Arbeitsrecht

Anfechtung – Aufhebungsvertrag – Gebot fairen Verhandelns

Aktenzeichen  1 Ca 190/21

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Gera 1. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:ARBGERA:2022:0330.1CA190.21.00
Spruchkörper:
undefined

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf EUR 10.970,94 festgesetzt.
4. Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes zugelassen ist, wird sie hiermit nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag.
Die Klägerin war seit dem 01.02.2015, zunächst bis 30.09.2018 als Verkäuferin und ab dem 01.10.2018 als Filialverantwortliche, bei der Beklagten zuletzt zu einem durchschnittlichen Bruttogehalt in Höhe von EUR 3.656,98 eingestellt.
Am Samstagvormittag, den 12.06.2021, fand während der geplanten Schicht der Klägerin im Verkaufsstellenbüro der in der Filiale der Beklagten in R., Verkaufsstelle 23, ein Personalgespräch statt. Das Gespräch dauerte ca. 15 bis 20 Minuten. An dem Gespräch nahmen die Klägerin, der Regionalverkaufsleiter der Beklagten, Herr S., und eine weitere arbeitgeberseitige Person, welche sich im weiteren Verfahrensverlauf als Frau K. rausstellte. Diese befand sich in der Einarbeitung für die Regionalverkaufsleiterposition. Frau K. war bei dem Gespräch anwesend, wirkte jedoch nicht aktiv mit; das Gespräch fand ausschließlich zwischen der Klägerin und Herrn S. statt. In dem Gespräch wurde der Klägerin von Herrn S. vorgeworfen, Waren der Beklagten, eine Packung Kinder Pinguin und eine Packung Thermowärmepflaster verwendet, aber für diese nicht im Wege des Personalkauf bezahlt zu haben. Die Klägerin gab in dem Gespräch an, dass sie ein Kinder Pinguin verzehrte und ein Thermopflaster verwendete, jedoch wären diese im Wege des Personalkaufs erworben worden. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächs, insbesondere Inhalte und Verlauf, sind zwischen den Parteien streitig. Unstreitig ist, dass die Klägerin die Ware bzw. die Verpackungen als abgeschrieben und vernichtet dokumentierte und zu einem späteren Zeitpunkt das Kinder Pinguin und das Thermopflaster verwendete. Ebenfalls unstreitig zwischen den Parteien ist, dass der Klägerin die „Dienstanweisung Kassieren“ bekannt ist und sie diese unterschrieb.
Der Klägerin wurde ein bereits vorbereiteter Aufhebungsvertrag, in welchem noch einzelne Daten zu ergänzen waren, vorgelegt. Am Ende des Gesprächs unterzeichnete die Klägerin den Aufhebungsvortrag. Dieser enthält folgende Regelungen:
„1. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis einvernehmlich, aber arbeitgeberseitig veranlasst mit Ablauf des 30.06.2021 (im Folgenden „Beendigungszeitpunkt“ genannt) enden wird.
2. Freistellung
Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Arbeitnehmer ab dem 14.06.2021 bis zum Beendigungszeitpunkt unter Anrechnung auf und zur Erfüllung von Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüchen unwiderruflicher unter Fortzahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt wird.
Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass damit sämtliche Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche in natura erfüllt worden sind und keine weiteren Ansprüche bestehen.
3. Rückgabe Firmenunterlagen und –gegenstände
Der Arbeitnehmer händigt der Arbeitgeberin, soweit noch nicht geschehen, sämtliche von der Arbeitgeberin überlassenen Gegenstände und Betriebsmittel aus. Zurückbehaltungsrechte des Arbeitnehmers bestehen nicht.
4. Zeugnis
Die Arbeitgeberin erteilt dem Arbeitnehmer unter dem Beendigungszeitpunkt ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis mit der Gesamtnote sehr gut entsprechenden Leistungs-, Führungs- und Verhaltensbeurteilung.
5. Aushändigung
Der vorliegende Vertrag wurde zweifach ausgefertigt und von beiden Parteien unterschrieben. Dem Arbeitnehmer wurde eine Ausfertigung dieses Vertrages ausgehändigt.“
Mit Schreiben vom 17.06.2021, der Beklagten am 22.06.2021 zugegangen und dem zuständigen Regionalverkaufsleiter am 23.06.2021 vorgelegt, erklärte die Klägerin die Anfechtung des am 12.06.2021 geschlossenen Aufhebungsvertrages gemäß § 123 BGB.
Seit dem 01.07.2021 hat die Klägerin ein neues Arbeitsverhältnis aufgenommen.
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags gewandt. Sie ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis sei durch die den Aufhebungsvertrag vom 12.06.2021 nicht beendet worden, weil die Beklagte gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen habe und sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung wirksam angefochten habe.
Sie hat behauptet, in dem Gespräch vom 12.06.2021 sei ihr mitgeteilt worden, sie habe zwei Optionen, zwischen denen sie wählen könne: Zum einen sei dies eine Strafanzeige zu ihren Lasten zu erstatten, zum anderen einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Die ihr gegenüber geäußerten Vorwurfe sein unzutreffend; sie habe die Waren im Wege des Personalkaufs erworben. Die Klägerin habe keinerlei Bedenkzeit bekommen und musste sich sofort zwischen den beiden Optionen entscheiden. Sie sei einerseits durch die „2 gegen 1“-Situation mit einer völlig unbeteiligten Person überfordert gewesen. Ihrer Bitte, eine Vertrauensperson einzuholen, sei nicht entsprochen worden. Herr S. habe sie mit den Vorwürfen überrumpelt, den Eindruck entwickelt, dass der Aufhebungsvertrag „alleiniger Ausweg“ sei, er habe eine regelrechte Drohkulisse aufgebaut. Sie habe sich dazu bestimmen lassen, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.
