Arbeitsrecht

4 Ta 39/22

Aktenzeichen  4 Ta 39/22

Datum:
29.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 4. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2022:0629.4TA39.22.00
Normen:
§ 79 ArbGG
§ 585 ZPO
§ 589 Abs 1 S 2 ZPO
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. In Fällen eines rechtsmissbräuchlichen Wiederaufnahmeantrags kann auch das erstinstanzliche (Arbeits-)Gericht ausnahmsweise auf eine mündliche Verhandlung verzichten und einen unzulässigen Wiederaufnahmeantrag im Beschlusswege als unzulässig verwerfen (Weiterführung von BGH Beschluss 7.3.2013 – V ZB 286/11).2. § 79 ArbGG regelt das Verfahren für Wiederaufnahmeklagen unabhängig davon, ob dieses vor dem Arbeitsgericht oder Rechtsmittelgericht geführt wird, abschließend und vollständig als lex specialis gegenüber § 46 ArbGG.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 21. April 2022, 6 Ca 2079/21, Beschluss

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 21.04.2022 – 6 Ca 2079/21 – wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Klägerin wehrt sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt, mit welchem ihre als Restitutionsklage bezeichnete Eingabe vom 16.12.2021 als unzulässig verworfen wurde.
In der Hauptsache begehrt die Klägerin Wiederaufnahme eines Verfahrens des Arbeitsgerichts Erfurt, welches unter dem Az. 6 Ca 590/20 geführt wurde. In jenem Verfahren wies das Arbeitsgericht mit Versäumnisurteil vom 14.10.2021 die Klage ab. Dieses Versäumnisurteil ist der Klägerin am 16.10.2021 zugestellt worden. Beigefügt waren der Hinweis, dass gegen das Versäumnisurteil innerhalb einer Notfrist von einer Woche nach Zustellung Einspruch erhoben werden könne. Die Klägerin legte Berufung gegen das Versäumnisurteil beim Thüringer Landesarbeitsgericht ein, welche als unzulässig verworfen
wurde.
In ihrem als Restitutionsklage überschriebenen Schriftsatz vom 16.12.2021 machte die Klägerin schwerwiegende Verfahrensfehler, Straftaten der Rechtsbeugung, Verwirkung ihres Grundrechts auf den gesetzlichen Richter, die rechtswidrige Zerpflückung einer Gerichtsakte an deutschlandweit verschiedene Gerichte, die Rechtswidrigkeit eines Rechtswegbeschlusses des Thüringer Landesarbeitsgerichts sowie, soweit ersichtlich, geltend, dass keine mündliche Verhandlung am Arbeitsgericht Erfurt hätte stattfinden sollen. Weitere Tatsachen hierzu, welche diese Bewertungen belegen könnten, sind weder in dem Schriftsatz noch im nachfolgenden Schriftverkehr enthalten.
Mit Beschluss vom 21.04.2022 hat das Arbeitsgericht die Klage als unzulässig verworfen.
Die Klägerin habe keinen substantiierten Vortrag zu irgendwie gearteten Restitutionsgründen gehalten. In einer solchen Situation könne über die Zulässigkeit der Restitutionsklage ausnahmsweise ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden, weil sich die erhobene Klage als rechtsmissbräuchlich darstelle. In einer solchen Fallgestaltung würde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einer Zweckentfremdung derselben führen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Seiten 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses (Bl. 75 und 76 der Akte) Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 27.04.2022 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit am 3. Mai 2022 beim Arbeitsgericht und zeitgleich beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen sofortige Beschwerde erhoben mit der Begründung, die Beschlüsse der Arbeitsgerichtsbarkeit enthielten Lücken und Straftaten wie Rechtsbeugung. Ferner sei das Gericht verpflichtet, den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen zu erforschen. Wegen des übrigen Inhaltes der Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf diese selbst (Bl. 85 und 86 der Akte) Bezug genommen.
Mit begründetem Beschluss vom 12.05.2022 hat die Kammer des Arbeitsgerichts der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Thüringer Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Die Restitutionsklage ist unzulässig, denn sie ist zum einen verspätet erhoben und zum
anderen fehlt es an der schlüssigen Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes; beides gehört zur Zulässigkeit der Klage (GMP/Müller-Glöge ArbGG § 79 Rn. 2). Insoweit wird auf die ausreichend ausführlichen, zutreffenden und überzeugenden Gründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen und das Beschwerdegericht macht sich diese zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG analog). Das Vorbringen der Klägerin im Beschwerderechtszug veranlasst keine weitergehenden Erörterungen. Das Versäumnisurteil ist rechtskräftig geworden mit Ablauf der Einspruchsfrist. Die zulässigen Rechtsbehelfe und Rechtsmittel sowie die Fristen hierfür ergeben sich aus dem Gesetz. Wenn sich die Klägerin anderweitig entschieden hat und eine unstatthafte Berufung einlegt, hat das auf den gesetzlichen Lauf der Fristen keinen Einfluss. Im Übrigen sind ihre allgemeinen Ausführungen zu Straftaten der Thüringer Justiz etc. mit Bezug auf die Historie ihrer Verfahren dem vorliegenden Verfahren und den Begründungssträngen der angegriffenen Entscheidung nicht zuzuordnen.
