Arbeitsrecht

Anspruch einer Polizistin auf Schichtzulage – Erfordernis des regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit

Aktenzeichen  3 ZB 19.521

Datum:
16.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9593
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayZulV aF § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4

 

Leitsatz

1. Nach der Legaldefinition in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayZulV a.F. ist Schichtdienst Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht. Dabei muss sich der Wechsel der täglichen Arbeit, um dem Erfordernis der Regelmäßigkeit zu genügen, kontinuierlich und nach erkennbaren Regeln wiederholen, wobei der Rhythmus dieses Wechsels unerheblich ist. Daran fehlt es, wenn  die Dienstpläne keinen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit vorsehen, sondern die Arbeitszeit  vielmehr unregelmäßig wechselt. (Rn. 3) (Rn. 12) (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bezieht sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf außer Kraft getretenes Recht (sog. ausgelaufenes Recht), kommt ihr trotz noch anhängiger Fälle keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO mehr zu. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 17.3173 2019-01-22 VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 22. Januar 2019 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 2.195,08 € festgesetzt.

Gründe

1. In der Sache geht es um die Frage, ob die Klägerin, eine Polizeihauptmeisterin im Dienst des Beklagten, Anspruch auf eine monatliche Schichtzulage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayZulV in der Fassung vom 16. November 2010 (GVBl. 747 – BayZulV a.F. -) für den Zeitraum vom 4. Februar 2013 bis 31. Dezember 2016 – BayZulV a.F. – hat. Die Bestimmung ist nach dem 31. Dezember 2016 ersatzlos weggefallen (vgl. Leihkauff in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Jan. 2020, Art. 55 BayBesG Rn. 32).
§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayZulV a.F. lautete wie folgt:
„Beamte und Beamtinnen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Grundgehaltssätzen erhalten eine monatliche Schichtzulage nach Maßgabe der Anlage 4, wenn sie ständig Schichtdienst zu leisten haben (Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht) und
a. der Schichtdienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 18 Stunden oder
b. der Schichtdienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden
geleistet wird.“
Das Verwaltungsgericht verneinte ausgehend von der in der Klammer enthaltenen Legaldefinition des Schichtdiensts einen Anspruch der Klägerin. Diese unterliege keinem „regelmäßigen“ Wechsel der täglichen Arbeitszeit, sondern verrichte einen sog. bedarfsorientierten mit einem Wechsel der täglichen Arbeitszeit einhergehenden Dienst.“
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
2. Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
a. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
(1) Die Klägerin definiert Schichtdienst als Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen oder unregelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht (Bl. 4 f. der Antragsbegründung). Es komme gerade nicht auf eine „Regelmäßigkeit“ des Dienstes des einzelnen Beamten an, weil unerheblich sei, in welchem Rhythmus Dienstschichten und Freizeiten aufeinander folgten (BVerwG, U.v. 21.3.1996 – 2 C 24.95 – juris Rn. 30). Der von den Beamten der Verfügungsgruppe PI 14 und damit auch von der Klägerin verrichtete Dienst erfülle entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Kriterien der bundesverwaltungsgerichtlichen Definition des Schichtdienstes. Es gebe ein gewisses Grundgerüst an immer wiederkehrenden Diensten in Form des Objektschutzes, verschiedenen Streifendiensten sowie bei der Begleitung von Veranstaltungen, das rund 2/3 der Dienstzeit umfasse. Demgegenüber stellten die bedarfsorientierten Dienstzeiten im Umfang von üblicherweise 1/3 der Dienstzeit die Ausnahme dar.
Damit legt die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dar, zumal sie ihren Ausführungen nicht die Legaldefinition des Schichtdienstes nach bayerischem Recht zugrunde legt. Die von der Klägerin zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung beansprucht zwar auch für die bayerische Rechtslage Geltung, da auch bei den der Entscheidung zugrunde liegenden bundesrechtlichen Bestimmungen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 EZulV) der regelmäßige Wechsel der täglichen Arbeitszeit Tatbestandsmerkmal ist. Die Aussage jedoch, es sei unerheblich, in welchem Rhythmus Dienstschichten und Freizeiten aufeinanderfolgten (BVerwG, U.v. 21.3.1996 a.a.O.), bezieht sich nicht auf die Regelmäßigkeit des Dienstes und damit auf das Tatbestandsmerkmal „regelmäßig“, sondern wie sich aus dem Kontext ergibt, auf den vorausgesetzten Wechsel der Arbeitszeit. Denn der von der Klägerin genannten Textstelle ist folgender Satz vorangestellt: „Ein in § 22 Abs. 1, Abs. 2 EZulV vorausgesetzter Wechsel der täglichen Arbeitszeit liegt dann vor, wenn der Anfangs- und/oder der Endzeitpunkt mehrerer Dienstschichten unterschiedlich festgelegt sind“. Der zitierten höchstrichterlichen Entscheidung lässt sich damit der Rechtssatz entnehmen, dass sich der Wechsel der täglichen Arbeit, um dem Erfordernis der Regelmäßigkeit zu genügen, kontinuierlich und nach erkennbaren Regeln wiederholen muss, wobei der Rhythmus dieses Wechsels unerheblich ist. Insoweit ist das Verwaltungsgericht zutreffend unter Hinweis auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2009 (OVG 4 B 11.98 – juris Rn. 24) davon ausgegangen, dass sich der Arbeitszeitwechsel nicht als ungeregelt, unregelmäßig oder willkürlich erweisen darf.