Nach Teilklagerücknahme beantragt die Klägerin nunmehr,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch den Aufhebungsvertrag vom 12.06.2021 beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
Zudem beantragt die Klägerin zuletzt hilfsweise,
2. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 1.698,11 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2021 zu zahlen.
3. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, die klagende Partei über dem 30.06.2021 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Filialverantwortliche in der Filiale der A., Verkaufsstelle 23, Oststraße 31-33 in R. weiter zu beschäftigen.
4. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 1.834,54 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2021 zu zahlen.
5. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 1.834,54 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2021 zu zahlen.
6. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 1.812,33 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2021 zu zahlen.
7. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 1.443,23 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2021 zu zahlen.
8. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 1.799,09 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2021 zu zahlen.
9. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 1.334,81 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2022 zu zahlen.
10. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 1.606,28 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2022 zu zahlen.
11. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 215,68 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2021 zu zahlen.
12. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 206,00 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2021 zu zahlen.
13. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 206,00 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2021 zu zahlen.
14. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 209,35 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2021 zu zahlen.
15. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 225,19 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2021 zu zahlen.
16. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 240,64 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2022 zu zahlen.
17. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 206,00 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2022 zu zahlen.
18. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.06.2021 aufgelöst worden ist, wird die beklagte Partei verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von 206,00 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2022 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zudem beantragt die Beklagte hilfsweise für den Fall, dass dem Klageantrag zu 1) stattgegeben wird,
die Klägerin zu verurteilen, der Beklagten Auskunft über Bewerbungen der Klägerin ab dem 01.07.2021 und über Arbeitsplatzangebote, die die Klägerin in der Zeit seit dem 01.07.2021 von der Bundesagentur für Arbeit und vom Jobcenter oder von Dritten erhalten hat unter Angabe von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung zu erteilen sowie der Beklagten Auskunft darüber zu erteilen, ob eine Arbeitszeiterhöhung bei der K. möglich war und in welchem Umfang.
Die Klägerin beantragt,
die hilfsweise Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis infolge des wirksamen Aufhebungsvertrags mit Ablauf des 30.06.2021 seine Beendigung gefunden habe. Es liege weder ein Anfechtungsgrund, noch ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verhandelns vor.
Sie hat behauptet, Herr S. habe nie eine Strafanzeige angedroht; vielmehr habe dieser als Alternative zu einem Aufhebungsvertrag mitgeteilt, dass er ein Verfahren zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses betreibe. Auch sei das Gespräch ruhig und sachlich erfolgt. Die Ware sei nicht im Wege des Personalkaufs erworben worden, sondern die Klägerin habe sich diese „kostenlos“ aneignet. Aufgrund der vorliegenden Anhaltspunkte, durfte die Beklagte von einem Vorliegen einer strafbaren Handlung ausgehen. Dass die Klägerin während des Gesprächs überfordert gewesen sei, habe Herr S. nicht wahrgenommen; ebenso, dass die Klägerin um die Hinzuziehung einer Vertrauensperson bat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis, welches zwischen den Parteien seit dem 01.02.2015 bestand, wurde von den Parteien durch Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 12.06.2021 mit Ablauf des 30.06.2021 beendet.
Der Aufhebungsvertrag vom 12.06.2021 ist wirksam.
a) Der Aufhebungsvertrag wurde von der Klägerin und dem Regionalverkaufsleiter der Beklagten, Herrn S., geschlossen.
b) Der Aufhebungsvertrag ist nicht aufgrund Formmangels gem. § 125 Abs. 1 BGB nichtig.
Nach § 623 BGB bedarf der Aufhebungsvertrag der Schriftform. Sie ist hier gewahrt. Es ist im Ergebnis zwischen den Parteien unstreitig, dass der Aufhebungsvertrag vom 12.06.2021 beiderseits unterzeichnet wurde.
c) Der Aufhebungsvertrag ist nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB in Folge wirksamer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen.
Zwar erklärte die Klägerin mit dem Schreiben vom 17.06.2021 die Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Ihr steht jedoch kein Anfechtungsgrund zur Seite. Die Klägerin wurde nicht widerrechtlich durch Drohung (§ 123 Abs. 1, Var. 2 BGB) zum Abschluss des Aufhebungsvertrages bestimmt. Andere Anfechtungsgründe, insbesondere eine arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1, Var. 1 BGB), sind nicht ersichtlich. Hierfür fehlt es bereits an einer Täuschung über Tatsachen; subjektive Werturteile genügen nicht.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Klägerin im Laufe des Gesprächs vom 12.06.2021 vor dem Zustandekommen des Aufhebungsvertrages eine Strafanzeige und/oder eine fristlose Kündigung bzw. ein Verfahren zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt wurde, falls sie sich weigert, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Zu Gunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass ihre Behauptungen zum Verlauf des Gesprächs zutreffend sind und sie tatsächlich durch die Drohungen mit einer Kündigung und einer Strafanzeige veranlasst wurde, den Aufhebungsvertrag abzuschließen. Es fehlt an der Widerrechtlichkeit der Drohungen.
(a) Die Drohung mit einer fristlosen Kündigung war nicht widerrechtlich.
