Arbeitsrecht

Ausbildungsduldung für Armenierin

Aktenzeichen  B 6 K 19.496

Datum:
9.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45639
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 59 Abs. 2, § 60a Abs. 2 S. 4, § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2
VwGO § 113,§ 161 Abs. 2 S. 1
BeschV § 6 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt …, wird abgelehnt.
2. Das Verfahren wird eingestellt.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für ein Klageverfahren auf Erteilung einer Ausbildungsduldung, das inzwischen von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt worden ist. Außerdem ist noch eine Entscheidung darüber zu treffen, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Die Klägerin, eine Jesidin, ist Staatsangehörige der Republik Armenien. Sie lebte seit 1999, zuletzt mit einem Daueraufenthaltsrecht, in der Ukraine. Zusammen mit ihrem ukrainischen Ehemann und ihrer gemeinsamen Tochter, die 2014 zur Welt kam und ebenfalls die ukrainische Staatsangehörigkeit besitzt, reiste sie am 30.09.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik ein. Am 24.11.2015 stellten die Eheleute für sich und ihre Tochter jeweils Asylanträge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) führte für die Klägerin einerseits und ihren Ehemann und ihre Tochter andererseits jeweils gesonderte Verfahren durch. Zur Durchführung ihrer Asylverfahren erhielten die Familienmitglieder jeweils Aufenthaltsgestattungen. Mit Bescheid vom 14.12.2015 wurde ihnen als Wohnsitz die Staatliche Gemeinschaftsunterkunft (Asyl) in … zugewiesen, wo sie bis heute wohnen. Zuständige Ausländerbehörde ist die Regierung von O. – Zentrale Ausländerbehörde, Dienststelle … (ZAB).
Mit Bescheid vom 09.02.2017 lehnte das Bundesamt nach vorheriger Anhörung den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziff. 2), erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zu (Ziff. 1 und 3), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziff. 4), forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland 30 Tage nach dem unanfechtbaren (negativen) Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, wenn sie nicht nach Armenien abgeschoben werden wolle (Ziff. 5) und befristete schließlich das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6).
Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben, die das Gericht mit Urteil vom 03.04.2018 abwies (B 4 K 17.30516). Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.09.2018 ab (Az. 2 ZB 18.31870). Ihre Frist zur freiwilligen Ausreise lief am 26.10.2018 ab.
Mit Bescheid ebenfalls vom 09.02.2017 lehnte das Bundesamt auch den Asylantrag des Ehemannes und der Tochter der Klägerin vollständig ab (Ziff. 1 bis 3), stellte fest, dass keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziff. 4), forderte sie zur Ausreise 30 Tage nach dem unanfechtbaren (negativen) Abschluss des Asylverfahrens auf, andernfalls sie in die Ukraine abgeschoben würden (Ziff. 5) und befristete schließlich das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag das Abschiebung (Ziff.6). Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 30.08.2018 ab (B 4 K 17.30517). Am 06.12.2018 lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung ab (Az. 2 ZB 18.32622).
Wegen der familiären Beziehung zu ihrer Tochter wurde die vollziehbar ausreisepflichtig gewordene Klägerin vom 27.10.2018 bis 08.08.2019 gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geduldet.
Nachdem der Beklagte einen Antrag vom 06.07.2018 auf Genehmigung der Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten mit Bescheid vom 27.08.2018 abgelehnt hatte, hatte die Klägerin, zunächst ohne den Beklagten davon in Kenntnis zu setzen, am 11.09.2018 eine zweijährige (Vollzeit-) Ausbildung zur staatlich geprüften Sozialbetreuerin und Pflegefachhelferin an der Berufsfachschule für Altenpflegehilfe und Sozialpflege in Forchheim begonnen.
