Arbeitsrecht

Anspruch Urlaubsabgeltung – Ausgleich bestehendes Zeitguthaben – beendetes Arbeitsverhältnis

Aktenzeichen  6 Ca 586/21

Datum:
21.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Erfurt 6. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:ARBGERF:2021:1021.6CA586.21.00
Normen:
§ 33 Abs 2 TV-L
§ 21 TzBfG
§ 15 Abs 2 TzBfG
§ 7 Abs 4 BUrlG
§ 611 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
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Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 618,48 € brutto als Ausgleich für ein bestehendes Zeitguthaben nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01.07.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreites werden der Klägerin zu 4/5 und dem Beklagten zu 1/5 auferlegt.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 4.020,12 €.
5. Soweit die Berufung nicht gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG zulässig ist, wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung für 33 Urlaubstage aus dem Jahr 2018 und Ausgleich eines bestehenden Zeitguthabens aus dem beendeten Arbeitsverhältnis.
Die am … .1961 geborene Klägerin war bei dem Beklagten als Angestellte in Teilzeit mit zuletzt 25 Stunden/Woche im Thüringer Landesamt für Finanzen beschäftigt. Ab Januar 2018 war die Klägerin mit einer kurzen Unterbrechung im Zeitraum vom 31.05.2018 bis 15.06.2018 arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 27.02.2020 wurde der Klägerin ab dem 01.07.2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt.
Bereits mit Schreiben vom 09.03.2020 (Bl. 7 der Akte) teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie den oben genannten Bescheid erhalten habe. Gleichzeitig beantragte sie die Zahlung der Urlaubsabgeltung für die Jahre 2018, 2019 und 2020 sowie den gültigen Zusatzurlaub für die Schwerbeschädigung.
Die Klägerin wies des Weiteren darauf hin, dass 6 Tage Zeitausgleich offen stehen würden, die ebenfalls abzugelten seien.
Mit Schreiben vom 19.03.2020, der Klägerin am 24.03.2020 zugegangen, teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass oben genannter Bescheid der Deutschen Rentenversicherung am 11.03.2020 eingegangen sei. Des Weiteren führt er aus:
„Im Falle der vollen Erwerbsminderung endet das Arbeitsverhältnis grundsätzlich mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird (vergl. § 33 Abs. 2 S. 1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)). Das Arbeitsverhältnis endet jedoch frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung (vergl. Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 23.06.2004, Az.: 7 AZR 440/03). Ihr Arbeitsverhältnis endet damit zwei Wochen nach dem Zugang dieses Schreibens bei ihnen.“ (vergl. Bl. 8 der Akte).
In einem weiteren Schreiben des Beklagten an die Klägerin vom 14.05.2020 (vergl. Bl. 10 bis 15 der Akte) wurde der Klägerin die genaue Berechnung ihres Urlaubsabgeltungsanspruchs dargelegt, wobei seitens des Beklagten darauf hingewiesen wurde, dass der Urlaubsanspruch für das Jahr 2018 „untergegangen“ sei und ein Ausgleich des bestehenden Zeitguthabens aufgrund fehlender Rechtsvorschriften abgelehnt würde.
Der Klägerin ist der Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2019 und 2020 – so wie von dem Beklagten berechnet – ausgezahlt worden.
Weitere Zahlungen sind an die Klägerin nicht erfolgt.
Die Klägerin vertritt die Rechtsauffassung, dass ihr Arbeitsverhältnis nach den tarifrechtlichen Vorschriften am 30.03.2020 beendet worden ist. Die Berechnungsweise des Beklagten, der den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses auf den 07.04.2020 festgelegt habe, sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht vertretbar. Die Klägerin selbst habe dem Beklagten die Übermittlung des Schreibens der Deutschen Rentenversicherung bereits mit Datum vom 09.03.2020 mitgeteilt, so dass es einer weiteren Benachrichtigung durch den Beklagten und einer damit einhergehenden anderweitigen Fristberechnung nicht bedurft hätte. Die seitens des Beklagten zitierten Urteile des Bundesarbeitsgerichtes seien unter Berücksichtigung der damaligen Sachverhalte in Bezug auf die Fristenregelung im Rahmen einer günstigen Auslegung für die jeweiligen Mitarbeiter erfolgt. Die ergangene Rechtsprechung sei nicht zum Nachteil der Klägerin auszulegen. Die durch das Bundesarbeitsgericht damit festgelegte Schutzfunktion der unterschiedlichen Fristenberechnung könne dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit einräumen, durch einseitige Bestimmung der Bekanntgabe des Rentenbescheides den Beendigungstermin des Arbeitsverhältnisses selbst zu bestimmen.
