Arbeitsrecht

Außerordentliche Kündigung eines ordentlichen Mitgliedes der Personalvertretung wegen unautorisierten Zugriffs auf vertrauliche Daten

Aktenzeichen  AN 8 P 17.02009

Datum:
12.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154523
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 47 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Zustimmung des Personalrates gemäß Art. 47 Abs. 2 BayPVG zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des … wird ersetzt.
II. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
III. Der Gegenstandswert beträgt 5.000 EUR.

Gründe

I.
Der Antragsteller und die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Beteiligten zu 1 zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines ordentlichen Mitgliedes der Personalvertretung.
Mit Schreiben vom 18. September 2017 beantragt der Dienststellenleiter der Sparkasse … im Wege des Beschlussverfahrens gemäß Art. 47 Abs. 2 BayPVG die Zustimmung des Personalrates zur außerordentlichen Kündigung, hilfsweise zur außerordentlichen Änderungskündigung des Personalratsmitgliedes und Schwerbehindertenvertreters … bei der Sparkasse … zu ersetzen. Diesem Antrag liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Der Beteiligte zu 2 ist am …1966 geboren, verheiratet, ein Kind, und seit 1. April 1987 bei der Sparkasse … beschäftigt. Er ist seit Februar 1992 als Mitarbeiter der Organisation/Gruppe EDV-Organisation beschäftigt und in der Entgeltgruppe EG 9A/5 eingruppiert und Mitglied des Personalrates.
Zur Begründung der außerordentlich verhaltensbedingten Kündigung aus wichtigem Grund trägt der Antragsteller vor, bei dem Beteiligten zu 2 bestehe ein Sonderkündigungsschutz wegen Schwerbehinderung nach § 85 SGB IX, Art. 47 Abs. 1 BayPVG und nach § 96 Abs. 3 SGB IX i.V.m. Art. 47 Abs. 1 BayPVG. Er sei seit Februar 1992 Mitarbeiter der Abteilung Organisation in der Sparkasse. Er verfüge im Rahmen seiner Aufgabe als IT-Administrator in der Abteilung Organisation/Gruppe EDV-Organisation über umfangreiche Administratorenrechte für die gesamte elektronische Datenverwaltung der Sparkasse … Bei einer routinemäßigen Überprüfung durch den Informationssicherheitsbeauftragten der Sparkasse sei am 4. August 2017 in den Reports vom 3. August 2017 festgestellt worden, dass der Beteiligte zu 2 in seiner Funktion als IT-Administrator ohne dienstlich notwendigen Anlass mehrfach auf Dateiverzeichnisse, die überwiegend einer hohen Vertraulichkeit unterlägen (konkret: Dateien Vorstandssekretariat, insbesondere Protokoll der Vorstandssitzungen, Dateien Abteilung Personal), zugegriffen habe. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts sei am 11. August 2017 bei der Finanzinformatik, dem EDV-Dienstleister der Sparkassen, angefragt worden, ob festgestellt werden könne, ob die Dateien durch den Beteiligten zu 2 auch geöffnet worden seien. Die Finanzinformatik habe mitgeteilt, sie könne das nicht mit absoluter Sicherheit feststellen. Der Beteiligte zu 2 habe das Öffnen der Dateien allerdings in dem Gespräch mit seinem Vorgesetzten am 17. August 2017 bestätigt. Dieser habe den Beteiligten zu 2 über den Tatbestand der unberechtigten Zugriffe auf vertrauliche Dateien informiert. Der Beteiligte zu 2 habe in dem Gespräch zugegeben, dass er die Zugriffe getätigt habe. Ebenfalls zur weiteren Sachaufklärung sei am 18. August 2017 die Abteilung Interne Revision vom Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse mit der Prüfung des Sachverhalts beauftragt worden. Der Prüfbericht sei dem Vorstandsvorsitzenden mit Datum vom 22. August 2017 vorgelegt worden. In diesem Bericht sei Stellung genommen zu dem online überprüfbaren Zeitraum der Zugriffe vom 27. Juli bis 20. August 2017. Dieser Revisionsbericht sei als Anlage 5 beigelegt.
