Arbeitsrecht

Aberkennung des Ruhegehalts wegen veruntreuender Unterschlagung und Untreue als Kämmerer

Aktenzeichen  16a D 18.1209

Datum:
9.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27376
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 13, Art. 14, Art. 16, Art. 18 Abs. 5, Art. 19 Abs. 1 S. 1, Art. 53
StGB  § 246 Abs. 1, Abs. 2, § 263, § 266
DVKommBayDG § 3 Nr. 1, § 4 Abs. 2 S. 1
StPO § 170 Abs. 2
BeamtStG § 47 Abs. 1 S. 1
GG Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Überträgt eine Gemeinde durch Gemeinderatsbeschluss ihre Disziplinarbefugnis auf die Landesanwaltschaft, sind hieran anschließende „Vereinbarungen“ in Telefongesprächen und Schreiben zwischen der Landesanwaltschaft und Bediensteten der Gemeinde nicht geeignet, eine wirksame „Rücknahme“ der Übertragung zu bewirken; hierfür ist ein im Einvernehmen mit der Landesanwaltschaft zu fassender Beschluss des Gemeinderats („actus contrarius“) erforderlich, mit dem der ursprüngliche Übertragungsbeschluss aufgehoben wird. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Einstellung des Strafverfahrens wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nach § 170 Abs. 2 StPO führt nicht zur disziplinarrechtlichen Unbeachtlichkeit des Sachverhalts, denn das Fehlen einer strafgerichtlichen Verurteilung ist schon wegen der unterschiedlichen Zwecke, die einerseits das Disziplinarrecht, andererseits das Strafrecht verfolgen, ohne ausschlaggebende Bedeutung für die Gewichtung des Dienstvergehens. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens (hier: Untreuehandlung des Kämmerers) und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht – im vorliegenden Fall bis zu zehn Jahren -, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und bei Ruhestandsbeamten bis zur Aberkennung des Ruhegehalts. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 13b D 17.1676 2018-04-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) verhängt.
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Der Vorwurf, die Disziplinarbefugnis sei nicht wirksam auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen worden, trifft nicht zu.
Die Disziplinarbefugnis für den Beklagten als Ruhestandsbeamten einer Gemeinde übt der Gemeinderat oder ein von ihm ermächtigter Ausschuss aus (Art. 18 Abs. 5 BayDG i.V.m. § 3 Nr. 1 DVKommBayDG); nach § 4 Abs. 2 Satz 1 DVKommBayDG kann im Einzelfall die Disziplinarbefugnis auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen werden. Von dieser Möglichkeit hat der Gemeinderat der Gemeinde N. durch Beschluss vom 16. Dezember 2015 wirksam Gebrauch gemacht. Hieran anschließende „Vereinbarungen“ in Telefongesprächen und Schreiben zwischen der Vertreterin der Landesanwaltschaft und Bediensteten der Gemeinde waren nicht geeignet, eine wirksame „Rücknahme“ der Übertragung zu bewirken. Hierfür wäre vielmehr ein entsprechender, im Einvernehmen mit der Landesanwaltschaft (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 DVKommBayDG) zu fassender Beschluss des Gemeinderats („actus contrarius“) erforderlich gewesen, mit dem der ursprüngliche Übertragungsbeschluss aufgehoben hätte werden müssen. In Ermangelung eines Aufhebungsbeschlusses geht der Vortrag des Beklagten, im Schreiben der Gemeinde vom 19. Januar 2016 liege keine erneute Übertragung der Disziplinarbefugnis, ins Leere, denn vor dem Hintergrund der fortbestehenden Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses bedurfte es keiner erneuten Übertragung.
Damit kann die noch in der mündlichen Verhandlung diskutierte Frage, ob der vorstehend behauptete „wesentliche Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens“ mangels rechtzeitiger Geltendmachung unberücksichtigt bleiben kann (vgl. Art. 53 Abs. 1, 2 BayDG), dahinstehen.