Dementsprechend sei der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2018 nicht mit Ablauf des 31.03.2020 rechtlich untergegangen.
Des Weiteren beruft sich die Klägerin auf die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes im Hinblick auf die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers im Hinblick auf die tatsächliche Realisierung des jährlichen Urlaubsanspruches. Das Bundesarbeitsgericht habe im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dem Arbeitgeber auferlegt, diesen auf die rechtzeitige Inanspruchnahme seines jährlichen Urlaubsanspruches hinzuweisen. Diese Verpflichtung bestünde auch im Falle einer langzeitigen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.
Im Hinblick auf das Arbeitszeitkonto und den geltend gemachten Zahlungsanspruch beruft sich die Klägerin darauf, dass tatsächlich noch 6 Arbeitsstunden als Guthaben für sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verzeichnet waren. Der Hinweis des Beklagten darauf, dass die einschlägige Dienstvereinbarung einen originären Auszahlungsanspruch des Guthabens nicht vorsehe, ändere nichts am tatsächlichen Stundenguthaben der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung für 33 Urlaubstage aus dem Jahr 2018 i.H.v. 3.401,64 € brutto sowie weitere 618,48 € brutto als Ausgleich für ein bestehendes Zeitguthaben nebst jeweils 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2020 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Hinblick auf den geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch vertritt der Beklagte die Rechtsauffassung, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Fristenregelung im Hinblick auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Eintritt der vollen Erwerbsminderung Rechnung zu tragen sei. Dementsprechend (vergl. u.a. Urteil des BAG vom 23.06.2004, Az.: 7 AZR 440/03) sei der Hinweispflicht des Arbeitgebers auf die Übermittlung des Rentenbescheides zu folgen, wonach das Arbeitsverhältnis erst zwei Wochen nach Zugang des Hinweisschreibens des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer eintreten würde.
Eine Verletzung der Obliegenheitspflicht des Beklagten im Hinblick auf die ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, Hinweise auf die tatsächliche Realisierung des jährlichen Urlaubsanspruches zu erteilen, sei im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Die vom Bundesarbeitsgericht aufgezeigte Verpflichtung sei in denjenigen Fällen obsolet, in denen der Arbeitnehmer aufgrund fortdauernder Erkrankung tatsächlich nicht in der Lage sei seinen Urlaub tatsächlich anzutreten. Die mangelnde Aufklärung bzw. die fehlende arbeitgeberseitige Aufforderung sei in diesen Fällen nicht ursächlich für die „Nicht-Inanspruchnahme“ des Urlaubs, sondern einzig und allein die lang andauernde Arbeitsunfähigkeit.
Ein Rechtsanspruch der Klägerin für die Abgeltung des Arbeitszeitguthabens sei nicht ersichtlich. Die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Dienstvereinbarung vom 15.05.2018 (vergl. Bl. 30-34 der Akte) sehe keinen Anspruch auf Abgeltung im Zusammenhang mit dem bestehenden Arbeitszeitguthaben vor. Dort sei lediglich ein Abbau des Arbeitszeitguthabens in gewissen Fristen vorgesehen. Die tatsächliche Auszahlung des Arbeitszeitguthabens sei in der Dienstvereinbarung nicht vorgesehen.
Im Übrigen wird verwiesen auf die gegenseitigen Schriftsätze der Parteien die Protokolle der mündlichen Verhandlungen

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur im Hinblick auf die Auszahlung des Arbeitszeitguthabens begründet.
Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Kalenderjahr 2018 in der geltend gemachten Höhe für 33 Urlaubstage steht der Klägerin nicht zur Seite.
Der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2018 ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes für die Fälle einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit am 31.03.2020 rechtlich untergegangen.
Im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sieht die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes vor, dass in den Fällen langandauernder Arbeitsunfähigkeit der kalenderjährliche Urlaubsanspruch über den 31.12. des Kalenderjahres hinaus für weitere 15 Monate fortbesteht ( vgl. u.a. BAG Urteil vom 08.07.2012, 9 AZR 353/10).
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endet – ebenfalls unter Berücksichtigung neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes – am 07.04.2020.
