Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag, Arbeitnehmer, Tarifvertrag, Versetzung, Leistungen, Ermessensentscheidung, Italien, Berufung, Direktionsrecht, Wirksamkeit, Arbeitgeber, Arbeitsbedingungen, Sozialauswahl, Ausland, tarifliche Regelung, deutsches Recht, Zeitpunkt des Vertragsschlusses

Aktenzeichen  4 Sa 44/21

Datum:
31.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52593
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305 ff.
GewO § 106

 

Leitsatz

1. Wird im Arbeitsvertrag eines Piloten mit einer international agierenden Fluggesellschaft kein konkreter Arbeitsort festgelegt und eine unternehmensweite Versetzbarkeit vereinbart, so kann der Pilot auch im Wege des Direktionsrechtes an eine ausländische “Basis” versetzt werden.
2. Diese Vereinbarung verstößt nicht gegen §§ 305 ff. BGB.

Verfahrensgang

7 Ca 796/20 2020-11-16 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 16.11.2020 – Az. 7 Ca 796/20 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 b) und c) ArbGG und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG; 519, 520 ZPO.
Die Berufung wendet sich ausweislich der gestellten Anträge nicht mehr gegen die Abweisung des Klageantrages zu 4., so dass diese sich insoweit auch nicht als unzulässig erweist.
B.
Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Versetzung des Klägers nach Bergamo für wirksam erachtet. Eine Überprüfung der hilfsweise geltend gemachten Feststellung der Unwirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung war nicht veranlasst. Gleiches gilt für die hilfsweise beantragte Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen.
I. Die internationale Zuständigkeit ist – was auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird – nach Art. 21 Nr. 2 lit. a EUGVVO gegeben, da der Kläger seine Arbeit zuletzt gewöhnlich von der Base in Nürnberg aus verrichtet hat (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl. 2020, Art. 21 EuGVVO, Rdnr. 6; zur Bedeutung des Begriffs der Heimatbasis als wichtigem Indiz für den Begriff des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet vgl. BAG v. 07.05.2020, Az. 2 AZR 692/19).
II. Die Versetzung des Klägers nach Bergamo ist nach Ansicht des Berufungsgerichts vom Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 GewO in Verbindung mit dem TVSP gedeckt. Die Frage, ob die Versetzungsklausel in Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages vom 23.03.2018 wirksam ist oder nicht, ist nach Auffassung des Berufungsgerichtes nicht entscheidungserheblich. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit den sorgfältigen und weitgehend zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts sowie nach eigener Prüfung der Berufungsbegründung den zutreffenden rechtlichen Ausführungen des LAG Nürnberg vom 12.05.2021, Az. 2 Sa 29/21 bzw. des LAG Nürnberg vom 23.04.2021, Az. 8 Sa 450/20, an.
1. Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung von Nürnberg nach Bergamo ist nach deutschem Recht zu überprüfen. Dies gilt trotz der Vereinbarung irischen Rechts in Ziffer 36.1 des Arbeitsvertrags vom 23.03.2018 sowohl für die Prüfung der Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag als auch für die Frage, ob die Versetzung billigem Ermessen im Sinne des § 106 Satz 1 GewO entspricht.