Außerdem liege ein Verstoß gegen die vom Beteiligten zu 2 unterzeichnete Verpflichtungserklärung für EDV-Nutzer vor. Dem Beteiligten zu 2 seien am 18. August 2017 aufgrund der vorstehend genannten Schilderungen aus Sicherheitsgründen und zur Vermeidung weiterer unberechtigter Zugriffe die Administratorenrechte entzogen worden. Er habe den Personalratsvorsitzenden am 18. August 2017 persönlich über die Vorfälle informiert. In einem weiteren Gespräch vom 21. August 2017 zwischen seinem direkten Vorgesetzten, dem Gruppenleiter EDV-Organisation und der Abteilungsleiterin Personal habe der Beteiligte zu 2 angegeben, dass er die Dateien, auf die der Zugriff erfolgt sei, zwar nicht auf Doppelklick geöffnet, aber im Vorschaufenster angesehen habe.
Am 22. August 2017 habe nach einer Beratung der Vorfälle in der Vorstandssitzung ein Gespräch zwischen dem Vorstandsvorsitzenden und dem Beteiligten zu 2 sowie dem stellvertretenden Abteilungsleiter der Internen Revision und der Abteilungsleiterin Personal stattgefunden. In diesem Gespräch sei der Beteiligte zu 2 zum Sachverhalt angehört worden. Er habe sich dabei ausdrücklich für sein Verhalten entschuldigt. Dabei aber auch zur Sprache gebracht, dass er bereits seit einem längeren Zeitraum (zumindest seit einem Jahr) unberechtigt Dateien über den Vorschaumodus angeschaut habe.
Der Dienststellenleiter habe die Schwerbehindertenvertretung mit Schreiben vom 22. August 2017 und in einem persönlichen Gespräch am 23. August 2017 gemäß § 95 Abs. 2 Satz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zum Sachverhalt und der beabsichtigten Kündigung angehört. Deren Stellungnahme datiere vom 25. August 2017.
Die Sparkasse habe am 28. August 2017 beim Zentrum Bayern Familie und Soziales der Region …, Integrationsamt, fristgerecht einen Antrag auf Zustimmung zur fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, hilfsweise zur Änderungskündigung des Beteiligten zu 2 gestellt. Das Integrationsamt habe dem Antrag mit Entscheidung vom 11. September 2017 zugestimmt. Dieser Bescheid sei der Sparkasse am 15. September 2017 zugegangen. Der Antrag auf Zustimmung zur hilfsweisen außerordentlichen fristlosen Kündigung sei abgelehnt worden. Hiergegen werde von Seiten der Sparkasse Widerspruch und gegebenenfalls Klage eingereicht werden.
Mit Antrag vom 11. September 2017, beim Personalrat eingegangen am 12. September 2017, habe der Dienststellenleiter den Personalrat gemäß Art. 47 Abs. 2, Art. 77 Abs. 3, Art. 75 Abs. 1 Nr. 5 BayPVG über die beabsichtigte außerordentliche verhaltensbedingte fristlose Kündigung, hilfsweise außerordentliche Änderungskündigung unterrichtet und um Zustimmung gebeten. Laut Protokoll vom 18. September 2017 habe der Personalrat seine Zustimmung verweigert.
Der Beteiligte zu 2 sei vom 23. August 2017 bis 13. September 2017 im Erholungsurlaub gewesen. Nach Rückkehr aus dem Erholungsurlaub habe der Dienststellenleiter den Beteiligten zu 2 zur Vermeidung weiterer Pflichtwidrigkeiten ab dem 14. September 2017 bis auf Weiteres vom Dienst freigestellt.
Nach Auffassung des Dienststellenleiters ergebe sich zu Gunsten des Beschäftigten, dass er geständig gewesen sei und die Pflichtverstöße unumwunden eingeräumt habe, dass sein Arbeitsverhältnis seit vielen Jahren unbelastet bestanden habe, dass Unterhaltspflichten gegenüber Ehefrau und einem minderjährigen Kind bestünden, dass er auf Grund des Alters und gegebenenfalls der Schwerbehinderung Schwierigkeiten bei der Suche einer Anschlussbeschäftigung haben werde, ein materieller Schaden für die Sparkasse nicht erkennbar sei und ein konkreter Anhaltspunkt für eine Verwendung der gewonnenen Informationen innerhalb oder außerhalb des Hauses nicht bestehe.
