Arbeitsrecht

Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“, Serbische Berufsumschulung, Gleichartigkeit, Referenzberuf

Aktenzeichen  M 27 K 19.871

Datum:
7.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44984
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PflBG § 66a Abs. 1
KrPflG § 2 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
Für die von der Klägerin begehrte Anerkennung ihrer in Serbien erworbenen Berufsqualifikation ist nach der Übergangsregelung des § 66a Abs. 1 Pflegeberufegesetz (PflBG) trotz Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes zum 1. Januar 2020 (vgl. Art. 15 Abs. 4 des Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe vom 17.7.2017 – Pflegeberufereformgesetz – PflBRefG, BGBl I S. 2581) weiterhin die Regelung des bislang gültigen § 2 Krankenpflegegesetzes (KrPflG) maßgeblich. Nach § 66a Abs. 1 PflBG kann die Entscheidung über einen Antrag auf Anerkennung einer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes und außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz erworbenen abgeschlossenen Berufsausbildung noch bis zum 31. Dezember 2024 nach dem Krankenpflegegesetz (KrPflG) in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung getroffen werden. Die Klägerin hat keinen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nach dem Pflegeberufegesetz gestellt.
Wer die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ führen will, bedarf gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrPflG der Erlaubnis. Diese ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrPflG auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller – neben weiteren Voraussetzungen – die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Ausbildungszeit abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat. Vorbehaltlich der hier nicht relevanten Absätze 4 bis 6 und des hier ebenfalls nicht einschlägigen § 25 KrPflG erfüllt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 KrPflG eine außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes und außerhalb eines anderen Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums erworbene abgeschlossene Ausbildung die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrPflG, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.
Eine Prüfung der Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Ausbildung nach § 2 Abs. 3 KrPflG findet jedoch nur statt, wenn sich die Ausbildung, die die Klägerin in ihrem Herkunftsstaat abgeschlossen hat, auf Tätigkeiten bezieht, die mit der Tätigkeit als „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ vergleichbar sind („Referenzberuf“) (vgl. VGH BW, U.v. 17.6.2021 – 9 S 368/20 – juris Rn. 37; ähnlich VG Karlsruhe, U.v. 20.7.2020 – 6 K 6925/18 – juris Rn. 42).
Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 bzw. in § 9 Abs. 1 BQFG ausdrücklich ein zweistufiges Verfahren zur Bestimmung der Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Ausbildungsnachweise vorgesehen, das einen konkreten Vergleich zwischen den nachgewiesenen Berufsqualifikationen und der entsprechenden inländischen Berufsbildung nur dann vornimmt (Nr. 2), wenn der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis die Befähigung zu vergleichbaren beruflichen Tätigkeiten wie der entsprechende inländische Ausbildungsnachweis belegt (Nr. 1).
Auch wenn der Gesetzgeber ein entsprechend gestuftes Prüfverfahren in § 2 Abs. 3 KrPflG nicht ausdrücklich vorgesehen hat, ergibt sich ein solches Vorgehen aus dem Umstand, dass § 2 Abs. 3 Sätze 2 und 3 KrPflG zur Ermittlung wesentlicher Unterschiede des Ausbildungsstandes auf einen Vergleich des (deutschen) Berufs des Gesundheits- und Krankenpflegers mit dem Beruf der (ausländischen) Krankenschwester oder des Krankenpflegers abstellt. Denn dieser Vergleich könnte keine Aussage über die Gleichwertigkeit des „Ausbildungsstands“ des Antragstellers treffen, wenn dieser im Herkunftsstaat keine Ausbildung als Krankenschwester oder Krankenpfleger absolviert hat (vgl. VGH BW, U.v. 17.6.2021 a.a.O. Rn. 36). Begrifflich verfügt ein Absolvent eines anderen – ggf. auch medizinischen – Ausbildungsberufs schon nicht über einen „Ausbildungsstand“, der mit dem Ausbildungsstand eines Absolventen einer Ausbildung nach dem Krankenpflegegesetz und den einschlägigen Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften für die Berufe in der Krankenpflege verglichen werden könnte. Er hat vielmehr eine „andere Ausbildung“ im Sinne des § 6 KrPflG abgeschlossen. Auch die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen deutet darauf hin, dass es sich nach dem Verständnis des Gesetzgebers bei dem Erfordernis des Referenzberufs um einen allgemeinen Grundsatz der Gleichwertigkeitsanerkennung handelt (vgl. BT-Drs. 17/6260, S. 39 f., 50, wonach Bezugspunkt „für die vorgesehenen Verfahren“ „grundsätzlich die inländische Berufsbildung (Referenzberuf)“ ist, „mit der die im Ausland absolvierte Berufsbildung verglichen wird.“).