a. Nach Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO gilt grundsätzlich die freie Rechtswahl. Vorliegend haben die Vertragsparteien ausdrücklich eine Rechtswahl getroffen und die Anwendung irischen Rechts vereinbart. Die Rechtswahl ist im internationalen Arbeitsvertragsrecht jedoch in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt, d.h. unabhängig von einer Vereinbarung über das anzuwendende Recht setzen sich bestimmte zwingende Normen aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes durch. Zunächst folgt aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO, dass durch die Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht der Schutz der zwingenden Normen des Rechts entzogen werden darf, welches bei objektiver Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 Rom-I-VO anzuwenden wäre. Bei objektiver Anknüpfung käme deutsches Recht zur Anwendung, da der Kläger an der Base in Nürnberg stationiert war und daher die Arbeit gewöhnlich von Deutschland aus verrichtet hat, Art. 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. Rom-I-VO (vgl. EuGH v. 14.09.2017, Az. C-168/16 und C-169/16; BAG v. 07.05.2020, a.a.O.). Zwingende Vorschriften in diesem Sinne sind Normen, die dem Schutz der Beschäftigten dienen und vertraglich nicht abdingbar sind, z.B. §§ 1 bis 14 KSchG sowie §§ 305 ff BGB (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Schlachter, 21. Aufl. 2021, Art. 9 Rom I-VO, Rdnr. 19). Hierzu zählen auch Tarifnormen, sofern sie für das Arbeitsverhältnis konkret gelten, § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 TVG (vgl. BAG v. 09.07.2003, Az. 10 AZR 593/02; ErfK/Schlachter, a.a.O., Art. 9 Rom I-VO, Rdnr. 19). Anzuwenden ist die für den Arbeitnehmer günstigere Norm, wobei für den Günstigkeitsvergleich zusammengehörige Regelungskomplexe als sog. Sachgruppenvergleich zu vergleichen sind (vgl. Preis/Temming, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, § 220, Entsendung, Rdnr. 9; m.w.N.).
b. Der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung geltende VTV sieht ausdrücklich vor, dass rückwirkend ab 01.02.2019 für alle an deutschen Basen stationierten Piloten deutsches Recht zur Anwendung kommt.
aa. Eine solche Vereinbarung des Arbeitsvertrags-Statuts durch einen Tarifvertrag ist zulässig. Die Notwendigkeit des tariflichen Schutzes kann bei grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten nicht geringer eingeschätzt werden als bei rein nationalen Sachverhalten. Die anwendbare Rechtsordnung kann die Arbeitsverhältnisse in so erheblichem Ausmaß gestalten, dass sie als tariflich regelbare Arbeitsbedingung einzuordnen ist (vgl. ErfK/Schlachter, a.a.O., Art. 9 Rom I-VO, Rdnr. 7; Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht/Krebber, 3. Aufl. 2020, Art. 8 VO 593/2007/EG, Rdnr. 9; m.w.N.). Weitere Voraussetzung ist, dass der entsprechende Tarifvertrag das in Frage stehende Arbeitsverhältnis rechtlich erfasst und gestaltet. Dies ist bei Tarifgebundenheit nach §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 2 TVG der Fall (vgl. EuArbRK/Krebber, a.a.O., Art. 8 VO 593/2007/EG, Rdnr. 9; m.w.N.). Im vorliegenden Fall liegt beiderseitige Tarifgebundenheit vor. Der Kläger ist Mitglied der tarifschließenden Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit e.V.. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und diese selbst sind als tarifschließende Arbeitgeber Tarifpartei. Das Arbeitsverhältnis hätte ohne die im Arbeitsvertrag getroffene Rechtswahl deutschem Arbeitsrecht unterlegen. Die Parteien haben Nürnberg als Homebase des Klägers vereinbart. Aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich nicht, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat im Sinne von Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO hatte.
bb. Die Rechtswahl kann jederzeit geändert werden, Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO. Dies haben die Tarifvertragsparteien für an den deutschen Basen stationierten Piloten getan, in dem sie deutsches Recht vereinbart haben. Hinzu kommt, dass die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin selbst Arbeitsvertrags- und Tarifvertragspartei sind. In einem solchen Fall wäre es ohnehin treuwidrig, sich weiterhin auf die Geltung irischen Rechts zu berufen.
2. Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel ergibt, dass diese auch Versetzungen ins Ausland erfasst.
a. Bei den Regelungen des Arbeitsvertrags vom 23.03.2018 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hierauf lässt bereits das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung schließen. Es handelt sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen. Jedenfalls ist der Arbeitsvertrag ein Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Dass der Kläger auf den Inhalt des Arbeitsvertrags Einfluss nehmen konnte, hat die Beklagte nicht behauptet.
b. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. z.B. BAG v. 26.11.2020, Az. 8 AZR 58/20; BAG v. 03.12.2019, Az. 9 AZR 44/19; m.w.N.).
