeschrieben. Am 21.07.2017 erschien die Betroffene bei der Zentralen Ausländerbehörde und wünschte ein Gespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin. Aufgrund der Ausschreibung zur Festnahme wurde sie gemäß § 62 Abs. 5 AufenthG in Gewahrsam genommen und zunächst in den Hafträumen der Pl … untergebracht. Weil die Betroffene einen Ohnmachtsanfall sowie einen epileptischen Anfall vorgab, sollte sie im Krankenhaus … auf ihre Haftfähigkeit untersucht werden. Da sie sich dort weigerte zu sprechen, wurde sie ins Bezirksklinikum … verbracht und dort vom 21.07.2017 bis 24.07.2017 stationär beobachtet. Nach der ärztlichen Bescheinigung des Bezirksklinikums … vom 24.07.2017 ergaben sich keine Hinweise auf eine derzeit stationär behandlungsbedürftige Erkrankung auf psychiatrischem Gebiet.
Mit Antrag vom 21.07.2017 beantragte die Regierung der Oberpfalz, Zentrale Ausländerbehörde, gegen die Betroffene Haft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 62 Abs. 3 AufenthG bis spätestens zum Ablauf des 13.10.2017 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anzuordnen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Antrag Bezug genommen.
Die Betroffene wurde am 24.07.2017 vor dem Amtsgericht Regensburg in Anwesenheit des bestellten Verfahrenspflegers und unter Beiziehung einer Dolmetscherin persönlich angehört. Auf den Anhörungsvermerk vom 24.07.2017 wird Bezug genommen.
Im Anhörungstermin erließ das Amtsgericht Regensburg einen Beschluss dahingehend, dass gegen die Betroffene die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zu deren Vollzug, spätestens zum Ablauf des 13.10.2017 in der JVA … angeordnet wurde. Ferner wurde die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Hinsichtlich der Gründe wird auf den Beschluss verwiesen. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung auf das Bestehen der Haftgründe nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG und § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 14 AufenthG gestützt.
Gegen diesen Beschluss legte der Verfahrenspfleger mit Schriftsatz vom 24.07.2017, beim Amtsgericht Regensburg vorab als Telefax eingegangen am selben Tag, ausdrücklich in seiner Funktion als Verfahrenspfleger Beschwerde ein mit der Begründung, dass einerseits bereits der Haftantrag in unzulässiger Form ergangen sei und andererseits kein Haftgrund vorliege. Ein Haftgrund ergebe sich insbesondere nicht aufgrund des „Kirchenasyls“ der Betroffenen. Hinsichtlich des Vorbringens hierzu im Einzelnen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 27.07.2017 hat das Amtsgericht Regensburg der Beschwerde des Verfahrenspflegers gegen den Beschluss vom 24.07.2017 nicht abgeholfen und de Beschwerde dem Landgericht Regensburg zur Entscheidung vorgelegt.
Der Antragstellerin wurde mit Verfügung der Beschwerdekammer vom 30.07.2017 Gelegenheit zur Stellungnahme zum Schriftsatz des Verfahrenspflegers vom 24.07.2017 innerhalb von drei Tagen gegeben. Diese hat mit Schreiben vom 02.08.2017 Stellung genommen.
II.
Gegen den die Haft zur Sicherung der Abschiebung anordnenden Beschluss vom 24.07.2017 ist gemäß § 106 Abs. 2 AufenthG, § 58 Abs. 1 FamFG die Beschwerde gegeben. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 68 Abs. 2 S. 1, 63 Abs. 1, 64 FamFG). Der Verfahrenspfleger ist auch beschwerdeberechtigt. Ihm steht gemäß § 429 Abs. 3 FamFG ein selbständiges Beschwerderecht zu.
Die Beschwerde hat im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg und war daher als unbegründet zurückzuweisen, weil das Beschwerdevorbringen nicht geeignet ist, die Rechtsmäßigkeit der Haftanordnung und deren Vollzug in Frage zu stellen.
1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die zuständige Ausländerbehörde den Haftantrag zulässig und ausreichend begründet. Der Haftantrag genügt den Darlegungsanforderungen zur zweifelsfreien Verlassenspflicht der Betroffenen, zur Durchführbarkeit der Abschiebung bzw. Zurückschiebung, zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung und zur Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung (§ 417 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Das Darlegungserfordernis soll gewährleisten, dass das Gericht die tatsächlichen Grundlagen erkennt, auf welche die antragstellende Behörde ihren Antrag substantiell stützt, mithin aufgrund welcher einzelfallbezogener Tatsachen sich zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass sich der oder die Betroffene der Abschiebung entziehen wird. Dabei können die Darlegungen knapp gehalten werden, solange sie die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte enthalten und sich nicht auf Leerformeln beschränken (Keidel/Budde, § 417 FamFG, Rdnr. 13 ff). Diese Voraussetzungen erachtet die Kammer für erfüllt. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers stellt der Hanftantrag keineswegs lediglich pauschal auf das bisherige Gesamtverhalten der Betroffenen ab. Die Antragstellerin stützt vielmehr zur Begründung der Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung ihren Haftantrag ausdrücklich auf den Umstand, dass die Betroffene sich seit 16.05.2017 in den Räumen des Katholischen Pfarramtes … im „Kirchenasyl“ befunden hat, und ist der Auffassung, dass dies die Anordnung der Sicherungshaft rechtfertige. Die Betroffene habe durch ihr Eintreten ins „Kirchenasyl“ versucht, sich der Abschiebung zu entziehen, und zu erkennen gegeben, dass sie ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen werde. Damit ist formellen Anforderungen an eine wirksame Antragstellung Genüge getragen. Ob hingegen dieser Gesichtspunkt eine Haftanordnung tatsächlich zu rechtfertigen vermag, ist Sache der materiellen Prüfung durch das Gericht. Ferner hat die Antragstellerin plausibel vorgetragen, warum die Haft in der beantragten Länge erforderlich ist.