Nach diesen Grundsätzen ist die Gleichartigkeit der von der Klägerin in Serbien absolvierten Ausbildung zur „Krankenschwester/ Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu dem deutschen Referenzberuf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nicht gegeben.
Maßgeblich für die Bestimmung, ob eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation einem inländischen Referenzberuf zugeordnet werden kann, ist grundsätzlich der Vergleich der Tätigkeiten, zu denen die im Ausland erworbene Berufsqualifikation berechtigt, mit den vom inländischen Referenzberuf umfassten Tätigkeiten (VGH BW, U.v. 1.9.2021 – 9 S 4172/20 – juris Rn 31; Art. 4 Abs. 2 RL 2005/36/EG). Gefordert ist insoweit jedoch keine Vollidentität, sondern lediglich die „Vergleichbarkeit“ der mit der Ausübung des Berufs verbundenen Tätigkeiten, Art. 4 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 RL 2005/36/EG. Indizwirkung kann dabei der Umstand entfalten, dass die im Ausland erworbenen Berufsbildung und die entsprechende Berufsbildung im Inland hinsichtlich ihrer Ausrichtung offensichtlich voneinander abweichen (vgl. VGH BW a.a.O. Rn. 33).
Im Hinblick auf die Referenzqualifikation der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ formuliert § 3 Abs. 1 Satz 1 KrPflG in Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 7, Art. 32 und 33 RL 2005/36/EG das Ausbildungsziel. Die Ausbildung soll nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrPflG insbesondere dazu befähigen, die Erhebung und Feststellung des Pflegebedarfs, Planung, Organisation, Durchführung und Dokumentation der Pflege, die Evaluation der Pflege, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege, die Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen und ihrer Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit und die Einleitung lebenserhaltender Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen der Ärztin oder des Arztes eigenverantwortlich auszuführen. Bei der Durchführung der Ausbildung ist sicherzustellen, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die die Krankenschwestern und Krankenpfleger, die für allgemeine Pflege verantwortlich sind, befähigen, mindestens die in Art. 31 Abs. 7 der RL 2005/36/EG aufgeführten Tätigkeiten und Aufgaben in eigener Verantwortung durchzuführen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 KrPflG).
Ausgehend hiervon ist der Beruf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ schwerpunktmäßig von der eigenverantwortlichen Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten unter Ausschluss bloßer Hilfstätigkeiten geprägt. Auf Grundlage dieser Maßstäbe kann eine ausländische Ausbildung daher nur dann dem Referenzberuf der Gesundheits- und Krankenpflegerin zugeordnet werden, wenn sich die im Herkunftsmitgliedsstaat abgeschlossene Ausbildung im Schwerpunkt auf die eigenverantwortliche Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten bezieht.
Abzustellen ist hierbei auf die Gesamtheit der Ausbildungsnachweise, die geeignet ist, eine anerkennungsfähige Berufsqualifikation zu vermitteln. Dementsprechend sieht auch die allgemeine Regelung des § 9 Abs. 1 BQFG eine Prüfung des im Ausland erworbenen Ausbildungsnachweises „unter Berücksichtigung sonstiger nachgewiesener Berufsqualifikationen“ vor (vgl. im Kontext des Art. 3 Abs. 2 BayBQFG VG München, U.v. 27.6.2019 – M 27 K 17.430 – juris Rn. 22 f.).