(1) Insoweit gelten folgende Grundsätze:
Die Drohung des Arbeitgebers, er werde, falls der Arbeitnehmer sich nicht mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages einverstanden erklärt, das Arbeitsverhältnis fristlos aufkündigen, ist rechtswidrig, wenn eine Inadäquanz zwischen dem eingesetzten Mittel (der angedrohten Kündigung) und dem erstrebten Zweck (dem Abschluss des Aufhebungsvertrages) besteht, so dass ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die angedrohte Kündigung in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiese. Vielmehr ist die Drohung nur dann rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält (BAG, Urteil v. 15.12.2005 – 6 AZR 197/05; LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 10.03.2020 – 8 Sa 40/19), wenn also der Drohende selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder sein Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist (BAG, Urteil v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06; BGH, Urteil v. 19.04.2005 – X ZR 15/04). Ob ein verständiger Arbeitgeber die fristlose Kündigung ernsthaft erwogen hätte, richtet sich nicht nach dem tatsächlichen subjektiven Wissensstand, sondern nach dem objektiv möglichen hypothetischen Wissensstand des einzelnen Arbeitgebers (BAG, Urteil v. 16.11.1979 – 2 AZR 1041/77). Zu berücksichtigen sind auch die – z. B. erst im Prozess gewonnenen – Ergebnisse weiterer Ermittlungen, die ein verständiger Arbeitgeber zuvor zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt hätte.
Die Darlegungslast ist insoweit abgestuft (BAG, Urteil v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 10.03.2020 – 8 Sa 40/19). Der anfechtende Arbeitnehmer trägt zwar die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung. Er hat deshalb die Tatsachen vorzutragen und ggfs. zu beweisen, welche die angedrohte außerordentliche Kündigung als widerrechtlich erscheinen lassen. Da es sich im Hinblick auf das Nichtvorliegen von Kündigungsgründen jedoch um eine negative Tatsache handelt, genügt hierfür zunächst eine entsprechende pauschale Behauptung des Arbeitnehmers. Von dem Arbeitgeber als Anfechtungsgegner ist nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast das substantiierte Bestreiten der negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positive sprechenden tatsächlichen Umstände zu verlangen. Der Arbeitgeber hat im Einzelnen darzulegen, dass er in vertretbarer Weise einen Kündigungsgrund annehmen durfte. Nur die vom Arbeitgeber in diesem Zusammenhang vorgetragenen Umstände muss der Arbeitnehmer dann widerlegen.
(2) Nach diesen Grundsätzen musste die Beklagte nicht davon ausgehen, dass eine fristlose Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit der gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird; auch ein verständiger Arbeitgeber hätte den Ausspruch einer Kündigung in Betracht gezogen.
(a) Nach dem beiderseitigen Parteivorbingen ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Vertragspflichten in schwerwiegender Weise verletzte.
Die eigenmächtige und ohne sachlichen Grund vorgenommene, anderweitige Verwendung von Waren der Beklagten, welche bereits als „abgeschrieben und vernichtet“ dokumentiert wurden, stellt eine erhebliche Verletzung vertraglicher Nebenpflichten dar.
Die Beklagte darf zu Recht von den bei ihr beschäftigten Verkäufern erwarten, dass diese die von ihr vorgegeben Dienstanweisungen, insbesondere bei der Haupttätigkeit der Verkäufer – dem Verkauf und Abkassieren von Ware –, einhalten. Den Mitarbeitern der Beklagten wird eingeräumt, Waren im Wege des Personalverkaufs vergünstigt zu erwerben. Dabei habe diese die „Dienstanweisung Kassieren“ zu beachten. Nach dieser Dienstanweisung sind die Mitarbeiter der Beklagten angewiesen, gekaufte Ware von einer anderen Mitarbeiterin, einer Filialleiterin oder Vertretungskraft/Schlüsselträgerin, abzeichnen zu lassen und die Ware dann mit dem abgezeichneten Bon zu versehen. Alternativ kann auch auf dem Artikel die Bon-Nummer und das Datum des Einkaufs vermerkt werden. Die Dienstanweisung ist von allen Mitarbeiter zu unterschreiben. Unstreitig zwischen den Parteien hat die Klägerin ebenfalls diese Dienstanweisung unterschrieben und ist ihr bekannt.
Die Klägerin trägt auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 20.12.2021 vor, dass sie das Wärmepflaster samt Verpackung bei einem Filialrundgang am 26.04.2021 entdeckte und daraufhin diese ordnungsgemäß abschrieb und die Vernichtung dokumentierte. Bereits einen Absatz später, trägt die Klägerin hingegen vor, dass sie „einige Tage später“ ein Pflaster für eine Kollegin verwendete, hierfür im Wege eines Personalkaufs zu einem vergünstigten Preis erwarb.
Ebenfalls auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 20.12.2021 trägt die Klägerin vor, dass sie die Packung „Kinder Pinguin“ beim Einräumen von Waren im Kühlregal entdeckte, die Ware ordnungsgemäß abschrieb und die Vernichtung dokumentierte. Auch hier trägt die Klägerin vor, sie habe die Ware im Wege eines Personalkaufs zu einem vergünstigten Preis erworben.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin die Waren verwendete. Dies hat sie nicht in Abrede gestellt. Soweit die Klägerin aber nun behauptet, dass sie die Waren im Wege des Personalkaufs erworben haben möchte, wird dies von der Kammer als Schutzbehauptung gewertet. Der Vortrag der Klägerin erscheint widersprüchlich, wenn sie vorträgt, dass sie die Waren „ordnungsgemäß abgeschrieben und vernichtet“ habe, und sodann nachfolgend behauptet, die Waren vergünstigt im Wege des Personalkaufs erworben zu haben. Hätte die Klägerin sich an die oben beschriebene Dienstanweisung gehalten, hätte sie ohne weiteres den Personalkauf mit einem entsprechen Beleg mit Bon-Nummer und Datum führen können.