aa. Der Arbeitsvertrag vom 23.03.2018 enthält nach seinem Wortlaut keine Festlegung des Arbeitsortes. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verhindert die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung. In einem solchen Fall ist eine örtliche Versetzung vertraglich nicht ausgeschlossen und grundsätzlich vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt. Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 Satz 1 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll (vgl. BAG v. 30.11.2016, Az. 10 AZR 11/16; m.w.N.). Das Recht der Beklagten bezüglich des Arbeitsortes ist nicht durch den Arbeitsvertrag dahingehend eingeengt, dass jedwede andere Zuweisung eines Arbeitsortes außerhalb Nürnbergs per se unwirksam wäre. Die Formulierung „will be located principally at Nuremberg Airport and at such other place or places as the Company reasonably requires for the proper fulfiment of your duties and responsibilities under the Agreement“ kann nach beiden Übersetzungen nicht anders verstanden werden, als dass der Stationierungsort Nürnberg gerade nicht vertraglich garantiert war. Sie zielt vielmehr gerade darauf ab, sich die durch § 106 Satz 1 GewO eingeräumte Befugnis „vorzubehalten“, den Kläger auch an eine andere Base versetzen zu können.
bb. Der Wortlaut der Versetzungsklausel enthält weder nach der Übersetzung des Klägers noch nach der der Beklagten eine örtliche Begrenzung auf Deutschland oder Europa. Sie ist auch nicht unter Berücksichtigung der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise entsprechend einschränkend auszulegen. Es handelt sich hier um einen Arbeitsvertrag mit fliegendem Personal einer irischen Fluggesellschaft. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Anwendung irischen Rechts vereinbart. Weiter ist vereinbart, dass sich bei einer Versetzung die Vergütung nach dem an der neuen Base geltenden Gehaltssystem richten soll. Auch dies ist – unabhängig von der Wirksamkeit einer solchen Klausel – ein deutlicher Hinweis, dass eine Versetzung auch an eine ausländische Base, grundsätzlich weltweit, vertraglich vorbehalten sein sollte.
3. Die das Ausland erfassende Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag verstößt nicht gegen zwingendes deutsches Arbeitnehmerschutzrecht.
a. Die Versetzungsklausel verstößt nicht gegen § 106 Satz 1 GewO.
aa. Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften etwas Anderes festgelegt ist.
bb. Es ist zwar umstritten, ob die Regelung des § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich auch eine Versetzung ins Ausland zulässt. So wird einerseits vertreten, dass die Befugnis zu einer Versetzung ins Ausland grundsätzlich direkt aus § 106 Satz 1 GewO folgt (vgl. ErfK/Preis, a.a.O., § 106 GewO, Rdnr. 18; m.w.N.). Nach anderer Ansicht ist eine Versetzung in einen ausländischen Betrieb allein auf der Grundlage von § 106 Satz 1 GewO in der Regel ausgeschlossen. Allerdings kann auch nach dieser Ansicht eine solche Möglichkeit vereinbart werden (vgl. Kreft in KR/Gemeinschafts-kommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 12. Aufl. 2019, § 2 KSchG, Rdnr. 66). Das Bundesarbeitsgericht hat festgehalten, dass es für die Möglichkeit der Versetzung (im entschiedenen Fall von Berlin nach Lyon wegen Betriebsverlagerung) auf die vertraglichen Vereinbarungen ankommt (vgl. BAG v. 20.04.1989, Az. 2 AZR 431/88). Der Meinungsstreit kann hier dahingestellt bleiben, da die Parteien im Arbeitsvertrag eine ins Ausland umfassende Versetzung vereinbart haben.
b. Die Versetzungsklausel ist nicht wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff BGB unwirksam.
aa. Die Versetzungsklausel ist nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie regelt eindeutig die Versetzungsmöglichkeit an eine andere Base und ist nicht auf Deutschland beschränkt.
bb. Die Versetzungsklausel hält auch der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 308, 309 BGB stand.
(1) Geht man davon aus, dass § 106 Satz 1 GewO ohnehin die örtliche Versetzung ins Ausland mitumfasst, weicht die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel im Ergebnis nicht von der gesetzlichen Regelung ab. Eine solche unechte Erweiterung des Direktionsrechts auf das ohnehin zulässige Maß als gesetzeswiederholende allgemeine Geschäftsbedingung ist gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB inhaltskontrollfrei (vgl. ErfK/Preis, a.a.O., § 106 GewO, Rdnrn. 17, 18; m.w.N.).
