Arbeitsrecht

Anspruch auf Sozialplanabfindung bei Veranlassung der Eigenkündigung durch den Arbeitgeber

Aktenzeichen  7 Sa 157/20

Datum:
27.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35603
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 111, § 112

 

Leitsatz

1. Scheiden anlässlich einer Betriebsänderung Arbeitnehmer durch Eigenkündigung aus dem Unternehmen aus, so sind sie wie die von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer abfindungsberechtigt, wenn die Eigenkündigung durch den Arbeitgeber veranlasst wurde. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der Eigenkündigung komme er einer sonst notwendig bevorstehenden betriebsbedingten Kündigung zuvor. (Rn. 39, 41 und 42)
2. Die Darlegungs- und Beweislast einer Veranlassung der Eigenkündigung im vorgenannten Sinn liegt beim Arbeitnehmer. (Rn. 38)

Verfahrensgang

17 Ca 737/19 2019-12-03 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 03.12.2019 – 17 Ca 737/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abfindung gegen die Beklagte nach Ziffer II. 1. der KBV vom 22.06.2018 oder nach Ziffer III. 1. a. Abs. 3, Satz 1 K-SP vom 26.06.2018.
Der Abfindungsanspruch nach Ziffer II. 1. der KBV vom 22.06.2018 setzt schon seiner Überschrift nach den Abschluss eines Aufhebungsvertrages voraus, der unstreitig nicht vorliegt. Der Abfindungsanspruch nach Ziffer III. 1. a. Abs. 3, Satz 1 K-SP vom 26.06.2018 setzt voraus, dass die Eigenkündigung im Hinblick auf die geplante Betriebsänderung von G… veranlasst wurde. Dies ist nicht der Fall.
Das Erstgericht ist insoweit mit zutreffender Begründung zum zutreffenden Ergebnis gelangt. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes und macht sich diese nach § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen führt das Gericht noch aus:
1. Nach Ziffer III. 1.a. Abs. 1 K-SP vom 26.06.2018 gilt, dass Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich dieses Sozialplanes fallen und in Umsetzung von Maßnahmen aus Accelerate! ab einschließlich dem 3. Teilinteressenausgleich eine betriebsbedingte (Änderungs-)Kündigung erhalten, einen betriebsbedingten Aufhebungsvertrag/3-Parteien-Vertrag abschließen oder deren befristetes Arbeitsverhältnis auf Grund von Maßnahmen im Rahmen von Accelerate! ab dem 3. Teilinteressenausgleich vorzeitig beendet wird, eine Abfindung erhalten.
Nach allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist es Sache des Klägers, die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches vorzutragen und im Falle des Bestreitens durch die Beklagte zu beweisen.
Hier hat der Kläger nichts dazu vorgetragen, dass sein Arbeitsplatz von einer Maßnahme betroffen war, die im 3. Teilinteressenausgleich oder einem nachfolgenden Interessenausgleich von den Betriebspartnern beschrieben wurde. Er leitet auch selbst seinen Anspruch auf Abfindung nicht aus Ziffer III. 1.a. Abs. 1 K-SP vom 26.06.2018 ab.
2. Nach Ziffer III. 1.a. Abs. 3 K-SP vom 26.06.2018 gilt, dass Arbeitnehmer ebenfalls eine Abfindung erhalten, die das Arbeitsverhältnis selbst kündigen oder nach dem 31.08.2017 gekündigt haben, sofern die Eigenkündigung des Arbeitnehmers im Hinblick auf die geplante Betriebsänderung von G… veranlasst wurde.
Nach allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist es auch hier Sache des Klägers, die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches vorzutragen und im Falle des Bestreitens durch die Beklagte zu beweisen.
Der Kläger hat nicht hinreichend konkret dazu vorgetragen, auf Grund welcher Darstellungen der Beklagten bei ihm die berechtigte Annahme hervorgerufen wurde, ihm drohe eine betriebsbedingte Kündigung. Dies ist Voraussetzung dafür, bei der Eigenkündigung des Klägers von einer Veranlassung derselben durch die Beklagte auszugehen.
Dabei kann für die Entscheidungsfindung dahingestellt bleiben, ob im Falle der Ziffer III. 1.a. Abs. 3 K-SP vom 26.06.2018 für die Frage der Veranlassung auf deren Definition in Ziffer III. 1.a. Abs. 3 Satz 2 und 3 K-SP vom 26.06.2018 abzustellen ist oder nicht.
Nach Ziffer III. 1.a. Abs. 3 Satz 2 und 3 K-SP vom 26.06.2018 ist die Eigenkündigung durch die Beklagte veranlasst, „wenn G… im Hinblick auf Accelerate! beim Arbeitnehmer die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, er komme mit der eigenen Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung von G… nur zuvor“.
Geht man nun mit dem Kläger davon aus, dass es für in der Vergangenheit vor Abschluss des K-SP vom 26.06.2018 liegende Eigenkündigungen nicht um diese Definition der Betriebspartner gehen könne, so wäre für die Veranlassung der Eigenkündigung auf die Definition der „Veranlassung“ des BAG abzustellen, zuletzt und in ständiger Rechtsprechung mit BAG, Urteil vom 15.05.2007 – 1 AZR 370/06 -, Rn. 15, zitiert nach juris: „Nach der ständigen Senatsrechtsprechung sind Arbeitnehmer, die auf Grund eines vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrags oder einer von ihm veranlassten Eigenkündigung ausscheiden, mit denjenigen gleich zu behandeln, deren Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird. Ursache für das Ausscheiden muss die vom Arbeitgeber vorgenommene Betriebsänderung sein. Dies ist sie auch dann, wenn der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers nur zuvor.“