Am 07.01.2019 ließ die Klägerin für diese Ausbildung eine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG beantragen. Bei einem Gespräch über die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise am 12.02.2019 wurde die Klägerin darüber belehrt, dass sie und ihre Tochter passpflichtig seien. Am 20.02.2019 gab die Ausländerbehörde der Klägerin ihren am 10.07.2013 ausgestellten armenischen Reisepass, der im Ausland nur fünf Jahre, also bis 10.07.2018, gültig gewesen war, einstweilen zurück, um es ihr zu ermöglichen, dieses Dokument verlängern zu lassen. Am 16.04.2019 forderte der Beklagte die Klägerin auf, diesen Reisepass bis 30.04.2019 zurückzugeben. Dem kam die Klägerin nicht nach. Mit Bescheid vom 21.05.2019 lehnte die ZAB den Antrag auf Ausbildungsduldung vom 07.01.2019 ab. Zur Begründung berief sich der Beklagte darauf, die Klägerin unterliege einem absoluten Erwerbstätigkeitsverbot, weil aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden könnten. Die Klägerin habe zum einen ihren eigenen, ihr ausgehändigten Reisepass nicht verlängern lassen und wieder zurückgegeben. Zum anderen habe sie bei der ukrainischen Auslandsvertretung keinen Reisepass für ihre Tochter beantragt und der Behörde vorgelegt. Damit habe sie erreicht, dass auch sie selbst als sorgeberechtigte Mutter einer Tochter, die nicht abgeschoben werden könne, nicht zurückgeführt werden könne.
Mit Telefax vom 28.05.2019 hat die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben und beantragen lassen,
unter Aufhebung des Bescheides vom 21.05.2019 den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Ausbildungsduldung zu erteilen, hilfsweise ihn zu verpflichten, über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neuerlich zu entscheiden.
Zugleich hat sie, ebenfalls am 28.05.2019 unter Vorlage der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse samt Belegen beantragen lassen,
ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt …, …, beizuordnen.
Zur Begründung führt der sachbearbeitende Rechtsanwalt aus, einer Ausreise stehe entgegen, dass ihr armenischer Reisepass noch verlängert werden müsse und legte den Ausdruck einer E-Mail vor, aus dem sich ergibt, dass die Klägerin sich am 25.04.2019 an die Armenische Botschaft mit der Bitte um einen Termin für die Verlängerung ihres Reisepasses gewandt hat.
Der Beklagte, dem das Gericht eine Frist zur Aktenvorlage und Klageerwiderung bis 18.07.2019 eingeräumt hatte, legte am 02.07.2019 die elektronische Akte vor, so dass das Gericht die beantragte Akteneinsicht am gleichen Tag gewähren konnte. Einen Antrag stellte er nicht und nahm auch zur Klage nicht Stellung.
In einer ausführlichen Stellungnahme an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration vom 20.06.2019 im Zusammenhang mit einer Eingabe des Bayerischen Flüchtlingsrates vom 21.05.2019 führte die ZAB aus, eine Abschiebung der gesamten Familie in die Ukraine werde in absehbarer Zeit rechtlich und tatsächlich möglich sein. Der Vater verfüge über einen gültigen ukrainischen Reisepass; für die Tochter hätten die ukrainischen Behörden einen vom 08.06.2019 bis 08.12.2019 gültigen Heimreiseschein ausgestellt, der der ZAB Mitte Juni 2019 übermittelt werde. Die Klägerin brauche für eine Einreise keinen Heimreiseschein, weil sie in der Ukraine ein unbefristetes Aufenthaltsrecht habe und deshalb mit einem gültigen armenischen Reisepass dort freiwillig oder im Rahmen einer zwangsweisen Rückführung dort einreisen dürfe.
Wie der Beklagte dem Gericht auf Nachfrage telefonisch mitteilte, legte die Klägerin der ZAB am 20.07.2019 ihren bis 10.07.2023 verlängerten Reisepass vor. Nachdem der Ausländerbehörde auch das Jahreszeugnis der Klägerin über ihr 1.Schuljahr an der Berufsfachschule am 31.07.2019 in Händen hatte, das der Klägerin bescheinigt, dass sie in das 2.Schuljahr vorrücken dürfe, kam die ZAB zu der Erkenntnis, dass nunmehr der Erteilung der Ausbildungsduldung nichts mehr entgegenstehe.
Mit Bescheid vom 08.08.2019 hob die ZAB deshalb den Bescheid vom 21.05.2019 auf und erteilte der Klägerin die Ausbildungsduldung bis 31.08.2020 (Ziff. 1 und 2 des Bescheides). Zur Begründung berief sich die Behörde insbesondere darauf, dass die Klägerin nunmehr ihren (verlängerten) Reisepass vorgelegt habe.
