Aktenzeichen M 3 M 18.2620
RVG § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 5
Leitsatz
1. Die Regelung des § 15 Abs. 2 RVG beruht auf dem Grundgedanken, dass zwischen dem Abänderungsverfahren und dem vorangegangenen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, der die Zusammenfassung der Verfahrensschritte zu einer gebührenrechtlichen Einheit rechtfertigt. (Rn. 9 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein bereits im Ausgangsverfahren nach § 123 VwGO tätig gewordener Prozessbevollmächtigter kann für das nachfolgende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO analog nicht erneut eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG beanspruchen und keine gesonderte Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG verlangen, weil diese Gebühren bereits im Ausgangsverfahren entstanden und nicht nochmals bzw. gesondert erstattungsfähig sind. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Kostenentscheidung im Abänderungsverfahren ersetzt nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung. Diese bleibt vielmehr erhalten. (Rn. 13 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragspartei trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 7. Februar 2018 wurde der Antrag der Antragspartei nach § 123 VwGO abgelehnt (M 3 E 17.18308). Der Beschluss des Gerichts war ohne Würdigung der von der Antragspartei unter dem 10. Januar 2018 erhobenen Einwände abgelehnt worden, da der Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragspartei vom 10. Januar 2018 versehentlich nicht in der Generalakte abgelegt worden war.
Die in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO erfolgte erneute Prüfung des Gerichts unter Berücksichtigung des Schriftsatzes führte zu keinem anderen Ergebnis; mit Beschluss vom 26. Februar 2018 wurde der Antrag abgelehnt. Die den Beteiligten entstandenen Kosten wurde analog § 154 Abs. 4, § 155 Abs. 4 und § 162 Abs. 3 VwGO der Staatskasse auferlegt (M 3 S7 18.761).
Mit Schreiben vom 3. April 2018 beantragte der Bevollmächtigte der Antragspartei Kostenfestsetzung im Verfahren M 3 S7 18.761.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. April 2018 lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München die Kostenfestsetzung ab. Zur Begründung führte sie aus, das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO und das Ausgangsverfahren seien gebührenrechtlich eine Einheit, da die Verfahren nach § 16 Nr. 5 RVG dieselbe Angelegenheit beträfen. Da der Rechtsanwalt nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern könne, seien Gebühren, die bereits im Ausgangsverfahren entstanden sind, im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht nochmals erstattungsfähig.
Mit Schriftsatz vom 27. April 2018, bei Gericht eingegangen am 30. April 2018, hat der Bevollmächtigte der Antragspartei die Entscheidung des Gerichts beantragt.
Er trägt vor, jeder Beteiligte könne aus der ihm günstigen Kostenentscheidung Kostenerstattung verlangen, wenn im Abänderungsverfahren und Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (analog) unterschiedliche Kostengrundentscheidungen ergangen seien. Die Gebühren, insbesondere die Verfahrensgebühr, würden für jede Tätigkeit des Anwalts stets erneut ausgelöst, die Gebühr könne jedoch gemäß § 15 Abs. 2 RVG lediglich einmal in derselben Angelegenheit gefordert werden. Der Grundsatz der Einmalvergütung führe jedoch lediglich zur Deckelung der Anwaltsvergütung (Innenverhältnis). Eine Aussage hinsichtlich der Kostenerstattung könne hieraus in keiner Weise erfolgen (Außenverhältnis). Die Festsetzung einer weiteren Vergütung für das Abänderungsverfahren werde nicht verlangt, sondern lediglich die Festsetzung der Verfahrensgebühr nebst Auslagen, die in dem gesamten Verfahren entstanden sei. Zudem sei das Abänderungsverfahren aufgrund eines Versehens seitens des Gerichts notwendig gewesen. Mit dortiger Mitteilung vom 19. Februar 2018 sei eine Kostentragung der Staatskasse in Aussicht gestellt worden.
Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und ihn mit Schreiben vom 8. Mai 2018 dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden sowie der Verfahren M 3 E 17.18308 und M 3 S7 18.761 verwiesen.
II.
Über die Erinnerung entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 165 Rn. 7). Nachdem die Kostengrundentscheidung im Beschluss vom … Februar 2018 (…) in Kammerbesetzung getroffen wurde, ist vorliegend die Kammer funktionell zuständig.
Die gemäß § 165 Satz 2 i.V.m. § 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Kostenerinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Urkundsbeamtin hat eine Festsetzung der vom Bevollmächtigten der Antragspartei mit Kostenantrag vom … April 2018 geltend gemachten Gebühren für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zu Recht abgelehnt.
Nach § 16 Nr. 5 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) stellen das Verfahren der einstweiligen Anordnung und jedes Verfahren über deren Abänderung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar. Gebühren dürfen in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG nur einmal gefordert werden. Die Regelung beruht auf dem Grundgedanken, dass zwischen dem Abänderungsverfahren und dem vorangegangenen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, der die Zusammenfassung der Verfahrensschritte zu einer gebührenrechtlichen Einheit rechtfertigt. Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten im Hinblick auf Verfahren, in denen er vorher bereits tätig war, in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (vgl. BayVGH, B. v. 24.4.2007 – 22 M 07.40006 – juris Rn 6; VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris Rn. 18). Die zusätzliche anwaltliche Tätigkeit im Abänderungsverfahren wird daher vergütungsrechtlich nicht gesondert honoriert (VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris Rn. 18). Daher kann ein – wie hier – bereits im Ausgangsverfahren nach § 123 VwGO tätig gewordener Prozessbevollmächtigter für das nachfolgende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO analog nicht erneut eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG beanspruchen und keine gesonderte Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG verlangen. Diese Gebühren sind bereits im Ausgangsverfahren nach § 123 VwGO entstanden und daher im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO analog nicht nochmals bzw. gesondert erstattungsfähig (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13; B.v. 2.4.1998 – 15 AS 96.1493, juris Rn. 7).