Zutreffend hat die Beklagte darauf verwiesen, dass „vernichten“ und nicht gleichbedeutend wie „verwenden“ ist. Unter dem Begriff Vernichtung wird nach Ansicht der Kammer ein Vorgang oder Ergebnis eines Prozesses verstanden, der etwas ganz und gar zerstört, so dass der ursprüngliche Zustand (Gegenstand) kaum noch oder gar nicht mehr erkennbar bzw. vorhanden ist. Wenn die Klägerin die Waren, wie angegeben, ordnungsgemäß abgeschrieben und eben vernichtet hätte, wären ein etwaiger späterer Personalkauf, und damit die spätere Verwendung der Waren, denknotwendig ausgeschlossen.
Im Ergebnis trägt die Klägerin selbst ihre erheblichen Pflichtverletzungen selbst vor. Entweder hat sie die Ware, welche sie als abgeschrieben und vernichtet dokumentierte, eben nicht vernichtet sondern anderweitig verwendet oder nicht im Wege der oben beschrieben Dienstanweisung Kassieren gehandelt. Letztlich kommt es auf die Frage eines (etwaigen) Personalkaufs oder einer „kostenlosen Aneignung“ somit nicht entscheidend und kann offen bleiben.
Der Klägerin musste klar sein, dass sie ihre vertragliche Nebenpflicht, auf die berechtigten Belange der Beklagten Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB), verletzt, wenn sie als „abgeschrieben und vernichtet“ dokumentierte Ware anderweitig verwendet.
Auch ohne eine ausdrückliche Belehrung hierüber, versteht es sich für jeden durchschnittlichen Arbeitnehmer von selbst, dass er diese Nebenpflichten zu beachten hat. Erschwerend kommt im Falle der Klägerin hinzu, dass sie als Filialverantwortliche eine herausgehobene Vorbildfunktion für die anderen Arbeitnehmer inne hatte und es gerade zu ihren besonderen Aufgaben – eben als Filialverantwortliche – gehört, dafür Sorge zu tragen, dass die arbeitgeberseitigen Vorgaben und Dienstanweisungen eingehalten werden. Diesen kam sie in offensichtlich nicht nach.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass es im Betrieb der Beklagten üblich sei, abgeschriebene Artikel für einen vergünstigten Preis zu erwerben bzw. mitnehmen zu dürfen, wird dies von der Kammer ebenfalls als Schutzbehauptung gewertet. Bereits der Vortrag hinsichtlich der Handhabung von beschädigten oder abgelaufenen Artikeln und dem Personalkauf gehen durcheinander. Zudem stehen diese im Widerspruch zu der oben beschriebenen Dienstanweisung Kassieren. Die Beklagte hat ein besonderes Interesse daran, dass die Waren, welche im Wege des Personalkaufs erworben wurden, und die Ware, welche als abgeschrieben und vernichtet dokumentiert wurden, strikt und eindeutig identifizierbar voneinander getrennt werden. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass andernfalls die Manipulationsmöglichkeiten zu groß wären. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin annehmen durfte, sie müsse die vorstehend beschriebenen Pflichten nicht beachten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin annehmen durfte, mit Zustimmung und im wohlverstandenen Interesse der Beklagten zu handeln.
(b) Die Beklagte hat mit der Annahme, das Fehlverhalten der Klägerin rechtfertige den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, einen vertretbaren Rechtsstandpunkt eingenommen.
Es handelt sich um eine schwere Nebenpflichtverletzung. Es sind mehrere Vorkommnisse innerhalb einer kurzen Referenzperiode zutage getreten. Nach den vorliegenden Umständen spricht alles dafür, dass die Klägerin eine mangelbehaftete Arbeitsleistung, und zwar die Ware, welche sie als abgeschrieben und vernichtet dokumentierte, eben nicht vernichtete sondern anderweitig verwendet oder eben nicht im Wege der oben beschrieben Dienstanweisung Kassieren handelte. Damit zerstörte sie die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien. Alter, Unterhaltspflichten und Betriebszugehörigkeit der Klägerin können das Gewicht dieser Pflichtverletzung nicht mindern.
Die Klägerin kann nicht einwenden, ein verständiger Arbeitgeber hätte zunächst den Ausspruch einer Abmahnung in Betracht ziehen müssen. Einer Abmahnung bedarf es nicht, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18). Die Klägerin durfte nicht ernsthaft annehmen, die Beklagte werde eine derart schwere Pflichtverletzung dulden, ohne Konsequenzen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu ziehen.
Die Beklagte muss sich auch nicht vorhalten lassen, dass ein verständiger Arbeitgeber nicht eine fristlose, sondern nur eine ordentliche Kündigung in Betracht gezogen hätte. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ist angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens der Klägerin unzumutbar. Sie beschädigte das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien durch ihr Vorgehen massiv. Insoweit wird auf obigen Vortrag verwiesen. Die Vertragspflichtverletzungen waren von fehlendem Schuldbewusstsein und Gewissenhaftigkeit der Klägerin geprägt. Die Beklagte musste mit ähnlichen Pflichtverletzungen auch während des Laufs der Kündigungsfrist rechnen. Sowohl mehrfach in den Schriftsätzen der Klägerin vorgetragen, als auch von der Klägerin im Rahmen der Verhandlung auf Nachfrage des Vorsitzenden wiederholend bestätigt, sei es gängige und gelebte Praxis, dass, insbesondere in Kenntnis der Dienstanweisung, Waren als „abgeschrieben und vernichtet“ deklariert und dann anderweitig, im Wege des Personalkaufs oder einer kostenlose Mitnahme, verwendet werden.
