Arbeitsrecht

Anerkennung förderlicher Beschäftigungszeiten als Rettungssanitäter

Aktenzeichen  3 ZB 20.2792

Datum:
5.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18533
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 30 Abs. 1 S. 2, Art. 31 Abs. 2 S. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BV Art. 121 S. 2

 

Leitsatz

Zwar trifft es zu, dass der Beklagte durch Art. 121 S. 2 BV verpflichtet wird, den ehrenamtlichen Einsatz seiner Bürger für das Gemeinwohl zu fördern und damit eine tragende Säule des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu stärken. Im Hinblick auf die Frage, wie die Verpflichtung auf dieses Staatsziel einfachgesetzlich umzusetzen ist, besitzt der Staat jedoch ein weiten Einschätzungsspielraum, ohne dass ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art und Weise oder einen bestimmten Umfang der Förderung besteht. Schon deshalb kann der Kläger nicht verlangen, dass sich sein gewiss anerkennenswertes Engagement im Rettungsdienstbereich konkret dadurch auswirken muss, dass ihm bei Eintritt in den öffentlichen Dienst besoldungsrechtliche Vorteile aus seiner Vordiensttätigkeit erwachsen.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 18.4942 2020-06-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf die Wertstufe bis 6.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der 1983 geborene Kläger, der ab 1. Oktober 2017 als Steuerinspektor im Beamtenverhältnis auf Probe im Dienste des Beklagten stand, verfolgt im Zulassungsverfahren sein Klagebegehren (teilweise) weiter, diesen zur Anerkennung bestimmter Vordienstzeiten zu verpflichten und den insoweit entgegenstehenden Bescheid des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 16. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2018 abzuändern.
1. Der Kläger begehrt noch, seinen Diensteintritt nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG unter Berücksichtigung folgender – allesamt bei der ASB Rettungsdienst GmbH zurückgelegter Zeiten (vgl. Widerspruchsbescheid v. 23.8.2018, S. 2) – fiktiv vorzuverlegen:
 
