Arbeitsrecht

Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen – Beschränkung der Person des Vertreters des Aktionärs in der Hauptversammlung auf bestimmten Personenkreis

Aktenzeichen  5 HK O 7924/19

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AG – 2020, 497
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AktG § 23 Abs. 5, § 95 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1, § 118, § 131, § 134 Abs. 3, § 167, § 244 S. 2, § 245 Nr. 2, § 253 Abs. 1
ZPO § 263, § 264,
HGB § 252 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Das Teilnahmerecht eines Aktionärs ist verletzt, wenn die Satzung eine Regelung enthält, wonach die Person des Vertreters des Aktionärs in der Hauptversammlung auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt wird. (Rn. 24)
2. Beruft sich eine Aktiengesellschaft bei der Einberufung zur nächsten Hauptversammlung auf die unzulässige Satzungsbestimmung, kann die Anfechtung des Ausgangsbeschlusses nach einem bestandskräftigen Bestätigungsbeschluss mit dem Ziel geltend gemacht werden, den anfechtbaren Beschluss für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluss für nichtig zu erklären. (Rn. 28)

Tenor

I. Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 11.5.2019 mit dem Inhalt
1. Von dem ausgewiesenen Bilanzgewinn in Höhe von € 116.165,21 für das Geschäftsjahr 2017/18 wird ein Teilbetrag in Höhe von € 112.030,- ausgeschüttet und der Restbetrag in Höhe von € 4.135,21 auf neue Rechnung vorgetragen.
2. Dem im Geschäftsjahr 2017/2018 amtierenden Vorstand L. S. wird Entlastung erteilt.
3. Den im Geschäftsjahr amtierenden Aufsichtsratsmitgliedern wird Entlastung erteilt.
4. Herr K. S., Doktorand, Lindau, wird zum Aufsichtsratsmitglied gewählt. Für den Fall seines Ausscheidens wird Herr Frederic Hanner, Sales/Product-Manager, Wiesbaden, als Ersatzmitglied gewählt. Die Bestellung erfolgt für die noch verbleibende Amtszeit des durch Tod ausgeschiedenen Mitglieds des Aufsichtsrats, Herrn M.
5. Zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2018/2019 wird die D. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, A. Straße …, K1., gewählt.
werden für die Zeit bis zur Fassung der jeweiligen Bestätigungsbeschlüsse am 11.9.2019 für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Der Streitwert wird auf € 20.000,- festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere ist die mit Schriftsatz vom 8.10.2018 vorgenommene Klageänderung, die in dem geänderten Klageantrag als Teil des Streitgegenstandes zu sehen ist, zulässig. Deren Zulässigkeit ergibt sich bereits aus der Überlegung, dass diese Möglichkeit in § 244 Satz 2 AktG ausdrücklich für den Fall vorgesehen ist, dass der Bestätigungsbeschluss innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten wurde; auf das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 263, 264 ZPO kommt es angesichts der vorrangigen Spezialregelung in § 244 Satz 2 AktG nicht mehr an (vgl. Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 244 Rdn. 58; Hüffer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 244 Rdn. 16; Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 244 Rdn. 142; Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 244 Rdn. 7). Soweit in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten wird, es handele sich dabei um eine stets zulässige Klageänderung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. K. Schmidt in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., § 244 Rdn. 24; Heidel in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 244 Rdn. 11; Englisch in: Hölters, AktG, 3. Aufl., § 244 Rdn. 14), würde dies am Ergebnis der Zulässigkeit der Klageänderung nichts ändern. Da die Kläger zudem einen entsprechenden Antrag im Sinne des § 244 Satz 2 AktG gestellt haben, muss die Kammer auch nicht abschließend darüber entscheiden, inwieweit ein derartiger Antrag aufgrund von § 308 ZPO zwingend notwendig ist (so die h.M.; vgl. Drescher in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 244 AktG Rdn. 15; Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 244 Rdn. 124) oder ob eine derartige Entscheidung auch von Amts wegen ergehen kann (so K. Schmidt in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., § 244 Rdn. 24 und 16).