2. Dem Beklagten werden aus disziplinarrechtlicher Sicht zwei Sachverhalte zur Last gelegt, von denen lediglich der zweite zu einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung geführt hat.
2.1 Im Zeitraum unmittelbar nach dem 1. Juni 2009 hat der Beklagte eine Straftat zum Nachteil seines Dienstherrn begangen, indem er die ihm in den Diensträumen von B. in bar übergebene, für die Gemeinde bestimmte und übereignete Kaution (5.000 Euro) nicht so bald als möglich an die Gemeindekasse weitergeleitet, sondern diesen Betrag für sich verwendet hat. In diesem Zeitpunkt war der Schaden in Form einer Gefährdung des Vermögens der Gemeinde eingetreten, weil sie durch den zeitgleichen Abschluss des Pachtvertrages gebunden wurde, ohne jedoch das vertraglich vorgesehene Sicherungsmittel in Form der Kaution erhalten zu haben. Der dargestellte Geschehensablauf wird vom Beklagten nicht mehr in Abrede gestellt und durch die dem Senat vorliegenden Niederschriften über seine polizeiliche Vernehmung sowie die Vernehmungen des B. und der Pächterin bestätigt. Die ursprüngliche Darstellung, das Geld sei dem Beklagten in Vollzug eines Darlehensvertrages übergeben worden, hält er nicht mehr aufrecht.
Die abschließende strafrechtliche Qualifizierung dieses Verhaltens des Beklagten kann offenbleiben, denn ihr kommt nur eine nachgeordnete Bedeutung zu. Entscheidendes Kriterium für die disziplinarrechtlichen Beurteilung ist der Umstand, dass der Beklagte unter Ausnutzung der sich aus seiner dienstlichen Stellung ergebenden Möglichkeiten ihm nicht gehörendes Geld in Zueignungsabsicht an sich genommen hat (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2018, MatR/II Rn. 328). Damit dürfte er sich einer veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1, 2 StGB (hierzu Vogel in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar 12. Aufl. 2010, § 246 StGB Rn. 61 f.) schuldig gemacht haben, weil er die ihm als Amtsträger der Gemeinde übergebene und ihr übereignete Kaution für sich verwendet hat, obwohl sie ihm ausschließlich als Sicherungsmittel für die Gemeinde von B. anvertraut worden war. Daneben kommt auch noch die Verwirklichung des Straftatbestands der Untreue gemäß § 266 Abs. 1, 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB in Form des Treubruchtatbestands in Betracht, weil er unter Ausnutzung seiner Stellung als Amtsträger die von ihm als Kämmerer zu verfolgenden Vermögensinteressen der Gemeinde N. vorsätzlich verletzt hat. In welchem Verhältnis die beiden vorgenannten Straftatbestände stünden, wären sie Gegenstand eines Strafurteils gewesen, kann aus dem eingangs erwähnten Gründen hier dahinstehen.
Dass das hinsichtlich dieses Sachverhalts gegen den Beklagten geführte Strafverfahren wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, führt nicht zur disziplinarrechtlichen Unbeachtlichkeit des Sachverhalts. Die Vornahme tatsächlicher Feststellungen obliegt in dieser Situation fehlender Bindungswirkung an einen infolge Verjährung unterbliebenen strafrechtlichen Ausspruch vielmehr dem Senat. Der Aspekt des Zeitablaufs nach der Begehung des Dienstvergehens ist im Disziplinarverfahren über eine eigenständige, von den Verjährungsvorschriften des Strafgesetzbuches abweichende Vorschrift erfasst (vgl. Art. 16 BayDG; BVerwG, B.v. 20.1.2014 – 2 B 89.13 – juris Rn. 12, 13). Die Voraussetzungen von Art. 16 BayDG liegen hier nicht vor. Das Fehlen einer strafgerichtlichen Verurteilung ist schon wegen der unterschiedlichen Zwecke, die einerseits das Disziplinarrecht, andererseits das Strafrecht verfolgen, ohne ausschlaggebende Bedeutung für die Gewichtung des Dienstvergehens.
