Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag, Besoldungsgruppe, Widerruf, Vertragsschluss, Anfechtung, Arbeitsleistung, Genehmigung, Gesellschaft, Zustimmung, Landwirtschaft, Vertrag, Leistung, Rechtswirksamkeit, Beamtenbesoldung, kollusives Zusammenwirken, aufschiebenden Bedingung, Zeitpunkt des Vertragsschlusses

Aktenzeichen  2 Ca 10614/19

Datum:
6.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57765
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2019 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat und unbefristet fortbesteht.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 11.033,67 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Zwischen den Parteien ist rechtswirksam ein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden und dieser Arbeitsvertrag wurde nicht durch die Kündigung vom 24.09.2019 beendet. Er besteht damit fort.
Der Arbeitsvertrag vom 09.08.2018 ist wirksam.
Er ist nicht gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Insbesondere beinhaltet er kein wucherisches Rechtsgeschäft.
Insoweit kann dahinstehen, ob ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt.
Denn vorliegend ist schon keine verwerfliche Einstellung der Klägerin bei Vertragsschluss erkennbar. Dass die Klägerin als „Wucherer“ die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausgebeutet hätte, ist nicht ansatzweise erkennbar. Insbesondere handelt es sich beim unterzeichnenden Vertreter der Beklagten um den per erzbischöflichen Dekret eingesetzten Verwalter des Klosters, einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Auch wurde der Vertrag am selben Tag des Vertragsschlusses vom stellvertretenden erzbischöflichen Finanzdirektor und vom Hauptabteilungsleiter Stiftungsaufsicht genehmigt, auf die die zitierten Attribute wohl sicherlich nicht zutreffen.
Im Übrigen ist nach Auffassung der Kammer ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Arbeitsleistung der Klägerin und der vertraglich vereinbarten Gegenleistung. Im Hinblick auf die Gesamtumstände des Falles nicht erkennbar. Denn die Klägerin sollte nach dem Wunsch der Beklagten entweder in einen anderen Orden übertreten oder eben aus dem Orden ganz austreten, was der Klägerin ganz erhebliche soziale Nachteile erbringt, die durch die arbeitsvertraglich vereinbarten Gegenleistungen ausgeglichen werden sollten.
Sonst wäre auch gar nicht verständlich, warum ein Arbeitsvertrag mit diesem Inhalt geschlossen worden ist, noch dazu mit kirchenaufsichtlicher Genehmigung.
Sittenwidrigkeit ergibt sich auch nicht aufgrund des behaupteten kolllusiven Zusammenwirkens zwischen der Klägerin und dem Verwalter zum Nachteil der Beklagten. Ein kolllusiven Zusammenwirken ist nicht feststellbar. Denn zu Zeitpunkt des Vertragsschlusses sollte das Kloster nach dem Beschluss des Vatikans aufgelöst werden, so dass zuvor der kanonische Status der Schwestern geklärt werden musste. Im Übrigen wird nochmals auf die kirchenaufsichtliche Genehmigung der Erzdiözese verwiesen. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass die Unterzeichner dieser Genehmigung kollusiv zu Lasten der Beklagten zusammengearbeitet hätten.
Es fehlt auch die erforderliche kirchenrechtliche Zustimmung nicht. Denn gemäß dem Dekret des Erzbischofs von D-Stadt und F-Stadt vom 18. Januar 2018 wurde eine geforderte Erlaubnis für außergewöhnliche Ausgaben an die erzbischöfliche Finanzkammer übertragen, wobei dort im Übrigen von schriftlicher Genehmigung die Rede ist. Diese Genehmigung wurde am Tag des Abschlusses des Arbeitsvertrages auch erteilt. Unerheblich ist, ob die Genehmigung der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens für Mietverträge, die einen Zeitraum von mehr als neun Jahren andauern, erforderlich wäre. Den dann wäre lediglich die Überlassung der Dienstwohnung unwirksam, jedoch nicht der Arbeitsvertrag an sich.