2. Die Anfechtungsklage ist mit dem geänderten Antrag begründet.
a. Die Kläger sind anfechtungsbefugt im Sinne des § 245 Nr. 2 AktG, weil ihr bevollmächtigter Vertreter zwar zur Hauptversammlung erschienen ist, aber zu dieser zu Unrecht nicht zugelassen wurde. Die Beklagte war nicht berechtigt, ihm die Teilnahme an der Hauptversammlung zu verwehren. Auf die Regelung in Ziffer 14 der Satzung kann sich die Beklagte nicht berufen. Das Teilnahmerecht des Aktionärs ist kein höchstpersönliches Recht, sondern kann durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden.
Auch wenn in § 118 AktG eine § 134 Abs. 3 AktG vergleichbare Vorschrift fehlt, ist das Teilnahmerecht gerade nicht als höchst persönliches Recht ausgestaltet; eine vorhandene Stimmrechtsvollmacht umfasst zwangsläufig auch die Vollmacht zur Teilnahme an der Hauptversammlung (vgl. Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 118 Rdn. 60; Mülbert in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 134 Rdn. 26; Hoffmann in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 118 Rdn. 13). Einschränkungen der Teilnahme, die mit dem Gesetz nicht in Einklang stehen sind unzulässig (vgl. OLG Düsseldorf AG 1991, 444, 445 = WM 1991, 2145, 2146 = NJW-RR 1992, 100, 101; Mülbert in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 118 Rdn. 84). Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen unten zu § 134 Abs. 3 AktG unter I. 2. c. (1) (a) verwiesen. Dann aber wurden die Kläger zu Unrecht von der Teilnahme an Hauptversammlung ausgeschlossen, weshalb sie gemäß § 245 Nr. 2 AktG anfechtungsbefugt sind.
b. Die Anfechtungsklage wurde fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Erhebung der Klage erfolge aufgrund von § 253 Abs. 1 ZPO erst mit ihrer Zustellung, wobei die Zustellung angesichts der Regelung in § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG an den Vorstand und den Aufsichtsrat erfolgen muss. Diese Vorgaben wurden vorliegend beachtet; Verzögerungen bei der Zustellung an den Aufsichtsrat stehen der Einhaltung der Monatsfrist aufgrund der Regelung in § 167 ZPO hier nicht entgegen. Die Zustellung an die Organe erfolgte zwar erst am 4.7. bzw. 10.7.2019; dies steht der Wirkung der Einhaltung der aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayFTG am 12.6.2019 endenden Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht entgegen, weil die Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO vorgenommen wurde. Diese Vorschrift, nach der in den Fällen, in denen durch die Erhebung der Klage eine Frist gewahrt werden soll, die Wirkung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, gilt auch im Anwendungsbereich des § 246 Abs. 1 AktG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift müssen bejaht werden, weshalb auf den am 11.6.2019 per Telefax erfolgten Eingang der Klage bei Gericht abgestellt werden muss. Die Kläger haben alles Erforderliche getan, um die Zustellung der Klage an die Beklagte, vertreten durch ihren Vorstand und ihren Aufsichtsrat, zu ermöglichen. Die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erfolgte ausweislich der Gerichtsakten am 21.6.2019. in der Klageschrift selbst haben sie sowohl den Geschäftssitz der Beklagten als auch die Zustellanschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden angegeben, unter der die Zustellung erfolgen muss.
c. Die zu den einzelnen Tagesordnungspunkten 2 bis 6 gefassten Beschlüsse verstoßen gegen das Gesetz und sind aufgrund der Regelung in § 244 Satz 2 AktG für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluss für nichtig zu erklären.
(1) Die Gesetzesverletzung im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG resultiert aus einem Verstoß gegen das der Kläger Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung im Sinne des § 118 Abs. 1 AktG und auf einem Verstoß gegen § 134 Abs. 3 AktG, weil ihr nunmehriger Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. S., zu Unrecht von der Teilnahme an der Hauptversammlung und damit auch von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen wurde.