Das Arbeitsgericht durfte hier auch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden.
§ 79 ArbGG regelt das Verfahren für Wiederaufnahmeklagen unabhängig davon, ob dieses vor dem Arbeitsgericht oder Rechtsmittelgericht geführt wird, abschließend und vollständig als lex specialis gegenüber § 46 ArbGG. Das ergibt sich aus dem Verweis auf die Normen der ZPO für das Wiederaufnahmeverfahren in § 79 Satz 1 ArbGG und der in Satz 2 abschließend geregelten einzigen Besonderheit, dass der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eingeschränkt wird. § 585 ZPO verweist für das Verfahren der Wiederaufnahme auf die allgemeinen Vorschriften. In § 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist die Besonderheit geregelt, dass unzulässige Klagen zu verwerfen sind. Diese Terminologie stammt aus dem Verfahrensrecht für Rechtsmittelgerichte; erstinstanzlich werden auch unzulässige Klagen abgewiesen. Eine Verwerfung als unzulässig findet typischerweise nur bei Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln statt. Dieser Wortlaut und die Abweichung vom allgemeinen Rechtsprachgebrauch ist nicht unerheblich (a.A. MüKo-ZPO/Braun/Heiß, § 589 ZPO Rn 2 aufgrund Missinterpretation von RG, Urteil vom 12. Dezember 1883 – I 399/83 –, RGZ 14, 329-332). Die Verwendung des im Rechtsmittelverfahrensrecht gebräuchlichen Ausdrucks „verwerfen“ weist darauf hin, dass die Wiederaufnahmeklage genuin eher einem Rechtsmittel nahekommend ausgestaltet ist, denn einem Klageverfahren (so wie hier Büscher in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 578 Arten der Wiederaufnahme Rn 13).
Es besteht Einigkeit dahingehend, dass die Wiederaufnahmeklage große Ähnlichkeit mit einem Rechtsmittel hat und als außerordentliches Rechtsmittel, so wie das Einführungsgesetz zur ZPO (§ 20 Abs. 1 EGZPO, RGBl. 1877, 249) die Wiederaufnahme seinerzeit ausdrücklich bezeichnet hatte, zu charakterisieren ist (MüKo-ZPO/Braun/Heiß Vorbemerkungen zu § 578 ZPO Rn 5; Büscher in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 578 Arten der
Wiederaufnahme Rn 13).
Deshalb ist es gerechtfertigt, typische Verfahrensvorschriften aus Rechtsmittelverfahren für das Wiederaufnahmeverfahren anzuwenden. Dazu gehört in Ausnahmefällen, die Verwerfung als unzulässig durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zuzulassen, nämlich dann, wenn rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Gerichte vorliegt und die mündliche Verhandlung zweckentfremdet würde (so die ganz h.M. BGH Beschluss vom 07.03.2013 – V ZB 286/11, BeckRS 2013, 5737; BSG, Beschluss vom 10. Juli 2012 – B 13 R 53/12 B –, SozR 4-1500 § 158 Nr 6, Büscher in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 590 Rn 6; Musielak/Voit, ZPO, § 589 Rn 1).
Das entspricht letztlich dem Sinn, (Rechtsmittel-)Gerichten in klaren Sachlagen die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ohne mündliche Verhandlung zu gestatten.
Aus diesem Grunde schließt sich das Gericht der Auffassung des Bundesgerichtshofs an, dass in Fällen eines rechtsmissbräuchlichen Wiederaufnahmeantrags ausnahmsweise auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und ein unzulässiger Wiederaufnahmeantrag im Beschlusswege als unzulässig verworfen werden kann.
Hier ist der Antrag rechtsmissbräuchlich. Das Arbeitsgericht hat vollkommen zutreffend festgestellt, dass die Klägerin keinen auch nur ansatzweise schlüssigen Wiederaufnahmegrund dargelegt hat. Ihr geht es nur darum, frei von irgendwelchen gesetzlichen Voraussetzungen, die im Gesetz nicht vorgesehene Abänderung alter Entscheidungen zu erreichen und dabei ihre in jedem Verfahren gleichförmig wiederholte Kritik an den bisherigen sie betreffenden Entscheidungen aller Gerichte und Staatsanwaltschaften, die sie ohne jeden Beleg als Straftaten bezeichnet. Eine mündliche Verhandlung hat den Sinn, geltend gemachte Anfechtungsgründe aufzuklären und hierüber zu diskutieren, dient aber nicht als Forum für schon mehrfach zurückgewiesene Ansinnen.
Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand nicht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.


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