(2) Geht man davon aus, dass es sich bei der Versetzungsklausel um eine echte das Direktionsrecht erweiternde Klausel handelt, so unterliegt diese zwar der vollen Inhaltskontrolle der §§ 307 ff BGB, hält ihr jedoch stand.
(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, der Zweck und die besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (vgl. BAG v. 13.03.2007, Az. 9 AZR 433/06).
(b) Es kann dahinstehen, ob die Klausel, soweit sie regelt, dass die Vergütung nach dem am neuen Standort geltenden Gehalts- und Flugvergütungssystem erfolgt, einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff BGB, insbesondere § 308 Nr. 4 BGB, standhält.
Die mögliche Unwirksamkeit dieser Klausel nach deutschem Recht führt jedenfalls nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel. § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle gemäß § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-Pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sprachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind für sich jeweils verschiedene nur formal verbundene Vertragsbedingungen (vgl. BAG v. 13.04.2010, Az. 9 AZR 976/09).
Die Befugnis zur Versetzung und der Hinweis, dass im Falle der Versetzung/Übertragung/Transferierung an eine andere Base die Bezahlung nach dem dort geltenden Gehaltssystem erfolgen wird, sind inhaltlich abtrennbar, letzterer kann problemlos vollständig gestrichen werden. Die übrige Versetzungsklausel bleibt dennoch äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel, soweit sie das im Falle einer Versetzung geltende Vergütungssystem betrifft, berührt deshalb die verbleibende Regelung nicht.
(c) Die Versetzungsklausel benachteiligt den Kläger nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die gesetzliche Regelung des § 106 Satz 1 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind. So sind die Art des Arbeitsvertrages, der Status des Arbeitnehmers, der konkret vereinbarte Inhalt, die Vergütungsform und der zeitliche Umfang der geschuldeten Tätigkeit sowie die Dauer der Vertragsbeziehung jeweils für die Wirksamkeit der Vertragsklausel relevant. Festlegungen bezüglich der zulässigen Entfernung sowie von Ankündigungsfristen sind bei Versetzungsklauseln zwar wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die nach §§ 106 Satz 1 GewO; 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilligen Überforderungen geschützt (vgl. BAG v. 13.04.2010, a.a.O.; ErfK/Preis, a.a.O., §§ 305 – 310 BGB, Rdnr. 46; m.w.N.).
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsvertrag vom 23.03.2018 die Position eines First Officers bei einem ausländischen Luftverkehrsunternehmen umfasst, der Arbeitsvertrag seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht in Deutschland unterzeichnet und ausdrücklich die Anwendung irischen Rechts vereinbart worden ist. Dem Kläger musste aus den sich bei Vertragsabschluss ergebenden Umständen somit von Anfang an klar gewesen sein, dass sein Einsatz gerade nicht auf einen deutschen Stationierungsort begrenzt ist. Der Tätigkeit von Flugpersonal einer international tätigen Fluggesellschaft ist eine gewisse Volatilität bzw. Flexibilität immanent. Der Status des Klägers und die Art seines Arbeitsvertrages führen somit dazu, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Versetzungsmöglichkeit ins Ausland nicht unangemessen ist.
c. Auch die im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten stehen der Wirksamkeit der getroffenen vertraglichen Regelung nicht entgegen. Nach § 20 ArbZG i.V.m. Art. 1 i.V.m. Ziffer 3.1 des Anhangs III Abschnitt Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20.08.2008 (ABl. EU L 254 v. 20.09.2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine „Homebase“ anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber keine Verpflichtung, diese Base arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese „Homebase“ verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt (vgl. BAG v. 30.11.2016, a.a.O.; m.w.N.).
d. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel verstößt allerdings gegen die Regelungen im TVSP und ist, soweit sie die Versetzung über die EU-Länder einschließlich Großbritannien, Norwegen und die Schweiz hinaus ermöglicht, nicht anzuwenden. Die arbeitsvertragliche Regelung ist insoweit nicht günstiger als die tarifliche Regelung, § 4 Abs. 3 TVG.