2. Allerdings ist vorliegend entgegen der Annahme des Amtsgerichts als Rechtsgrundlage für die Haftanordnung nicht § 62 Abs. 3 AufenthG heranzuziehen. Die Betroffene soll nicht etwa in ihr Heimatland abgeschoben werden, sondern soll vielmehr ihre Rücküberstellung im Rahmen des Dublin-III-Verfahrens nach Italien erfolgen. Insofern handelt es sich vorliegend um die Anordnung von Haft zur Sicherung der Rücküberstellung im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Dublin-III-Verordnung). Grundlage für eine solche Haftanordnung ist nicht § 62 Abs. 3 AufenthG. Vielmehr ergeben sich die Voraussetzungen unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2, Art. 2 n) Dublin-III-Verordnung i.V.m. § 2 Abs. 15 AufenthG. Ein Rückgriff auf die in § 62 Abs. 3 AufenthG geregelten Haftgründe kommt seit dem Inkrafttreten des § 2 Abs. 15 AufenthG am 01.08.2015 nicht mehr in Betracht. Die unionsrechtliche Regelung sperrt insofern den Rückgriff auf die nationalen Haftgründe. Nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung ist Überstellungshaft dann möglich, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Fluchtgefahr ist nach Art. 2 n) Dublin-III-Verordnung das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Betroffener, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, dem möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. In § 2 Abs. 15 AufenthG hat der Gesetzgeber die Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr i.S.v. Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung festgelegt. Insoweit nimmt § 2 Abs. 15 S. 1 AufenthG Bezug auf § 2 Abs. 14 AufenthG und erklärt die dort tatbestandlich ausformulierten Haftgründe als objektive Kriterien i.S.v. Art. 2 n) Dublin-III-Verordnung für entsprechend anwendbar (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 2 AufenthG, Rdnr. 170 und 171; BGH, FGPrax 2016, 278 – Juris, Rn. 4 und 5; BGH, FGPrax 2016, 140 – Juris, Rn. 6 und 7; LG Detmold, Beschluss vom 27.07.2016, Az. 10 T 146/16 – Juris, Rn. 19).
Insofern hat zwar das Amtsgericht seiner Haftanordnung unzutreffend § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG (Fluchtgefahr) zugrunde gelegt. Jedoch nimmt § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG ebenso wie § 2 Abs. 15 S. 1 AufenthG im Anwendungsbereich der Dublin-III-Verordnung gleichermaßen Bezug auf § 2 Abs. 14 AufenthG, indem dort geregelt ist, dass ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen ist, wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf den in § 2 Abs. 14 AufenthG festgelegten Anhaltspunkten beruhen und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will. Vor diesem Hintergrund kann angenommen werden, dass das Amtsgericht trotz unzutreffender Zugrundelegung von § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG die Haft im Ergebnis gleichwohl (auch) auf Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung i.V.m. § 2 Abs. 14 und 15 AufenthG stützt (BGH, FGPrax 2016, 140 – Juris, Rn. 8). Insofern stützt auch das Beschwerdegericht die Haft nicht etwa auf einen neuen Haftgrund, was eine erneute persönliche Anhörung der Betroffenen hierzu bedingen würde (BGH, FGPrax 2016, 278 – Juris, Rn. 6), wenn es die Voraussetzungen für die Haftanordnung auf Grundlage von Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung i.V.m. § 2 Abs. 14 und 15 AufenthG prüft.
3. Nach Auffassung der Kammer steht der Umstand, dass die Betroffene sich zurückliegend im „Kirchenasyl“ befunden hat, einer Haftanordnung nicht schon von vornherein entgegen. Mit dieser im gegenständlichen Verfahren aufgeworfenen Problemstellung hatte sich die Kammer, wie nachfolgend ausgeführt, im Einzelnen zu befassen, weil es hierzu, soweit ersichtlich, bisher offensichtlich keine, jedenfalls aber keine veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen gibt. Die seitens des Beschwerdeführers vertretene Ansicht, dass das Aufsuchen von „Kirchenasyl“ grundsätzlich keinen Haftgrund darstellen könne unabhängig davon, unter welche Norm man subsumieren wolle, vermag die Kammer nicht zu teilen.