Zu Lasten des Beschäftigten stehe, dass er eine besondere Stellung im Unternehmen als IT-Systemadministrator habe, die Administratorenrechte ein erhebliches Destruktionspotential in sich bergen, gerade das Ausspähen von Dateien des Vorstandes, des Vorstandssekretariates und der Personalabteilung besonders heikel sei, dass der Beteiligte zu 2 auch Personalratsmitglied und Schwerbehindertenvertreter sei und in dieser Funktion besonderes Vertrauen genieße sowie eine Vorbildfunktion im Betrieb habe, dass unklar sei, ob er seine Erkenntnisse aus den unbefugten Datenzugriffen gegebenenfalls auch für seine Ämter verwendet habe, das Bekanntwerden dieser Umstände zu einem Imageschaden und zu einem Akzeptanzproblem für die Arbeitnehmer- und Schwerbehindertenvertretung führe, dass dem Beteiligten zu 2 die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst gewesen sei und ihm letztlich aus seiner Personalratstätigkeit bekannt sei, dass der IT-Sicherheitsbeauftragte regelmäßige Reports der Finanzinformatik über Datenzugriffe erhalte.
Der Antragsteller beantragt deshalb in der mündlichen Anhörung,
die Zustimmung des Personalrates gemäß Art. 47 Abs. 2 BayPVG zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des … zu ersetzen.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Personenstandsdaten seien im Wesentlichen richtig wiedergegeben worden. Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts sei aber klarzustellen, dass von einem Öffnen der Dateien nicht die Rede sein könne, es sei lediglich insoweit ein Zugriff eingeräumt worden, dass der Beteiligte zu 2 im Vorschaufenster gelesen habe. Hinzuweisen sei auf das Schreiben der Schwerbehindertenvertretung vom 22. August 2017, wonach dem Beteiligten zu 2 eine Weiterbeschäftigung unter Begrenzung der Administratorenrechte möglich sei und er seiner derzeitigen Tätigkeit zu 95 von 100 damit nachgehen könne.
Gerügt werde im Übrigen, dass der Personalrat nicht fristgerecht angehört worden sei. Der vermeintliche Kündigungsgrund sei bereits am 22. August 2017 dem Antragsteller bekannt gewesen. Ab diesem Zeitpunkt sei die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB angelaufen und habe deshalb spätestens am 15. September 2017 geendet. Eine Anhörung sei aber erst mit Schreiben vom 11. September 2017, zugegangen am 13. September 2017, erfolgt. Eine solche Fristversäumung sei auch dann zu konstatieren, wenn das Gericht wider Erwarten davon ausgehe, dass der Antragsteller zunächst die Zustimmung des Integrationsamtes abwarten und anschließend die Zustimmung des Personalrats beantragen durfte. Die Kündigung gegenüber dem Beteiligten zu 2 müsse unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erfolgen, sofern die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB bereits abgelaufen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes müsse die Kündigung daher zwingend am Tag nach der Bekanntgabe der Entscheidung erfolgen. Diese Entscheidung sei dem Antragsteller vorab fernmündlich mitgeteilt worden, so dass die Kündigung am 12. September 2017 hätte ausgesprochen werden müssen. Die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung sei beim Beteiligten zu 1 aber nicht am Tag nach der Bekanntgabe der Entscheidung, sondern erst am 13. September 2017 beantragt und am 15. September 2017 nochmals ergänzt worden.
Letztlich sei höchst vorsorglich vorzutragen, dass auch kein die außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliege. Eine einschlägige erfolglose Abmahnung sei unter Berücksichtigung des Ultima-Ratio-Grundsatzes zwingende Voraussetzung für eine fristlose Kündigung. Eine solche liege nicht vor. Der Beteiligte zu 2 habe den Zugriff eingeräumt, wobei er sich aber lediglich im Vorschaufenster die Dateien angesehen habe. Für eine Wiederholungsgefahr gebe es deshalb keine Anhaltspunkte.