Für die Fälle des Eintritts der vollen Erwerbsminderung eines Arbeitnehmers des öffentlichen Dienstes sieht – hier einschlägig – § 33 Abs. 2 TV-L folgendes vor:
„Das Arbeitsverhältnis endet ferner mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Die/Der Beschäftigte hat den Arbeitgeber von der Zustellung des Rentenbescheides unverzüglich zu unterrichten. Beginnt die Rente erst nach der Zustellung des Rentenbescheids, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangegangenen Tages.“
Das Bundesarbeitsgericht hat insbesondere in seinem Urteil vom 14.01.2015 (7 AZR 880/13) für gleichlautenden § 33 Abs. 2 TVöD festgestellt, dass die durch diese Tarifvorschrift angeordnete Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer durch einen Sachgrund im Sinne der §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt sei (vergl. BAG a.a.O. A, Rn. 25).
Unter Berücksichtigung von § 21 TzBfG ist bei Eintritt auflösender Bedingungen bei Arbeitsverträgen u.a. § 15 Abs. 2 TzBfG zu beachten. Danach endet ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.
Das Bundesarbeitsgericht hat dem oben zitierten Urteil deshalb folgendes ausgeführt:
„§ 33 Abs. 2 S. 3 TVöD sieht zwar vor, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangegangenen Tages endet, wenn die Rente – wie hier – erst nach der Zustellung des Rentenbescheids beginnt. Davon ist die Beklagte in ihrer Mitteilung vom 31.05.2012 ausgegangen. Nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG endet das Arbeitsverhältnis jedoch frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Beendigungseintritts. Tritt die Beendigung vor dem Ende dieses Zweiwochenzeitraums ein, endet das Arbeitsverhältnis deshalb erst mit Ablauf der Zweiwochenfrist. Das Arbeitsverhältnis wird bis dahin fortgesetzt, ohne dass ein Fall der §§ 21, 15 Abs. 5 TzBfG gegeben wäre (vergl. BAG, a.a.O., Rn. 60).
Der erkennende Senat des Bundesarbeitsgerichtes folgt insoweit u. a. der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, wie sie bereits im Urteil vom 23.06.2004, Az.: 7 AZR 440/03 zum Ausdruck gebracht wurde.
Insoweit führte das Bundesarbeitsgericht bereits zum damaligen Zeitpunkt wie folgt aus:
„Nach § 59 Abs. 1 S. 1 BAT endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers zugestellt wurde. Das wäre der Dezember 2001. Für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung galt zu dieser Zeit allerdings § 15 Abs. 2 TzBfG entsprechend, § 21 TzBfG. Danach endet das Arbeitsverhältnis mit Eintritt der auflösenden Bedingung, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung. …
Damit gehen sie (die Tarifvertragsparteien; Anm. d. Red.) seither für auf Gründen in der Person des Angestellten beruhende auflösende Bedingungen, wie bei § 59 BAT, von der Geltung des §§ 15 Abs. 2 TzBfG aus. Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des TzBfG bis zur Reaktion der Tarifvertragsparteien auf die geänderte Gesetzeslage durch Ergänzung der Protokollnotizen ist § 59 Abs. 1 BAT ergänzend gesetzeskonform dahin auszulegen, dass nicht der Zustellungsbescheid im Dezember 2001, sondern erst ein darauf bezugnehmendes Schreiben des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Auslauffrist beenden soll (vergl. BAG a.a.O.; Rn. 36).
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes orientiert sich im Gesamtergebnis an der tarifrechtlichen Vorschrift des §§ 33 Abs. 2 TV-L, jedoch gesetzeskonform unter Berücksichtigung der rechtlich geregelten Voraussetzungen eines auflösend bedingten Arbeitsverhältnisses nach den Vorschriften des Teilzeitbefristungsgesetzes. Damit ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes keinesfalls nur so – wie die Klägerin meint – im Sinne eines Günstigkeitsprinzips für den Arbeitnehmer auszulegen, sondern gilt grundsätzlich für alle Fälle der rechtlich geregelten Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Eintritt der vollen Erwerbsminderung.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes im Hinblick auf die Hinweispflichten des Arbeitgebers zur tatsächlichen Realisierung des jährlichen Urlaubsanspruches an den Arbeitnehmer ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.
Das Bundesarbeitsgericht hat u. a. in seinem Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 423/16 folgendes festgestellt:
1. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) erlischt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88-EG-konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
2. Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber seinen aus einem rechtslinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG resultierenden Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs genügt (Rn. 21), indem er den Arbeitnehmer -erforderlichenfalls förmlich – auffordert, seinen Urlaub zu nehmen und dem klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt. (Rn. 39).
Das Bundesarbeitsgericht hat somit infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dem Arbeitnehmer in einem bestehenden Arbeitsverhältnis die Obliegenheitspflicht auferlegt, diesen auf die tatsächliche Realisierung seines jährlichen Urlaubsanspruches vor dem gesetzlich geregelten Verfall auferlegt.