a) Beim „Kirchenasyl“ handelt es sich nicht um ein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Recht (vgl. Ingo v. Münch, „Kirchenasyl“: ehrenwert, aber kein Recht, NJW 1995, 565). Zutreffend ist die Kirche daher kein rechtsfreier Raum und kann sich ein Betroffener der Anwendung staatlichen Rechts an sich nicht dadurch entziehen, dass er sich ins sogenannte „Kirchenasyl“ begibt. Die grundsätzlich uneingeschränkte Anwendung staatlichen Rechts wird im Übrigen auch kirchlicherseits an sich nicht in Frage gestellt („Anders als in der Vergangenheit sind Kirchen und Klöster heute keine Orte mit eigener Gesetzlichkeit, auch in Gebäuden der Kirche findet das staatliche Recht uneingeschränkte Anwendung. Kirchenasyl bewegt sich damit außerhalb der durch staatliches Recht vorgesehenen Verfahren und unterfällt auch nicht der Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG.“; Handreichung zu aktuellen Fragen des Kirchenasyls/hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz – Bonn 2015, S. 8/9). Jedenfalls insoweit ist daher den Ausführungen des Verwaltungsgerichts München (VG München, Urteil vom 06.02.2017, Az. M 9 K 16.50076 – Juris, BeckRS 2017, 102460; Urteil vom 09.01.2017, Az. M 1 K 16.50375 – Juris, NVwZ 2017, 983; Urteil vom 23.12.2016, Az. M 1 K 15.50681 – Juris, BeckRS 2016, 111911) beizupflichten, dass der Staat bei Aufnahme einer Person in das „Kirchenasyl“ an sich weder rechtlich noch tatsächlich gehindert wäre, eine Überstellung bzw. Abschiebung durchzuführen und zu deren Durchsetzung auch unmittelbaren Zwang anzuwenden. Gleichwohl sehen jedoch die Verwaltungs- und Polizeibehörden von den rechtlich an sich möglichen Vollzugsmaßnahmen insbesondere die Anwendung unmittelbaren Zwangs in kirchlichen Räumen ab.
b) Anknüpfend daran, dass Innenminister Joachim Herrmann zuletzt im April diesen Jahres bei einer Debatte im Bayerischen Landtag versichert habe, er respektiere das „Kirchenasyl“ grundsätzlich und es werde daher auch künftig nicht zu dem Fall kommen, dass Polizisten in kirchliche Räume eindringen und Flüchtlinge abführen würden, argumentiert nunmehr der Beschwerdeführer, dass sich aus dieser Zusicherung in zweierlei Hinsicht kein Haftgrund ergeben könne. Zum einen betreffe der Verzicht auf polizeiliche Maßnahmen nicht das rechtliche Können der Behörden. Vielmehr verzichte der Staat auf die Ausübung seiner Rechte, er verliere sie aber nicht. Ein Verzicht könne nicht dieselben Rechtsfolgen nach sich ziehen wie eine rechtmäßige Rechtsänderung. Außerdem sei der Verzicht auf polizeiliche Maßnahmen ein Entgegenkommen der Politik gegenüber der Kirche und somit auch gegenüber den betroffenen Ausländern. Es sei geradezu paradox, dass dieses Entgegenkommen den betroffenen Ausländern nun zum Nachteil gedeihen solle. Denn gäbe es dieses Entgegenkommen nicht und wären somit die rein rechtlichen Gesichtspunkte maßgeblich, wäre für alle Beteiligten eine klare Situation geschaffen. Das „Kirchenasyl“ würde nicht vor einer Abschiebung schützen. Wird nun aber diese Zusicherung gemacht, müsse diese auch in letzter Konsequenz, also alle Rechtsfolgen umfassend gehandhabt werden. Andernfalls ergäbe sich aus einem Verzicht auf eigene Rechte für den Staat eine Rechtsgrundlage für die Sicherungshaft. Es müsse daher nicht nur der tatsächliche Aufenthalt im „Kirchenasyl“ geduldet, sondern müssten auch die damit verbundenen Folgen von sämtlichen Behörden ertragen werden.
