Arbeitsrecht

Anrechnung von Zeiten des Wehrdienstes, Übergangszahlung

Aktenzeichen  5 Sa 977/20

Datum:
8.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34581
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 ArbPlSchG in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung

 

Leitsatz

Wirkung der Anrechnung von Zeiten des Wehrdienstes auf die Betriebszugehörigkeit: kein Anspruch auf Anwendung von Bestimmungen, die nur für Personen gelten, die vor dem geschützten Arbeitnehmer eingestellt wurden. Daher bestand für den Kläger kein Anspruch auf eine Übergangszahlung und in der Folge kein Anspruch auf eine im Sozialplan vorgesehene Abgeltung für den Verlust dieses Anspruchs.

Verfahrensgang

3 Ca 353/20 2020-12-05 Endurteil ARBGAUGSBURG ArbG Augsburg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 05.12.2020, Az.: 3 Ca 353/20 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 und 2, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist daher zulässig.
II.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Ein Anspruch des Klägers auf die in Ziff. V des Sozialplans vom 17.04.2019 geregelte Abgeltungszahlung für den Verlust einer Übergangszahlung/-zuschusses in Höhe von € 15.000,- brutto besteht nicht, so dass die erstinstanzliche Klageabweisung zwar mit inhaltsarmer Begründung aber im Ergebnis zu Recht erfolgt ist. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch sind nicht erfüllt, weil der Kläger keine wirksame Zusage zum Bezug einer Übergangszahlung/-zuschuss gemäß den entsprechenden Regelungen der Siemens AG hatte.
Wie bereits das LAG München in seiner Entscheidung vom 05.05.2021, 11 Sa 1183/20 in einer Parallelsache festgestellt hat, haben nur diejenigen Arbeitnehmer, die bereits einen solchen Anspruch besitzen, ihrerseits wiederum einen Anspruch nach dem Sozialplan auf Abgeltung dieses Anspruches. Ein Anspruch des Klägers auf eine Übergangszahlung/-zuschuss ergibt sich weder aus den früheren Regelungen der Siemens AG für Mitarbeiter, die vor dem 30.09.1983 eingetreten sind, noch aus der vom Kläger vorgelegten Vereinbarung vom 23.12.1981, der Dienstzeitrichtlinie oder einer Anlage hierzu.
1. Voraussetzung für eine Zusage zum Bezug einer Übergangszahlung/-zuschuss gemäß den entsprechenden Regelungen der Siemens AG ist ein tatsächlicher Eintritt in die Siemens AG vor dem 30.09.1983, der hier nicht vorliegt. Der Kläger hat weder aus den für ihn geltenden Regelungen der Dienstzeitrichtlinien noch aus der gesetzliehen Vorschrift des §§ 12 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 2 ArbPlSchG in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung jeweils i.V.m. den für die vor dem 30.09.1983 bei der Siemens AG eingetretenen Mitarbeitern geltenden Regelungen für einen Übergangszuschuss eine wirksame Zusage erlangt.
1.1 Eine solche „Rückwirkung“ der Wehrdienstzeit auf das Eintrittsdatum ergibt sich nicht aus den Dienstzeitrichtlinien. Diese definieren in der Anlage 1 fünf verschiedene Stichtage und ihren Zweck. Für den „Letzten tatsächlichen Eintrittstag“ ist in Ziff. 1 ausdrücklich festgehalten, dass dieser Stichtag über die tatsächlichen beim Arbeitgeber zurückgelegten Zeiten keine darüber hinaus anerkannten Zeiten enthalten darf, wie Wehr- oder Zivildienstzeiten. In Anlage 2 ist die Anerkennung von gesetzlich vorgeschriebenen Zeiten, wie u.a. auch von Wehrdienstzeiten geregelt. Gem. Ziff. 1.2.1 gilt für die Zeit des Wehrdienstes ausdrücklich, dass diese für die Stichtage „Firmenzugehörigkeit“,“ Betriebliche Altersversorgung“, „Unverfallbarkeitsfrist (BetrAVG)/Versorgungszusage“ und „Unverfallbarkeitsfrist(BetrAVG)/Betriebszugehörigkeit“ anerkannt, jedoch nicht für den Stichtag „Letzter tatsächlicher Eintrittstag“.
Auch die Regelung in Ziffer 7.3 der Dienstzeitrichtlinien führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Entgegen der Ansicht des Klägers wird mit dieser Regelung nicht der Stichtag für die Zahlung des Übergangszuschusses auf einen Zeitpunkt vor dem 17.11.1983 geändert. Vielmehr beschränkt sich die Regelung auf den Fall eines nahtlosen Wechsels von einer Siemens-Gesellschaft, bei der zuletzt ein Anspruch auf 6 Monate Übergangszuschuss/-zahlung für den Fall der Pensionierung bestanden hat, zur Siemens AG und bestimmt, dass in einem solchen Fall der Anspruch von der Siemens AG fortgeführt wird und dies in der Dienstzeitfestsetzung zu vermerken ist. Der Kläger hat weder von einer Siemens-Gesellschaft zur Siemens AG gewechselt, noch hatte er vor seinem Eintritt bei der Siemens AG einen Anspruch bei einer Siemens-Gesellschaft einen Anspruch auf 6 Monate Übergangszuschuss/-zahlung für den Fall der Pensionierung.