Mit Schriftsatz vom 13.08.2019, der per beA am 13.08.2019 übermittelt wurde, gab der sachbearbeitende Rechtsanwalt für die Klägerin eine Hauptsacheerledigungserklärung ab. Mit Schriftsatz vom 12.08.2019, der am 14.08.2019 bei Gericht einging, legte der Beklagte seine Zustimmung zur Hauptsacheerledigungserklärung der Klägerin vor. Er regte an, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen, weil die Versagung der Ausbildungsduldung zunächst rechtmäßig gewesen, bevor erst dann und zwar nach Klageerhebung die erforderlichen Papiere (Reisedokument) vorgelegen hätten.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt. Der Antrag ist unzulässig, weil es für ihn zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, legt das Gericht dem Beklagten die Kosten des Klageverfahrens auf. Der Beklagte ist folglich verpflichtet, der Klägerin die Kosten seiner Rechtsverfolgung zu erstatten. Selbst wenn der Klägerin nachträglich Prozesskostenhilfe bewilligt würde, würde sich seine Rechtsstellung nicht verbessern, so dass der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes fehlt (BayVGH, B. v. 13.11.2015 – 10 CE 15.1950 – juris Rn. 17f.).
2. Die Beteiligten haben die Hauptsache mit den am 13.08.2019 und am 14.08.2019 bei Gericht eingegangenen Erklärungen für erledigt erklärt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
In der Regel entspricht es der Billigkeit, demjenigen die Kosten zu überbürden, der gemessen am Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Darüber hinaus ist jedoch auch zu berücksichtigen, inwieweit die Erledigung durch einen Beteiligten herbeigeführt worden ist. Wer sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begibt, dem dürfen ohne nähere Prüfung der Erfolgsaussichten die Kosten auferlegt werden (Rechtsgedanke des § 155 Abs. 2 VwGO). Stets ist jedoch zu prüfen, ob das „Nachgeben“ nicht letztlich auf einem außerhalb des Einflussbereichs der Beteiligten liegenden Ereignis beruht oder durch eine Handlung des Gegners veranlasst ist. In beiden Fällen rechtfertigt allein das Nachgeben die Kostenbelastung nicht. Insbesondere gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, dass der klaglos stellenden Behörde die Verfahrenskosten aufzuerlegen seien, vor allem dann nicht, wenn sie darauf beruht, dass sich das Rechtslage später geändert oder dass der Kläger neues Tatsachenmaterial beigebracht hat. Nur wenn die Behörde trotz im Wesentlichen unveränderter Sach- und Rechtslage erkennbar ihren Rechtsstandpunkt räumt, hat sie die Kosten zu tragen. Gleiches gilt im Fall der Abänderung einer Ermessensentscheidung (Clausing in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019, § 162 Rn. 24).
a) Bei Verpflichtungsbegehren tritt die Erledigung ein, wenn der erstrebte Ausspruch des Gerichts aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich oder sinnvoll ist und die Klage daher wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen werden müsste. Das ist u.a. dann der Fall wenn die Behörde dem ursprünglich abgelehnten Antrag stattgibt, und zwar selbst dann, wenn sie den Leistungsanspruch unter einer offensichtlich unzutreffenden Annahme erfüllt hat (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 VwGO Rn. 131).
Erledigendes Ereignis war deshalb hier der Erlass des Bescheides vom 08.08.2019, mit dem der Bescheid vom 21.05.2019 aufgehoben, und der Klägerin die beantragte Ausbildungsduldung bis 31.08.2020 erteilt wurde. Offen bleiben kann, ob die Begründung dafür, dass die Klägerin nunmehr einen gültigen Reisepass vorgelegt habe, das Vorgehen des Beklagten in rechtlicher Hinsicht zu tragen vermag.
b) Billigem Ermessen entspricht es, wenn der Beklagte die Kosten zu tragen hat.
aa) Indem der Beklagte der Klägerin die begehrte Ausbildungsduldung erteilt hat, hat er die Erledigung herbeigeführt. Dennoch sind ihm nicht ohne Prüfung der Erfolgsaussichten die Kosten aufzuerlegen. Denn er hat nicht seinen Rechtsstandpunkt geräumt, obwohl sich an der Sach- und Rechtslage nichts geändert hat. Vielmehr hat die Behörde, wie sie auch im Bescheid vom 08.08.2019 ausgeführt hat, die Ausbildungsduldung nunmehr erteilt, weil ihr für die Klägerin seit 20.07.2019 ein verlängerter und damit wieder gültiger Reisepass und für ihre Tochter ein Anfang Juni 2019 von der ukrainischen Auslandsvertretung ausgestellter Heimreiseschein vorlagen. Deshalb sind die Erfolgsaussichten, die die Klage unmittelbar vor dem Eintritt des erledigenden Ereignisses gehabt hätte, mit einzubeziehen.
bb) Stellt man deshalb darauf ab, wer voraussichtlich unterlegen wäre, wäre das Verfahren nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden, erscheint es ermessensgerecht, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen.