Der Beteiligte zu 2 beantragt ebenfalls, den Antrag abzuweisen.
Auch er ist der Auffassung, dass die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht eingehalten worden sei. Der Antragsteller habe bereits am 17. August 2017, spätestens aber am 22. August 2017 Kenntnis von allen Tatsachen, auf die er seine Kündigungsabsicht stütze, erhalten. Der Antrag auf Zustimmung der Kündigung sei aber erst am 13. September 2017 beim Personalrat eingegangen.
Der an die Fachkammer für Personalvertretungsangelegenheiten des Landes beim Verwaltungsgericht Ansbach gerichtete Schriftsatz vom 18. September 2017 sei per Einwurf-Einschreiben übersandt worden, jedoch nicht vorab per Telefax übermittelt worden. Beim Verwaltungsgericht Ansbach sei dieses Schreiben erst am 26. September 2017 eingegangen, also über eine Woche nach Erhalt der Mitteilung des Personalrates. Damit könne von einer unverzüglichen Antragstellung nicht mehr die Rede sein.
Letztlich bestreitet auch der Beteiligte zu 2 eine Wiederholungsgefahr.
In seiner Erwiderung vom 16. November 2017 teilt der Antragsteller mit, dass der Beteiligte zu 2 IT-Administrator gewesen sei und eine Ausübung seiner Tätigkeit ohne Administratorenkennung absolut unmöglich sei. Das für ein Arbeitsverhältnis unbedingt erforderliche Vertrauen und die unabdingbare Verlässlichkeit könne nicht lediglich durch Entzug der Administratorenrechte wieder hergestellt werden. Insoweit seien die Ausführungen des Beteiligten zu 1 unzutreffend.
Letztlich listet der Beteiligte zu 2 in einer Stellungnahme vom 1. Dezember 2017 im Wesentlichen seine bisherigen Aufgaben in der EDV-Abteilung auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verfahrensakte Bezug genommen. Wegen des Verlaufs der mündlichen Anhörung vom 12. Dezember 2017 wird auf die Niederschrift verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet. Die Zustimmung des Beteiligten zu 1 zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2 wird im Wege des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens ersetzt (Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayPVG).
Der Antrag ist zulässig.
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Frage, ob auf Antrag des Dienststellenleiters gegenüber dem Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung erteilt werden muss.
Dieser an das Verwaltungsgericht gerichtete Antrag ist formgerecht und auch sonst zulässig, weil der Antragsteller kündigungsberechtigt ist und der Beteiligte zu 1 seine Zustimmung gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayPVG verweigert hat.
Insbesondere ist auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Kündigungsberechtigte von allen für die Kündigung maßgebenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Besitzt der Arbeitgeber Anhaltspunkte für einen Verdacht, der zur fristlosen Kündigung berechtigen kann, ist er gehalten, Ermittlungen anzustellen und den Arbeitnehmer anzuhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Die Ausschlussfrist beginnt folgerichtig nicht bevor diese Ermittlungen abgeschlossen sind. Der Dienstherr muss dann binnen zwei Wochen kündigen, wenn er einen bestimmten Kenntnisstand eines Sachverhaltes für ausreichend hält, um eine fristlose Kündigung auszusprechen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt auch keinesfalls vor der pflichtgemäßen Anhörung des Beschäftigten zu laufen, sofern diese Anhörung ohne schuldhafte Verzögerung eingeleitet worden ist (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, RdNrn. 216 und 217 zu § 626 BGB). Mithin ist der Beginn der Frist solange gehemmt, solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhaltes nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Sorgfalt und Eile durchführt (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG Stand: August 2017, Art. 47 RdNr. 93a m.w.N.). Zudem steht es dem Dienstherren im Falle einer Schwerbehinderung beim zu Kündigenden frei, den Antrag auf Zustimmung des Integrationsamtes vor der Beantragung der Zustimmung der Personalrates einzuholen und auch die dortigen Argumente in seine Entscheidung einzubeziehen. Die Fachkammer verlangt im Falle der außerordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Beschäftigten, dem aus mehreren Umständen heraus Kündigungsschutz zur Seite steht, dass der Dienstherr besonders sorgfältig abwägt bevor er seine Entscheidung trifft. Insoweit muss auch der Anlauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt sein.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat der Antragsteller sowohl seinen Antrag auf Zustimmung des Personalrates zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2 beim Beteiligten zu 1 als auch den Antrag auf Ersetzung dieser Zustimmung durch das Verwaltungsgericht bei der zuständigen Fachkammer fristgemäß gestellt.