Nach diesen Grundsätzen kann die Berufsqualifikation der Klägerin dem Referenzberuf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nicht zugeordnet werden. Denn die in Serbien erworbene Berufsbildung zur „Krankenschwester/ Gesundheits- und Krankenpfleger/in“ in Form einer neunmonatigen Umschulung und die Ausbildung zur „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nach dem Krankenpflegegesetz weichen hinsichtlich ihrer Ausrichtung offensichtlich voneinander ab. Die Ausübung des Berufs der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ ist nach den Vorschriften des Krankenpflegegesetzes schwerpunktmäßig von der eigenverantwortlichen Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten unter Ausschluss bloßer Hilfstätigkeiten geprägt. Eine entsprechende Ausrichtung ist bei der von der Klägerin absolvierten Ausbildung zur „Krankenschwester/ Gesundheits- und Krankenpfleger/in“ nicht zu erkennen.
Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung weicht schon vom Umfang her ganz erheblich von der Ausbildung zur „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nach dem Krankenpflegegesetz ab. Während die schulische Ausbildung der Klägerin etwa neun Monate (vom 9.12.2013 bis zum 17.6.2014) dauerte, sieht § 4 Abs. 1 Satz 1 KrPflG eine in Vollzeitform dreijährige, in Teilzeitform höchstens fünfjährige Ausbildung vor. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 KrPflG besteht die Ausbildung aus theoretischem und praktischem Unterricht und einer praktischen Ausbildung, wobei die Fehlzeiten nach § 7 KrPflG begrenzt sind. Die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege umfasst nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Krankenpflege-Ausbildungsverordnung (KrPflAPrV) 2.100 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht und 2.500 Stunden praktischer Ausbildung.
Die Klägerin musste nach dem von ihr vorgelegten Lehrplan spezifisch im Bereich der „Gesundheitspflege“ lediglich 650 theoretische Ausbildungsstunden, 595 Übungsstunden und 240 Stunden Blockunterricht besuchen. Die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in Deutschland sieht hingegen – zusätzlich zur Vermittlung medizinischer Fachkenntnisse – 950 Theoriestunden spezifisch im Bereich „Kenntnisse der Gesundheits- und Krankenpflege, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie der Pflege- und Gesundheitswissenschaften“ vor und ergänzt diese um 2.500 Stunden der praktischen Pflegeausbildung (vgl. Anl. 1 KrPflAPrV).
Auch inhaltlich kann angesichts der von der Klägerin vorgelegten Ausbildungsnachweise nicht von einem Ausbildungsschwerpunkt im Bereich der eigenverantwortlichen Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten ausgegangen werden. Dies zeigt der Umstand, dass die von der Klägerin vorgelegten individuellen Ausbildungsnachweise sich vorwiegend auf die Vermittlung allgemeiner Ausbildungsinhalte sowie medizinischer Fachkenntnisse beziehen. Weder die vorgelegten Jahreszeugnisse, noch die vorgelegte Bescheinigung der Berufsschule für Gesundheits- und Krankenpflege „… …“ vom 2. Dezember 2014 über die Ableistung des Blockunterrichts durch die Klägerin und die Bestätigungen des Spezialisierten Krankenhauses für psychiatrische Krankheiten … vom 7. August 2015 und vom 11. September 2017 enthalten Angaben zu der Vermittlung von Kenntnissen betreffend eine eigenverantwortliche Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten.
Aus einer von dem Beklagten zitierten und in der Behördenakte befindlichen Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 11. Dezember 2017 ergibt sich darüber hinaus, dass die Absolventen einer außerordentlichen Ausbildung in den Balkanstaaten in ihrem Herkunftsland nur Helfertätigkeiten ausüben. Das Gericht hat keinen Anlass, an dieser Mitteilung zu zweifeln.
Die Ausführungen der Klägerbevollmächtigten zu einem Ausgleich etwaiger Unterschiede in der Ausbildung durch Berücksichtigung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die die Klägerin im Rahmen ihrer Berufspraxis erworben hat, gehen fehl, da es in diesem Fall schon an der Vergleichbarkeit zum Referenzberuf mangelt und somit die Prüfung der Gleichwertigkeit der Ausbildung, bei welcher in der Berufspraxis erworbene Kenntnisse für die Anerkennung als Ausgleich relevant sein können, nicht eröffnet ist.
Im Übrigen wird auf die Begründung im angefochtenen Bescheid vom 23. Januar 2019 gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen.
II. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
III. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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