Dieser Argumentation vermag die Kammer nicht zu folgen, weil sie ersichtlich die Reichweite der vom Beschwerdeführer so bezeichneten Zusicherung verkennt. In der Debatte im Bayerischen Landtag vom 06.04.2017 über drei Dringlichkeitsanträge von Abgeordneten zum „Kirchenasyl“, auf die der Beschwerdeführer Bezug nimmt, hat sich Staatsminister Joachim Herrmann wie folgt geäußert: „[…] Ja, das Kirchenasyl ist Teil unserer christlich-abendländischen Tradition. Diese reicht weit in die Vergangenheit zurück. An vielen Stellen in der Bibel ist die Rede von Flucht, Vertreibung, Verfolgung, maßloser Willkür und Ungerechtigkeit. Durch den Rückgriff auf die Erzählungen in der Bibel werden wir Christen immer wieder dazu angehalten und daran erinnert, unser eigenes Verhalten als Christen an ethischen Maßstäben auszurichten. […] aus Respekt vor dieser Kirchenasyltradition in unserem Land und mit Rücksicht auf die besondere Stellung der Kirchen in unserem Staat wird in aller Regel in Fällen von Kirchenasyl auf Vollzugsmaßnahmen in Räumen der Kirche verzichtet. […] Aus Respekt vor den Kirchen und in der Erwartung, dass sie vom Kirchenasyl verantwortungsvoll Gebrauch machen, bleibe ich dabei, dass auf Vollzugsmaßnahmen in den Räumen der Kirche verzichtet wird.“ (Plenarprotokoll 17/101 v. 06.04.2017, S. 8973, 8974). Bereits im Jahr 2014 hat sich das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr auf eine schriftliche Anfrage einer Abgeordneten wie folgt geäußert: „Die deutsche Rechtsordnung enthält keine Grundlage für die Anerkennung des Kirchenasyls. Die im Rechtsstaat vom demokatischen Gesetzgeber erlassenen Gesetzes haben Geltungsanspruch gegenüber jedermann, auch gegenüber den Kirchen. Das geltende Recht berücksichtigt in vielfältiger Weise humanitäre Belange; in Dublin-Verfahren besteht insbesondere die Möglichkeit des Selbsteintritts, den das Bundesamt für Migration und Flüchtinge ausüben kann. Jede Entscheidung einer Behörde kann durch unabhängige Gerichte überprüft werden. Bayerische Behörden und Kommunen sind verpflichtet, das geltende Bundes- und Europarecht zu vollziehen. Gleichwohl wird in Fällen von Kirchenasyl mit Rücksicht auf die besondere Stellung der Kirchen von Vollzugsmaßnahmen abgesehen und auf Verhandlungslösungen gesetzt.“ (Landtags-Drucksache 17/1430 v. 09.05.2014, S. 3). Staatsminister Joachim Hermann hat bei der vorgenannten Debatte im Bayerischen Landtag Bezug genommen auf ein Gespräch zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche am 24.02.2015. Im Ergebnisvermerk zu diesem Gespräch wurde unter anderem folgendes festgehalten: „Die Beteiligten stimmen überein, dass das Kirchenasyl kein eigenständiges, neben dem Rechtsstaat stehendes Institut ist, sich jedoch als christlich-humanitäre Tradition etabliert hat. Das Bundesamt beabsichtigt nicht, die Tradition des Kirchen – asyls an sich in Frage zu stellen.“ (Bearbeitungshinweise des Bundesamtes zu Kirchenasylfällen, Stand: 02.07.2015). Nicht zuletzt hat sich auch die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten des Deutschen Bundestages dahingehend geäußert, dass „die Tradition des Kirchenasyls […] von der Bundesregierung respektiert [wird].“ (Bundestags-Drucksache 18/9894 v. 04.10.2016, S. 2).
Nach Auffassung der Kammer sind die vorgenannten Äußerungen vor allem geprägt durch Rücksichtnahmen auf die christliche Tradition des „Kirchenasyls“, auf die besondere Stellung der Kirchen und letztlich auf das Hausrecht der Kirchenvertreter in den kirchlichen Liegenschaften. Keinesfalls lässt sich aber den zitierten Äußerungen entnehmen, dass die Ausländerbehörden gehindert sein sollen, über diese Respektierung des kirchlichen Hausrechts hinaus von sonstigen gesetzlich vorgesehenen Instrumenten Gebrauch zu machen (vgl. VG München, Urteil vom 28.07.2016, Az. M 24 K 16.2246 – Juris, BeckRS 2016, 52077). Gerade darum geht es aber im vorliegenden Fall und nicht etwa darum, dass die Ausländerbehörde auch nur ansatzweise den Versuch unternommen hätte, gegen die Betroffene auf dem dem kirchlichen Hausrecht unterfallenden Gelände des Katholischen Pfarramtes … mit unmittelbaren Zwang vorzugehen. Insoweit bedürfte es auch, wenn klar ist, dass ein Zugriff innerhalb des „Kirchenasyls“ nicht erfolgen wird, jedenfalls solange keiner richterlichen Haftanordnung, solange sich die betreffende Person im „Kirchenasyl“ aufhält (vgl. AG Coburg, Beschluss vom 05.08.2016, Az. 12 XIV 2/16 (B) – Juris, BeckRS 2016, 17401). Die Betroffene wurde im vorliegenden Fall jedoch außerhalb des „Kirchenasyls“ angetroffen und in Gewahrsam genommen. Es geht mithin nicht um eine „gewaltsame“ Beendigung des „Kirchenasyls“, worauf sich insbesondere die vorerwähnte Zusicherung des Innenministers und die zitierte ministerielle Äußerung, dass auf Vollzugsmaßnahmen in den Räumen der Kirche verzichtet bzw. von solchen abgesehen wird, ersichtlich nur bezieht. Es ist daher nicht ersichtlich, warum die Ausländerbehörde in einer solchen Situation nicht befugt sein soll, die ihr vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten rechtlichen Instrumente, zu der auch die Möglichkeit gehört, einen Haftantrag zu stellen, über den dann das zuständige Gericht zu befinden hat, zu nutzen, um die Erfüllung der vollziehbaren Ausreisepflicht zu befördern (vgl. VG München, Urteil vom 28.07.2016, Az. M 24 K 16.2246 – Juris, BeckRS 2016, 52077). Insoweit kann es daher allenfalls auch nur um ein Entgegenkommen der Politik gegenüber den Kirchen gehen, nicht jedoch auch, wie der Beschwerdeführer meint, gegenüber den betroffenen Ausländern.
