Arbeitsrecht

2 W 4619/21

Aktenzeichen  2 W 4619/21

Datum:
12.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2022, 398
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 63

 

Leitsatz

Für eine gestaffelte Streitwertfestsetzung gemäß § 63 GKG nach Verfahrensabschnitten oder Zeiträumen besteht kein Raum.

Verfahrensgang

12 O 168/21 2021-11-17 Bes LGAMBERG LG Amberg

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Amberg vom 17.11.2021, Az. 12 O 168/21, wird auf deren Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe

I.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin in der Hauptsache die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 22.139,59 € brutto. In der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2021 schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, an die Klägerin insgesamt 16.771,85 € brutto in zwei Raten zu bezahlen (Seite 4 des Protokolls, Bl. 84 d. A.). Mit der Vereinbarung sollten „sämtliche streitgegenständlichen Forderungen abgegolten und erledigt“ sein.
Mit Schriftsatz vom 03.11.2021 (Bl. 87 f. d. A.) verwies die Bevollmächtigte der Beklagten darauf, dass – angesichts der bestehenden Einigkeit in der mündlichen Verhandlung über die Zahlung eines Teilbetrags von 3.775,82 € – der Vergleich nur „wegen einer Restforderung von noch 18.363,77 € geschlossen“ worden sei, „sodass für die Einigungsgebühr dieser Betrag als Gegenstandswert maßgeblich“ sei. Dies gelte unabhängig davon, dass keine Teilerledigungserklärung abgegeben worden sei.
In der Folge setzte das Landgericht mit Beschluss vom 17.11.2021 den Streitwert auf 22.139,59 € fest und erklärte, dass ein überschießender Vergleichswert nicht bestehe (Bl. 93 f. d. A.). Anlass für eine gestaffelte Festsetzung habe – so das Landgericht – „auch im Hinblick auf den im Termin nicht mehr streitigen Teil nicht [bestanden], da zu keinem Zeitpunkt eine Erledigungserklärung erfolgt“ sei.
Im Schriftsatz der Bevollmächtigten der Beklagten vom 25.11.2021 (Bl. 105 f. d. A.), der am selben Tag eingegangen ist, erklärte der verfassende Rechtsanwalt: „Rein vorsorglich lege ich hiermit gegen den Streitwertbeschluss insoweit Beschwerde ein, als dieser eine gesonderte Streitwertfestsetzung für die Einigungsgebühr ablehnt.“
Am 14.12.2021 entschied das Landgericht, der Beschwerde nicht abzuhelfen (Bl. 116 f. d. A.).
II.
1. Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 68 Abs. 3 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat, ist unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn man entgegen dem Wortlaut des Schriftsatzes vom 25.11.2021, wie der Senat, unterstellt, dass das Rechtsmittel nicht von einem Bevollmächtigten der Beklagten im eigenen Namen, sondern im Namen der Beklagten mit dem statthaften Ziel eingelegt wurde, eine Herabsetzung des Streitwerts zu erreichen (vgl. dazu: Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl., § 68 GKG Rn. 10).
Da das Landgericht die Beschwerde in dem angegriffenen Beschluss nicht zugelassen hat, setzt deren Statthaftigkeit gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG einen über 200 € liegenden Wert des Beschwerdegegenstands voraus. Dieser Wert errechnet sich dabei nicht aus der Differenz der Streitwerte; vielmehr ist das Kosteninteresse maßgeblich. Der Beschwerdewert ergibt sich daher aus dem kostenmäßigen Nachteil, der dem Beschwerdeführer durch die erfolgte Festsetzung des Streitwerts erwächst. Entscheidend ist, in welchem Umfang sich die Position des Beschwerdeführers in kostenmäßiger Hinsicht durch die erfolgte Streitwertfestsetzung gegenüber der Position bei der von ihm begehrten Streitwertfestsetzung verschlechtert (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.01.2005 – 15 W 29/04 -, juris Rn. 4 f.; Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl., § 68 GKG Rn. 12; Laube in BeckOK, Kostenrecht, 35. Edition, § 68 GKG Rn. 70; Zimmermann in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 5. Aufl., § 68 GKG Rn. 6). Auch wenn für die Bemessung der Einigungsgebühr lediglich ein Streitwert von 18.363,77 € (statt 22.139,59 €) maßgeblich sein sollte, läge die Kostenersparnis für die Beklagte unter Berücksichtigung der dem eigenen Rechtsanwalt zu zahlenden und der dem Gegner für dessen Anwalt nach §§ 91 ZPO zu erstattenden Gebühren insbesondere angesichts der vereinbarten Kostenquote von 10 zu 90 zu Lasten der Beklagten und der Vorsteuerabzugsberechtigung beider Parteien unter 200 €. Das würde selbst dann gelten, wenn § 60 Abs. 1 RVG nicht einschlägig wäre.
