Arbeitsrecht

Anspruch eines Beamten auf Widerruf und Unterlassung einer kritischen Äußerung eines Dienstvorgesetzten

Aktenzeichen  M 5 K 16.5853

Datum:
17.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 12902
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 45

 

Leitsatz

Einem Dienstvorgesetzten steht es frei, an seinen Beamten Kritik zu üben. Nicht jede Kritik ist als ehrenrührige Äußerung anzusehen. Hierfür ist das Hinzutreten weiterer Umstände erforderlich, die der Kritik darüber hinaus ein entsprechendes Gewicht einräumen und eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. (Rn. 13 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Soweit die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingestellt.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung des Beklagten zum Widerruf sowie künftiger Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung, da er durch diese nicht in seinen Rechten verletzt ist.
a) Das Klagebegehren ist auf die künftige Unterlassung sowie den Widerruf einer Äußerung gerichtet. Als rechtliche Grundlage hierfür kommt die dem Dienstherrn seinen Beamten gegenüber obliegende Fürsorgepflicht in Betracht.
Diese umfassende Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus § 45 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) zählt ebenso wie die umfassende Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (BVerwG, U.v. 22.5.1980 – 2 C 1.77 – RiA 1980, 237; U.v. 29.6.1995 – 2 C 10/93 – juris Rn. 22). Die Fürsorgepflicht ist unmittelbare und eigenständige Rechtsgrundlage für den Anspruch des Beamten auf Schutz seiner Persönlichkeitsrechte und umfasst auch die ausdrücklich in § 45 Satz 2 BeamtStG angesprochene Verpflichtung, den Beamten bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung zu schützen. Dies verbietet es dem Dienstherrn zum einen, den Beamten durch Kritik an seiner Amtsführung gegenüber Dritten (öffentlich) ohne rechtfertigenden sachlichen Grund bloßzustellen, gebietet es zum anderen aber auch, den Beamten gegen unberechtigte Vorwürfe in Schutz zu nehmen (vgl. BVerfG, B.v. 15.12.1976 – 2 BvR 841/73 – juris; BayVGH, B.v. 26.3.2013 – 3 CE 13.110 – juris Rn. 56; BayVGH, B.v. 22.2.2016 – 3 ZB 13.2134 – juris Rn. 8). Verwaltungsinterne Beanstandungen begründen keinen Abwehranspruch, wenn sie aus vertretbarem Anlass und in sachlicher Form ausgesprochen werden. Anders liegt der Fall nur, wenn es sich um eine ehrverletzende (unrichtige) Behauptung handelt (vgl. OVG Saarlouis, B.v. 29.3.2007 – 1 Q 46/06 – NVwZ-RR 2007, 544 – juris Rn. 15 ff. mit weiteren Nachweisen; a.A. wohl OVG Münster, B.v. 29.4.2008 – 6 A 930/06 – juris Rn. 3: verwaltungsinterne und nicht öffentliche Stellungnahme an die übergeordnete Behörde begründet keinen Abwehranspruch) oder der Beamte über Gebühr bloß gestellt wird (vgl. Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Auflage 2009, § 78 Rn. 14; VGH Kassel, B.v. 12.8.1988 – 1 TG 682/88 – NJW 1989, 1753 – juris Rn. 29: ehrenrühriger Inhalt bzw. „überschießende Beleidigungstendenz“). In diesem Fall hat der Beamte einen Anspruch auf Widerruf der ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen (vgl. Conrad in Weiß/Nieder-maier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Dezember 2017, § 45 BeamtStG Rn. 118).
b) Die streitgegenständliche Äußerung verletzt den Kläger nicht in seinem Persönlichkeitsrecht. Fraglich ist bereits, ob es sich bei dieser nicht um ein Werturteil handelt, dass einem objektiven Richtigkeitsbeweis schon nicht zugänglich ist. Denn die Aussage ist in nicht unerheblichem Maße von Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (BGH, U.v. 3.2.2009 – VI ZR 36/07 – juris Rn. 11) und bewegt sich im Grenzbereich zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil. Die Erste Bürgermeisterin hat dem Kläger nicht etwa abgesprochen, dass er überhaupt Leistungen erbringt, sondern unter dem Gesichtspunkt der „Verwertbarkeit“ ihre Meinung geäußert und die Leistungen des Klägers wertend beurteilt.