Die Rechtsfolge des „rechtlichen Untergangs“ des jährlichen Urlaubsanspruches ist nach den Formulierungen des oben genannten Urteils dann festzustellen, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub „dennoch“ aus freien Stücken nicht genommen hat.
Demnach ist auch für das Bundesarbeitsgericht grundsätzliche Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer sein Urlaubsanspruch tatsächlich im vorgesehenen Zeitraum realisieren kann. Dies ist jedoch im Fall einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht der Fall. In einem solchen Fall besteht die Obliegenheitspflicht des Arbeitgebers nicht in dem vom Bundesarbeitsgericht Gericht angenommenen Umfang.
Die Hinweisverpflichtung des Arbeitgebers stellt für den Fall der lang andauernden Erkrankung eines Arbeitnehmers zwangsläufig eine reine Formalität dar, da der Arbeitnehmer selbst seinen Urlaubsanspruch gar nicht realisieren kann. Der Hinweis des Arbeitgebers diesbezüglich läuft völlig ins Leere. Der betroffene Arbeitnehmer wird durch einen solchen Hinweis des Arbeitgebers lediglich dazu aufgefordert, sich zu erklären, weshalb er den Urlaubsanspruch nicht realisieren kann.
Das erkennende Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg im Urteil vom 17.11.2020, Az. 8 Sa 182/20.
Das Urteil lautet auszugsweise:
„1. Dass die beklagte Arbeitgeberin im vorliegenden Fall nicht dafür Sorge getragen hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem sie ihn, erforderlichenfalls förmlich aufgefordert hat, dies zu tun, und ihm klar und rechtzeitig mitgeteilt hat, dass der Urlaub wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraumes oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird, hindert nach Auffassung der Kammer jedoch nicht den Verfall des Urlaubsanspruchs des langandauernd arbeitsunfähigen Arbeitnehmers zum 31. März des zweiten Folgejahres (Rn. 35).
2. Eine Belehrungspflicht des Arbeitgebers dahingehend, dass Urlaubsansprüche bei nicht Inanspruchnahme bis zum 31.12. des Kalenderjahres oder bis zum 31.03. des Folgejahres im Fall der Übertragung erlöschen, besteht nach einem langfristig erkrankten Arbeitnehmer nicht; diese Pflicht besteht erst wieder nach (nachgewiesener) Wiedergenesung bezogen auf die konkreten Ansprüche des Arbeitnehmers.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg nimmt insoweit auch Bezug auf das Urteil des LAG Hamm vom 24.07.2019 (Az. 5 Sa 576/19 juris im Leitsatz).
Der Beklagte war jedoch zu verurteilen, an die Klägerin sechs Arbeitstage aus dem bestehenden Arbeitszeitkonto i.H.v. 618,48 € brutto zu zahlen.
Unstreitig war das Guthaben von sechs Arbeitstagen für die Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verzeichnen.
Diese Arbeitszeit ist seitens der Klägerin tatsächlich geleistet worden. Gemäß § 611 Abs. 1 BGB ist deshalb der Beklagte verpflichtet, für diese erbrachte Arbeitsleistung die vereinbarte Vergütung zu gewähren.
Der Beklagte kann sich im Ergebnis der Gesamtbetrachtung nicht auf die Regelungen der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Dienstvereinbarung vom 15.05.2018 berufen. § 8 der Dienstvereinbarung enthält zwar lediglich Regelungen für den Ausgleich von Arbeitszeitschulden oder Arbeitszeitguthaben. Eine Regelung zur Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens sind dort nicht enthalten. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Eintritt der vollen Erwerbsminderung der Klägerin war den Parteien der Ausgleich des Arbeitszeitguthabens nach den Vorschriften der Dienstvereinbarungen tatsächlich nicht möglich.
Aufgrund fehlender anderweitiger arbeitsvertraglicher Regelungen besteht deshalb die gesetzliche Zahlungsverpflichtung des Beklagten
Der ausgeurteilten Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kosten des Rechtsstreites waren gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen je nach Obsiegen im Rechtsstreit.
Der Wert des Streitgegenstandes war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und richtet sich nach den bezifferten Klageforderungen.
Gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG hat das Arbeitsgericht im Urteilstenor über die Zulassung der Berufung zu befinden. Nach den ausgeurteilten Betrag ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG unzweifelhaft die Berufung statthaft. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass nur bezüglich eines Teils Berufung eingelegt werden soll. Dann wäre die Zulässigkeit der Berufung von der Beschwer abhängig. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.


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