Dass die seitens des Beschwerdeführers vertretene Ansicht nicht überzeugen kann, ergibt sich im Übrigen auch noch unter einem anderen Blickwinkel. Würde man an einen Aufenthalt im „Kirchenasyl“ tatsächlich eine umfassende Handhabung hinsichtlich aller sich daraus möglicherweise ergebenden Rechtsfolgen knüpfen wollen, letztlich also eine weitergehende Nichtanwendung ausländer- bzw. aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen, würde dies faktisch zu einer Legitimierung des „Kirchenasyls“ über den kirchlichen Bereich hinaus führen, obwohl die deutsche Rechtsordnung gerade keine Grundlage für die Anerkennung des „Kirchenasyls“ enthält (vgl. insoweit kritisch allein schon hinsichtlich des Zustandekommens der vorgenannten Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche am 24.02.2015: Schwemer, Staatlich anerkanntes Kirchenasyl, ZRP 2017, 125). Lediglich am Rande sei an dieser Stelle erwähnt, dass wohl auch kirchlicherseits zumindest mit der Möglichkeit gerechnet wird, dass an einen Aufenthalt im „Kirchenasyl“ auch für die betreffenden Personen rechtliche Konsequenzen geknüpft sein können („Bei Kirchenasyl handelt es sich um eine Form des gewaltlosen zivilen Ungehorsams. Gemeinden, Ordensgemeinschaften und die dort Verantwortung tragenden Personen müssen sich der rechtlichen und tatsächlichen Konsequenzen bewusst sein, die ihr Handeln sowohl für sie wie auch für die von Zurück- bzw. Abschiebung bedrohten Menschen haben kann.“; Handreichung zu aktuellen Fragen des Kirchenasyls/hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz – Bonn 2015, S. 9/10; Unterstreichung durch die Kammer).
c) Auch die Argumentation des Verwaltungsgerichts München in den vorstehend genannten Entscheidungen, mit der es eine Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-Verordnung verneint, kann nach Auffassung der Kammer nicht zu der Annahme führen, dass das Aufsuchen von „Kirchenasyl“ grundsätzlich keinen Haftgrund darstellen könne. Nach § 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-Verordnung kann die sechsmonatige Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, nach deren Ablauf dieser nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht (Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-Verordnung), auf höchstens ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts München sei die Sachlage bei einer sich im „Kirchenasyl“ befindlichen Person nicht mit jener vergleichbar, die bei einer inhaftierten oder flüchtigen Person vorliegt. Ist eine Person inhaftiert oder flüchtig, so sei eine Überstellung möglich. Die Möglichkeit der Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-Verordnung solle als Ausnahme von dem den Fristen des Dublin-Systems zugrundeliegenden Beschleunigungsgrundsatz ein längeres Zuwarten bei der Überstellung ermöglichen, weil ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis die Einhaltung der Frist vereitle. Ein solches Hindernis, das einen vergleichbaren Ausnahmefall rechtfertigen könnte, bestehe beim sogenannten „Kirchenasyl“ nicht. Der Staat sei weder tatsächlich noch rechtlich gehindert, die Überstellung durchzuführen. Der Umstand, dass die Behörden die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bei Personen im „Kirchenasyl“, insbesondere auch die Anwendung unmittelbaren Zwangs in kirchlichen Räumen nicht ausschöpfen, mache die Überstellung nicht unmöglich. Der freiwillige und bewusste Verzicht auf eine Rücküberstellung im Fall des „Kirchenasyls“ sei nicht anders zu bewerten, als die Fälle, in denen eine Rücküberstellung mangels entsprechender Vollzugskapazitäten oder anderer in der Sphäre des Staates liegender Umstände nicht möglich sei. Eine in der Sphäre der betroffenen Person liegendes Hindernis für den Vollzug der Rücküberstellung sei nicht gegeben (VG München, Urteil vom 06.02.2017, Az. M 9 K 16.50076 – Juris, BeckRS 2017, 102460; Urteil vom 09.01.2017, Az. M 1 K 16.50375 – Juris, NVwZ 2017, 983; Urteil vom 23.12.2016, Az. M 1 K 15.50681 – Juris, BeckRS 2016, 111911). Letzteres mag bezogen auf die Frage der Rechtfertigung von Abschiebungshaft im Fall der Inanspruchnahme von „Kirchenasyl“ sich in Übereinstimmung bringen lassen mit der Begründung des Landgerichts München I in dessen Beschluss vom 02.11.2000, mit der es den Haftgrund des damals geltenden § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG verneint hat, wonach ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen war, wenn der begründete Verdacht bestand, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Anknüpfend daran, dass es sich beim „Kirchenasyl“ nicht um ein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Recht handelt, hat das Landgericht München I damals ausgeführt, dass der Staat dennoch grundsätzlich nicht gehindert sei, Zugriff auf den im „Kirchenasyl“ Befindlichen zu nehmen. Dass dies nicht geschehe, sei eine Entscheidung der staatlichen Behörde, die nicht zu Lasten des Betroffenen in der Weise gehen könne, dass mit ihr ein Haftgrund geschaffen werde (LG München I, Beschluss vom 02.11.2000, Az. 1 T 19291/00 – Juris, NVwZ-Beil. 2001, 63; offen gelassen, ob das sogenannte „offene Kirchenasyl“ den Haftgrund des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG verwirklicht, in der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts über die Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss, BayObLG, Beschluss vom 08.01.2001, Az. 3Z BR 358/00 – Juris, BayVBl 2001, 758).
