Aktenzeichen M 5 E 16.2986
VwGO VwGO § 123
Leitsatz
Die Anordnung der ärztlichen Untersuchung eines Beamten hat zur Voraussetzung, dass auf Grund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände zweifelhaft ist, ob der Beamte wegen seines Gesundheitszustandes noch in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zur erfüllen. Die Anordnung muss aus sich heraus verständlich sein; die Umstände, auf die sich die Zweifel an der Dienstfähigkeit stützen, müssen angegeben werden (BVerwG BeckRS 2013, 53573). (redaktioneller Leitsatz)
Eine hohe Zahl krankheitsbedingter Fehltage kann hinreichender Anlass für eine Untersuchungsanordnung sein. (redaktioneller Leitsatz)
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement, das freiwillig ist, hindert die verpflichtende amtsärztliche Untersuchung nicht. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.
Gründe
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO hat keinen Erfolg.
1. Ein Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegt vor, da die streitgegenständliche Untersuchung am 12. Juli 2016, 8:00 Uhr unmittelbar bevorsteht.
2. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung gemäß Art. 128 Abs. 1 Satz 3, 65 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBG muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10; U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 jeweils juris).
Die Untersuchungsanordnung hat zur Voraussetzung, dass aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände zweifelhaft ist, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (BVerwG, U.v. 30.5.2013, a. a. O., Rn. 19). Die diesbezüglichen Zweifel des Dienstherrn müssen sich auf konkrete Umstände stützen und dürfen nicht aus der Luft gegriffen sein (BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 3 CE 15.172 – juris Rn. 16 f.). Die Anordnung muss sich auf Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig. Der Anordnung müssen die tatsächlichen Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 26.4.2012, a. a. O., Rn. 19).
In formeller Hinsicht muss die Anordnung aus sich heraus verständlich sein. Die Behörde muss die tatsächlichen Umstände, auf die sie die Zweifel an der Dienstfähigkeit stützt, in der Anordnung angeben (BVerwG, U.v. 30.5.2013, a. a. O., Rn. 20). Der Beamte muss anhand der darin gegebenen Begründung entnehmen können, was konkreter Anlass ist und ob das in der Anordnung Verlautbarte die Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag. Dabei darf die Behörde nicht nach der Überlegung vorgehen, der Adressat würde schon wissen, „worum es gehe“ (BVerwG, U.v. 26.4.2012, a. a. O., Rn. 20). Genügt diese Anordnung nicht diesen Anforderungen, können Mängel nicht nachträglich durch Nachschieben von Gründen geheilt werden (BVerwG, U.v. 26.4.2012, a. a. O., Rn. 21).
b) Die Anordnung vom 28. Juni 2016 (vorgelegt mit dem Antragsschriftsatz als Anlage Ast 1) genügt diesen Anforderungen.
Eine hohe Zahl an krankheitsbedingten Fehltagen bietet hinreichenden Anlass für den Dienstherrn, den Beamten amtsärztlich untersuchen zu lassen. Eine Zahl von 59 Arbeitstagen (84 Kalendertagen) im Jahr 2015 und eine erneute Krankheitsperiode seit 2. Juni 2016 mindestens bis zum Erlass der Anordnung stellt eine solche überdurchschnittlich hohe Zahl an Krankheitstagen dar. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Krankheitszeiten aus einer Wiedereingliederungsmaßnahme von Anfang Januar 2015 bis 27. März 2015 sowie einer Rehabilitationsmaßnahme von Mitte bis Ende Oktober 2015 resultierten. Denn der Dienstherr darf den gesamten Verlauf der Krankheitsentwicklung in den Blick nehmen. Wenn sich hierbei immer wieder krankheitsbedingte Ausfallzeiten ergeben – wie hier Anfang 2015 (wobei der Wiedereingliederungsmaßnahme eine längere Krankheitsphase vorausgegangen sein muss), im Oktober 2015 und wiederum seit 2. Juni 2016 – ist es rechtlich nicht zu beanstanden, eine amtsärztliche Untersuchung hinsichtlich der weiteren dienstlichen Verwendung anzuordnen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller bereits am 10. Oktober 2014 amtsärztlich untersucht worden ist und nach einer Umsetzung im Januar 2015 nach einer „ausgeprägten dienstlichen Inkongruenzsituation“ den Dienst in einer anderen Organisationseinheit wieder aufgenommen hat. Nunmehr ist es dort erneut zu längeren Krankheitsphasen gekommen. Dass die Gesundheitsschäden, die der Beamte nach dem Dienstunfall im Jahre 2012 erlitten hat und die zur Feststellung eines Grades der Behinderung von 30 geführt haben, mit den nunmehr festzustellenden Fehlzeiten zusammenhängen, steht nicht fest. Darauf kann von der Personalverwaltung des Polizeipräsidiums ohne amtsärztliche Untersuchung auch nicht geschlossen werden.
Auch der Inhalt der Untersuchung ist in der Anordnung vom 28. Juni 2016 hinreichend umschrieben. Soweit neben einem Anamnesegespräch auch dann ärztlicherseits für notwendig erachtete Untersuchungen zur Labordiagnostik (Blutentnahme, Haarprobe) als Möglichkeiten genannt sind, ist auch dieser offene Rahmen nicht zu beanstanden. Denn das hält sich im Rahmen einer allgemeinen ärztlichen Untersuchung. Die diesbezügliche Offenheit der möglichen Untersuchungen ist darin begründet, dass der Dienstherr derzeit keine genaueren Erkenntnisse über ein möglicherweise bestehendes Krankheitsbild des Beamten hat.
Der Anordnung kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Dienstherr zur Vermeidung einer amtsärztlichen Untersuchung vorher mit dem Antragsteller hätte Kontakt aufnehmen müssen. Eine solche Verfahrensverpflichtung drängt sich nicht auf. Insbesondere in dem vorliegenden Fall, in dem eine amtsärztliche Untersuchung (10.10.2014) nach einer längeren Erkrankung erfolgte und es nach einer Umsetzung zu einer anderen Dienststelle erneut zu längeren Fehlzeiten gekommen ist. Vielmehr hätte der Beamte seinerseits nach Erhalt der Untersuchungsanordnung mit dem Dienstherrn Kontakt aufnehmen können. Denn die Gründe für die angefallenen längeren Krankheitsphasen liegen ausschließlich in der Sphäre des Beamten.
Auch der Umstand, dass für den 14. Juli 2016 ein betriebliches Eingliederungsmanagement vorgesehen ist, bedingt nichts anderes. Eine amtsärztliche Untersuchung hat einen anderen Gegenstand und Umfang als ein betriebliches Eingliederungsmanagement, bei dem geklärt werden soll, welche Möglichkeiten zur Überwindung bzw. Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit bestehen (§ 84 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch IX. Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen/SGB IX). Beide Institute sind nicht deckungsgleich. Hinzu kommt, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX freiwillig ist und jederzeit beendet werden kann. Die Anordnung nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ist dagegen verpflichtend.
3. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes/GKG, wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.