aa. Auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt der TVSP für das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Der TVSP gilt nach dessen § 1 Ziffer 1 „(i) für alle dauerhaften (…) Stilllegungen und Einschränkungen (…) von Stationierungsorten in Deutschland und (ii) für alle Piloten mit einem Arbeitsvertrag mit R. (…) mit einer deutschen „Homebase“, die auf Grund einer dauerhaften Stilllegung/Einschränkung ihres Stationierungsortes in Deutschland für eine Versetzung/Kündigung ausgewählt werden können“. Der Kläger hatte seine „Homebase“ in Nürnberg, dieser Stationierungsort wurde stillgelegt. Damit ist der räumliche, sachliche und persönliche Anwendungsbereich des TVSP eröffnet.
bb. Der TVSP regelt im Einzelnen den Prozess der Personalreduzierung bei Stilllegungen von Stationierungsorten und lässt hierbei in § 3 Ziffer 2 Stufe 4 nur die Versetzung/Änderungskündigung innerhalb Europas einschließlich Großbritanniens, Norwegens und der Schweiz zu, also keine weltweite Versetzung. Eine Versetzung an einen außerhalb dieses Raums liegenden Ort ist nicht geregelt. Damit enthält der Arbeitsvertrag hinsichtlich des Regelungsbereichs des TVSP keine hiervon abweichenden günstigeren Regelungen. Die Regelungen des TVSP gehen daher als nicht ungünstigere Regelungen vor und sind anzuwenden, § 4 Abs. 3 TVG.
cc. Es liegt somit eine Einschränkung des vertraglichen Weisungsrechts vor und entgegen der Auffassung des Klägers gerade keine Erweiterung. Er trägt selbst vor, dass die Tarifvertragsparteien sich im Rahmen des arbeitsvertraglich vereinbarten Weisungsrechtes halten wollten und eine Versetzung nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen möglich sein sollte. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Für Arbeitsverträge, die hingegen eine Konkretisierung des Arbeitsortes und damit eine Einschränkung des Weisungsrechts beinhalten, wäre eine darüber hinausgehende Versetzung nur im Rahmen einer Änderungskündigung möglich. Diese Differenzierung erfolgt durch den TVSP. Insoweit wird in § 3 Ziffer 2 Stufe 4 TVSP auch ausdrücklich von einer Änderung des Stationierungsortes per „Versetzung oder Änderungskündigung“ gesprochen. Damit wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien von verschiedenen Fallkonstellationen ausgegangen sind, aber eben auch von der Möglichkeit einer vom Weisungsrecht gedeckten Versetzung. Dass die tarifschließende Gewerkschaft im Rahmen der Tarifverhandlungen insoweit die Rechtsauffassung gehabt hat, dass § 106 Satz 1 GewO bzw. die vertraglichen Regelungen ohne Ausnahme nur eine Inlandsversetzung zulassen würden und die Aufnahme der Formulierung „Versetzung oder Änderungskündigung“ aus dem Grund erfolgt sei, dass Versetzungen nur Stationen im Inland und Änderungskündigungen Stationierungsorte im Ausland umfassen, ist irrelevant. Der Kläger trägt selbst vor, dass diese Frage im Rahmen der Tarifverhandlungen kontrovers diskutiert wurde und somit beide Parteien das Risiko auf sich genommen haben, dass der Umfang des arbeitsvertraglichen Weisungsrechtes durch die Arbeitsgerichte anders beurteilt werden könnte.
4. Die Versetzung des Klägers nach Bergamo erfolgte im Rahmen der Regelungen des § 106 Satz 1 GewO i.V.m. § 3 TVSP und aufgrund einer nicht zu beanstandenden Ermessensentscheidung der Beklagten. Nach § 3 Ziffer 2 Stufe 4 des TVSP kann eine arbeitgeberseitige Änderung der Stationierungsorte bei Stilllegung oder Einschränkung von Stationierungsorten innerhalb Deutschlands oder an einem anderen Stationierungsort in EU-Länder einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz erfolgen. Einer Änderungskündigung bedurfte es nicht.
