Arbeitsrecht

Abrechnung notwendiger molekulargenetischer Diagnostik

Aktenzeichen  S 43 KA 113/15

Datum:
30.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 58630
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 197a

 

Leitsatz

Die Erbringung einer molekulargenetischen Untersuchung nach den Nrn. 11320 bis 11322 auch nach einer zytogenetischen Untersuchung im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge nach der Nr. 01793 erforderlich bzw. sinnvoll sein kann. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die sachlich-rechnerischen Berichtigungen der Beklagten in den Bescheiden vom 20.11.2013 und vom 14.02.2014 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.12.2014 sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist für die Auslegung des EBM-Ä in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Danach ist die Abrechnung der Nrn. 11320 (bewertet mit 780 Punkten), die Nr. 11321 (bewertet mit 630 Punkten) und die Nr. 11322 EBM-Ä (bewertet mit 2.825 Punkten) im Krankheitsfall neben der Nr. 01793 EBM-Ä (bewertet mit 11.705 Punkten) ausgeschlossen. Zum Inhalt der Leistungslegenden sowie ihrer medizinischen Bedeutung und zum Inhalt des Behandlungskomplexes der Nr. 01793 EBM-Ä wird auf die sorgfältigen Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 22.09.2015 verwiesen. Der Abrechnungsausschluss wurde mit Wirkung zum 01.04.2005 durch den Bewertungsausschuss eindeutig und abschließend festgelegt.
Die strittige Regelung des EBM verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und ist daher als wirksam anzusehen.
Die Gerichte haben nicht darüber zu entscheiden, ob es versorgungspolitisch uneingeschränkt sinnvoll war, die Abrechnung von zuvor abrechenbaren Leistungen in bestimmten Konstellationen auszuschließen. Sie greifen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht punktuell in das Gefüge des EBM ein (vgl. Urteil des BSG vom 16.12.2015, B 6 KA 39/15 R). Der weite Regelungsspielraum der Selbstverwaltungsorgane ist zu respektieren. Ausnahmen davon kommen nach der Rechtsprechung des BSG nur in seltenen Fällen in Betracht, in denen die zur Bewertung der Leistung berufenen Selbstverwaltungsorgane ihren Regelungsspielraum überschritten oder ihre Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgeübt haben. Die Gerichte entscheiden allein darüber, ob der Normgeber bei seiner Gestaltung die ihm durch das Gesetz gesetzten Grenzen eingehalten hat (vgl. BSG, aao). Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen höherrangiges Recht nennt die Klage nicht wirklich. Sie trägt umgekehrt unermüdlich zusammengefasst vor, dass aus Sicht der Klägerin der Ausschluss nicht einsichtig, nicht angemessen sei, es an einem sachlichen Grund für den Abrechnungsausschluss fehle. Dieser Vortrag kann nicht den Nachweis ersetzen, dass sich der Bewertungsausschuss bei dem strittigen Ausschluss von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen bzw. willkürlich die Arztgruppe der Humangenetiker benachteiligt hat. Die vorgetragene „Sinnhaftigkeit“ der Stufendiagnostik, die zuvor auch abrechnungstechnisch voll vergütet wurde, reicht jedenfalls dafür nicht aus.
Der beigeladene GKV-Spitzenverband und die beigeladene KBV kommen in ihren schriftlichen Stellungnahmen zum Ergebnis, dass der Abrechnungsausschluss nicht willkürlich ist (vgl. Schriftsätze vom 26.02.2016, Blatt 130 ff dA und Schriftsatz vom 18.05.2016, Blatt 146 ff dA). Sie weisen darauf hin, dass der Beklagten eine Verwerfungskompetenz nicht zusteht, sie ist an die klare und eindeutige Abrechnungsbestimmung des EBM gebunden.
Dabei wird nicht übersehen, dass die Erbringung einer molekulargenetischen Untersuchung nach den Nrn. 11320 bis 11322 auch nach einer zytogenetischen Untersuchung im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge nach der Nr. 01793 erforderlich bzw. sinnvoll sein kann, dann aber bereits mit der Vergütung nach der Nr. 01793 EBM-Ä abgegolten war. Daraus, dass es damit über einige Quartale an einer Vergütung fehlte, obwohl es medizinisch-fachliche Gründe für die Erbringung der weiteren Leistung gab, kann noch keine Willkür bzw. Sachwidrigkeit der Regelung geschlossen werden. Nur wenn der Ausschluss der Honorierung der einzelnen Leistung dazu führt, dass der Vertragsarzt bei der dem Gesamtsystem der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen zulässig zugrundeliegenden Mischkalkulation insgesamt keinen Anspruch mehr auf eine leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung realisieren kann, führt dies zur Rechtswidrigkeit des Ausschlusses. Die Beklagte führt hier zutreffend die Rechtsprechung des BSG an, wonach derartige Abrechnungsausschlüsse und die damit verbundenen Honorareinbußen vom Vertragsarzt hinzunehmen sind (vgl. Seite 3 Schriftsatz der Beklagten vom 07.09.2017). Der beigeladene GKV-Spitzenverband weist in diesem Zusammenhang noch auf die (zwischenzeitlich) bestehende Möglichkeit der Abrechnung von gegebenenfalls notwendiger molekulargenetischer Diagnostik im Anschluss an pränatale Zytogenetik über die indikationsgebundenen Leistungen des Abschnittes EBM 11.4.2 hin. Leistungen, die zuvor über die Nrn. 11320 bis 11322 EBM-Ä abgerechnet werden konnten, wurden mit Wirkung zum 01.11.2011 in eigene indikationsbezogene Pauschalen im neuen Abschnitt 11.4 EBM überführt, ggf. auch deshalb, um weitere Leistungs- und Kostenausweitung durch verfahrensbezogene Nrn. des EBM-Ä zu verhindern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Absatz 1VwGO.


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