Die Klägerin hatte unmittelbar vor Erlass des Bescheides am 08.08.2019 einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung.
aaa) Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf in Deutschland aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Abs. 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sieht vor, dass einem geduldeten Ausländer die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden darf, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihm zu vertretenden Gründen bei ihm nicht vollzogen werden können.
Diese Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung müssen grundsätzlich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bzw. hier unmittelbar vor dem erledigenden Ereignis vorliegen. Nur hinsichtlich der Voraussetzung ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen bevorstehen, ist abweichend davon auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Ausbildungsduldung für eine konkret bezeichnete Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise beantragt wurde (BayVGH, B. v. 22.01.2018 – 19 CE 18.51 – NVwZ-RR 2018, 588/589f. Rn.18; seither st. Rspr.).
Nicht anwendbar auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung ist dagegen § 5 Abs. 1 AufenthG, der nur für die Erteilung von Aufenthaltstiteln gilt. Deshalb lässt sich aus dieser Norm auch nicht ableiten, dass die Sicherung des Lebensunterhalts nachgewiesen, die Identität geklärt und die Passpflicht erfüllt sein muss (zur Passpflicht vgl. OVG Magdeburg, B. v. 17.04.2019 – 2 O 152/18 – juris Rn. 24; Eichler, Asylmagazin 2017, 177/182).
Allerdings ist auch ein Ausländer, der eine Ausbildungsduldung beantragt hat, gemäß § 49 Abs. 2 AufenthG verpflichtet, gegenüber der Ausländerbehörden die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu machen. Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass die persönlichen Angaben des Ausländers unzutreffend sind, hat die Behörde ihn aufzufordern, Nachweise zu erbringen, die bestätigen, dass die Angaben richtig sind (Fleuß, Verwaltungsarchiv 2018, 261/269). Reichen andere Identitätspapiere dazu nicht aus, kann die Vorlage eines Reisepasses verlangt werden, damit vor Erteilung der Ausbildungsduldung insbesondere seine Identität abgeklärt werden kann. 
bbb) Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung ist eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BeschV, auf den zur Konkretisierung des Begriffs in § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zurückzugreifen ist, liegt eine qualifizierte Berufsausbildung vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt Das ist bei der von der Klägerin betriebenen Ausbildung zur staatliche geprüften Sozialbetreuerin und Altenpflegehelferin in Vollzeitform der Fall. Nach Angaben der Berufsfachschule für Sozialpflege ist der Beruf darüber hinaus ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf (zur Ausbildung zum Sozialbetreuer so auch VG Bayreuth, B. v. 09.03.2017 – B 4 E 17.116 – juris Rn. 31; rkr.).
ccc) Die Klägerin hat im Einklang mit den für sie geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen ihre Ausbildung aufgenommen.
Sie hat sich an ihrem Ausbildungsplatz eingefunden und inzwischen das erste Schuljahr bereits erfolgreich absolviert. Einer asyl- oder ausländerrechtlichen Gestattung oder Erlaubnis bedurfte die Klägerin, deren Aufenthalt zunächst gestattet und anschließend geduldet war, für die rein schulische Ausbildung an der Berufsfachschule anders als es bei einer betrieblichen Ausbildung erforderlich gewesen wäre, nicht (VG Bayreuth, B. v. 09.03.2017 – B 4 E 17.116 – juris Rn. 31). Auch ihre Verpflichtung, in … zu wohnen, hielt die Klägerin ein, als sie ihre Ausbildung bei der Berufsfachschule in der Stadt … antrat.
ddd) Darüber hinaus war § 60a Abs. 6 AufenthG nicht zu ihren Lasten anzuwenden.. Die zwangsweise Beendigung des Aufenthalts der Klägerin kam schon deshalb nicht in Betracht, weil das Bundesamt der Klägerin bislang die die Abschiebung zwar nach Armenien, nicht aber in die Ukraine angedroht hatte.
Gemäß § 60 a Abs. 2 Satz 4 AufenthG i. V. m. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, darf eine Ausbildungsduldung nicht erteilt werden, wenn bei einem Ausländer aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können.