(c) Die Beklagte musste schließlich nicht davon ausgehen, dass eine fristlose Kündigung wegen Versäumung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten werde.
Im Rahmen der hypothetischen Prüfung, ob eine verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer fristlosen Kündigung in Betracht gezogen hätte, ist auch die Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, Urteil v. 05.12.2002 – 2 AZR 478/01). Im Streitfall wäre auch ein verständiger Arbeitgeber nicht davon ausgegangen, dass die Frist nach § 626 Abs. 2 BGB mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingehalten ist. Die Beklagte hat insoweit schlüssig vorgetragen, sie habe in der Woche vor dem Gespräch vom 12.06.2021 Kenntnis über die der Klägerin zur Last gelegten Pflichtverletzungen erhalten und danach Ermittlungen durchgeführt. Auch die Konfrontation der Klägerin mit den Vorwürfen am 12.06.2021 ist noch als Ermittlungstätigkeit anzusehen.
bb) Auch die Drohung mit einer Strafanzeige, um die Klägerin zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zu bewegen, war nicht rechtswidrig.
(1) Insoweit ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Für die Frage, ob eine Drohung widerrechtlich ist, kommt es darauf an, ob der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zweckes ein berechtigtes Interesse hat und die Drohung nach Treu und Glauben noch als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen (LAG Köln, Beschluss v. 04.05.1998 – 11 Ta 15/98). Die Androhung einer Strafanzeige zum Zwecke der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist nur dann als unangemessen und somit rechtswidrig anzusehen, wenn dies das Ergebnis einer Gesamtwürdigung aller Umstände unter besonderer Berücksichtigung der Belange sowohl des Bedrohten als auch des Drohenden ist (vgl. dazu und im Folgenden BAG, Urteil v. 30.01.1986 – 2 AZR 196/85; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 20.01.2016 – 4 Sa 180/15; LAG Hamm, Urteil v. 25.10.2013 – 10 Sa 99/13 m.w.N.). Maßgeblich ist, ob ein verständiger Arbeitgeber eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Dabei kommt es einerseits auf das Gewicht des erhobenen Vorwurfs an. Andererseits muss das Begehren des Drohenden mit der anzuzeigenden Straftat in einem inneren Zusammenhang stehen. Die Drohung mit einer Strafanzeige zum Zwecke des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages ist jedenfalls dann nicht widerrechtlich, wenn die zur Anzeige zu bringende Straftat zugleich eine Vertragspflichtverletzung von solchem Gewicht darstellt, dass ein verständiger Arbeitgeber eine den Regelungen des Aufhebungsvertrages in etwa entsprechende Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen durfte. Der drohende Arbeitgeber muss das dem Arbeitnehmer angelastete Verhalten nicht bereits beweisen können. Es genügt, dass ein verständiger Arbeitgeber bei Ausspruch der Drohung von einem strafbaren Verhalten ausgehen durfte (so BAG, Urteil v. 22.07.2010 – 8 AZR 144/09, im Hinblick auf die Abgabe eines notariellen Schuldanerkenntnisses).
(2) In Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall davon auszugehen, dass ein verständiger Arbeitgeber die Drohung mit einer Strafanzeige zur Herbeiführung des Auflösungsvertrages ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.
(a) Ein verständiger Arbeitgeber durfte annehmen, dass die Klägerin Straftaten begangen hatte. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sich wegen Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) oder Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht hat. Es bestand der Verdacht, dass die Klägerin die Waren sich oder einem Dritten, ohne dafür zu zahlen, zugeeignet hat. Abschließend muss dabei nicht entschieden werden, ob die Klägerin als Filialverantwortliche, als Gewahrsamsinhaberin der Beklagten angesehen werden kann oder ihr diese gar anvertraut wurden, da lediglich ein vernünftiger Arbeitgeber annehmen durfte, dass ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
(b) Die Handlungen der Klägerin standen in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und rechtfertigten den Inhalt des angebotenen Aufhebungsvertrages.
Die Klägerin handelte in Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit während ihrer Arbeitszeit. Sie verletzte ihre Vertragspflichten in erheblicher Weise. Die Verfehlungen der Klägerin hätten den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen vermocht. Der Inhalt des Aufhebungsvertrages sieht insofern eine Besserstellung der Klägerin durch das Beendigungsdatum des 30.06.2021 vor.
d) Die Klägerin kann den Aufhebungsvertrag auch nicht widerrufen. Zwar hat die Klägerin in Ihrem Schreiben vom 17.06.2021 ausdrücklich erklärt, dass Sie den am 12.06.2021 geschlossenen Aufhebungsvertrag gemäß § 123 BGB anfechte und war zu diesem Zeitpunkt womöglich bereits anwaltlich beraten (mit anwaltlichen Schreiben vom 18.06.2021 setzten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Beklagten in Verbindung). Zugunsten der Klägerin kann gemäß §§ 133, 157 BGB die Erklärung der Klägerin dahingehen ausgelegt werden, dass sie sich in jeden Fall von dem Aufhebungsvertrag vom 12.06.2021 lösen will. Letztlich kann dies offen bleiben, da sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, dass sie ihre Annahme des Angebots zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Schreiben vom 17.06.2021 widerrufen habe.