a. Die Versetzung ist nicht bereits deshalb unwirksam, weil nach § 3 Ziffer 4 TVSP Piloten, die an einen anderen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den Gehältern gemäß dem an dem neuen Stationierungsort geltenden Tarifvertrag, weiterbeschäftigt werden. Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser Regelung nicht die ihnen zustehende tarifliche Regelungsmacht überschritten.
aa. Es liegt keine Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften vor. Insoweit sollen wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages gerade nicht einer einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber unterliegen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde. Die Regelung in § 3 Ziffer 4 Satz 1 TVSP ist keine Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne des § 2 KSchG. Der Eingriff in das Gehaltsgefüge, das sich aufgrund eines automatischen Wegfalls der Geltung eines Tarifvertrages und der möglichen Anwendung eines anderen Tarifvertrages ergibt, erfolgt nicht aufgrund einer einseitigen Gestaltungserklärung des Arbeitgebers und lässt günstigere arbeitsvertragliche Regelungen unberührt, § 4 Abs. 3 TVG.
bb. Die Versetzung selbst greift auch nicht in die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung ein.
(1) Eine Erhöhung der mit der Berufsausübung verbundenen finanziellen Belastungen wie z.B. Fahrtkosten oder Übernachtungskosten betrifft nicht die vereinbarte Vergütung. Dies ist bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung des billigen Ermessens zu berücksichtigen (vgl. BAG v. 28.08.2013, Az. 10 AZR 569/12).
(2) Die Versetzung betrifft die Änderung des Stationierungsortes. Die Tätigkeit des Klägers bleibt unverändert. Es ist keine Änderung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung erfolgt, dies wäre nur über eine Änderungskündigung oder einvernehmlich möglich. Das zuletzt vom Kläger verdiente Bruttomonatsgehalt hat sich nicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern aus dem für das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend geltenden VTV ergeben. Dieser Tarifvertrag entfaltet aber nur Wirkung für die in seinen örtlichen Geltungsbereich fallenden Piloten und findet ab dem Zeitpunkt der Versetzung nach Bergamo, mithin ab 01.05.2020 bzw. ab 01.07.2020 keine Anwendung mehr. Eine dauerhafte Entsendung aus dem räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages führt regelmäßig zum Ende der Geltung des Tarifvertrages, es sei denn, arbeitsvertraglich ist etwas Anderes geregelt. Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Bei einer nicht nur vorübergehenden Entsendung tritt ein Statutenwechsel zum ausländischen Recht ein, es entfällt das TVG und die Geltungsgrundlage für einen deutschen Tarifvertrag (vgl. Löwisch/Rieble, TVG, 4. Aufl. 2017, § 4 Rdnrn. 204, 206; m.w.N.). Die Änderung des kollektiven Rechts aufgrund der Änderung des Arbeitsortes tritt automatisch ein, eine Änderungskündigung ist nicht erforderlich. Tarifverträge gelten – soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist – grundsätzlich nur für Arbeitnehmer, die unter deren Geltungsbereich fallen. Mit der dauerhaften Versetzung nach Italien gilt der VTV für den Kläger nicht mehr. Ob ein in Italien von den dort zuständigen Tarifvertragsparteien geschlossener Tarifvertrag automatisch für den Kläger Anwendung findet, ist dann zunächst wohl nach irischem Recht zu beurteilen, es sei denn, die Tarifvertragsparteien in Italien hätten insoweit ebenfalls eine Änderung des Arbeitsvertrags-Statuts vereinbart.
b. Die Versetzung hält auch der Ermessensausübungskontrolle nach §§ 106 Satz 1 GewO; 315 BGB stand.