(a) Eine Verletzung des Teilnahmerechts muss bejaht werden, weil es jedem Aktionär gestattet sein muss, sich durch einen von ihm frei gewählten Bevollmächtigten in der Hauptversammlung vertreten zu lassen. Eine Beschränkung dieses Rechts unter Berufung auf § 134 Abs. 3 AktG, dessen Rechtsgedanke auch für die Teilnahme an der Hauptversammlung gelten muss, lässt sich nicht rechtfertigen. Über die gesetzlichen Vorgaben hinaus darf die Satzung das Teilnahmerecht eines Aktionärs an der Hauptversammlung oder sein Stimmrecht nicht erschweren (OLG Düsseldorf AG 1991, OLG Düsseldorf AG 1991, 444, 445 = WM 1991, 2145, 2146 = NJW-RR 1992, 100, 101; Mülbert in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 118 Rdn. 84). Dies muss auch für die in § 134 Abs. 3 Satz 1 AktG getroffene Regelung gelten, wonach das Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden kann. Demgemäß steht es einem Aktionär frei, sich durch eine beliebige Person vertreten zu lassen. Eine Abweichung hiervon hat das Aktiengesetz nicht zugelassen. Eine vom Gesetz abweichende Bestimmung in der Satzung ist nicht möglich, weil die Regelung in § 134 Abs. 3 Satz 1 AktG als abschließend angesehen werden muss. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte. § 134 Abs. 3 AktG regelt die Möglichkeit der Vertretung, die Form der Vollmacht sowie Aufbewahrungspflichten für bestimmte Sonderfälle. In § 134 Abs. 4 AktG wird (lediglich) die Form der Ausübung des Stimmrechts der Regelung durch die Satzung überlassen. Hätte die Absicht bestanden, zusätzliche einschränkende Bestimmungen über die Person des Bevollmächtigten zuzulassen, hätte es nahegelegen, dies ebenfalls an dieser Stelle zu regeln.
Dies wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte des § 134 Abs. 3 AktG. Zum einen ist zu sehen, dass die früheren Regelungen in § 252 Abs. 2 HGB wie auch in § 114 Abs. 7 AktG 1937 festlegten, dass sich im Übrigen die Bedingungen und die Form der Ausübung des Stimmrechts nach dem Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung richten – daraus wurde die Zulässigkeit einer Beschränkung des Kreises der Bevollmächtigten abgeleitet (vgl. RGZ 55, 41; RG JW 1904, 73). Wenn aber nunmehr nur die Form der Stimmrechtsausübung zur Disposition gestellt wird, kann daraus nur die Schlussfolgerung gezogen werden, es handele sich im Übrigen um eine abschließende Regelung, die Bestimmungen über die Person des Bevollmächtigten in der Satzung nicht zulässt. Zum anderer ergibt sich dies auch aus der Art und Weise der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 14.7.2007, Richtlinie 2007/36/EG durch das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.7.2009, BGBl I S. 2479. Die EU-Richtlinie legte für börsennotierte Gesellschaften fest, dass sich der Aktionär in der Hauptversammlung vertreten lassen darf, wobei die Geschäftsfähigkeit als einzige Bedingung genannt wurde. Alle entgegenstehenden Vorschriften musste der jeweilige nationale Gesetzgeber aufgrund von Art. 10 Abs. 1 Satz 3 der Aktionärsrechterichtlinie vom 14.7.2007 aufheben. Hätte der deutsche Gesetzgeber für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften eine abweichende Regelung fortgelten lassen wollen, so wäre zu erwarten gewesen, dass er ausdrücklich eine andere Regelung getroffen hätte. In § 134 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 AktG hat der Gesetzgeber – wie auch in einer Reihe anderer Vorschriften im Aktiengesetz – unterschiedliche Regelungen für börsennotierte und nicht börsennotierte Gesellschaften getroffen. Wenn er bei der Stimmrechtsvollmacht auf eine derartige Differenzierung verzichtet, spricht dies entscheidend dafür, dass die Regelung in § 134 Abs. 3 Satz 1 AktG gerade keine Einschränkung bei der Person des Vertreters zulässt und dies auch für nicht börsennotierte Gesellschaften gilt (vgl. OLG Stuttgart AG 1991, 69 f. = WM 1990, 1159, 1160 f. = NJW-RR 1990, 1316, 1317; OLG Braunschweig BeckRS 2014, 20216; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 134 Rdn. 25; Müller in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 134 Rdn. 28; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 134 Rdn. 58; Tröger in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 134 Rdn. 