2. Im Übrigen wäre die Beschwerde auch unbegründet.
Der vom Landgericht auf der Grundlage von § 63 Abs. 2 GKG mit dem angegriffenen Beschluss festgesetzte (Gebühren-)Streitwert dient der Bemessung der wertabhängigen Gerichtsgebühr. Lediglich insoweit ist der Streitwert von Amts wegen festzulegen.
In einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren wird nur eine einheitliche (Verfahrens-)Gebühr erhoben. Ob diese zu einem Satz von 3,0 (Nr. 1210 KV-GKG) oder zu einem ermäßigten Satz von 1,0 (Nr. 1211 KV-GKG) anfällt, ist unerheblich. Es bleibt bei einer einzigen Gerichtsgebühr, die für das gesamte Verfahren erhoben wird. Maßgebend für deren Bestimmung ist der Gesamtwert aller während des Verfahrens anhängig gemachter Gegenstände (§ 39 Abs. 1 GKG). Eine teilweise Klagerücknahme oder übereinstimmende Teilerledigung lassen den Streitwert unberührt. Seit Abschaffung der „Beweisgebühr“ sowie der „Urteilsgebühr“ mit Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2004 führen sie nicht mehr zu einer Reduzierung der anfallenden Gerichtsgebühren, die bis dahin abschnittsweise (Klage, Beweis, Urteil) erhoben wurden.
Ungeachtet dessen mag in der Praxis eine nach bestimmten Verfahrensabschnitten gestaffelte Festsetzung des (Gebühren-)Streitwerts von Amts wegen vorkommen. Eine solche ist vom Gerichtskostengesetz aber weder vorgesehen noch – wie aufgezeigt – systematisch für die Festsetzung der Gerichtsgebühren erforderlich. Teilgebühren nach verschiedenen Werten oder Zeitabschnitten kennt das Gerichtskostengesetz nicht. Im Ergebnis besteht für eine gestaffelte Streitwertfestsetzung deshalb kein Raum (OLG München, Beschluss vom 13.12.2016 – 15 U 2407/16 -, juris Rn. 16; KG Beschluss vom 02.03.2018 – 26 W 62/17 -, juris Rn. 7; Jaspersen in: BeckOK, ZPO, 42. Edition, § 104 Rn. 26, auch § 91a Rn. 37; Elzer in Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl., Vorbem. Zu §§ 3 – 9 ZPO Rn. 9; Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 39 GKG Rn. 18a). Eine solche ist jedenfalls nicht erforderlich (OLG Dresden, Beschluss vom 17.01.2019 – 8 W 24/19 -, juris Rn. 10) und kann deshalb nicht verlangt werden.
Es mag sein, dass für die Gebühren der Rechtsanwälte gegebenenfalls geringere Werte maßgebend sein können. Denn Verfahrensgebühr, Terminsgebühr und Einigungsgebühr müssen sich nicht zwangsläufig nach demselben Gegenstandswert wie die Gerichtsgebühren richten. Insbesondere gilt der Grundsatz des § 32 RVG, wonach die gerichtliche Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts auch für die Gebühren des Rechtsanwalts bestimmend ist, nur insoweit, als sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit derjenigen des Rechtsanwalts deckt (BGH, Urteil vom 11.11.1976 – III ZR 57/75 -, juris Rn. 16). Für die erforderliche gesonderte Wertfestsetzung bedarf es eines Antrags nach § 33 Abs. 2 RVG, der gerade auch von einem erstattungspflichtigen Gegner gestellt werden kann. Es ist nicht Sache des Gerichts im Verfahren der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren gemäß § 63 GKG, zu dem auch das Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG gehört, von Amts wegen über die Gegenstandswerte der anwaltlichen Tätigkeit zu befinden. Insofern kann offenbleiben, ob das bisherige Vorbringen als Antrag nach § 33 RVG auszulegen ist.
III.
Das Verfahren über die nicht statthafte Beschwerde der Beklagten ist nicht gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gebührenfrei. § 68 Abs. 1 GKG sieht die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nur unter den dort genannten Voraussetzungen vor. Entsprechend stellt Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift nur die danach statthafte Beschwerde von Gebühren frei (BGH, Beschluss vom 22.02.1989 ‒ IVb ZB 2/89 ‒, juris Rn. 5; Beschluss vom 03.02.2014 ‒ IV ZB 4/14 ‒, juris Rn. 3 f.).


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