2.2 Des Weiteren fällt dem Beklagten der im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts H. vom 13. Juni 2016 festgestellte Sachverhalt zur Last. An die dortigen Feststellungen ist das Berufungsgericht gemäß Art. 63 Abs. 1 S. 1, Art. 55 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayDG gebunden. Danach hat sich der Beklagte in drei Fällen (durch drei kassenrechtliche, auf jeweils ein Kalenderjahr bezogene Annahme-Anordnungen) eines Betrugs zu Lasten des B. schuldig gemacht, indem er aufgrund der bestehenden Einzugsermächtigung monatlich jeweils 50 Euro einziehen ließ und dabei durch die Angabe des Verwendungszwecks „Mietnebenkosten“ vorspiegelte, es handele sich um rechtmäßig entstandene Forderungen der Gemeinde aus dem Pachtverhältnis. Der Gesamtschaden von 1.100 Euro ergibt sich aus dem Einzug von jeweils 50 Euro über den der Anklage zugrundeliegenden Zeitraum von 22 Monaten hinweg. Die Richtigkeit dieser Feststellungen hat der Beklagte im Disziplinarverfahren eingeräumt. Mit seinem Vorgehen beabsichtigte er, der Gemeinde letztlich doch noch die vertragliche Sicherung zu verschaffen, indem er sie auf Kosten des B. über Jahre hinweg „ansparen“ wollte. Zugleich beabsichtigte er damit, die vorangegangene Verwendung der ihm in bar übergebenen Kaution für eigene Zwecke zu verdecken.
3. Mit den beiden Komplexen des hier strafrechtlich relevanten Verhaltens, das sich vom 1. Juni 2009 bis Anfang 2013 erstreckte, hat der Beklagte ein einheitliches schweres Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG verwirklicht. Mit der strafrechtlich ungeahndet gebliebenen Verwendung der Kaution für eigene Zwecke und den abgeurteilten drei Fällen des Betrugs hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Diese Einbindung wird dadurch deutlich, dass sich die straf- und disziplinarrechtlich relevanten Vorgänge in den Diensträumen abgespielt haben und in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abwicklung der Verpachtung einer dem Dienstherrn gehörenden Gaststätte stehen. Durch die ihm vorgeworfenen Handlungen hat der Beklagte gegen seine Pflicht zur Achtung der Gesetze und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 246 Abs. 1, 2, § 263 StGB, § 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.
4. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass das Fehlverhalten so gewichtig ist, dass der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist auf die Höchstmaßnahme zu erkennen. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamten gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen. Im Berufungsverfahren wurden keine maßgeblichen neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die die Verhängung einer für den Beklagten günstigeren Maßnahme rechtfertigen könnten.
4.1 Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Beamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 13).
4.2 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein: objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist auch bei – wie hier – innerdienstlich begangenen Straftaten auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückzugreifen (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14). Da der Beamte in dieser Situation nicht wie jeder Bürger betroffen ist, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung als Garant einer gesetzestreuen Verwaltung, kommt dem ausgeurteilten Strafmaß (hier: 9 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung) bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme keine präjudizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 a.a.O. Rn. 13 – 15). Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht H. den Beklagten wegen dreier Fälle des Betrugs im besonders schweren Fall gemäß § 263 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 4 StGB (Mißbrauch der Stellung als Amtsträger) verurteilt und dabei den Regelstrafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zugrunde gelegt. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht – im vorliegenden Fall sind es sogar bis zu zehn Jahren -, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20), bei Ruhestandsbeamten dementsprechend bis zur Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13, 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG). Da der Strafrahmen für die wegen Verjährungseintritts strafrechtlich nicht verfolgte veruntreuende Unterschlagung (vgl. ob. 2.1) zulasten des Dienstherrn nur bis zu fünf Jahren beträgt, kann diese Tat im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben.