Selbst wenn jedoch von einer Tatsachenbehauptung auszugehen sein sollte, ist diese nicht als ehrverletzend zu bewerten. Zwar kann sie als kritische Äußerung hinsichtlich der dienstlichen Leistung des Klägers verstanden werden; einem Dienstvorgesetzten steht es jedoch frei, an seinen Beamten Kritik zu üben. Nicht jede Kritik – mag sie durch den betreffenden Beamten auch als unberechtigt empfunden werden – ist als ehrenrührige Äußerung anzusehen. Hierfür ist das Hinzutreten weiterer Umstände erforderlich, die der Kritik darüber hinaus ein entsprechendes Gewicht einräumen und eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Hierfür ist nichts ersichtlich. Insbesondere ist die Art und Weise der kritischen Äußerung nicht zu beanstanden. So erging die E-Mail der Ersten Bürgermeisterin des Beklagten nicht anlasslos, sondern in Reaktion auf eine vorangegangene E-Mail des Klägers, in der dieser die Bürgermeisterin direkt adressiert und auf deren Verhalten Bezug genommen hat. Dabei behielt sie den – ausschließlich behördeninternen – Adressaten-Verteiler bei, den der Kläger in seiner Nachricht ebenfalls verwendet hatte. Das ist nicht zu beanstanden, da die Erste Bürgermeisterin auf diese Weise die vom Kläger aufgeworfenen Fragen gegenüber demselben Adressatenkreis beantworten und Stellung nehmen konnte. Sie nahm hingegen nicht etwa eine bewusste Erweiterung des Adressatenkreises vor, um den Kläger bloßzustellen und die Kritik gegenüber weiteren, bis dahin unbeteiligten Personen zu verbreiten. Mit ihrer kritischen Äußerung griff sie zudem lediglich die vom Kläger zuvor selbst verwendete Formulierung auf, dass er „ohne Teilnahme an den wesentlichen Besprechungen […] ohnehin nur auf Anweisung und nicht selbständig tätig werden [könne]“. Hierdurch wird erkennbar, dass die Erste Bürgermeisterin das Vorbringen des Klägers in gewissem Maße bestätigt und sich zugleich kritisch zu dessen Leistungen geäußert hat. Das steht ihr als Dienstvorgesetzte frei. Die Grenze zu Schmähkritik ist hingegen hierdurch nicht überschritten.
Darüber hinaus besteht aus Sicht des Gerichts auch keine Wiederholungsgefahr. Die getätigte Äußerung war auf die Angelegenheit „L.“ bezogen und somit auf einen konkreten Vorgang. Es handelte sich gerade um keine allgemeine, auf die generellen Leistungen des Klägers bezogene Kritik. Allein die – zwischen den Beteiligten streitige – Tatsache, dass der Kläger in gewissem Umfang noch mit der Angelegenheit „L.“ befasst sein könnte, genügt nicht den Anforderungen, die an eine substantiierte Darlegung der Wiederholungsgefahr zu stellen sind (vgl. auch BayVGH, B.v. 30.6.2017, 3 CE 17.897 – juris Rn. 4).
3. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 161 Rn. 15 ff.), dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Denn es hätte an ihm gelegen, sich vor Klageerhebung durch eine Einsicht in die Personalakte Gewissheit zu verschaffen, dass die streitgegenständliche E-Mail hierin Eingang gefunden hat. Er durfte jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass ein solcher Vorgang – der keine förmliche Ermahnung darstellt und lediglich beiläufig im Rahmen einer E-Mail-Korrespondenz stattfand – von dem Beklagten zur Personalakte genommen wird.
Im Übrigen trägt der Kläger als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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