161; Schröer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 134 Rdn. 45; Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 134 Rdn. 51; Dürr in: Wachter, AktG, 3. Aufl., § 134 Rdn. 16). Die Tatsache, dass die Beklagte vinkulierte Namensaktien ausgegeben hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar dokumentiert diese Regelung das Interesse der Gesellschaft, den Einfluss nicht zum gegenwärtigen Aktionärskreis gehörender Personen auszuschließen. Doch vermag auch dieses Interesse die Regelung nicht zu rechtfertigen, die die praktische Ausübung des Stimmrechts für vorhandene Aktionäre deutlich erschwert. Zwar führt eine missbräuchliche Umgehung der Vinkulierung im Einzelfall zur Nichtigkeit der Vollmachtserteilung (so BGH NJW 1987, 780 = ZIP 1987, 165, 166 = DB 1987, 424 = MDR 1987, 474), die abstrakte Missbrauchsmöglichkeit rechtfertigt aber nicht die generelle Beschränkung der Aktionäre bei der Auswahl ihrer Vertreter (vgl. OLG Stuttgart AG 1991, 69, 70 = WM 1990, 1159, 1160 f. = NJW-RR 1990, 1318, 1317; Tröger in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 134 Rdn. 162). Es muss daher beim Grundsatz der Satzungsstrenge aus § 23 Abs. 5 AktG bleiben. Die Beklagte kann sich folglich nicht auf die Satzungsbestimmung berufen. Damit aber hätte Herr Rechtsanwalt Dr. S… als Vertreter der Kläger an der Hauptversammlung teilnehmen dürfen, was ihm verwehrt wurde. Somit liegt ein Verstoß gegen das Teilnahmerecht der Aktionäre vor, nachdem die Gedanken des § 134 Abs. 3 AktG auf die zur Teilnahme berechtigende Vollmacht in gleicher Weise analog anzuwenden sind.
(b) Aus der Verletzung des Teilnahmerechts folgt dann auch die Verletzung des Stimmrechts aus § 134 Abs. 3 AktG, nachdem die Kläger ihre Stimmen nicht abgeben konnten, weil sie auf der Hauptversammlung nicht vertreten waren.
(2) Die auf der Hauptversammlung vom 11.5.2019 gefassten Beschlüsse beruhen auf der Verletzung des Gesetzes. Durch die Verweigerung des Zutritts zur Hauptversammlung für den Bevollmächtigten der Kläger muss die Kausalität im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG bejaht werden. Dabei kann nicht auf eine streng mathematische Kausalität unter Hinweis darauf abgestellt werden, weitere 126 Stimmen der Kläger hätten keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gehabt. Wird einem Aktionär – wie hier den Klägern – die Teilnahme und damit die Ausübung ihrer Rechte in der Hauptversammlung zu Unrecht verweigert, haftet dem Nachfolgenden an, angefochtene Beschlüsse ein gravierendes Legitimationsdefizit an, das bei wertender, am Schutzzweck der Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit rechtfertigt (vgl. BGHZ 160, 385, 392 = NJW 2005, 828, 830 = NZG 2005, 77, 79 = ZIP 2004, 2428, 2430 = WM 2004, 2489, 2491 = DB 2004, 2803, 2805 = BB 2005, 65, 66 f. = DNotZ 2005, 302, 305 – ThyssenKrupp für die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des UMAG; auch Göz/Holzborn WM 2006, 157, 160). Das UMAG hat an dieser Beurteilung aus den soeben genannten Gründen nichts geändert, so dass die Kammer die vom BGH in der zuletzt genannten Entscheidung aufgestellten Kriterien unverändert für maßgeblich erachtet. Die Kausalität ist folglich unabhängig davon zu bejahen, ob die von der Verletzung des Teilnahme- und Stimmrechts betroffenen Kläger mit ihrem Stimmenanteil eine Änderung des Ergebnisses der Abstimmung hätten erreichen könne oder nicht (vgl. BGHZ 206, 143, 159 = NZG 2015, 1227, 1231 = AG 2015, 822, 826 = ZIP 2015, 2069, 2074 = DB 2015, 2504, 2508 = BB 2015, 2636, 2640 = DZWIR 2016, 32, 36 f. = DNotZ 2016, 62, 69). Durch die rechtswidrige Nichtzulassung zur Hauptversammlung wird dem Aktionär die Möglichkeit genommen, insbesondere auch sein Stimmrecht auszuüben, weshalb der Kernbereich der Mitgliedschaft verletzt wird, so dass die Anfechtbarkeit aufgrund dieses Verfahrensfehlers gerechtfertigt ist (vgl. BGHZ 206, 143, 159 = NZG 2015, 1227, 1231 = AG 2015, 822, 826 = ZIP 2015, 2068, 2073 f. = DB 2015, 2504, 2508 = BB 2015, 2636, 2640 = DZWIR 2016, 32, 37 = DNotZ 2016, 62, 69; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 16; Heidel in; Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 21; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 123 Rdn. 51).