aa. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können ihm mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 BGB insoweit allein die Prüfung, ob der Arbeitgeber die Grenzen seines Direktionsrechts beachtet hat. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat. So können bei der Zuweisung der Tätigkeit an einen anderen Ort andere Faktoren relevant sein als bei der Bestimmung der Höhe einer variablen Vergütung. Von maßgeblicher Bedeutung kann auch die Ursache für die Notwendigkeit der Leistungsbestimmung sein. Ob die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt wurden, kann nur durch Abwägung mit den dienstlichen Gründen des Arbeitgebers ermittelt werden, die zu der Ausübung des Direktionsrechts geführt haben. Die Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Arbeitnehmers anlässlich der Ausübung des Direktionsrechts kann eine personelle Auswahlentscheidung des Arbeitgebers erfordern, wenn mehrere Arbeitnehmer betroffen sind. Die Leistungsbestimmung ist dann gegenüber demjenigen Arbeitnehmer zu treffen, dessen Interessen weniger schutzwürdig sind. Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der getroffenen Ermessensausübung liegt beim Arbeitgeber. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Tarifvertrag eine Versetzung zulässt (vgl. BAG v. 10.07.2013, Az. 10 AZR 915/12).
bb. Die Beklagte hat bei ihrer Versetzungsentscheidung – wie das Arbeitsgericht völlig zutreffend ausführt – nach objektiver Betrachtung billiges Ermessen gewahrt. Die Versetzung entspricht auch der in § 3 TVSP geregelten Vorgehensweise bei Stilllegungen von Stationierungsorten. Der TVSP will im Rahmen von Stilllegungen von Stationierungsorten und sich hieraus ergebenden und absehbaren Personalüberhängen die Piloten vor notwendigen betriebsbedingten Beendigungskündigungen schützen, eine geordnete Stilllegung von Stationierungsorten ermöglichen, die den Interessen der Arbeitnehmer an einem höchstmöglichen Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse Rechnung trägt, indem zunächst Versetzungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden müssen.
(1) Anlass für die Versetzung war die unstreitige vollständige Stilllegung des Stationierungsortes in Nürnberg zum 29.03.2020 und damit ein Personalüberhang in Bezug auf die am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten.
(2) Der Pilotenüberhang konnte nicht über § 3 Ziffer 2 Stufe 1 TVSP abgebaut werden. Die Beklagte hat dargelegt, dass eine Änderung des Stationierungsortes zu von der IATA als dieselbe Stadt bedienend benannten Flughäfen oder eine Änderung des Stationierungsortes mit einer Fahrtzeit von weniger als 60 Minuten nicht möglich war, da es einen solchen Stationierungsort nicht gibt. Dies wurde vom Kläger auch bereits erstinstanzlich nicht bestritten.
(3) Der Kläger hat innerhalb der bis 31.12.2019 gesetzten Frist keine Präferenzen für einen anderen Standort angegeben. Insoweit hat die Beklagte auch unbestritten vorgetragen, dass in Deutschland keine freien Stellen vorhanden gewesen sind, womit § 3 Ziffer 2 Stufe 2 TVSP nicht zum Tragen gekommen ist. Unabhängig davon hat die Beklagte auch zum Sachvortrag des Klägers, wonach zwischen Ende Oktober und Anfang Dezember 2019 zwei Piloten nach dem Linetraining eingestellt worden seien, einer vermutlich an der Station in Köln, der andere in Frankfurt am Main sowie, dass Ende 2019 und Anfang 2020 Piloten aus England nach Frankfurt und Piloten aus Hamburg nach Berlin, Köln sowie Frankfurt versetzt worden seien, substantiiert Stellung genommen, was nicht mehr bestritten worden ist. Nach dem Vortrag der Beklagten gab es zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 25.11.2019, den Stationierungsort in Nürnberg zu schließen, keine freien Arbeitsplätze in Deutschland mehr. Ein Pilot sei als First Officer/Co-Pilot bereits am 10.06.2019 für den Stationierungsort Frankfurt eingestellt worden. Zwei Positionen für Co-Piloten an den Stationierungsorten Köln und Baden-Baden, die im November 2019 frei geworden sind, sind an zwei Piloten aus Hamburg vergeben worden. Bei den Versetzungen von Hamburg nach Berlin hat es sich nicht um freie Positionen in Berlin gehandelt, sondern anlässlich der Schließung des Hamburger Stationierungsortes haben Kapitäne aus Berlin angeboten, ihre Vollzeit zu reduzieren und sich den Arbeitsplatz im Rahmen eines Jobsharings mit einem der Hamburger Kapitäne zu teilen. Dies ist bereits vor der Versetzung der Nürnberger Piloten geschehen. Die Versetzung nach Frankfurt am Main ist zum 01.10.2019 und die Versetzung nach Frankfurt-Hahn mit Wirkung zum 01.12.2019 erfolgt, wobei diese bereits im Oktober 2019 ausgesprochen worden sind.