 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2020 hinsichtlich der beantragten vorgenannten Zeiten abgewiesen. Die Zeit, in der der Kläger als Assistent der Rettungsdienstleistung hauptberuflich tätig gewesen sei (1.9.2013 bis 31.8.2014), könne zur Hälfte als förderlich für die künftige Tätigkeit angesehen werden, weil die damals tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten zum Teil mit denen eines Personalsachbearbeiters der 2. Qualifikationsebene vergleichbar seien. Der darüberhinausgehend mit dem Hilfsantrag erstrebten Anerkennung aus einem anderen Grunde in Höhe der weiteren 50% (und damit insgesamt zu 100%) könne nicht entsprochen werden, weil insoweit das Merkmal der Förderlichkeit nicht erfüllt sei. Die Förderlichkeit fehle auch den ehrenamtlichen Tätigkeiten des Klägers als Rettungssanitäter und Rettungsassistenten (4.4.2002 bis 2.10.2008) sowie der nebenberuflichen Tätigkeit (ab 15.9.2007), so dass es auf die Frage der Hauptberuflichkeit nicht mehr ankomme. Im Übrigen seien Hauptberuf und Ehrenamt etwas grundsätzlich Verschiedenes. Hätte der Gesetzgeber auch bei ehrenamtlichen Tätigkeiten eine fiktive Vorverlegung des Dienstantritts ermöglichen wollen, hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft.
2. Die Zulassung der Berufung ist abzulehnen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dargelegt wurde bzw. nicht vorliegt.
Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist hier nicht der Fall. Die unter dem Gesichtspunkt ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorgebrachten Einwände vermögen die Zulassung der Berufung nicht zu rechtfertigen.
2.1 Während der Kläger die Anerkennung der Zeiten des Jurastudiums im Zulassungsverfahren ausdrücklich nicht mehr begehrt (vgl. Schriftsatz v. 23.3.2021, S. 1), fehlt eine entsprechende Aussage im Hinblick auf die „Nichtanerkennung von Ausbildungszeiten bzw. Wehr- und Zivildienstzeiten“. Jedoch hat er diese Zeiten, die nicht Bestandteil des Widerspruchs waren, in seinem vorprozessualen Schreiben vom 26. März 2018 selbst als „gesetzlich nicht anerkennungsfähig“ bezeichnet. Dementsprechend ging der Widerspruchsbescheid (vgl. S. 4) davon aus, dass ihre Anerkennung nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG nicht in Betracht komme und nicht mehr verfolgt werde. Im angefochtenen Urteil wird die Klage, soweit sie sich auf diese Zeiten bezieht, als unzulässig behandelt. Ob diese prozessuale Folgerung aus der jedenfalls inhaltlich zutreffenden Bewertung dieser Zeiten als nicht anerkennungsfähig zu Recht gezogen wurde, kann dahinstehen; denn das Zulassungsvorbringen (Schriftsatz vom 22.12.2020, S. 3, II. 1.) setzt sich nicht mit der Frage auseinander, warum ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht insoweit angenommenen Unzulässigkeit der Klage bestehen sollten.
2.2 Mit seinem Vorbringen, er habe jedenfalls seinem Hilfsantrag entsprechend Anspruch auf Anerkennung der „in Vollzeit abgeleisteten Tätigkeit als Rettungsassistent in der Zeit vom 1.7.2014 bis 31.8.2014 zu 50%“, übersieht der Kläger, dass dieser Zeitraum vom Beklagten nach § 31 Abs. 2 BayBesG bereits zur Hälfte, aber eben auch nur insoweit als „förderlich“ anerkannt wurde; das Verwaltungsgericht hat dieses Vorgehen als innerhalb des Beurteilungsspielraums des Beklagten liegend bezeichnet und eine Anhebung auf den vollen Tätigkeitsumfang (100%) versagt. Inwieweit die Richtigkeit dieser Auffassung ernstlich zweifelhaft sein könnte, legt der Kläger nicht dar. Sein Vorwurf, das Landesamt für Steuern habe sich „gar nicht damit auseinandergesetzt, ob die ausgeübten Tätigkeiten…das Tatbestandsmerkmal der Förderlichkeit erfüllen“, führt schon deswegen nicht weiter, weil die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils der Ausgangspunkt sämtlicher Überlegungen sind und nicht der zur Überprüfung stehende Bescheid. Im Übrigen konnte und kann die Frage der „Förderlichkeit“ offenbleiben, soweit die Tätigkeiten nicht im Rahmen eines hauptberuflichen Rechtsverhältnisses (gegen Entgelt), sondern ehrenamtlich ausgeübt wurden.
2.3 Mit dem zentralen Argument des Verwaltungsgerichts, der Gesetzgeber hätte die Gleichstellung von Ehrenamt und Hauptberuf bei der fiktiven Vorverlegung des Dienstantritts ausdrücklich regeln müssen, wenn er dies so gewollt hätte, beschäftigt sich das Zulassungsvorbringen nicht unmittelbar. Der Kläger verweist vielmehr nur auf die als Staatsziel ausgestaltete Verpflichtung des Beklagten zur Förderung des Ehrenamts (Art. 121 Satz 2 BV). Hieraus folge für eine Auslegung von Art. 31 BayBesG, dass auch die ehrenamtlichen und nebenberuflichen Tätigkeiten des Klägers als Rettungssanitäter und -assistent als „förderlich“ und hauptberuflich anzusehen seien. Gerade während der Pandemie habe die ehrenamtliche Tätigkeit des Klägers große Anerkennung gefunden, etwa in Form des Bayerischen Corona-Pflegebonus. Wie eine Ausschreibung für eine Beamtenstelle der 3. Qualifikationsebene am Bayerischen Obersten Rechnungshof beweise, seien hierfür „Erfahrungen im medizinischen Sektor“ von Vorteil. Im Übrigen sei die Tätigkeit im Rettungsdienst auch im Hinblick auf die hierbei erworbenen Sozialkompetenzen förderlich.
Zwar trifft es zu, dass der Beklagte durch Art. 121 Satz 2 BV verpflichtet wird, den ehrenamtlichen Einsatz seiner Bürger für das Gemeinwohl zu fördern und damit eine tragende Säule des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu stärken. Im Hinblick auf die Frage, wie die Verpflichtung auf dieses Staatsziel einfachgesetzlich umzusetzen ist, besitzt der Staat jedoch ein weiten Einschätzungsspielraum, ohne dass ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art und Weise oder einen bestimmten Umfang der Förderung besteht (vgl. Holzner, PdK Bay A-3, Stand: Okt. 2017, BV Art. 121 Rn. 5 m. Verweis auf LT-Drs. 16/15140 S.6). Schon deshalb kann der Kläger nicht verlangen, dass sich sein gewiss anerkennenswertes Engagement im Rettungsdienstbereich konkret dadurch auswirken muss, dass ihm bei Eintritt in den öffentlichen Dienst besoldungsrechtliche Vorteile aus seiner Vordiensttätigkeit erwachsen. Die „Förderlichkeit“ der ehrenamtlichen Tätigkeit im Rettungsdienst kann auch nicht durch die dabei gewonnenen allgemeinen sozialen Fähigkeiten im Umgang mit Menschen begründet werden, denn die Gewinnung derartiger allgemeiner Fähigkeiten, die mit jeglicher beruflichen Tätigkeit einhergeht, würde den Rahmen der gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der Förderlichkeit überschreiten und zu einer weitgehend konturlosen Anerkennung von Vordienstzeiten führen. Der Hinweis auf die konkrete Ausschreibung einer Stelle beim Bayerischen Obersten Rechnungshof vermag dem Begehren des Klägers schon deswegen nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil sich die dort genannten vorteilhaften Erfahrungen im medizinischen Sektor auf die Spezifika der ausgeschriebenen Stelle (Prüfungsbereich „Universitätsklinika“) beziehen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG und ergibt ein Streitwert bis zur Wertstufe 6.000 Euro (vgl. Anl. 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG). Dabei ist streitwertmindernd berücksichtigt, dass Gegenstand des Zulassungsverfahrens nicht mehr die Zeiten des Grundwehr-/Zivildienstes des Klägers, seines Jurastudiums und die Zeiten seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten sind, deren Anerkennung sämtlich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zunächst beantragt worden war (vgl. Klagebegründung v. 2.5.2019, S. 2; UA S. 6, 8, 9).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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