Zu vertreten hat der Ausländer neben den in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und der falschen Angaben grundsätzlich auch die mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung, weil die Weigerung, an der Passbeschaffung mit zu wirken, im Ergebnis eine Aufenthaltsbeendigung nicht weniger behindert, so dass es gerechtfertigt ist, sie aktivem Handeln gleichzustellen (BayVGH, B. v. 07.05.2018 – 10 CE 18.464 – juris Rn. 10f.). Nicht verlangen kann die Ausländerbehörde dabei die Vorlage eines echten gültigen Reisepasses. Ausreichend ist vielmehr ein Nachweis über die Bemühungen, einen Pass zu erlangen (Eichler, Asylmagazin 2017, 177/182).
Die mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung muss aber alleinige Ursache dafür sein, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Kommt daher eine Abschiebung schon aus anderen, nicht in den Verantwortungsbereich des Ausländers liegenden Gründen nicht in Betracht, ist die Vorschrift nicht anwendbar (Kluth/Breidenbach in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 01.05.2019, § 60a AufenthG Rn. 55).
Das ist hier der Fall, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin in ausreichendem Maße bei der Beschaffung eines gültigen Reisepasses mitgewirkt hat.
Gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 2 AufenthG soll in einer vom Bundesamt erlassenen Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist.
Der Hinweis auf einen anderen als den ausdrücklich bezeichneten Zielstaat weist selbst keinen regelnden Charakter auf, sondern soll den Ausländer lediglich schützen und warnen, indem er ihm klarmacht, dass er ohne erneute Abschiebungsandrohung in einen später noch zu bezeichnenden anderen Staat abgeschoben werden .Solange das ausschließlich dafür zuständige Bundesamt nicht einen anderen Staat durch Konkretisierung des Hinweises als Zielstaat der Abschiebung ordnungsgemäß bezeichnet hat, darf der Ausländer nicht in einen anderen als den ausdrücklich bezeichneten Zielstaat abgeschoben werden (VGH Mannheim, B. v. 13.09.2007 – 11 S 1684/07 – juris Rn. 7-11 = NVwZ-RR 2008, 62 Ls.).
Im unanfechtbaren Bescheid vom 09.02.2017 hatte das Bundesamt die Abschiebung der Klägerin nach Armenien angedroht und darauf hingewiesen, sie könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist. Da der Ehemann und die fünfjährige Tochter der Klägerin ukrainische Staatsangehörige sind, die Familie vor ihrer Einreise ins Bundesgebiet zusammen dort gelebt hat und die Klägerin über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in der Ukraine und dort mit einem gültigen armenischen Reisepass einreisen darf, hat die Ausländerbehörde, wie sich insbesondere aus dem Vermerk über das Ausreisegespräch am 12.02.2019 ergibt, zu Recht, falls erforderlich, eine Abschiebung der gesamten Familie in die Ukraine ins Auge gefasst.
Bevor eine Abschiebung in die Ukraine hätte durchgeführt werden können, hätte das Bundesamt in einem weiteren Bescheid die Ukraine als weiteren Zielstaat einer Abschiebung (auch) der Klägerin bestimmen müssen. Da dies bisher nicht geschehen ist, konnten schon aus diesem von ihr nicht zu vertretenden Grund aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei der Klägerin nicht vollzogen werden.
eee) Weiterhin standen keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevor, als die Klägerin am 07.01.2019 unter Vorlage entsprechender aussagekräftiger Unterlagen eine Ausbildungsduldung beantragen ließ.
fff) Schließlich bestanden auch keine begründeten Zweifel am Alter, der Identität oder der Staatsangehörigkeit der Klägerin. Die Klägerin hatte ihren, bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland am 10.07.2018 abgelaufenen, Reisepass, der als Identitätspapier für Staatsangehörige Armeniens geeignet ist, wenn auch zögerlich, am 10.07.2019 verlängern lassen, und am 20.07.2019 der Ausländerbehörde erneut vorgelegt. Dabei haben sich ihre bisherigen Angaben, die sie bereits zuvor durch die Vorlage ihres bisherigen, dann aber abgelaufenen) Reisepasses nachgewiesen hatte, als richtig bestätigt.
4. Als unterliegender Teil trägt der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, § 52 Abs. 2 GKG. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Ausbildungsduldung rechtfertigt den Ansatz des Auffangwertes in voller und nicht nur in halber Höhe (BayVGH, B. v. 30.01.2019 – 19 CE 18.1725 – juris Rn. 27).

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