Am 4. August 2017 hat der Informationssicherheitsbeauftragte der Sparkasse … in den Reports vom 3. August 2017 festgestellt, dass der Beteiligte zu 2 offensichtlich mehrfach ohne dienstliche Veranlassung auf vertrauliche Dateien zugegriffen habe und versucht, diese Erkenntnisse durch Rückfragen bei der Finanzinformatik zu verifizieren. Am 17. August 2017 fand eine erste Anhörung statt, bei dem der Beteiligte zu 2 die Zugriffe auf die vertraulichen Dateien einräumte. Ohne Beanstandung ist, dass am 21./22. August 2017 die Interne Revision mit der Überprüfung des Vorganges beauftrag wurde, damit abzuschätzen war, in welchem Umfang es zu einem Zugriff auf vertrauliche Dateien gekommen sei und welche Auswirkung das habe. Am 21. August 2017 hat ein weiteres Gespräch mit dem Beteiligten zu 2 stattgefunden, in dem dieser nunmehr angab, sich die Dateien „nur“ in einem Vorschaufenster angesehen zu haben. Am 23. August 2017 lag der Revisionsbericht der vor, am selben Tage wurde die Schwerbehindertenvertretung der Dienststelle eingeschaltet, die am 25. August 2017 ihre Stellungnahme abgab. Darauf beruhend stellte der Antragsteller am 28. August 2017 den weiter erforderlichen Antrag an das Integrationsamt. Am 11. September 2017 lag die Zustimmung des Integrationsamtes vor, woraufhin am11./12. September 2017 die Anhörung des Beteiligten zu 1 erfolgte, der am 14. September 2017 die Angelegenheit in der Sitzung des Personalrates behandelte und am 18. September 2017 seine Zustimmung verweigerte. Der Antragsteller hat abschließend alle gewonnenen Erkenntnisse ausgewertet und in seine Ermessensentscheidung eingestellt. Er war auch gut beraten, diese vertraulichen Daten auf dem gewählten Weg an das Verwaltungsgericht zu geben. Wenn ihm hier der Beteiligte zu 1 vorhält, er hätte alle diese persönlichen Daten ausschließlich per Telefax an das Gericht senden müssen, weswegen er nunmehr die Frist versäumt habe, so ist das für die Fachkammer letztlich nicht mehr nachvollziehbar.
Auch die sonstigen Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor.
Der Antrag des Antragstellers, die Zustimmung des Beteiligten zu 1 zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2 gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayPVG zu ersetzen, ist auch begründet. Nach dieser Bestimmung kann das Verwaltungsgericht die Zustimmung des Personalrates zu einer außerordentlichen Kündigung von Mitgliedern des Personalrates auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn der Personalrat seine Zustimmung fristgemäß verweigert hat und die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Unstreitig ist, dass der Beteiligte zu 2 Mitglied des Personalrates ist und der Beteiligte zu 1 seine Zustimmung fristgemäß verweigert hat.