4.3 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung führt zur Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG). Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen regelmäßig anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben.
4.3.1 Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist hier wegen der gesamten Umstände des Dienstvergehens geboten. Angesichts der Schwere der in der Verurteilung dokumentierten Pflichtverstöße und der zeitlich vorangegangenen, nicht zur Anklage gekommenen Straftaten ist die Aberkennung des Ruhegehalts angemessen und erforderlich.
Zu Lasten des Beklagten wirkt sich zunächst die erhebliche Schadenshöhe aus. Der Senat geht von einem Gesamtschadensbetrag von insgesamt mindestens 7.300 Euro aus, der sich aus der Summe von 5.000 Euro an unterschlagener Kaution sowie 2.300 Euro von B. ungerechtfertigt in monatlichen Raten von 50 Euro eingezogenen Teilbeträgen zusammensetzt. Von der letztgenannten Schadenssumme (2.300 Euro) waren lediglich 1.100 Euro Gegenstand der strafrechtlichen Verurteilung, während die wegen Verjährung nicht angeklagten Betrugstaten (Zeitraum vom 14. August 2009 bis 30. Juni 2011) zu einem Schaden von 1.200 Euro (vgl. Bl. 114 Akte d. Disziplinarbehörde) geführt haben. Innerdienstlich begangene Vermögensdelikte eines Beamten zu Lasten des Dienstherrn und eines Gemeindebürgers mit einer Schadenshöhe von mehr als 5.000 Euro rechtfertigen in der Regel auch ohne Hinzutreten weiterer Erschwernisgründe die Verhängung der Höchstmaßnahme (BVerwG, B.v. 6.5.2015 – 2 B 19.14 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 130). Allerdings verbietet sich jede schematische Betrachtung, insbesondere an Hand von Schwellenwerten (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16 D 14.1160 – juris Rn. 29).
Aber auch ungeachtet der erheblichen Schadenshöhe liegen Erschwernisgründe vor, die die Aberkennung des Ruhegehalts rechtfertigen. So kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte die Dienstpflichtverletzung in Form der veruntreuenden Unterschlagung im Rahmen seiner Stellung als Kämmerer begangen und damit die ihm obliegende Kernpflicht, mit dem Vermögen der Gemeinde in deren Interesse nach den gesetzlichen Vorschriften umzugehen, missachtet hat. Darüber hinaus hat er gegenüber einem Bürger, der in besonderer Weise auf die rechtmäßige Ausübung des Amtes als Kämmerer vertrauen durfte und vertraut hat, seine Stellung dazu benutzt, die vorangegangene Straftat durch weitere Straftaten in Form von Betrugshandlungen zu verdecken. Weiter erschwerend kommt hinzu, dass sich die Betrugstaten über 46 Monate, also über einen sehr langen Zeitraum hinweg erstreckt haben. Der Vortrag des Beklagten, durch die „Ratenzahlungen“ habe „Bewegung auf dem Kautionskonto“ auch im Hinblick auf eine Rechnungsprüfung nachgewiesen werden sollen, vermag keine andere, für ihn günstigere Betrachtung des Sachverhalts zu rechtfertigen; denn es war letztlich die Absicht des Beklagten, den B. die Kaution „zweimal“ zahlen zu lassen, ohne dass er oder die Gemeinde von den wahren Hintergründen Kenntnis erhält. Erst als er keinen anderen Ausweg mehr sah, hat der Beklagte sich im Zusammenhang mit seiner Ruhestandsversetzung im Frühjahr 2013 gegenüber B., aber nur gegenüber ihm offenbart und ihn nicht nur dazu gebracht, das Verhalten des Beklagten gegenüber der Gemeinde zu verschweigen, sondern sogar dazu, dass Kautionskonto „freiwillig“ auf 5.000 Euro aufzustocken. Schließlich geht auch zu Lasten des Beklagten, dass er – nachdem der Dienstherr erst Ende 2015 Kenntnis von den wahren Umständen erlangt hatte – die veruntreuende Unterschlagung der ihm in bar übergebenen Kaution, die er für seinen Dienstherrn entgegengenommen hatte, durch die nachträgliche Konstruktion eines Darlehensvertrages zwischen ihm und B. weiterhin zu verschleiern versucht hat.