Die Einwilligung zum Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages kann nicht gemäß § 355 BGB widerrufen werden (BAG, Urteil v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18). Im Streitfall ist der Anwendungsbereich des § 312b BGB nicht eröffnet.
e) Der Aufhebungsvertrag ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin unwirksam.
Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ausgenommen. Darum unterliegt in einem Aufhebungsvertrag die Beendigungsvereinbarung als solche ebenso wenig einer Angemessenheitskontrolle wie eine Abfindung, die als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses etwaig gezahlt wird (BAG, Urteil v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 m.w.N.).
f) Die Klägerin kann nicht geltend machen, der Aufhebungsvertrag sei unwirksam, weil er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen sei.
aa) Das Bundesarbeitsgericht geht insoweit von folgenden Grundsätzen aus (BAG, Urteil v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18):
Bei dem Gebot fairen Verhandelns im Zusammenhang mit dem Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages handelt es sich um eine durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht im Sinne des § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB. Liegt ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns im Sinne einer Nebenpflichtverletzung gemäß § 241 Abs. 2 BGB vor, ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen vertraglich geschuldete Rücksichts- oder Aufklärungspflichten ergeben sich aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 249 – 253 BGB. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne das Zustandekommen des Vertrages stünde, was grundsätzlich zu einem Anspruch auf Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag und damit im Ergebnis dazu führt, dass der Vertrag gemäß § 249 Abs. 1 BGB rückgängig gemacht wird.
Das Gebot fairen Verhandelns verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine für den Vertragspartner besonders angenehme Verhandlungssituation zu schaffen. Es geht vielmehr um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses. Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist noch nicht gegeben, nur weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt. Auch eine Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung ist nicht erforderlich. Eine Verhandlungssituation ist vielmehr erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen geschehen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung). Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen.
bb) Es kann offenbleiben, ob den Arbeitgeber überhaupt die vertraglichen Nebenpflicht trifft, die Entschließungsfreiheit des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen in einem Maß zu schützen, das über die gesetzlichen Standards der §§ 104 Nr. 2, 123 Abs. 1, 138 BGB hinausgeht (kritisch zum Fairnessgebot etwa Bauer/Romero, ZfA 2019, 608; Holler, NJW 2019, 2206; Kamanabrou, RdA 2020, 201; Schwarze, JA 2019, 789; Tiedemann, ArbRB 2020, 61). Selbst wenn man dies annehmen wollte, liegt im Streitfall kein Verstoß gegen die vorstehend geschilderten Grundsätze fairen Verhandelns vor.
(1) Die Beklagte muss sich nicht vorhalten lassen, sie habe gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen, indem eine weitere arbeitgeberseitige Person zu dem Gespräch vom 12.06.2021 hinzuzog, welche in der Einarbeitung für die Regionalverkaufsleiterposition war.
Zwar kann es sein, dass sich die Konstellation „2 gegen 1“ und die Konfrontation mit arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen für die Klägerin als unangenehme Situation darstellt, jedoch hat die Klägerin – auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung – nicht weiter ausgeführt, weshalb sie in der konkreten Situation überfordert oder erheblichem Druck ausgesetzt war. Letzteres wurde von der Beklagten ausdrücklich bestritten.
Der Arbeitnehmer kann sich die Personen, die den Arbeitgeber bei Vertragsgesprächen vertreten, nicht aussuchen. Einen Anspruch auf eine möglichst genehme und sympathische Gesprächssituation, besteht nicht. Das eine solche Situation für die Klägerin unangenehm war, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, liegt in der Natur der Sache. An der Beteiligung bzw. hier an der Hinzuziehung einer weiteren arbeitgeberseitigen Person, welche zu Ausbildungszwecken an dem Gespräch anwesend war, ist als ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen, zumal diese nach übereinstimmenden Vortrag der Parteien wohl zur Einarbeitung lediglich anwesend war und sich nicht aktiv an dem Gespräch zwischen der Klägerin und dem Regionalverkaufsleiter Herr S. beteiligte. Auch wurde nicht vorgetragen, dass die weitere Person etwa aufgrund Körpergröße, Kleidung oder Gestalt eine für die Klägerin einschüchternde Ausstrahlung innehatte. Allein deshalb, dass zwei Vertreter des Arbeitsgebers an dem Gespräch mit der Klägerin teilnahmen, lässt sich ein Drohszenario nicht belegen.
Ob es zu beanstanden ist, wenn der Arbeitgeber Psychologen, “Coaches” und andere im Bereich der Kommunikation besonders geschulte Personen zu Gesprächen über einen Aufhebungsvertrag oder rechtskundige Personen hinzuzieht, um die Verhandlungsführung im Hinblick auf das den angestrebten Aufhebungsvertrag zu optimieren, kann offen bleiben (LAG Hamm, Urt. v. 17.5.2021 – 18 Sa 1124/20, dort wurde bei den Gesprächen über den Aufhebungsvertrag seitens des Arbeitgebers dessen Rechtsanwalt und späterer Prozessbevollmächtigter zu dem Gespräch hinzugezogen).
(2) Auch liegt kein Verstoß gegen das Fairnessgebot darin, dass die Beklagte einen bereits vorgefertigten Aufhebungsvertrag vor dem Gespräch vorlegte, in welchem lediglich noch wenige Daten ergänzt werden mussten.