Hier hat der Kläger nicht dazu vorgetragen, welche konkreten Maßnahmen im Rahmen der Umstrukturierungsmaßnahme „Accelerate!“ wann von welchen Führungskräften, leitenden Angestellten oder der Geschäftsführung allgemein oder nur dem Kläger konkret bekanntgegeben wurden, aus denen er den berechtigten Schluss hätte ziehen können, dass ihm eine betriebsbedingte Kündigung drohe. Im Town Hall Meeting vom 01.09.2017 wurde schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers keine Stilllegung des Standortes N…, keine Teilstilllegung des Standortes N…, keine Abwicklung der Division Shopper, keine Abwicklung der von ihm geleiteten Abteilung zu den generellen Studien für das Bank- und Versicherungsgewerbe oder auch nur die Streichung seines Arbeitsplatzes oder der Arbeitsplätze von Abteilungsleitern bekanntgegeben. Er trägt also selbst keine Tatsachen dazu vor, dass im Rahmen des Town Hall Meetings konkrete Tatsachen zur geplanten Umstrukturierung verkündet wurden, aus denen er hätte schließen können, sein Arbeitsplatz bei der Beklagten sei konkret von Wegfall bedroht.
Soweit in diesem Town Hall Meeting durch den Geschäftsführer gesagt wurde, „die Consumer Panels sind als Spielball zu sehen“, ergibt sich daraus nichts anderes. Die Verwendung dieses Wortes ist offensichtlich nicht wörtlich gemeint. Im übertragenen Sinn bezeichnet der „Spielball“ nach dem Duden eine Sache oder eine Person, die jemandem oder einer Sache machtlos ausgeliefert ist. Das Gericht kann nicht erkennen, dass in einer solchen Zustandsbeschreibung eine dem Kläger erkennbare Betriebsänderung liegen könnte, die mit dem konkreten Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers verbunden ist. Darin liegt allenfalls die Ankündigung unsicherer Zeiten nicht für das Unternehmen der Beklagten an sich, aber für die Abteilungen, die den Consumer Panels zuzuordnen sind. Abgesehen davon hat der Kläger nicht dazu vorgetragen, dass seine Abteilung und sein Arbeitsplatz den Consumer Panels zuzuordnen wäre.
Soweit der Geschäftsführer in dem Town Hall Meeting vom 01.09.2017 ferner auch eine Aussage gemacht hat, wie „wie Braut für einen potenziellen Verkauf hübsch machen“, erschließt sich dem Gericht auch hier nicht, wie der Kläger diese Äußerung in einen konkreten Zusammenhang stellen will mit einem konkret angekündigten Verlust seines Arbeitsplatzes.
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung dazu befragt, was in ihm die Entscheidung zur Eigenkündigung auslöste. Er hat dazu vorgetragen, dass es sich dabei um einen Prozess gehandelt habe. Er habe die wachsende Kluft gesehen zwischen dem, was im Betrieb gesagt worden sei, und dem, was tatsächlich gemacht worden wäre. Seine Vorgesetzte sei binnen sieben Tagen aus dem Betrieb entfernt worden. Sein neuer Vorgesetzter sei nicht mehr vor Ort gewesen, sondern in H…, und habe sich nur eine halbe Stunde für ein Vorstellungsgespräch mit ihm genommen. Ihm sei die Unterschriftsbefugnis genommen worden. Es seien Margen vorgegeben worden, die nicht erreichbar gewesen seien. Da habe er für sich die Notbremse gezogen.
Dieser Tatsachenvortrag – von der Beklagten bestritten, seitens des Gerichtes für die Entscheidungsfindung als wahr unterstellt – liefert ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, es sei eine Betriebsänderung seitens der Beklagten geplant, in deren Zuge der Arbeitsplatz des Klägers in Wegfall gerate. Er zeigt nur, wie Veränderungsprozesse im Unternehmen Unsicherheit bei den Mitarbeitern auslösen und bei dem einen oder anderen, der nicht Spielball oder Teil eines Spielballes im bereits ausgeführten Sinn sein möchte – wie beim Kläger -, zur Eigeninitiative führen.
Damit sind im Ergebnis keine Tatsachen seitens des Klägers vorgetragen, aus denen er in berechtigter Weise auf eine Betriebsänderung und eine damit in Zusammenhang stehende drohende betriebsbedingte Kündigung schließen durfte. Dies deckt sich auch mit dem weiteren Verlauf. Der Arbeitsplatz des Klägers wurde unstreitig nach seinem Ausscheiden neu besetzt. Die ganze früher vom Kläger geleitete Abteilung ging mit dem Verkauf an die Fa. I… GmbH im Wege des Betriebsüberganges auf diese Firma über.
Die Berufung des Klägers hat daher insgesamt keinen Erfolg.
III.
Der Kläger trägt die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Es besteht dafür kein gesetzlich begründeter Anlass nach § 72 Abs. 1 und 2 ArbGG.


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