IT- und Medienrecht

Leistungen, Unterkunft, Versorgung, Glaubhaftmachung, Zahlung, Sperrung, Streitwert, Antragsteller, Sozialstaatsprinzip, Ratenzahlung, Grundversorgung, Anspruch, Zuwiderhandlung, Energielieferungsvertrag

Aktenzeichen  085 O 3309/21

Datum:
17.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47149
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag vom 27.08.2021 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.548 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller verfolgt mit seinem Antrag, es der Antragsgegnerin zu untersagen, die Grundversorgung für die ihm gehörende, vermietete Wohnanlage (Verbrauchsanlage mit Kundennummer …) in der … abzuschalten, weil in dem Wohngebäude Kleinkinder leben, deren Grundrechte (Art. 1 GG und Art. 2 GG) verletzt würden. Diese hätten ein Recht auf eine aus sanitären und gesundheitlichen Gesichtspunkten sichere Unterkunft. Außerdem könnten Bewohner des Hauses medizinische Produkte, auf die sie angewiesen seien, bei Abschaltung der Stromversorgung nicht mehr nutzen.
Die Antragsgegnerin wurde schriftlich angehört und äußerte sich mit Schreiben vom 07.09.2021 durch ihren Syndikusanwalt, worauf wiederum der Antragsteller durch seinen Prozessvertreter mit Schriftsatz vom 14.09.2021 antwortete.
Der Antrag war abzulehnen, da er zwar zulässig war, aber nicht begründet.
Die Antragsgegnerin war postulationsfähig, da im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes außerhalb einer mündlichen Verhandlung kein Anwaltszwang besteht (vgl. u.a. MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 922 Rn. 4 zum Arrestverfahren, dessen Regeln gem. § 936 ZPO auf das Verfahren zur einstweiligen Verfügung entsprechend anzuwenden sind).
Auf Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts steht dem Antragsteller ein Verfügungsanspruch (aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB) nicht zu.
Eine Abschaltung der Verbrauchsanlage des Antragstellers greift nicht rechtswidrig in Rechte des Antragstellers bzw. der in der/den Wohnung(en) möglicherweise lebenden minderjährigen Kindern ein.
Nach § 19 Abs. 2 S. 1 und S. 4 StromGVV/GasGVV ist der Grundversorger insbesondere bei der Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung von mindestens 100,- Euro trotz Mahnung berechtigt, die Grundversorgung vier Wochen nach Androhung unterbrechen zu lassen.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Antragsgegnerin nicht erfüllt. Es besteht ein erheblicher Zahlungsrückstand von 5.920,53 Euro. Dass zuvor wiederholte Mahnungen erfolgt sind, ergibt sich aus dem durch den Antragssteiler vorgelegten Schreiben der Antragsgegnerin vom 05.08.2021 (Anlage 1) und aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten E-Mail-Korrespondenz (B5). Nachdem die Antragsgegnerin darin ankündigt, die Verbrauchsanlage zu sperren, „sofern die Voraussetzungen gemäß § 19 GVV zutreffen“, ist davon auszugehen, dass eine Sperrung erst vier Wochen nach der Androhung erfolgen wird.
Einer Sperrung stehen auch Menschenrechte von im Gebäude lebenden Kleinkinder nicht entgegen. Nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromGVV/GasGVV darf zwar eine Sperrung nicht erfolgen, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen oder der Kunde darlegt, dass hinreichende Aussicht besteht, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt.
Es ist aber schon nicht substantiiert dargetan, dass überhaupt Kleinkinder in dem Wohngebäude leben und wie sich eine Unterbrechung der Energieversorgung im Frühherbst auf sie auswirken würde. Selbst die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers lautet nur auf „dass sich Kleinkinder (0-7 Jahre) in der Wohnanlage: … befinden“. Falls der Antragsteller weiß, ob und welche Kinder konkret in dem von ihm vermieteten Gebäude leben und wie sich eine Sperre auf deren konkrete Lebensverhältnisse auswirken würde, macht er dazu jedenfalls keine Angaben. Gleiches gilt für die Gefahr, dass „die Bewohner des Hauses medizinische Produkte, auf die sie angewiesen sind, nicht mehr nutzen können“. Die Existenz dieser Bewohner und ihre Krankheiten sowie die medizinischen Geräte werden weder konkret dargelegt, noch glaubhaft gemacht.
Selbst wenn ein ausreichender Vortrag und Glaubhaftmachung hier vorliegen würde, gilt:
Vorliegend wäre die Sperrung aber auch nach Abwägung der Rechte von möglicherweise in der/den Wohnung(en) lebenden Kleinkindern/auf medizinische Produkte angewiesene Menschen mit der Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtung verhältnismäßig.
Denn die Höhe des Zahlungsrückstands ist ein Vielfaches der für eine Sperre ausreichenden 100 € Rückstands.
Eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben von Menschen ist zudem nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht.
Dadurch, dass der Antragsteller die ihm von den Mietern geschuldeten Nebenkosten nicht weitergereicht oder im Fall der Nichtzahlung eingetrieben oder ggfs. bei den Sozialhilfeträgern geltend gemacht hat, wäre nicht die Antragsgegnerin, sondern er selbst für eine Einschränkung der Lebensverhältnisse von möglicherweise im Gebäude lebenden Kinder/auf medizinische Produkte angewiesene Bewohner verantwortlich. Der Antragsgegnerin, die im Übrigen auch nicht Adressatin des von der Antragstellerpartei zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG Urt. v. 9.2.2010 – 1 BvL 1, 3, 4/09, hier zitiert nach BeckRS 2010, 46077, beck-online) ist, ist nicht zuzumuten, dauerhaft einen Zahlungsrückstand in dieser Höhe, der, wie die Antragsgegnerin unbestritten angibt, weiter ansteigt, ohne Aussicht auf Zahlung zu dulden. Dies ergibt sich auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 30.09.1981: „Aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG) kann zwar folgen, dass der Staat im Einzelfall zu Leistungen an den Bürger verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 33, 303 (331 f) = NJW 1972, 1561). Aus ihm kann aber ein Anspruch auf uneingeschränkte Lieferung von Strom nicht hergeleitet werden. Vielmehr sind die entsprechend dem Sozialstaatsprinzip im Bedarfsfalle vom Staat gewährten Leistungen und Hilfen, etwa aus dem Bundessozialhilfegesetz, für die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen aus dem Energielieferungsvertrag einzusetzen.“ (NJW 1982, 1511, beck-online).
Weiterhin ist die Versorgungsunterbrechung schon nach dem Gesetz als Ultima Ratio ausgestaltet, die erst erfolgen kann, wenn alle anderen Maßnahmen (Mahnungen, Sperrandrohung) nicht gefruchtet haben und selbst dann erst nach Ablauf von weiteren 4 Wochen (§ 19 Abs. 2 S. 1 StromGVV und GasGVV, beide gleichlautend). Angesichts der vorgeschalteten Maßnahmen und der Wartezeit von 4 Wochen haben die von einer möglichen Versorgungsunterbrechung betroffenen Personen die Möglichkeit, für diese Vorsorge zu treffen und Kleinkinder/andere Hilfsbedürftige in ihrer Obhut zu schützen.
Das Angebot der Ratenzahlung in Höhe von 1.000 € monatlich (Anlage 2) reicht für die Bejahung des Ausnahmetatbestands des § 19 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 StromGVV/GasGVV aus, da der Antragsteller nicht dargelegt hat, dass hinreichende Aussicht besteht, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt. Es wird nicht dargetan, weshalb er nunmehr zur Zahlung gewillt und befähigt ist.
Zudem ergibt sich aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten E-Mail-Verkehr (B5), dass der Antragsteller bisher in Aussicht gestellte Zahlungen nicht geleistet hat. So gab er mit E-Mail vom 15.07.2021 noch an, er habe nun ein Bankkonto bei der … eröffnet, um in Zukunft die Zahlungen fristgerecht zu leisten (B5 S. 1). Es folgte aber unbestritten weder eine Ratenzahlung, noch eine laufende Abschlagszahlung.
Wäre das Angebot einer Ratenzahlung ernst gemeint gewesen und nicht nur dadurch motiviert, die Energieversorgungsunterbrechung abzuwenden oder hinauszuzögern, hätte der Antragsteller dies durch die Zahlung der ersten Rate und der Abschlagsforderung zeigen können.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Der Streitwert war gemäß §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO nach dem Interesse des Antragstellers an der begehrten Regelung auf 7.548 € festzusetzen. Maßgebend hierfür waren die geschätzten, dem Strom- und Gasverbrauch des Antragstellers für den Zeitraum einer vorläufigen Regelung der Versorgung von sechs Monaten äquivalenten Kosten der Energielieferung, die mit den in der Anlage B4 angegebenen 585 € + 44 € = 629 € angenommen wurden (vgl. AG Ludwigslust Beschl. v. 17.10.2011 – 5 C 149/11, BeckRS 2012, 3802, beck-online).


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