Arbeitsrecht

Anrechnung einer Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes auf die Probezeit

Aktenzeichen  M 5 K 18.5876

Datum:
7.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31812
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG Art. 36 Abs. 3
VwGO § 114 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit der Klage geltend gemachte Anrechnung der im Zeitraum vom … August 1997 bis … September 2001 ausgeübten Tätigkeit als Religionslehrerin im Kirchendienst sowie als bei einem privaten Schulträger angestellte Lehrerin im Umfang von einem Jahr. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid vom … September 2018 der Regierung von Oberbayern und deren Widerspruchsbescheid vom … November 2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
1. Nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 LlbG kann der Dienstherr Zeiten einer Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes nach Erwerb der für die Fachlaufbahn notwendigen Qualifikation, die nach Art und Bedeutung mindestens der der Qualifikationsebene in der jeweiligen Fachlaufbahn entsprechenden Tätigkeit genügen, im Umfang von höchstens einem Jahr anrechnen. Es ist unstreitig, dass die geltend gemachten Tätigkeiten bei dem privaten Schulträger sowie der Kirche solche außerhalb des öffentlichen Dienstes darstellen (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Mai 2020, Art. 36 LlbG Rn. 16 m.w.N.).
a) Der Dienstherr muss bei seiner Entscheidung darüber befinden, ob er die Voraussetzungen für eine Anrechnung bejaht und ob er im Rahmen seines Ermessens die Anrechnung für sinnvoll hält. Der Begriff der „nach seiner Art der Qualifikationsebene der jeweiligen Fachlaufbahn entsprechenden Tätigkeit“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Er ist dahingehend zu bestimmen, dass die Tätigkeit unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung nicht mit den Tätigkeiten der Laufbahn identisch sein muss, aber sowohl nach ihrer Wertigkeit als auch nach der Fachrichtung geeignet sein muss, die Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln oder zu vertiefen, die für die ordnungsgemäße Erfüllung von Dienstaufgaben der Laufbahn in der jeweiligen Qualifikationsebene erforderlich sind und damit ein geeignetes Kriterium für die Feststellung der Bewährung bilden können (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Mai 2020, Art. 36 LlbG Rn. 28; VG München, U.v. 27.11.2019 – M 21a K 18.380 – juris Rn. 16 zu § 29 Bundeslaufbahnverordnung; BVerwG, U.v. 24.11.1983 – 2 C 17/82 – RiA 1984, 139, juris Rn. 18 zu § 7 Abs. 4 Bundeslaufbahnverordnung a.F.).
Bei der Ermessensausübung kann berücksichtigt werden, welchen Eindruck der Beamte/die Beamtin seit seiner/ihrer Einstellung als Beamter auf Probe gemacht hat und ob nach dem bisher gewonnenen Eindruck damit gerechnet werden kann, dass nach Ablauf der durch die verringerte Probezeit – auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs – eine sichere Entscheidung über die Bewährung getroffen werden kann (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Mai 2020, Art. 36 LlbG Rn. 29).
b) Im Widerspruchsbescheid vom … November 2018 wird in erster Linie die Bewertung der Entsprechung der Tätigkeiten der Klägerin bei dem privaten Schulträger wie auch im kirchlichen Dienst einer solchen im staatlichen Schuldienst verneint. Damit steht die Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „nach seiner Art der der Qualifikationsebene der jeweiligen Fachlaufbahn entsprechenden Tätigkeit“ (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 LlbG) im Vordergrund. Es werden dort aber auch Ermessenserwägungen angestellt, es wird ausdrücklich angegeben, dass entsprechend der vom Kultusministerium umschriebenen Vorgaben zur Konkretisierung des Ermessensrahmens entschieden werde. Insbesondere die Passagen in der Begründung des Widerspruchsbescheids, in denen angegeben ist, dass aus den vorgelegten Unterlagen eine Unterrichtserteilung lediglich in den Fächern Sport und Religion folge, enthalten Ermessenserwägungen. Das gilt auch für die Begründung, dass es sich um zwei Unterrichtsaufträge für jeweils ein Unterrichtsfach gehandelt habe – für das Fach Sport und das Fach Religion – weshalb mit Blick auf die im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 30. März 2011 festgesetzten Vorgaben keine Grundlage für deren Anrechnung bestehe. Daraus folgt, dass die Behörde nicht nur auf Tatbestandsebene geprüft hat, sondern auch auf der Rechtsfolgenseite Ermessen ausgeübt hat. Denn die Begründung geht über die bloße Prüfung hinaus, ob die ausgeübte Tätigkeit einer der jeweiligen Fachlaufbahn entsprechenden Tätigkeit genügt. Die Regierung bringt mit diesen Formulierungen zum Ausdruck, dass auch Erwägungen hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Anrechnung der Tätigkeit der Klägerin außerhalb des öffentlichen Dienstes angestellt wurden.
c) Die Ermessenserwägungen wurden mit den beiden Schreiben vom … September 2020 ergänzt. Das ist rechtlich zulässig (§ 114 Satz 2 VwGO). Denn bei der vorliegenden Klage handelt es sich um eine Verpflichtungsklage. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit einer Verpflichtungsklage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 57).
