Arbeitsrecht

Angemessene Entschädigung wegen Altersdiskriminierung

Aktenzeichen  AN 1 K 15.00300

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AGG AGG § 15
BayBesG BayBesG Art. 31 Abs. 2
BayHSchPG BayHSchPG Art. 21 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Ungleichbehandlung von Beamten, deren Stufenzuordnung sich nach der neuen (diskriminierungsfreien) Besoldungsordnung richtet, und denjenigen, die nach Art. 106 BayBesG in diese übergeleitet wurden und deshalb unter Umständen weiter von der früheren diskriminierenden Besoldung profitieren, ist gerechtfertigt. Denn die gewählte Überleitungslösung ist – auch unionsrechtlich – nicht zu beanstanden, weil die besonderen administrativen Schwierigkeiten bei der ansonsten erforderlichen Neuzuordnung zu den Stufen eine Abweichung hiervon rechtfertigen (BVerwG BeckRS 2015, 41911). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Gegenstand und Ziel der Klage ist nach der maßgeblichen Fassung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides vom 15. Dezember 2014 eine angemessene Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 30. November 2016 zu zahlen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der (Widerspruchs-)Bescheid des Landesamts für Finanzen – … … – vom 15. Dezember 2014 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machenden Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 30. November 2016.
Ein Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 AGG scheidet aus.
Ohne Bedeutung ist es, dass sich der Kläger im behördlichen wie im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich auf § 15 Abs. 1 (bzw. Abs. 2) AGG als Anspruchsgrundlage berufen hat. Das Gericht ist nicht an die vom Kläger bezeichneten Rechtsnormen gebunden, sondern hat den geltend gemachten Anspruch im Rahmen des Streitgegenstandes aus jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (jura novit curia). Der Widerspruch des Klägers vom 12. Dezember 2013 „gegen die Besoldungshöhe“ ist somit für die Geltendmachung einer angemessenen Entschädigung wegen Altersdiskriminierung ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2014, juris Rn. 32).
Ein dem Kläger während dieses Zeitraums entstandener Schaden wäre allenfalls in der Differenz zwischen der dem Kläger ab 1. Dezember 2016 gewährten Endstufe 11 seiner Besoldungsgruppe A 14 und der ihm vom 1. Juli 2013 bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich gezahlten Endstufe 10 der Besoldungsgruppe A 14 zu erblicken. Diese Differenz beträgt nach den Angaben des Beklagten im Schriftsatz des Landesamts für Finanzen – … … – vom 4. Mai 2015 139,70 EUR monatlich.
Der Kläger befand sich jedoch zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung am 12. Dezember 2013 (Widerspruch „gegen die Besoldungshöhe“) bereits seit dem 1. Juli 2013 als Akademischer Oberrat in der altersdiskriminierungsfreien Besoldungsgruppe A 14.
Zwar perpetuiert die schlichte betragsmäßige Überleitung der Besoldungsansprüche von Beamten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Besoldungsregelung bereits ernannt waren, ihre Benachteiligung aufgrund des Lebensalters (hier: Art. 106 BayBesG – Einordnung der vorhandenen Besoldungsempfänger der Besoldungsordnungen A und R in die neuen Grundgehaltstabellen).
Denn die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27 und 28 BBesG i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (§§ 27 und 28 BBesG a.F., BGBl I S. 3020) benachteiligte Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters.
Dieses Besoldungssystem führte zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (- RL 2000/78/EG -, ABl L 303 S. 16). Die Besoldungsbedingungen der Beamten der Mitgliedstaaten der EU fallen in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie (EuGH, U.v. 9.6.2014 – Rs. C-501/12, Specht, NVwZ 2014, 1294 Rn. 42 f.).
Die Ungleichbehandlung von Beamten, deren Stufenzuordnung sich nach der neuen (diskriminierungsfreien) Besoldungsordnung richtet, und denjenigen, die nach Art. 106 BayBesG in diese übergeleitet wurden und deshalb u.U. weiter von der früheren diskriminierenden Besoldung profitieren, ist jedoch gerechtfertigt. Die gewählte (Überleitungs-)Lösung ist nämlich (auch unionsrechtlich) nicht zu beanstanden, weil die besonderen administrativen Schwierigkeiten bei der ansonsten erforderlichen Neuzuordnung zu den Stufen eine Abweichung hiervon rechtfertigen (BVerwG, U.v. 30.10.2014 – 2 C 6/13, Rn. 72, juris, unter Bezugnahme auf EuGH, U.v. 19.6.2014 a.a.O. Rn. 78 ff., juris).
Nach alledem ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG ausgeschlossen.
Der Kläger hat aus den gleichen Erwägungen auch keinen Anspruch auf angemessene Entschädigung wegen Altersdiskriminierung nach 15 Abs. 2 AGG bzw. aus einem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch.
Nach alledem war die Klage daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11. ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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