(3) Die Voraussetzungen von § 244 Satz 2 AktG, wonach im Fall eines Bestätigungsbeschlusses die Anfechtung des Ausgangsbeschlusses weiterhin mit dem Ziel geltend gemacht werden kann, den anfechtbaren Beschluss für diese Zeit für nichtig zu erklären, sind erfüllt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der einschränkenden Auslegung, wie sie von der weithin vertretenen Auffassung vorgenommen wird. Ein derartiges rechtliches Interesse wird danach nur dann bejaht, wenn die Feststellung auch in Zukunft für die mitgliedschaftliche Stellung des klagenden Aktionärs relevant ist; das bloße Interesse an der Klärung der Rechtslage genügt nicht (vgl. Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 244 Rdn. 59; Schwab in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 244 Rdn. 23; Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 244 Rdn. 116). Vorliegend griff der Ausschluss der Kläger von der Hauptversammlung in den Kern ihrer Mitgliedschaft ein, weil das Teilnahmerecht des Aktionärs an der Hauptversammlung wie auch das Stimmrecht die im Wesentlichen einzige Möglichkeit ist, auf die Geschicke der Aktiengesellschaft Einfluss zu nehmen. Demgemäß ist gerade das Teilnahmerecht an der Hauptversammlung auch vom Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG umfasst (vgl. BVerfG NJW 2000, 349, 350 = NZG 2000, 192, 193 = AG 2000, 74 = ZIP 1999, 1798, 1799). Aufgrund dieses tiefgreifenden und erheblichen Eingriffs in das Aktionärsrecht, das die Beklagte nicht zu respektieren gewillt ist, wie auch die Einladungen zu zwei nachfolgenden Hauptversammlungen mit identischem Wortlaut zur Teilnahmeberechtigung zeigen, muss das berechtigte Interesse des Klägers bejaht werden (vgl. Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 244 Rdn. 116; in diese Richtung auch Zöllner ZZP 81 [1968], 135, 146 f.). Daher kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Kläger seien durch die Regelung in Ziffer 14. Der Satzung nicht beeinträchtigt, nachdem sich die Beklagte stets darauf berufen hat.
Diese Überlegungen zum rechtlichen Interesse gelten verstärkt für den zu TOP gefassten Beschluss über die Wahl des Aufsichtsrats. Nachdem die Rechtsprechung des BGH die Rechtsfigur des „faktischen Aufsichtsrats“ vom Grundsatz her nicht anerkannt hat (vgl. BGHZ 196, 195, 202 = NJW 2013, 1535, 1537 = NZG 2013, 456, 458 = AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 722 = WM 2013, 699, 701 = DB 2013, 806, 808 = BB 2013, 1166, 1168 = Der Konzern 2013, 348, 350 = DNotZ 2013, 624, 628), weil sich hieraus unmittelbare Probleme für die Wirksamkeit von Beschlüssen des Aufsichtsrats geben können, die auch in die Rechtsstellung der Kläger eingreifen.
(4) Auf die weitere Frage, ob die Verletzung des Fragerechts aus § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG, die in Bezug auf die Fragen 13 bis 16 zu bejahen sein wird, nachdem auch Angelegenheiten einer Tochtergesellschaft, an der die Beklagte zu mehr als 50 % beteiligt ist, zu den auskunftspflichtigen Angelegenheiten der Gesellschaft gehören, ein rechtliches Interesse im Sinne des § 244 Satz 2 AktG begründen könnte, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
Angesichts dessen musste die Anfechtungsklage Erfolg haben.
II.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
3. Die Entscheidung über den Streitwert hat ihre Grundlage in §§ 247 Abs. 1 AktG, 5 ZPO. Die Festsetzung entspricht der vorläufigen Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 12.6.2019.


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