In der von der Antragspartei zitierten Rechtsprechung wird für den Fall, dass die Antragspartei im Ausgangsverfahren unterlegen, im Abänderungsantrag hingegen erfolgreich war, ein anderes Ergebnis vertreten. Demnach erfordere die prozessuale – im Gegensatz zur gebührenrechtlichen – Selbständigkeit der Verfahren es, der Antragspartei eine Kosteneinforderung auf Grundlage der im Abänderungsverfahren ergangenen Kostengrundentscheidung zu ermöglichen. Es sei mit der in § 154 Abs. 1 VwGO getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, wonach der unterliegende Teil die Kosten des (prozessualen) Verfahrens trägt, unvereinbar, der im Abänderungsverfahren erfolgreichen Antragspartei keinen Kostenerstattungsanspruch zuzuerkennen (vgl. VG München, B.v. 11.9.2015 – M 17 M 15.50729).
Dem lässt sich allerdings entgegen halten, dass die erst im Abänderungsverfahren zugunsten der Antragspartei erfolgte Kostengrundentscheidung sich nur auf das Abänderungsverfahren selbst bezieht und damit die Kostenerstattungspflicht nur für die im Abänderungsverfahren neu angefallenen Kosten regelt. Sie ersetzt nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung, diese bleibt vielmehr erhalten (BayVGH, B.v. 1.8.2007 – 14 CS 07.670 – juris, Rn. 15; VG Sigmaringen, B.v. 30.3.2011 – 5 K 3036/10 – juris m.w.N.). Denn das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO analog ist keine besondere Art eines Rechtsmittelverfahrens für Beschlüsse nach § 123 VwGO; Gegenstand des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO analog ist vielmehr eine neue einstweilige Anordnung für die Zukunft. Vorliegend sind die Gebühren – wie oben ausgeführt – bereits im Ausgangsverfahren entstanden und daher nicht nochmals erstattungsfähig (vgl. vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13; B.v. 2.4.1998 – 15 AS 96.1493, juris Rn. 7). Für den Fall, dass – wie hier – im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO analog keine weiteren anwaltlichen Kosten entstanden sind, als diejenigen, die schon im Verfahren nach § 123 VwGO entstanden waren, geht die neue Kostengrundentscheidung ins Leere (vgl. VG Postdam, B.v. 3.9.2014 – VG 11 KE 27/14 – juris; VG Münster, B.v. 8.5.2014 – 6 L 776/13.A – juris; a.A. VG Stuttgart, B.v. 29.4.2014 – A 7 K 226/14 – juris; VG München, B.v. 12.8.2013 – M 17 M 13.30186 – juris).
Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob dem Abänderungsantrag eine stattgebende oder eine ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorausgegangen ist. Unter dem Blickwinkel der Abgeltung des Arbeitsaufwands für einen Abänderungsantrag durch den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wäre es sinnwidrig, das Entstehen einer weiteren Gebühr vom Erfolg des ursprünglichen Antrags abhängig zu machen (vgl. im Hinblick auf die Anwendung des § 40 Abs. 2 BRAGO: BVerwG, B.v. 23.7.2003 – 7 KSt 6.03 – juris Rn. 5). Dies führt auch nicht vor dem Hintergrund zu einem unbilligen Ergebnis, dass ein im Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen im Abänderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, soweit er im Ausgangsverfahren anwaltlich noch nicht vertreten war. Eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung liegt darin nicht. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem § 162 VwGO zu Grunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen, sowie im pauschalierenden Ansatz des § 15 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 16 Nr. 5 RVG (vgl. VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris Rn. 18; VG Berlin, B.v. 31.10.2012 – 35 KE 32.12, 334 L 222.11 A – juris Rn. 8).
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom … Februar 2018 (…) wurde lediglich eine erneute Entscheidung über den Antrag der Antragspartei unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 10. Januar 2018 getroffen und die diesbezüglichen Kosten der Staatskasse auferlegt; das vorangegangene Verfahren nach § 123 VwGO wurde hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht berührt. Die von der Bevollmächtigten der Antragspartei geltend gemachte Gebühr und die Auslagenpauschale sind nach Maßgabe der obigen Ausführungen bereits im Ausgangsverfahren angefallen und können nicht im Verfahren nach § 80 Abs. 7 analog VwGO geltend gemacht werden kann. Inwieweit in der vorliegenden Konstellation anders zu entscheiden wäre, wenn dem Antrag nach § 123 VwGO im Ausgangsverfahren – wäre der Schriftsatz rechtzeitig berücksichtigt worden – hätte stattgegeben werden müssen, der Antrag aber – aufgrund der dann erfolgten Berücksichtigung des Antrags – erst im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO analog Erfolg hatte, ist hier nicht zu entscheiden, da vorliegend auch bei rechtzeitiger Berücksichtigung des Schriftsatzes der Antrag nach § 123 VwGO abzulehnen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.