Nach Überzeugung der Fachkammer ergibt sich ein hinreichend wichtiger Grund für die Kündigung im Sinne des § 626 BGB (dazu Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand: August 2014, Art. 47 RdNrn. 56 ff.) daraus, dass der Beteiligte zu 2 über eineinhalb oder aber zwei Jahre hinweg vorsätzlich Zugriff auf vertrauliche Daten genommen hat, allein um – seinen eigenen Angaben zu folgen – seine Neugier, die er über diesen Zeitraum hinweg nicht im Griff gehabt habe, zu befriedigen. Von seinem Zugriff betroffen waren ausgewählte Dateien unter anderem über Vorstandssitzungen, Dateien, die Vorgänge der Personalverwaltung betreffen sowie Dateien mit Angaben von persönlichen Verhältnissen einzelner Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen der Sparkasse. Aus dem Prüfungsbericht der Innenrevision ergeben sich für den ausgewählten Zeitraum 1.430 Protokolleinträge, die dort im Einzelnen zusammengefasst und aufgeführt sind. Der Beteiligte zu 2 hat damit gegen allgemeine und konkrete Dienstanweisungen für Mitarbeiter des EDV-Sachgebietes sowie gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen, wie sie in diesem Prüfungsbericht aufgeführt sind. Ihm war die besondere Vertraulichkeit der Dateien ebenso jederzeit bewusst, wie die von ihm unterzeichnete Verpflichtungserklärung vom 18. März 1996, wonach Zuwiderhandlungen gegen interne Anweisungen arbeitsrechtliche Folgen haben werden. Die vom Antragsteller vorgelegte Übersicht über die Dateien, auf die der Beteiligte zu 2 Zugriff genommen hat, zeigt, dass er gezielt Daten ausgespäht hat, die Vorstandssitzungen betrafen, sich mit Angelegenheiten des Personalrates, dessen Mitglied er ist, befassten oder aber auch persönliche Daten zu einzelnen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen beinhalten. Insbesondere hat sich der Beteiligte zu 2 von seinem grob pflichtwidrigen Verhalten auch nicht dadurch abbringen lassen, dass der Informationssicherheitsbeauftragte noch im Januar 2017 anlässlich einer Personalratssitzung auch ihm das neue Kontrollsystem der Finanzinformatik vorstellte, mit dem zukünftig die Datenzugriffe innerhalb der Sparkasse überwacht würden.
Vor diesem Hintergrund kommt die Fachkammer nach der mündlichen Anhörung zu der Überzeugung, dass für den Antragsteller die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der persönlichen und insbesondere auch der gesundheitlichen Situation der Beteiligten zu 2 – auch übergangsweise – unter keinem Gesichtspunktmehr zumutbar ist und die außerordentliche Kündigung deshalb gerechtfertigt ist.
Folge dieses sich über eineinhalb oder zwei Jahre erstreckenden vorsätzlichen und grob pflichtwidrigen Verhaltens des Beteiligten zu 2 ist ein unüberwindbarer Vertrauensverlust zwischen ihm und dem Antragsteller. Der Beteiligte zu 2 war sich jederzeit bewusst, dass die Sparkasse, die Kenntnis und Zugriff auf persönliche Daten hat und Daten über die wirtschaftliche Situation ihrer Kunden elektronisch gespeichert hat, in einem außerordentlich hohen Maße die Vertraulichkeit dieser elektronisch gespeicherten Informationen sicherstellen muss. Damit einhergeht, dass diese Vertraulichkeit sowohl im Außenverhältnis als auch im Innenverhältnis nicht in Zweifel gezogen werden kann, ohne dass die Dienststelle Gefahr läuft, schweren Schaden zu nehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beteiligte zu 2 als Inhaber von Administratorenrechten in einem ganz besonderen Maße das Vertrauen der Dienststelle, seiner direkten Vorgesetzten, aber auch der sonstigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verletzt hat. Die Einräumung von Administratorenrechten setzt eine außerordentlich hohe Vertrauensstellung voraus, denn diese Rechte bergen die Gefahr inne, dass in einer besonders wirksamen Art und Weise in die Arbeitsabläufe der Dienststelle durch pflichtwidriges Verhalten eingegriffen werden kann. Die eingeräumte Zugriffsmöglichkeit auf höchst vertrauliche und auch auf höchst private Daten setzt zudem ein ganz besonderes Maß an persönlicher Loyalität und Verlässlichkeit voraus. Dem entgegen müssen sich die direkten Vorgesetzten und auch die sonstigen Beschäftigten der Sparkasse … nun in die Situation versetzt sehen, dass auf ihre persönlichen Daten über lange Zeiträume hinweg aus purer eigener Neugier zugegriffen wird. Die Fachkammer lässt deshalb die Frage als nicht mehr entscheidungserheblich offen, ob sich der Beteiligte zu 2 zumindest einige der ausgespähten Dateien, den Personalrat betreffend, deshalb „angeschaut hat“, um sich für seine Personalratstätigkeit an sich nicht zugängliche Informationen unberechtigt zu beschaffen.
