Arbeitsrecht

Anerkennung hauptberuflicher Beschäftigungszeiten – Einordnung in Besoldungsgruppe

Aktenzeichen  M 5 K 18.6306

Datum:
5.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21868
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 30 Abs. 4 S. 1Art. 31 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom … November 2017 und der Widerspruchsbescheid vom … Oktober 2018 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Anerkennung des Zeitraums vom … September 1988 bis … November 1992 als für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeit noch darauf, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Anerkennung ihrer Beschäftigungszeiten entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 1, 2, Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
Gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) kann der Zeitpunkt des Diensteintritts auf Antrag mit Wirkung vom Ersten des Antragsmonats um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG findet vorliegend Anwendung über Art. 31 Abs. 5 Satz 1, 30 Abs. 4 Satz 1 BayBesG, wonach Art. 31 Abs. 2 BayBesG entsprechend gilt bei Versetzung, Übernahme oder Übertritt eines Beamten oder einer Beamtin aus dem Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes oder einer vergleichbaren statusrechtlichen Änderung.
2. Hinsichtlich des geltend gemachten Zeitraumes vom …September 1988 bis … November 1992 liegen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG nicht vor. Denn Voraussetzung für eine fiktive Vorverlegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift zunächst das Vorliegen einer hauptberuflichen Tätigkeit. Zur Begründung nimmt das Gericht auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheids vom … Oktober 2018 Bezug und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Nach 31.2.1 i.V.m. 31.1.1.9 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (BayVwVBes) ist der Tatbestand der Hauptberuflichkeit dann als erfüllt anzusehen, wenn die fragliche Beschäftigung entgeltlich erbracht wird, nach den Lebensumständen des oder der Betroffenen den beruflichen Tätigkeitsschwerpunkt darstellt und die Beschäftigung mindestens in dem im Beamtenverhältnis zulässigen Umfang abgeleistet wurde. Der Begriff der „Hauptberuflichkeit“ weist zwei Komponenten auf: Zum einen dient er – über das Merkmal „Haupt-“ der Abgrenzung zu nebenberuflichen Tätigkeiten. Zum anderen erfolgt über das Element „beruflich“ die Abgrenzung zu den – der beruflichen Tätigkeit vorgelagerten, den Kompetenzerwerb für die Berufsausübung erst ermöglichenden – Ausbildungsphasen, unabhängig davon, ob sie konkret erforderlich waren oder nicht (VG Würzburg, U.v. 15.6.2018 – W 1 K 17.547 – juris Rn.14 m.w.N.). Daher können Lehr- und Ausbildungszeiten auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie für die Einstellung in das Beamtenverhältnis nicht erforderlich waren. Diese Zeiten stellen keine Berufsausübung dar, sondern dienen dem Erlernen eines Berufes. Während Zeiten einer Berufsausbildung, die üblicherweise in Vollzeit erbracht wird (z.B. Lehre, Volontariat oder Studium an einer Präsenzhochschule), können grundsätzlich keine hauptberuflichen Beschäftigungszeiten vorliegen (Nr. 31.2.1 BayVwVBes).
a) Der Zeitraum vom … September 1988 bis … August 1990, in dem die Klägerin ein Direktstudium an der ehemaligen Fachschule für Finanzwirtschaft G. zur Ausbildung von Wirtschaftlern in der Spezialisierungsrichtung „Finanzen der Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft“ machte, ist als Ausbildung zu qualifizieren und daher nicht anerkennungsfähig. Mit dem erfolgreichen Abschluss ist der Erwerb eines Fachhochschulabschlusses verbunden, der dazu befähigt, in Funktionen eingesetzt zu werden, in denen die Fachschulqualifikation erforderlich ist. Das wird aus den von der Klagepartei vorgelegten Feststellungen zur Gleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse deutlich. Der von der Klägerin angestrebte Abschluss als Wirtschaftler in der Spezialisierungsrichtung „Finanzen der Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft“ steht einem Fachschulabschluss gleich (Anlage VI B). Das zeigt, dass die Klägerin diesen Abschluss angestrebt hat und die hierfür aufgewendete Zeit als Ausbildungszeit anzusehen ist, die zu diesem Abschluss hinführen soll. Das wird durch die wörtlichen Formulierungen der Unterlagen über die Zulassung zu diesem Direktstudium unterstrichen (Personalakte Bd. I Bl. 10 f., 13, 14 f.). Die Tätigkeit dient daher gerade dem – der beruflichen Tätigkeit vorgelagerten – Kompetenzerwerb und kann daher nicht als hauptberufliche Tätigkeit qualifiziert werden. Wie die Ausbildung im Einzelnen ausgestaltet ist, ist dabei unerheblich. Maßgeblich ist, dass die gesamte Zeit dem Erlernen eines Berufes diente und daher gerade keine Berufsausübung darstellt.
Auch dass die Klägerin das Direktstudium unverschuldet nicht abschließen konnte und stattdessen eine andere Ausbildung beginnen musste, ist ohne Belang für die Qualifizierung der Tätigkeit. Nach dem Bayerischen Besoldungsgesetz können nur hauptberufliche Beschäftigungszeiten anerkannt werden. Eine solche ist vorliegend nicht gegeben – unabhängig davon, ob die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wurde oder nicht.
Dass für die Festsetzung der Jubiläumsdienstzeit der Beginn der Ausbildung mit dem … September 1988 festgesetzt worden ist, ist für die vorliegend zu entscheidende Frage rechtlich irrelevant. Für die Festsetzung der Jubiläumsdienstzeit einerseits und die Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten andererseits sind unterschiedliche rechtliche Grundlagen maßgebend.
b) Der Zeitraum vom … September 1990 bis … November 1992, in dem die Klägerin die Ausbildung in der zweiten Qualifikationsebene in der Steuerverwaltung absolvierte, ist ebenfalls als Ausbildung zu qualifizieren und daher nicht anerkennungsfähig. Entgegen der Angabe der Klagepartei ist der Zeitraum vom *. September 1992 bis … November 1992 nicht gesondert zu sehen, sondern als Teil der Ausbildungszeit zu werten. Der Personalakte der Klägerin ist zu entnehmen, dass die Klägerin die Ausbildung am … November 1992 beendet hat (Personalakte Bd. I Bl. 27). Die Ausbildung steht im Zusammenhang mit dem Qualifikationserwerb zur Steuerassistentin und ist daher generell nicht anerkennungsfähig. Denn die Zeiten der erforderlichen Vor- und Ausbildung sind bereits pauschal in der Tabellenstruktur der Besoldungstabelle berücksichtigt (31.2.1 BayVwVBes). Da die Tätigkeit dem Kompetenzerwerb für die spätere Tätigkeit als Steuerassistentin diente, fehlt es an dem Merkmal der Hauptberuflichkeit.
c) Da es bereits am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 31 Abs. 2 BayBesG fehlt, erübrigt sich eine Überprüfung der Ermessensbetätigung des Beklagten gem. § 114 VwGO.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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