(4) Die Beklagte hat weiter ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Versetzung auch keine Möglichkeit zum Abschluss eines Arbeitsvertrages als mobiler Pilot gemäß § 3 Ziffer 2 Stufe 3 TVSP bestand, da der einzige Arbeitsplatz für einen mobilen Piloten an einen Kollegen vergeben worden ist, der nach § 5 TVSP sozial schutzwürdiger war. Dies wurde vom Kläger ebenfalls nicht mehr bestritten.
(5) Nach der Regelung in § 3 Ziffer 2 Stufe 4 TVSP war die Auswahl der Piloten, denen arbeitgeberseitig ein anderer Stationierungsort zugewiesen wird, gemäß § 6 TVSP vorzunehmen. Die Beklagte hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass keine freien Stellen in Deutschland mehr vorhanden gewesen sind. Eine Verletzung der tariflichen Bestimmungen ist deshalb nicht erkennbar. Die in § 3 Ziffer 2 Stufe 5 TVSP nach § 7 TVSP vorzunehmende Sozialauswahl ist nur für den Fall von Beendigungskündigungen vorgesehen und nicht bei Versetzungen vorzunehmen. Abgesehen davon sind alle Piloten des Nürnberger Stationierungsortes nach Italien versetzt worden, so dass auch unter diesen keine Auswahl getroffen werden konnte. Eine Auswahlentscheidung unter Abwägung der dienstlichen Belange der Beklagten und der persönlichen Umstände des Klägers war aufgrund der gleichen Ausgangslage für alle in Nürnberg stationierten Piloten damit nicht zu treffen.
cc. Die Ermessensentscheidung der Beklagten war somit weitgehend durch das im TVSP geregelte Stufenverfahren vorgegeben. Etwaige Motive oder Erwägungen der Beklagten, die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung von Standorten zu treffen, können dahinstehen. Die Organisationsentscheidung kann nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Die Tarifparteien haben die Interessen der von einem Umzug betroffenen Piloten in § 8 TVSP mit Umzugsleistungen von € 2.000,00, die sich bis maximal € 8.000,00 für unterhaltsberechtigte Personen steigern, sowie eine Woche bezahlte Freistellung berücksichtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass – nachdem in Deutschland keine freien Stellen vorhanden waren – ein weniger belastender, insbesondere näherliegender Stationierungsort als Bergamo zur Verfügung gestanden hätte. Die soziale Absicherung beim Wechsel des Arbeitsortes ins europäische Ausland richtet sich nach der VO (EG) 883/2004. Nach Art. 11 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 gilt die Tätigkeit eines Piloten in dem Mitgliedstaat ausgeübt, in dem sich die Heimatbasis im Sinne von Anhang III der VO (EWG) Nr. 3922/91 befindet, nach der Versetzung also Italien. Dass ein anderer Stationierungsort der Beklagten mit freien Stellen im Hinblick auf die soziale Absicherung weniger belastend gewesen wäre, ist weder behauptet noch ersichtlich. Die Versetzung ist auch mit einer Ankündigungsfrist erfolgt. Insbesondere aufgrund der Einhaltung des tariflich geregelten Stufenverfahrens ist die Versetzungsentscheidung damit sowohl unter Berücksichtigung der Interessen des Einzelfalles als auch unter Einbeziehung aller von der Stilllegung erfassten Arbeitnehmer nach billigem Ermessen im Sinne der §§ 106 Satz 1 GewO; 315 Abs. 1 BGB erfolgt.
III. Über den für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag auf Aufrechterhaltung des Teilversäumnisurteils vom 14.07.2020 hilfsweise gestellten Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der vorsorglichen Änderungskündigung sowie den hilfsweise gestellten Weiterbeschäftigungsantrag zu den bisherigen Vertragsbedingungen war aufgrund der Wirksamkeit der Versetzung nicht mehr zu entscheiden.
C.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
D.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.


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