Die Dienstpläne, die in der Verfügungstruppe der PI 14 im streitigen Zeitraum erstellt wurden, erfüllen die Anforderungen eines regelmäßigen Dienstes nicht. Beispielhaft sei auf das Zeitkonto ZMS der Klägerin für Mai 2014 verwiesen. Danach leistete sie in diesem Monat wie folgt Dienst:
3. Mai
21:24 Uhr
6:15 Uhr
4. Mai
17:44 Uhr
4:06 Uhr
5. Mai
12:43 Uhr
22:32 Uhr
8. Mai
19:38 Uhr
3:35 Uhr
9. Mai
18:51 Uhr
4:42 Uhr
11. Mai
5:33 Uhr
15:10 Uhr
12. Mai
11:40 Uhr
20:05 Uhr
14. Mai
14:31 Uhr
0:11 Uhr
15. Mai
16:22 Uhr
3:58 Uhr
16. Mai
16:38 Uhr
4:01 Uhr
18. Mai
7:32 Uhr
16:47 Uhr
20. Mai
14:32 Uhr
0:08 Uhr
27. Mai
9:20 Uhr
16:38 Uhr
31. Mai
9:24 Uhr
21:10 Uhr
Daraus ist ohne weiteres ersichtlich, dass die Dienstpläne einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit nicht vorsahen, diese wechselte vielmehr unregelmäßig. Sie wurde in den Dienstplänen flexibel nach dem jeweiligen, sich ständig ändernden Bedarf und unter – möglichst weitgehender – Berücksichtigung der Einsatzwünsche der Beamten festgelegt, ohne sich nach bestimmten Regeln zu wiederholen oder einem gewissen Rhythmus zu folgen (vgl. insoweit die Zeugenaussage von Polizeikommissar a.D. L. in der mündlichen Verhandlung vom 22.1.2019, Bl. 3 ff. des Sitzungsprotokolls).
Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht, dass ein „gewisses Grundgerüst“ wiederkehrender Dienste bestand. Zum einen wurde dieses Grundgerüst je nach Umfang der ad hoc anfallenden Aufgaben nur eingeschränkt oder bisweilen gar nicht bedient (vgl. Bl. 5 des Sitzungsprotokolls), zum anderen machte das Grundgerüst der wiederkehrenden Dienste – anders als die Klägerin nunmehr behauptet – nur etwa 50 bis 60% ihrer täglichen Dienstzeit aus. Gegen die diesbezügliche Aussage von Polizeikommissar a.D. L. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin jedenfalls keine Einwände erhoben. Im Übrigen ist es unerheblich, ob ein Grundgerüst wiederkehrender Dienste bestand. Dieses Grundgerüst verhält sich zur Art des zu erledigenden Diensts, nicht aber auf die hier allein entscheidende Frage eines regelmäßigen Wechsels der Arbeitszeit. Im Übrigen wäre es nicht gerechtfertigt, eine Dienstschicht, die arbeitsrechtlich als Einheit betrachtet wird, besoldungsrechtlich in wiederkehrenden und bedarfsorientierten Dienst aufzuteilen (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.1996 – 2 C 24.95 – juris Rn. 30 zur Aufteilung von Volldienst und Bereitschaftsdienst).
(2) Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass es auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, ihr die begehrte Schichtzulage zu versagen. Damit legt sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dar. Denn sie stellt weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Dessen ungeachtet liegen keine Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, der bedarfsorientierte Dienst sei dem Schichtdienst in einer Weise angenähert, die eine (besoldungsrechtliche) Gleichbehandlung erforderte. Im Rahmen des – hier – dem Verordnungsgeber (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayBesG) zustehenden weiten Ermessens hat dieser zwischen Schichtdienst (Art. 12 BayZulV a.F.) und Dienst zu ungünstigen Zeiten (Art. 11 BayZulV) differenziert und damit den damit jeweils einhergehenden Beeinträchtigungen für die Beamtinnen und Beamten Rechnung getragen. Das Verwaltungsgericht hat auf die Möglichkeiten hingewiesen, dass die Klägerin, soweit sie einer höheren Belastung durch häufigere Nacht- oder Feiertagsdienste ausgesetzt ist, einen finanziellen Ausgleich in Form von Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten nach Art. 11 BayZulV verlangen kann. Hierzu verhält sich die Antragsbegründung nicht.
b. Die von der Klägerin als grundsätzlich bezeichnete Frage der Einordnung der von den Beamten einer Verfügungstruppe einer bayerischen Polizeiinspektion geleisteten Dienste als Schichtdienst lässt sich aufgrund der unter 2.a.(1) gemachten Ausführungen verneinen, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Da sich die Rechtsfrage auf außer Kraft getretenes Recht (sog. ausgelaufenes Recht) bezieht, kommt ihr trotz noch anhängiger Fälle ohnehin keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (Roth in BeckOK VwGO, Stand: Jan. 2020, § 124 Rn. 61).
c. Die Klägerin kann ihren Zulassungsantrag auch nicht auf § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) stützen. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Hierzu wäre auszuführen gewesen, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in welchem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Diesen Anforderungen wird der Hinweis, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung weiche „insbesondere im Hinblick auf die Auslegung der Begriffe ‚Schichtdienst‘ und ‚Regelmäßigkeit‘ (vgl. Gegenüberstellung des erstinstanzlichen Urteils mit dem Urteil des BVerwG vom 29.11.2012, Az. 2 C 44/11)“ ab, nicht gerecht.
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. der jeweils gültigen Fassung der Anlage 4 zur Verordnung über die Gewährung von Zulagen unter Zugrundelegung des Betrags für ständigen Schichtdienst nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BayZulV a.F.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO


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