Im Übrigen könnte sich die Beklagte aber auch nicht auf eine diesbezügliche Formunwirksamkeit berufen, denn das Kirchenrecht scheint hier doch sehr undurchsichtig zu sein, was sich auch darin zeigt, dass die Beklagte zu Genehmigungs- und Zustimmungspflichten nur scheibchenweise vorträgt.
Der Arbeitsvertrag ist auch nicht aufgrund des in der Kündigung erklärten Rücktritts, Anfechtung oder Widerruf unwirksam, weil im Vertrag diese Möglichkeit nicht vorgesehen und im Übrigen arbeitsrechtlich nicht möglich ist.
Auch die erklärte Anfechtung führt nicht zu einer Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages. Denn weder sind Anfechtungsgründe gemäß § 119 oder § 123 BGB ersichtlich, noch wäre überhaupt die einjährige Anfechtungsfrist des § 124 BGB eingehalten.
Die außerordentliche Kündigung vom 24.09.2019 ist schon gemäß § 174 BGB unwirksam.
Gemäß § 174 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
Bei der Kündigung handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft.
Bei der die Kündigung aussprechenden apostolischen Kommissarin B. handelt es sich nicht um eine gesetzliche Vertreterin der Beklagten, auf die § 174 BGB nicht anzuwenden wäre, sondern um eine Bevollmächtigte als rechtsgeschäftliche Vertreterin.
Ausweislich der Vorbemerkungen zu den Konstitutionen für die Schwestern des regulierten III. Ordens des Heiligen F. auf dem R. und in der Filiale S. wird die Ordensgemeinschaft durch die Oberin von R. vertreten. Diese ist damit gesetzliche Vertreterin des Ordens.
Schwester B. wurde gemäß dem Dekret der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens aus dem Vatikan vom 18. Oktober 2018 zwar als apostolische Kommissarin des Klosters eingesetzt. Sie ist damit jedoch nicht gesetzliche Vertreterin des Klosters geworden.
Gemäß dem Dekret hat die apostolische Kommissarin die Aufgabe, die Gemeinschaft zu leiten und in Übereinstimmung mit der Instruktion einer dauerhaften Regelung zuzuführen. Gemäß dem Dekret hat sie daher die Kompetenzen der Oberin und des Rates des Klosters. Dies bedeutet, dass sie nicht die Oberin des Klosters ist, sondern eben apostolische Kommissarin mit den Kompetenzen der Oberin.
In dem Dekret erhält die apostolische Kommissarin darüber hinaus die Befugnisse des gesetzlichen Vertreters des Klosters, um zivile Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Kloster zu regeln. Sie ist damit nicht zur gesetzlichen Vertreterin des Klosters bestimmt, sondern ihr ist lediglich die Vollmacht eingeräumt, im Umfang des gesetzlichen Vertreters des Klosters die zivilen Angelegenheiten zu regeln. Als gesetzliche Vertreterin wurde sie gerade nicht eingesetzt, sondern eben nur mit den Befugnissen einer gesetzlichen Vertreterin ausgestattet.
Da die apostolische Kommissarin nicht gesetzliche Vertreterin, sondern bevollmächtigte Vertreterin der Beklagten ist, hätte bei Ausspruch der Kündigung die Vollmachtsurkunde in Urschrift oder Ausfertigung vorgelegt werden müssen. Die diesbezügliche Behauptung der Beklagten wurde von der Klägerin bestritten und von der Beklagten nicht unter Beweis gestellt.
Nachdem die Klägerin die Kündigung mit Schreiben vom 27.09.2019 unverzüglich zurückgewiesen hat, ist sie gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam.
Auf die Frage, ob hinreichende Kündigungsgründe zum Ausspruch der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auswahlfrist vorliegen und ob die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten wurde, kommt es damit gar nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 GKG. Vorliegend wurde der dreifache Bruttomonatsverdienst, den die Klägerin in einem anderweitigem Verfahren in Höhe von € 3.677,89 behauptet hat, angesetzt.
Gegen dieses Urteil ist für die Beklagte das Rechtsmittel gemäß nachfolgender Rechtsmittelbelehrungstatthaft. Für die Klägerin ist ein Rechtsmittel mangels Beschwer nicht gegeben.


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