Gleichwohl vermag sich die Kammer der Auffassung, dass bei Inanspruchnahme von „Kirchenasyl“ kein in der Sphäre der betroffenen Person liegendes Hindernis für den Vollzug einer Abschiebung oder Überstellung vorliege, vielmehr dieses der Staat zu verantworten habe, und die Nichtdurchführung der Abschiebung nicht zu Lasten des Betroffenen gehe könne, nicht anzuschließen. Vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die sich ins „Kirchenasyl“ flüchten, wissen genau, dass das „Kirchenasyl“ gerade deshalb ein geeignetes Mittel ist, der Abschiebung oder einer Rücküberstellung im Rahmen des Dublin-III-Verfahrens (allein schon durch Erreichen der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-Verordnung; siehe oben) zu entgehen, weil die zuständigen Ausländerbehörden mit Rücksicht auf die Tradition des „Kirchenasyls“ und die besondere Stellung der Kirchen grundsätzlich davon Abstand nehmen, innerhalb des kirchlichen Bereichs die Ausreisepflicht mit Zwang durchzusetzen, mithin die betreffenden Personen davon ausgehen können, bei einem Aufenthalt innerhalb eines kirchlichen Bereichs unbehelligt zu bleiben. Diejenigen Personen, die ein „Kirchenasyl“ aufsuchen, nutzen daher für sich ganz bewusst . den Umstand, dass die staatlichen Stellen auf Vollzugsmaßnahmen in Räumen der Kirche verzichten. In Deutschland existiert ein weitreichender materiell-rechtlicher Schutzmechanismus für Flüchtlinge und Asylbewerber, der geschaffen ist, wenn politische Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung (vgl. im Dublin-System Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung) drohen. Dieser Schutz geht über völkerrechtliche Erfordernisse hinaus, ist verfassungsrechtlich geprüft und für verfassungsgemäß erklärt (Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 4 GG, Anm. 41). Auch wenn eine betroffene Person sich subjektiv gezwungen sehen mag, ins „Kirchenasyl“ zu flüchten, bleibt es gleichwohl eine autonome Entscheidung, sich faktisch dem Zugriff der staatlichen Organe zu entziehen. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können daher aus von derjenigen Person, die sich für die Inanspruchnahme von „Kirchenasyl“ entscheidet, maßgeblich selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden. Diese setzt damit eine wesentliche Ursache zur Verhinderung der Abschiebung bzw. Überstellung (vgl. BayLSG, Beschluss vom 11.11.2016, Az. L 8 AY 28/16 B ER – Juris, BeckRS 2016, 74387). Insofern wird entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts München bezüglich Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-Verordnung auch die Auffassung vertreten, dass die Inanspruchnahme von „Kirchenasyl“ die Annahme der für das Untertauchen einer Person vorgesehenen verlängerten Überstellungsfrist von achtzehn Monaten rechtfertige, und wird dies damit begründet, dass ein sich seiner Abschiebung entziehender und Zuflucht im „Kirchenasyl“ suchender Ausländer sich bewusst der Ordnung des Staates entziehe bzw. ein Ausländer bereits dann flüchtig sei, wenn er sich seiner Überstellung durch Nichterscheinen entziehe, und in einem solchen Fall nicht der Mitgliedstaat, sondern der Betreffende den Ablauf der sechsmonatigen Frist zu vertreten habe (VG Saarland, Urteil vom 06.03.2015, Az. 3 K 902/14 – Juris, Rn. 44, BeckRS 2015, 44830; VG Ansbach, Urteil vom 21.12.2015, Az. AN 3 K 15.50498 – Juris, Rn. 23 und 24, BeckRS 2016, 40743).
Im Ergebnis teilt daher auch die Kammer die Auffassung des Verwaltungsgerichts Ansbach, dass derjenige, der ins sogenannte „Kirchenasyl“ eintritt, gegen das vorzugehen sich die bayerischen Ausländerbehörden nach bekannter, bereits jahrelanger Praxis scheuen vorzugehen, sich vorgefasster Absicht der staatlichen Gewalt, die die staatliche Rechtsordnung gewährleistet, bewusst entzieht und das Aufsuchen eines solchen „Kirchenasyls“ einem Untertauchen gleichzusetzen ist, weil sich die betreffende Person insoweit der staatlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht unterordnet (VG Ansbach, Beschluss vom 07.12.2016, Az. AN 14 S 16.50339 – Juris, BeckRS 2016, 55833; Urteil vom 14.04.2016, Az. AN 6 K 15.31132 – Juris, BeckRS 2016, 45664; Gerichtsbescheid vom 08.04.2016, Az. AN 6 K 16.30155 – Juris, BeckRS 2016, 44890). Soweit das Verwaltungsgericht Ansbach weitergehend ausgeführt hat, dass aus dessen Sicht das Aufsuchen von „Kirchenasyl“ einem Untertauchen in aufenthaltsmäßiger Hinsicht gleichzusetzen sei, handelt es sich allerdings um eine pauschale Formulierung, die im Verfahren über die Anordnung der Haft keinesfalls davon entbinden kann, anhand der gesetzlich festgelegten Kriterien einzelfallbezogen zu prüfen, ob begründeter Anlass für die Annahme besteht, dass sich ein Betroffener der Abschiebung bzw. Überstellung möglicherweise durch Flucht entziehen könnte (Art. 2 n) Dublin-III-Verordnung). Zudem kann eine Person von einem Mitgliedstaat nicht allein deshalb in Haft genommen werden, weil sie dem Dublin-III-Verfahren unterliegt (Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung).