Wiederum vor diesem Hintergrund fand sich kein milderes Mittel, diesem sich über eineinhalb oder zwei Jahre erstreckenden vorsätzlichen und grob pflichtwidrigen Verhalten des Beteiligten zu 2 zu begegnen.
Der Antragsteller hat nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund des Ausbildungsstandes, des Vertrauensverlustes und der langjährigen Tätigkeit des Beteiligten zu 2 in der EDV-Abteilung eine Verwendung an anderer Stelle in der Sparkasse …, insbesondere auch im Kundenbereich, nicht (mehr) in Frage kommt. Der Beteiligte zu 2 hat dem nichts Entscheidungserhebliches entgegengesetzt.
Seine Vorstellung, das in ihn gesetzte aber nunmehr verlorene Vertrauen dadurch wiederherzustellen, dass er verspreche, solches zukünftig nicht mehr zu tun, halten der Antragsteller und die Fachkammer für in jeder Hinsicht unzureichend.
Die vom Beteiligten zu 1 aufgeworfene Frage, ob die bloße Entziehung der Administratorenrechte und damit verbunden eine zukünftig verstärkte Kontrolle als ausreichendes milderes Mittel gesehen werden könnten, verneint die Fachkammer. Aus den Stellungnahmen und den Ausführungen des Antragstellers geht nachvollziehbar hervor, dass eine weitere Tätigkeit des Beteiligten zu 2 als IT-Administrator ohne die Administratorenrechte der Stufe A wegen des dann nur noch eingeschränkten Aufgabenbereiches in der Entgeltstufe und auch wegen des nicht wiederherstellbaren Vertrauensverlustes in der EDV-Sachgebiet ohnehin nicht mehr zumutbar ist. Der Dienststellenleiter kann insbesondere nicht verpflichtet werden, an dieser besonderen sensiblen Stelle Personen zu beschäftigen, die von Dritten (ständig) überwacht werden müssen, in der Hoffnung, dass sich in einem nicht absehbaren Zeitraum zeigen könnte, dass der Betroffene sein vorsätzliches auf bloßer Neugier beruhendes rechtswidriges Tun einstellt. Dabei ist der Dienststellenleiter auch den anderen Beschäftigten gegenüber verpflichtet, dass datenschutzrechtliche Vorschriften auch tatsächlich eingehalten werden, insbesondere dort, wo ohne Weiteres Zugriff auf besonders sensible Daten genommen werden kann.
Darüber hinausgehende substantiierte Aussagen dazu, warum der Beteiligte zu 1 gleichwohl die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als zumutbar sieht, finden sich auch nach der mündlichen Anhörung nicht.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist die Fachkammer zur Überzeugung gekommen, dass die beabsichtigte außerordentliche Kündigung auch im Hinblick auf die persönliche, familiäre und soziale Situation als ultima ratio gerechtfertigt ist. Das unter anderem deswegen, weil sich der Beteiligte zu 2 über lange Zeit hinweg in voller Kenntnis der Gefahren, die aus seinem Verhalten resultieren, wissentlich über alle Bedenken selbst hinweggesetzt hat.
In der Zusammenschau aller Gesichtspunkte teilt die Fachkammer mithin im Ergebnis die Auffassung des Antragstellers, dass die Schwere der dienstlichen Verfehlungen, die Länge des Zeitraumes und die Häufigkeit der Vorfälle sowie der massive und nicht lösbare Vertrauensverlust die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 1 zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2 erfordern.
Eine Kostenentscheidung kommt nicht in Betracht (Art. 81 Abs. 2 BayPVG; § 80 Abs. 1 ArbGG und § 2 Absatz 2 GKG).
Die Festsetzung des Gegenstandswertes erfolgt antragsgemäß.


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