Damit führen die Dienstzeitrichtlinien nicht dazu, dass für den Kläger eine wirksame Zusage auf ein Übergangsgeld erfolgt ist, die nach den für die Siemens AG geltenden Regelungen ein Eintrittsdatum bis spätestens 30.09.1983 vorausgesetzt hat. Das für den Kläger insoweit maßgebliche Eintrittsdatum bleibt der 17.11.1983. Lediglich für die Stichtage „Firmenzugehörigkeit“,“ Betriebliche Altersversorgung“, „Unverfallbarkeitsfrist (BetrAVG)/Versorgungszusage“ und „Unverfallbarkeitsfrist(BetrAVG)/Betriebszugehörigkeit“ konnte bei rechtzeitiger Antragstellung eine Anerkennung der Wehrdienstzeiten erfolgen. Da es vorliegend auf diese Stichtage nicht ankommt, kann dahinstehen, ob der Kläger mit seiner Email vom 23.08.2019 den Antrag noch rechtzeitig gestellt hat, oder ob dieser entsprechend dem Einwand der Beklagten nach der Dienstzeitrichtlinie verfristet war.
1.2 Auch aus §§ 12 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 2 ArbPlSchG in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf eine Übergangszahlung/-zuschuss der Siemens AG. Zwar werden nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz Zeiten des Wehrdienstes auf die Berufs- und Betriebszugehörigkeit angerechnet. Daraus ergibt sich aber kein Anspruch auf Anwendung von Bestimmungen, die nur für Personen gelten, die vor dem geschützten Arbeitnehmer eingestellt wurden. Das Arbeitsplatzschutzgesetz fingiert kein früheres als das tatsächliche Eintrittsdatum. Wird der persönliche Geltungsbereich verschiedener Versorgungsordnungen nach dem Einstellungsdatum abgegrenzt, ist auch für die nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz geschützten Arbeitnehmer das tatsächliche Einstellungsdatum maßgebend. Die Anrechnung der Wehrdienstzeiten wirkt sich nur insoweit aus, wie Rechte dem Grunde oder der Höhe nach von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängen (BAG 25.07.2006, 3 AZR 307/05).
Damit ist klar, Zeiten eines Wehrdienstes, die für die Berufs- und Betriebszugehörigkeit anzurechnen sind, nicht dazu führen, dass das Datum des letzten tatsächlichen Eintritts vorverlegt wird. Der Kläger hat entgegen seiner Meinung keinen Anspruch darauf, dass die Anrechnung von Wehrdienstzeiten auf die Berufs- und Betriebszugehörigkeit sich in allen Punkten so auswirkt, als ob er schon während der Wehrdienstzeit bei dem neuen Arbeitgeber beschäftigt worden wäre. Insbesondere gilt auch im Rahmen von Regelungen, die der betrieblichen Altersversorgung dienen, dass es keinen Anspruch auf die Anwendung betrieblicher Normen gibt, die nur für Arbeitnehmer gelten, die vor dem geschützten Arbeitnehmer eingestellt wurden (Boecken/Düwell/Diller/Hanau-Huke, Gesamtes Arbeitsrecht, § 12 ArbPlSchG, Rn 4). Gem. § 12 Abs. 1 Satz 3 beschränkt sich eine Anrechnung in einer betrieblichen oder überbetrieblichen Altersversorgung nach Satz 1 auf die Berücksichtigung bei den Unverfallbarkeitsfristen nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung.
2. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus der von ihm vorgelegten Anlage zum ZP-Rundschreiben Nr. 10/82 vom 23.12.1981 über eine Zusage für Mitarbeiter des Tarifkreises für einen Übergangszuschuss nach ihrer Pensionierung. Diese gilt ausdrücklich nur bei Pensionierung im „Tarifkreis“. Nachdem der Kläger unstreitig Mitarbeiter des ÜT-Kreises war (also Übertariflicher Mitarbeiter) gilt diese Vereinbarung nicht für ihn. Zudem kann die Frage dahinstehen, ob in dem Rundschreiben nur Bezug genommen wird auf eine bestehende Regelung mit dem GBR, wie dies die Arbeitgeberseite vorträgt, oder ob der Arbeitsgeber damit ggf. eine Gesamtzusage gemacht haben könnte. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen. Durch eine Gesamtzusage kommt also eine „Mehrheit gleichlautender Individualverträge“ zustande (ErfK-Preis BGB § 611a Rn. 218, m.w.N.). Hierfür braucht es ein Angebot und eine Annahme, die auch konkludent erfolgen kann. Eine Gesamtzusage kann sich folglich nur auf die Arbeitnehmer beziehen, die zum einem Zeitpunkt eingetreten sind, als ein entsprechendes Angebot noch bestand. Dies war ausweislich der Anlage zum ZP-Rundschreiben Nr. 29/8 vom 08.08.1983 für nach dem 30.09.1983 eingetretene Mitarbeiter der Siemens AG nicht der Fall. Die Beklagte hat darin klargestellt, dass es jedenfalls für die nach dem 30.09.1983 eingetretenen Mitarbeiter keine solche Zusage mehr gibt.
3. Die Anlage 4 der Dienstzeitrichtlinie enthält ein Antragsformular für die Dienstzeitfestsetzung und keine Anspruchsgrundlage. In Ziff. 6 findet sich zudem lediglich eine Formulierung, die darauf hinweist, dass auch bei Eintritt nach dem 30.09.1983 ein Anspruch auf Übergangszahlung erhalten bleibt bei nahtlosem Übertritt aus einer Siemens-Beteiligungsgesellschaft in die Siemens AG. Diese Regelung ist für den Kläger nicht einschlägig (s. oben Ziff. 1.1 der Begründung zu der entsprechenden Regelung in Ziff. 7.3 der Dienstzeitrichtlinie).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde zulassen sollte. Die Beklagte wird auf deren Möglichkeit und deren Voraussetzungen gem. § 72 a ArbGG hingewiesen.


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