Es ist bei Vertragsverhandlungen üblich, Entwürfe der abzuschließenden Vereinbarung vorzulegen und zum Gegenstand der Verhandlung zu machen. Das erleichtert die Vertragsgespräche und gibt dem anderen Teil die Möglichkeit, den Vertragsinhalt visuell zu erfassen und konkrete Änderungsvorschläge einzubringen. Ob es das Gebot fairen Verhandelns verletzt, der unvorbereiteten Partei besonders umfangreiche Vertragswerke vorzulegen, kann dahinstehen. Im Streitfall war der Aufhebungsvertrag nicht umfangreich. Der Inhalt war klar gegliedert und ohne weiteres verständlich. Auch das Nichtvorliegen einer „Bedenkzeitklausel“ ändert daran nichts. Eine solche ist weder gesetzlich vorgesehen noch von der Rechtsprechung gefordert. Im Übrigen ist es den Parteien überlassen und steht ihnen frei, auch „Spontanverträge“ abzuschließen.
(3) Das Gebot fairen Verhaltens wurde nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte der Klägerin abverlangte, sich noch im Laufe des Gesprächs vom 12.06.2021 verbindlich zu erklären, ob sie den Aufhebungsvertrag annimmt, ohne ihr Gelegenheit zu geben, die Verhandlung zu unterbrechen und Rechtsrat einzuholen.
Es kann zu Gunsten der Klägerin angenommen werden, dass ihre Behauptungen zum Verlauf des Gesprächs vom 12.06.2021 zutreffend sind und ihr suggeriert wurde, dass der Aufhebungsvertrag der “alleine Ausweg aus der Situation wäre” und sie sich ohne Bedenkzeit „sofort zwischen den beiden ´Optionen` entscheiden“ müsse. Nach § 147 Abs. 1 S. 1 BGB kann der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort angenommen werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragende auf diese gesetzlich vorgesehene Frist hinweist (so offenbar auch BAG, Urteil v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, zu einem nur “jetzt und heute” anzunehmenden Aufhebungsangebot).
(4) Ein Verstoß gegen die Grundsätze fairen Verhandelns ist nicht darin zu erblicken, dass der Klägerin nicht die Möglichkeit eröffnet wurde, ihrerseits einen Rechtsbeistand zum Gespräch hinzuziehen oder auch nur zu konsultieren oder eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
Soweit vertreten wird, dem Arbeitnehmer stehe das Recht zu, einen Rechtsanwalt zum Anhörungsgespräch im Vorfeld einer Verdachtskündigung hinzuziehen (so BAG, Urteil v. 13.03.2008 – 2 AZR 961/06; kritisch dazu LAG Köln, Beschluss v. 06.07.2018 – 9 TaBV 47/17), ist dies den Besonderheiten der Verdachtskündigung geschuldet und lässt sich auf die Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag nicht übertragen. Selbiges muss sodann ebenfalls erst Recht für eine sog. Vertrauensperson gelten. Es mag gerechtfertigt sein, dem Arbeitgeber, der das einseitige Gestaltungsmittel der Kündigung aufgrund eines bloßen Verdachts gegen den Arbeitnehmer einsetzen will, anzusinnen, im Rahmen des erforderlichen Anhörungsgesprächs zumindest bei schweren Vertragspflichtverletzungen und Straftaten die Anwesenheit eines Rechtsanwalts als Beistand des Arbeitnehmers zu dulden. Das Gespräch über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages stellt indes gerade kein einseitiges Gestaltungsmittel des Arbeitgebers dar. Der Arbeitnehmer kann sich dem Vertragsschluss dadurch entziehen, dass er erklärt, den Aufhebungsvertrag nicht abschließen zu wollen.
Das Gebot “formaler Waffengleichheit” wird dadurch nicht verletzt. Insoweit ist zu beachten (BAG, Urteil v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03), dass der Vertragsabschluss primär durch die Willenserklärungs- und Anfechtungsregeln geschützt wird. Zwar sind nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, jedoch macht die gesetzliche Formulierung deutlich, dass die bei der Angemessenheitskontrolle zu berücksichtigenden Umstände nicht dazu führen können, den Vertragsabschluss insgesamt als rechtsunwirksam zu qualifizieren. Es wäre widersprüchlich, einerseits bei Aufhebungsverträgen keine Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vorzunehmen, andererseits die fehlende Unterstützung durch einen Rechtsanwalt bei den Umständen des Vertragsschlusses zum Anlass zu nehmen, die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages insgesamt in Frage zu stellen. Ob dies anders ist, wenn das Ergebnis der Vertragsverhandlung indiziert, dass ein angemessener Interessenausgleich nicht zustande kam, weil nicht beide Parteien anwaltlich vertreten waren, kann dahinstehen. Der Inhalt des Aufhebungsvertrages vom 12.06.2021 belegt nicht, dass die Vertragsparität ernsthaft gestört war. Zwar ist keine Abfindungszahlung für die Klägerin vorgesehen. Allerdings sieht der Aufhebungsvertrag die Beendigung zum Monatsende, also mit einem “glatten” Datum, sowie die Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses mit der Note „sehr gut“ vor. Der Vertrag sieht überdies eine arbeitgeberseitig veranlasste Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor und erwähnt Pflichtverletzungen der Klägerin nicht.
(5) Die Beklagte muss sich nicht vorwerfen lassen, sie habe die Klägerin beim Abschluss des Aufhebungsvertrages unfair überrumpelt.
