Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Verkehrssicherheit des Fahrzeugs als Voraussetzung für die Nutzungsentschädigung

Aktenzeichen  2 S 1503/20

Datum:
22.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 18713
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249
ZPO § 287, § 522 Abs. 2, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 546

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 C 951/18 2020-03-18 Berichtigungsbeschluss AGSCHWABACH AG Schwabach

Tenor

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwabach vom 19.02.2020, Az. 2 C 951/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Gründe

I. Das Amtsgericht hat der in der Hauptsache auf Zahlung weiterer 3.385,00 € (restlicher Wiederbeschaffungsaufwand 850,00 €, Nutzungsausfallentschädigung 2.405,00 € (37 Tage zu je 65,00 €), Ab- und Anmeldekosten pauschal 125,00 €, restliche allgemeine Auslagenpauschale 5,00 €) sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € gerichteten Klage in der Hauptsache lediglich in Höhe von 940,00 € stattgegeben. Zugesprochen hat es restlichen Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 850,00 € sowie pauschal für Ummeldekosten 90,00 €. Abgewiesen hat es dagegen in voller Höhe die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung sowie weitere pauschale Auslagen. Zur Begründung führt es insbesondere aus, dass eine Nutzungsausfallentschädigung bereits deswegen ausgeschlossen sei, da das Fahrzeug aufgrund eines Vorschadens vom 04.05.2018 bereits im Unfallzeitpunkt am 07.05.2018 nicht mehr verkehrssicher im Sinne der StVZO gewesen sei. Unstreitig bestanden am klägerischen Fahrzeug aufgrund des Schadenereignisses vom 04.05.2018 folgende Beschädigungen: Scheinwerfer vorne rechts lose und in der Einbaulage verschoben, Reifenflanke vorne rechts beschädigt, Felge hinten rechts verformt (vgl. Schadengutachten der Klagepartei vom 25.05.2018, Anlage K 1, dort S. 3). Ebenso unstreitig hatte der Kläger das Fahrzeug zwischen dem Vorschaden und dem streitgegenständlichen Unfall weiter in Gebrauch. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hat das Gericht in Höhe von 334,75 € zugesprochen.
Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger insoweit gegen das amtsgerichtliche Urteil, als die Klage hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 2.405,00 € sowie weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 157,79 € abgewiesen wurde. Insbesondere habe das Amtsgericht im Rahmen seiner Entscheidung verkannt, dass der gerichtliche Sachverständige Dipl.-Ing (FH) S in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.03.2019 sowie im Ergänzungsgutachten vom 05.08.2019 davon ausgegangen sei, dass das klägerische Fahrzeug aufgrund des Vorschadens „bedingt fahr- und betriebsbereit“ gewesen sei, die Fahrsicherheit „zumindest unter Tagfahrbedingungen nicht beeinträchtigt“ und „das Fahrzeug unter Tagfahrbedingungen zumindest eingeschränkt nutzbar“ war. Allenfalls sei gemäß § 287 ZPO ein Abzug für eine eingeschränkte Nutzbarkeit des Fahrzeugs während Dunkelheit vorzunehmen, der maximal 1/3 betragen könne. Außerdem habe das Amtsgericht unbeachtet gelassen, dass der Kläger bei unverzüglicher und vollständiger Schadenregulierung durch den Beklagten ein Ersatzfahrzeug hätte anschaffen können, wozu er jedenfalls zunächst aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage war.
Der Beklagte verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung und beantragt kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung. Der Kläger könne keine Nutzungsausfallentschädigung für ein bereits vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis nicht mehr verkehrssicheres Fahrzeug verlangen.
II. Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg, da die amtsgerichtliche Entscheidung im Umfang des Berufungsangriffs weder auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1, 1. Alternative, § 546 ZPO) noch nach § 529 zugrundezulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1, 2. Alternative ZPO).
1. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Derartige konkrete Anhaltspunkte ergeben sich weder aus dem Vortrag der Klagepartei in der Berufungsinstanz noch aus dem sonstigen Akteninhalt. Letztlich greift auch die Klagepartei nicht die Tatsachenfeststellungen seitens des Amtsgerichts an, sondern deren rechtliche Einordnung durch das Ausgangsgericht.
2. Auch die Kammer vermag in der Abweisung hinsichtlich der Position Nutzungsausfallentschädigung durch das Amtsgericht eine Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO nicht zu erkennen, sondern ist vielmehr der Auffassung, dass das Amtsgericht die Klage insofern zu Recht abgewiesen hat. Denn dem Kläger ist der Nachweis der (tatsächlichen und rechtlichen) Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeugs vorbehaltlich des streitgegenständlichen Unfallereignisses nicht gelungen. Auf die Frage der Dauer und Höhe der Nutzungsausfallentschädigung kommt es daher auch aus Sicht der Kammer vorliegend nicht mehr entscheidungserheblich an.
a) Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Nutzungsausfallentschädigung gilt (vgl. hierzu allgemein Stiefel/Maier/Rogler, 19. Aufl. 2017, § 249 BGB, Rn. 96 ff.):
Die Gebrauchsmöglichkeit eines Kfz stellt grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen. Es ist gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass sich bei der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit ein Vermögensschaden ergeben kann. Tragende Erwägung hierfür ist, dass die Verfügbarkeit eines Fahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit das Fortkommen im allgemeinsten Sinn zu fördern (BGH NJW 2008, 915; BGH NJW 1971, 1692; grundlegend BGH NJW 1964, 542). Bereits die infolge der Beschädigung verursachte Unmöglichkeit, den Kraftwagen vorübergehend zu benutzen, ist ein Vermögensschaden (BGH NJW 1964, 542). Positive Grundlage des Anspruchs ist § 251 BGB (BGH NJW 1966, 1260; BGH NJW 1971, 1692).
Erforderlich ist, dass der Geschädigte seinen Wagen während der Ausfallzeit benutzen wollte und hierzu auch in der Lage war. Hätte der Betroffene aus unfallunabhängigen Gründen den Wagen in der Reparaturzeit gar nicht nutzen können, so kann er den Schadensfall nicht zum Anlass nehmen, sich für die Vereitelung einer bloß abstrakten Nutzungsmöglichkeit eine Entschädigung zahlen zu lassen und so am Unfall zu verdienen (BGH NJW 1966, 1260). Es muss also eine fühlbare Nutzungsbeeinträchtigung bestehen, die bei vorhandenem Nutzungswillen und hypothetischer Nutzungsmöglichkeit zu bejahen ist (BGH NJW 1966, 1260).
b) Im Streit steht hier letztlich die Rechtsfrage, ob eine solche hypothetische Nutzungsmöglichkeit voraussetzt, dass das unfallbeschädigte Fahrzeug unbeschadet des konkreten Unfallereignisses verkehrssicher im Sinne der StVZO gewesen wäre bzw. umgekehrt, ob eine fehlende Verkehrssicherheit im Sinne der StVZO zu einer – jedenfalls rechtlichen – Unmöglichkeit der Nutzung führt. Die Kammer bejaht dies im Ergebnis.
Soweit ersichtlich und der Kammer bekannt fehlt es hierzu bislang an obergerichtlichen Entscheidungen. Relative Einigkeit innerhalb der instanzgerichtlichen Rechtsprechung scheint jedenfalls insofern zu bestehen, dass ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht begründet ist, wenn ein Fahrzeug trotz unfallbedingter Beschädigung fahrbereit und verkehrssicher ist (vgl. z.B. AG Essen, Urteil vom 27. November 2013 – 17 C 184/13 -, juris; AG Hannover, Urteil vom 28. November 2001 – 553 C 12061/01 -, juris; AG Hannover, Urteil vom 29. Januar 1998 – 529 C 4657/97 -, juris).