In der Summe zeigen die aufgeführten Umstände eine über einen langen Zeitraum an den Tag gelegte erhebliche kriminelle Energie des Beklagten auf, die seine Pflichtverletzungen als sehr schwerwiegend kennzeichnen.
4.3.2 Demgegenüber erreichen die zugunsten des Beklagten in die Bemessung über die Disziplinarmaßnahme einzustellenden mildernden Umstände weder für sich allein genommen noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht, dass von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte.
Neben der in den Blick zu nehmenden vollständigen Wiedergutmachung des Schadens ist dem Beklagten zugute zu halten, dass er seinen Dienst langjährig unbeanstandet ausgeübt hat. Die langjährige Beachtung der Dienstpflichten ist jedoch – selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen – für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, schwerwiegende Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BayVGH, U. v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 30). Schließlich erscheint die erstmals in der mündlichen Verhandlung thematisierte Annahme eines „Augenblicksversagens“, die der Beklagte vor dem Hintergrund einer 50-jährigen ansonsten tadellosen Dienstzeit konstruiert, schon angesichts der sich über Jahre hinweg erstreckenden Betrugshandlungen abwegig.
Zugunsten des Beklagten greift auch nicht der klassische Milderungsgrund des Vorliegens einer „unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“, der bei innerdienstlichen Zugriffsdelikten von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt wird (Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, 27. update Juli 2019, § 13 Rn. 36a – c, 65). Insoweit hatte der Beklagte im Disziplinarverfahren lediglich angedeutet, im Hinblick auf einen Hauskauf sei er angeblich erheblich finanziell belastet gewesen, ohne jedoch detailliert darzulegen, dass er den unterschlagenen Betrag von 5.000 Euro zur Abwendung oder Minderung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat.
Schließlich vermag den Antragsteller auch nicht seine Argumentation zu entlasten, es sei gar kein materieller Schaden entstanden, weil er von vornherein eine Rückzahlung der „veruntreuten“ Gelder vorgesehen und niemals vorgehabt habe, den B. „zu betrügen“; außerdem habe er ständig persönlichen Kontakt zum Pächterpaar gepflegt und nach örtlichen Verhältnissen einer Rückzahlung nicht ausweichen können. Diesen Vortrag hält der Senat schon deshalb nicht für stichhaltig, weil es für den Begriff des Schadens und seines Eintritts auf den Zeitpunkt der objektiven Vermögensverschiebung bzw. -gefährdung ankommt und nicht auf den späteren Zeitpunkt einer Wiedergutmachung. Auch die möglicherweise tatsächlich von Anfang an bestehende Absicht eines Täters, die Vermögensverschiebung baldmöglichst wieder rückgängig zu machen, führt nicht zum Entfallen des Schadeneintritts. Im Übrigen wäre es ohne Feststellung eines eingetretenen Schadens nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Betrugs gekommen.
In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist damit eine positive Prognose zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung, die eine mildere Maßnahme als die Aberkennung des Ruhegehalts nahelegen könnte, nicht möglich.
5. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes.
Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BayVGH, U. v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 31; U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 55).
Für Ruhestandsbeamte gilt nichts anderes (BVerfG, NB.v. 22.11.2001 – 2 BvR 2138/00 – juris Rn. 3). Daher ist einem Ruhestandsbeamten wie dem Beklagten bei Vorliegen der eben genannten Voraussetzungen das Ruhegehalt abzuerkennen (BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – Rn. 170).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).


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