Das Gespräch mit der Klägerin ist nicht in ihrem privaten Umfeld, sondern während der Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten geführt worden. Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass er während der Arbeit auf Änderungs- oder Aufhebungsverträge angesprochen wird. Die besondere Ankündigung eines solchen Gesprächs ist nach Auffassung des BAG nicht erforderlich (BAG, Urteil v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18). Das entspricht den Grundsätzen, die das BAG für die Anhörung des Arbeitnehmers vor dem Ausspruch einer Verdachtskündigung aufgestellt hat (BAG, Urteil v. 12.02.2015 – 6 AZR 845/13). Ein „Überrumpeln“ ist auch nicht allein aus der von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Gesprächsdauer von 15 bis 20 Minuten zu schlussfolgern. Allein aus dem Anknüpfungspunkt der Gesprächsdauer kann nicht geschlussfolgert werden, dass dies „erst Recht geeignet“ sei, größeren Druck auszuüben als lange Personalgespräche. Ein entsprechender Erfahrungssatz ist weder bekannt noch ersichtlich.
(6) Eine Gesamtbewertung der Umstände, die den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 12.06.2021 begleiteten, führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte die Grenzen fairen Verhandelns nicht überschritt.
Dabei ist zu beachten, dass nach dem Prüfungsmaßstab, den das BAG entwickelt hat, das Gebot fairen Verhandelns nur in Extremfällen verletzt wird. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Arbeitgeber versucht, das Arbeitsverhältnis durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu beenden, um das Risiko eines Kündigungsschutzprozesses zu vermeiden. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen ist er nicht darauf beschränkt, das Einverständnis des Arbeitnehmers, der ja im Regelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht wünscht, durch das Angebot einer Abfindungszahlung “abzukaufen”. Vielmehr darf der Arbeitgeber jedes Argument ansprechen, das aus seiner Sicht für den Abschluss des Aufhebungsvertrages spricht; dazu gehört auch die Einschätzung, das Arbeitsverhältnis könne gedeihlich nicht mehr fortgesetzt werden. Das in der Privatautonomie wurzelnde Recht, Abschluss und Inhalt eines Vertrages frei gestalten können, erstreckt sich auch auf Aufhebungsverträge als gesetzlich zulässiges Gestaltungsmittel (§ 623 BGB). Es ist eben den Parteien überlassen und steht ihnen frei, „spontan“ Verträge abzuschließen.
Im Streitfall führte die Beklagte, legt man das Vorbringen der Klägerin zugrunde, den Aufhebungsvertrag durch Drohungen, durch die Unterbreitung eines Vertragsangebots, das nur sofort anzunehmen war, und die Schaffung einer besonderen Verhandlungssituation herbei. Die Bedrohung der Klägerin kann im Rahmen der Gesamtbewertung bei der Prüfung des Fairnessgebots allerdings nicht berücksichtigt werden, da es sich nicht um eine widerrechtliche Drohung handelte. Insoweit wird die Willensentschließungsfreiheit allein durch § 123 Abs. 1 BGB als Spezialregelung geschützt. Die übrigen Verhandlungsbedingungen waren nicht so beschaffen, dass Fluchtinstinkte bei der Klägerin geweckt wurden. Unsachliche, aggressive oder beleidigende Äußerungen fielen nicht. Der Gesundheitszustand der Klägerin war, als sie den Vertrag unterzeichnete, nicht beeinträchtigt. Sie litt weder an einer Krankheit noch an Hunger oder Durst; jedenfalls ist Entsprechendes nicht vorgetragen worden. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin vor dem Gespräch einem besonderen Arbeitsdruck ausgesetzt oder von den Strapazen eines langen Arbeitstages erschöpft war; das Gespräch fand vormittags, zwar an einem Samstag, aber während der geplanten Schicht und damit zur regulären Arbeitszeit der Klägerin, im Verkaufsstellenbüro statt. Warum die Klägerin in der Situation, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrages geführt hat, erheblichen Druck ausgesetzt bzw. massiv auf sie ausgeübt oder gar eingeschüchtert wurde, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig, dass das Personalgespräch mit „derart scharfer Konfrontation“ geführt wurde. Insoweit verliert sich der Vortrag der Klägerin in pauschale und unsubstantiierte Behauptungen, welche den konkreten Gesprächsablauf samt Inhalt nicht nachvollziehbar wiedergeben. Nach wertender Betrachtung in der Gesamtschau ist kein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns anzunehmen.
2. Einer Entscheidung über die Zahlungsanträge der Klägerin sowie den im Wege der Widerklage geltend gemachten Auskunftsantrag der Beklagten bedurfte es nicht.
Die Klägerin hat diese Anträge als unechte Hilfsanträge gegenüber dem Klageantrag zu 1. gestellt, der erfolglos blieb. Dies hat ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt.
Den Auskunftsantrag der Beklagten hat diese ebenfalls als unechten Hilfsantrag gegenüber dem Klageantrag zu 1. gestellt, welcher – wie bereits dargelegt – erfolglos blieb.
II. Gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Klägerin als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Hierbei wurde der allgemeine Feststellungsantrag zu 1. mit einem Vierteljahreseinkommen der Klägerin gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG bewertet.
IV. Die Berufung ist nicht gemäß § 64 Abs. 2 a) ArbGG zuzulassen, da Berufungszulassungsgründe gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG nicht ersichtlich sind. Unberührt von dieser Entscheidung ist für die im Rechtsstreit unterlegene Klägerin die Berufung gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft.


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