4. Es besteht der Haftgrund der erheblichen Fluchtgefahr i.S.v. Art. 28 Abs. 2, Art. 2 n) Dublin-III-Verordnung i.V.m. §§ 2 Abs. 15 S. 1, Abs. 14 AufenthG. Wie bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 15 AufenthG die in Art. 2 n) Dublin-III-Verordnung geforderten objektiv gesetzlich festgelegten Kriterien für das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr festgelegt. Da vorliegend die Haft zur Sicherung der Überstellung der Betroffenen im Dublin-III-Verfahren angeordnet wurde, sind für das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr die in § 2 Abs. 15 AufenthG und durch die Verweisung in § 2 Abs. 15 S. 1 AufenthG die in § 2 Abs. 14 AufenthG festgelegten Kriterien maßgeblich.
a) Nach §§ 2 Abs. 15 S. 1, Abs. 14 Nr. 5 AufenthG stellt es einen konkreten Anhaltspunkt dar, wenn der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Wenngleich das Amtsgericht diese konkret in Betracht zu ziehende Norm nicht näher präzisiert und unzutreffend § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG zugrunde gelegt hat, hat es jedoch ersichtlich (auch) auf diesen Aspekt abgestellt (vgl. BGH, FGPrax 2016, 140 – Juris, Rn. 6 und 10), wenn es in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausführt, dass die Betroffene durch ihren Eintritt ins „Kirchenasyl“ versucht habe, sich der Abschiebung zu entziehen, und zu erkennen gegeben habe, dass sie ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen werde. Eine ausdrückliche Erklärung des Ausländers, dass er sich der Abschiebung entziehen will, liegt vor, wenn dieser klar zum Ausdruck bringt, dass er nicht freiwillig in den in der Abschiebungsanordnung genannten Zielstaat reisen und sich vor allem auch behördlichem Zwang zur Durchsetzung der Rückführung durch Untertauchen oder andere Handlungen entziehen werde (Bundestags-Drucksache 18/4097, S. 33; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 2 AufenthG, Rdnr. 172; § 62 AufenthG, Rdnr. 92; BGH, Beschluss vom 20.10.2016, Az. V ZB 13/16 – Juris, BeckRS 2016, 19927; BGH, Beschluss vom 12.05.2016, Az. V ZB 27/16 – Juris, BeckRS 2016, 11732).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben und rechtfertigen die Annahme des Bestehens einer erheblichen Fluchtgefahr. Wie bereits ausgeführt, nutzen Personen, die das „Kirchenasyl“ aufsuchen, ganz bewusst den Umstand, dass die zuständigen Behörden auf Vollzugsmaßnahmen in den Räumen der Kirche zur zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht verzichten. Das „Kirchenasyl“ ist bekanntermaßen gerade deshalb ein geeignetes Mittel, der Abschiebung oder Überstellung zu entgehen. Auch die Betroffene hat erkennbar dieses Ziel verfolgt, nämlich konkret, sich der unionsrechtlich zwingenden Konsequenz zu entziehen, in den für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat, mithin nach Italien abgeschoben zu werden. Dafür, dass die Inanspruchnahme von „Kirchenasyl“ in den Räumen des Katholischen Pfarramtes Eilsbrunn einen anderen Zweck gehabt haben könnte, ist nichts ersichtlich. Vielmehr wohnt der Inanspruchnahme von „Kirchenasyl“ regelmäßig der Erklärungsinhalt inne, sich der Abschiebung bzw. Überstellung entziehen zu wollen (VG Cottbus, Urteil vom 16.06.2016, Az. 5 K 273/16.A – Juris, Rn. 15 und 16, InfAuslR 2017, 35 = BeckRS 2016, 48126). Durch ihr zurückliegendes Handeln, sich am 16.05.2017 in die Räume des Katholischen Pfarramtes … ins „Kirchenasyl“ zu begeben, hat die Betroffene somit klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht freiwillig nach Italien ausreisen und sich vor allen nicht für eine behördliche Durchsetzung ihrer Überstellung zur Verfügung halten würde. Dies gilt vorliegend um so mehr, als die Betroffene sich nicht nur kurzzeitig im „Kirchenasyl“ befunden hat und davon auszugehen ist, dass sie es auch am 21.07.2017 nicht verlassen hätte, um die zuständige Sachbearbeiterin bei der Zentralen Ausländerbehörde aufzusuchen, wenn nicht die schlichte Mitteilung vom 28.06.2017 über den Wechsel der Zuständigkeit der Ausländerbehörde von der Stadt Regensburg auf die Regierung der Oberpfalz fehlinterpretiert worden wäre, wie vom Vertreter der antragstellenden Behörde im amtsgerichtlichen Anhörungstermin nachvollziehbar geschildert.