Umgekehrt gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass für ein Fahrzeug, das bereits vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis als nicht mehr verkehrssicher im Sinne der StVZO einzustufen ist, eine Nutzungsausfallentschädigung nicht geltend gemacht werden kann (vgl. auch LG Stralsund, Urteil vom 05. Januar 2007 – 4 O 92/05 -, juris Rn. 23: im dort zugrunde liegenden Sachverhalt war das klägerische Fahrzeug zunächst mit einer Mittelleitplanke kollidiert und bereits aufgrund dieser Kollision lediglich noch roll- und fahrfähig, aber nicht mehr verkehrssicher; eine Nutzungsausfallentschädigung von dem zeitlich danach Auffahrenden konnte nicht beansprucht werden).
Der in der vorbezeichneten Entscheidung zum Ausdruck kommenden Auffassung schließt sich die Kammer an. Es handelt sich bei der tatbestandlichen Voraussetzung der Nutzungsmöglichkeit nicht nur um eine tatsächliche, sondern auch um eine rechtliche Frage. Es kann – auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der übrigen Verkehrsteilnehmer – nicht ausschließlich auf die Fahrfähigkeit oder Fahrbereitschaft des Fahrzeugs ankommen, sondern es ist ebenso zu verlangen, dass das Fahrzeug nach den geltenden zulassungsrechtlichen Vorschriften auch zulassungsfähig war und im Verkehr hätte geführt werden dürfen. Dass der Kläger das Fahrzeug nach dem Vorschaden tatsächlich noch in Gebrauch hatte, ändert hieran nichts.
c) Für das Vorliegen (auch) dieser Voraussetzung ist nach allgemeinen Beweislastregeln der Kläger darlegungs- und ggf. beweispflichtig. Der Beklagte hat dies vorliegend bestritten, dem Kläger ist der Nachweis, dass nach dem Vorschaden vom 04.05.2018 Verkehrssicherheit bestand, nicht gelungen:
Der gerichtliche Sachverständige führt in seinem Gutachten vom 28.03.2019 überzeugend und auch vom Kläger nicht beanstandet aus, dass die Frage der Verkehrs- und Betriebssicherheit nach dem Eintritt des Erstschadens aufgrund fehlender, ausreichend genauer Anknüpfungstatsachen nicht eindeutig beantwortet werden kann (vgl. Gutachten S. 6, Bl. 41 d.A.). Er hat hierzu das klägerische Schadengutachten herangezogen, wonach bereits aufgrund des Vorschadens eine Verkehrssicherheit nicht mehr bestand. Zwar relativiert der gerichtliche Sachverständige diese Einschätzung in gewissem Umfang und beschreibt das Fahrzeug als „zumindest bedingt fahr- und betriebsbereit, jedenfalls unter Tagfahrbedingungen“. Gleichzeitig führt er aber aus, dass die Kriterien zur Erteilung einer Prüfplakette nach § 29 StVZO sicherlich nicht mehr vorgelegen haben. Mit anderen Worten: Das Fahrzeug wäre bereits vor dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis nicht mehr „durch den TÜV“ gekommen. Auch in seinem ergänzenden Gutachten führt der Sachverständige aus, dass er zur Frage der Verkehrssicherheit ohne genaue Kenntnis des Beschädigungsumfangs durch den Vorschaden keine eindeutige Aussage treffen kann (vgl. Ergänzungsgutachten S. 3, Bl. 70 d.A.).
Insofern bleibt nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch zur Überzeugung der Kammer offen, ob das Fahrzeug nach dem Vorschaden und vor dem streitgegenständlichen Unfallschaden tatsächlich verkehrssicher war, was – wie vorstehend dargestellt – zu Lasten des Klägers geht.
d) Auf den klägerseits geltend gemachten Regulierungsverzug der Beklagten – insbesondere, dass der Kläger bei unverzüglicher und vollständiger Schadenregulierung durch den Beklagten ein Ersatzfahrzeug hätte anschaffen können – kommt es daher entscheidungserheblich nicht an. Denn es ist dem Kläger bereits kein nachgewiesener Schaden in Form einer unfallkausalen Entziehung der Nutzungsmöglichkeit seines schon vorher nicht rechtlich zulässig nutzbaren Fahrzeugs entstanden, sodass der Beklagte hierfür grundsätzlich nicht einzutreten hat. Zu einem konkreten, aus einem etwaigen Verzug resultierenden Schaden hat der Kläger ebenfalls nicht vorgetragen.
3. Da dem Kläger eine weitere Zahlung in der Hauptsache nicht zusteht, erhöht sich auch nicht der berechtigte Gegenstandswert hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, sodass er auch insoweit keine weitere Zahlung beanspruchen kann.
III. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.


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