Das materielle Recht gebietet keine Abweichung von diesem Grundsatz. Denn das Gesetz sieht keine Anordnung vor, wann über die Anrechnung von Zeiten auf die Probezeit zu entscheiden ist. Es ist zweckmäßig, mit der Entscheidung hierüber zuzuwarten, bis eine abschließende Beurteilung der Bewährung möglich ist (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Mai 2020, Art. 36 LlbG Rn. 22; so auch BVerwG, U.v. 24.11.1983 – 2 C 17/82 – RiA 1984, 139, juris Rn. 20). Das zeigt, dass aus dem materiellen Recht – insbesondere dem Leistungslaufbahngesetz – kein abweichender maßgeblicher Zeitpunkt für die Begründetheit der Klage abzuleiten ist.
Da der maßgebliche Zeitpunkt für die Begründetheit der Klage vorliegend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist, können Ermessenserwägungen noch bis zu diesem Zeitpunkt nachgeschoben werden. Das gilt auch für solche Umstände, die sich erst nach Erlass des streitgegenständlichen Verwaltungsakts ergeben haben. Denn damit wird die ursprünglich gegebene Begründung weiter ergänzt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 114 Rn. 91). Die entsprechenden Erwägungen wurden auch in hinreichend bestimmter Form in den beiden Schriftsätzen vom 30. September 2020 in das Verfahren eingeführt. Damit wurde die Klagepartei nicht in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 114 Rn. 92)
Die Ergänzung der Ermessenserwägungen präzisieren die Wertung auf der Rechtsfolgenseite, dass eine Anrechnung der geltend gemachten Tätigkeiten im vorliegenden Fall nicht erfolgen kann. Dabei ist der Regierung zuzugestehen, dass eine entsprechende genaue Begründung mit Blick auf die Größe des von ihr zu betreuenden Personalkörpers nicht schon im Widerspruchsbescheid in aller Tiefe erwartet werden kann. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, wenn erst in Auseinandersetzung mit der Argumentation der Klagepartei die Ermessenserwägungen im konkreten Fall ergänzt wurden.
Inhaltlich ist es keinen rechtlichen Bedenken unterworfen, dass die Regierung hinsichtlich der Anrechnung von Unterrichtstätigkeiten in den Fächern Sport und Religion außerhalb des öffentlichen Dienstes strengere Anforderungen stellt als bei einer Tätigkeit im staatlichen Bereich. Denn die Maßnahmen der Schulaufsicht während der Probezeit – von der Regierung mit „Begleitung der Tätigkeit durch Unterrichtsbesuche und persönliche Gespräche“ umschrieben – bedingen eine engmaschigere Überprüfung der Tätigkeit als außerhalb des öffentlichen Dienstes. Denn das Angestelltenverhältnis kennt keine Beschäftigung auf Lebenszeit wie das Beamtenverhältnis, die mit einer entsprechenden Prüfung der Bewährung während einer zweijährigen Probezeit korreliert. Daher begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Regierung für die Anrechnung von Unterricht außerhalb des öffentlichen Dienstes in vergleichbaren Fällen neben dem Unterricht in Pflichtfächern – zu denen auch Sport und Religion zählen – den Unterricht in einem weiteren Fach wie Deutsch, Mathematik oder Heimat- und Sachkunde an Grundschulen oder Deutsch, Mathematik, Englisch, Physik/Chemie/Biologie oder Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde fordert. Damit setzt sie sich nicht in Widerspruch zu den Vorgaben im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 30. März 2011. Denn dort werden nur grobe Mindestvorgaben statuiert, die in konkreten Fällen modifiziert werden können. Zudem hat die Klägerin einen entsprechenden Unterricht nur mit einem geringen Unterrichtsdeputat erteilt. Hinzu kommt die Erwägung, dass die anzurechnenden Tätigkeiten erhebliche Zeit zurückliegen, damit den aktuellen Anforderungen nicht vergleichbar sind, weshalb diese Tätigkeiten nicht dazu geeignet sind, als Bewährungszeit auf die beamtenrechtliche Probezeit angerechnet zu werden.
Es kann rechtlich nichts dagegen erinnert werden, dass die Regierung für die Ablehnung der Anrechnung der Tätigkeiten darauf verweist, dass sich die Klägerin in der bisher abgeleisteten beamtenrechtlichen Probezeit noch nicht bewährt hat. Auch das hält sich innerhalb des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraums (§ 114 Satz 1 VwGO). Die noch nicht zweifelsfrei gezeigte fachliche Bewährung kommt in der Probezeitbeurteilung vom … August 2019 mit dem Prädikat „noch nicht geeignet“ und der Verlängerung der Probezeit bis zum Ablauf des … August 2022 zum Ausdruck. Dabei ist es nicht von Belang, dass gegen die Probezeitbeurteilung Klage erhoben wurde, über die noch nicht entschieden ist. Maßgebende Ermessenserwägung gegen die Anrechnung der Probezeit ist der Umstand, dass ein abschließendes Urteil über die Bewährung der Klägerin in der bisher abgeleisteten Probezeit nicht möglich ist. Denn es wäre widersinnig und würde dem Sinn und Zweck der Probezeit diametral zuwiderlaufen, durch Anrechnung von Tätigkeitszeiten, die vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe abgeleistet wurden, die Probezeit zu verkürzen, obwohl sich während der abgeleisteten Probezeit Eignungszweifel ergeben haben. Aus der Nebentätigkeit der Klägerin als Übungsleiterin kann nichts Anderes abgeleitet werden. Denn dabei handelt es sich gerade nicht um eine Tätigkeit, die der Schulaufsicht unterliegt.
d) Die in den streitgegenständlichen Bescheiden enthaltenen Erwägungen, die im Lauf des gerichtlichen Verfahrens in zulässiger Weise präzisiert wurden, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Damit ist auch kein Anspruch der Klagepartei auf erneute Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gegeben (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
2. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auch § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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