b) Danach kann dahinstehen, ob als weiterer Haftgrund auch derjenige der §§ 2 Abs. 15 S. 1, Abs. 14 Nr. 1 AufenthG gegeben wäre, wonach es einen konkreten Anhaltspunkt darstellt, wenn der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit einem behördlichen Zugriff entzogen hat, indem er seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht nicht nur vorübergehend gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, und der Ähnlichkeit hat mit § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, könnte schon deshalb zweifelhaft sein, weil der Ausländerbehörde der Aufenthaltsort der Betroffenen im dortigen „Kirchenasyl“, anders als beim sogenannten „verdeckten Kirchenasyl“ (vgl. BayObLG, NJW 1997, 1713 = BayObLGZ 1997, 125 u.a.), durch das Schreiben der Katholischen Pfarrgemeinde … vom 16.05.2017 bekannt war. Ebenso zweifelhaft könnte aber aufgrund vorstehenden Ausführungen zum „Kirchenasyl“ auch sein, ob es sich dabei nicht um eine Anschrift gehandelt hat, unter der die Betroffene für die zuständige Behörde tatsächlich nicht mehr erreichbar war, und daher möglichweise jedenfalls im Sinne des § 2 Abs. 14 Nr. 1 die Aufnahme ins „Kirchenasyl“ einem Untertauchen gleichzubehandeln wäre (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 2 AufenthG, Rdnr. 172; § 62 AufenthG, Rdnr. 88). Letztlich kann dies jedoch offenbleiben, weil, wie ausgeführt, nach Auffassung der Kammer die zurückliegende Inanspruchnahme von „Kirchenasyl“ schon aufgrund von §§ 2 Abs. 15 S. 1, Abs. 14 Nr. 5 AufenthG die Anordnung der Haft rechtfertigt. Daher kann auch dahinstehen, ob der Eintritt ins „Kirchenasyl“ gegebenenfalls unter den Haftgrund nach §§ 2 Abs. 15 S. 1, Abs. 14 Nr. 6 AufenthG subsumiert werden könnte oder nicht.
5. Die Anordnung der Haft ist auch verhältnismäßig und weniger einschneidene Maßnahmen lassen sich nicht anwenden. Dadurch, dass die Betroffene sich zurückliegend ins „Kirchenasyl“ begeben hat, hat sie deutlich gezeigt, dass sie nicht gewillt ist, freiwillig das Bundesgebiet in Richtung Italien zu verlassen oder sich für eine Überstellung dorthin zur Verfügung zu halten. Dies lässt befürchten, dass die Betroffene sich ohne die Anordnung der Haft und deren Vollzug unverzüglich wieder ins „Kirchenasyl“ begeben würde, um dadurch zu versuchen, ihre Abschiebung bzw. Überstellung zu verhindern, wohlwissend, dass die zuständige Behörde dort von einer zwangsweisen Durchsetzung der Abschiebung faktisch absehen würde. Insofern ist auch nicht zu erwarten, dass die Betroffene sich zukünftig zuverlässig an ihr erteilte Auflagen halten würde. Daran ändert auch auch nichts der Umstand, dass die Betroffene am 21.07.2017 das „Kirchenasyl“ verlassen hat. Denn dies ist ersichtlich nur auf eine Fehlinterpretation des vorgenannten Schreibens vom 28.06.2017 über den Wechsel der Zuständigkeit zurückzuführen. Wäre es nicht zu diesem Missverständnis gekommen, wäre ein freiwilliges Verlassen des „Kirchenasyls“ durch die Betroffene sicherlich nicht zu erwarten gewesen. Eine andere Berurteilung rechtfertigt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Betroffene sich bei ihrer amtsgerichtlichen Anhörung dahingehend geäußert hat, dass sie dem Gesetz treu geblieben und nie weggelaufen sei. Genau das Gegenteil ist der Fall. Dadurch, dass sie „Kirchenasyl“ in Anspruch genommen hat, hat sich sich gerade bewusst der staatlichen Rechtsordnung und dem Zugriff der zuständigen Behörden entzogen.
III.
Von einer erneuten persönlichen Anhörung der Betroffenen konnte gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG abgesehen werden, weil die Betroffene erst am 24.07.2017 vom Amtsgericht angehört worden ist und von einer erneuten persönlichen Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Letzteres beruht darauf, dass mit der seitens des Verfahrenspflegers eingelegten Beschwerde ausschließlich rechtliche Einwände gegen den angefochtenen Beschluss geltend gemacht wurden. Im Kern geht es vorliegend im Wesentlichen nur um eine rechtliche Beurteilung, ob der Sachverhalt, dass die Betroffene sich zurückliegend ins „Kirchenasyl“ begeben hatte, die Haftanordnung rechtfertigt oder nicht. Neue tatsächliche Gesichtspunkte, die bezogen auf die Betroffene der angeordneten Haft entgegenstehen und zur weiteren Sachaufklärung eine erneute Anhörung der Betroffenen als geboten erscheinen lassen könnten, wurden gerade nicht vorgebracht.
IV.
Von einer Erhebung der Kosten konnte gemäß § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG abgesehen werden.

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